Idealer Einstieg in das
Betreuungsrecht
Eine Rezension zu:
Jürgen Seichter
Einführung in das Betreuungsrecht
Ein Leitfaden für Praktiker des Betreuungsrechts, Heilberufe und Angehörige von Betreuten
2., aktualisierte und
überarbeitete Auflage
Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 2003;
318 Seiten, broschiert; 24,95 €
ISBN 3-540-00038-0
http://www.springer.de
Schon knapp zwei Jahre nach der Erstauflage haben Verlag und Autor nun die zweite Auflage dieses Werks auf den Markt gebracht - sicherlich ein Zeichen für den Erfolg
und die Qualität des Buchs. Hinsichtlich seines Inhalts und
Aufbaus kann dabei auf
die
Rezension zur
ersten Auflage sowie auf das darin enthaltene, überaus
positive Fazit (das
übrigens auf dem Buchrücken der zweiten Auflage als Zitat
wiederzufinden ist!)
verwiesen werden. Erfreulicherweise hat
Seichter dabei die
Anregungen des
Rezensenten aufgenommen und bei der Neuauflage berücksichtigt.
Einer der Vorzüge der
Einführung in das Betreuungsrecht
sind die zahlreich
eingestreuten authentischen Fälle aus der Praxis des Autors,
Betreuungsrichter am
Amtsgericht Nidda. Dieses Erfolgsrezept wurde nicht nur
beibehalten, sondern durch
die Einfügung von fünf weiteren Beispielen ausgebaut. Der Leser
bekommt so einen
sehr guten Einblick in die zahlreichen Facetten möglicher
Problemstellungen im
Betreuungsrecht, die sich oftmals in einem rechtlichen
Grenzbereich für
Betreuungsrichter, Betreuer, Angehörige und natürlich Betreute
befinden (siehe etwa
Fallbeispiel 47 auf Seite 147 zur Frage der Verbindlichkeit des
Wunsches auf
Therapiebeendigung). Hierdurch wird deutlich, welch
verantwortungsvolle Arbeit
Menschen in diesem Aufgabengebiet manchmal haben.
Neu aufgenommen wurde weiterhin ein Kapitel über die Auswirkungen
der
Einrichtung einer Betreuung auf die Bankangelegenheiten des
Betroffenen (Kapitel 7,
"Betreuungsrecht und Bankgeschäfte", S. 95 ff.) - ein überaus
praxisrelevantes
Thema, das für so manchen Betreuer oder Bankangestellten
(rechtliche)
Unsicherheiten birgt. Der Autor behandelt diese kurz und prägnant
auf sechs Seiten
mit den Unterkapiteln "Vertretungsbefugnis des Betreuers",
"Einander
widersprechende Verfügungen des Betreuers und des Betroffenen",
"Aufsichtsfunktion des Vormundschaftsgerichts" sowie "Grenzen der
Wirkung
vormundschaftsgerichtlicher Beschlüsse".
Darüber hinaus wurde das Kapitel über den "Aufgabenkreis der
Betreuung" mit
einem Abschnitt über "Angelegenheiten, die dem Betreuer nicht
übertragen werden
können" (also sog. "höchstpersönliche" Angelegenheiten)
vervollständigt. Ergänzt
wurden außerdem u.a. Ausführungen zur PEG-Sonden-Problematik oder
zur
Problematik der Befugnis zur Zwangsbehandlung außerhalb einer
geschlossenen
Unterbringung (in Auseinandersetzung mit der diesbezüglich
maßgeblichen BGH-
Entscheidung vom 11.12.2000 in NJW 2001, 888 ff. und ihrer
Auswirkungen für die
Praxis wird hier ein im Anschluß ergangener Beschluß des OLG
Schleswig vom
25.01.2002 in BtPrax 2002, 126 behandelt). Lobenswert ist auch die
Aufnahme einer
Darstellung rund um die (umstrittene) Befugnis des Betreuers zum
Zutritt zur
Wohnung des Betroffenen gegen dessen Willen.
Nicht berücksichtigt wurde dagegen leider, z.B. im Abschnitt über
Geschäftsunfähigkeit und Einwilligungsvorbehalt (S. 45 ff.), die
im BGB zum 1.8.2002
neu aufgenommene Vorschrift des § 105a BGB, wonach bei sog.
"Geschäften des
täglichen Lebens", die von Geschäftsunfähigen mit geringwertigen
Mitteln bewirkt
werden können und bei denen Leistung und Gegenleistung auch
tatsächlich bewirkt
wurden, die Vertragswirksamkeit fingiert wird. Erst nach
Redaktionsschluß erging
dagegen der im Werk nicht mehr enthaltene Beschluß des BGH vom 17.
März 2003
(Az. XII ZB 2/03) zur Frage, ob eine vormundschaftsgerichtliche
Genehmigung von
Betreuerentscheidungen im Zusammenhang mit lebensverlängernden
Maßnahmen
an einwilligungsunfähigen Patienten notwendig ist (vgl. die
Pressemitteilung des BGH). In der nächsten Auflage wäre daher
der entsprechende Abschnitt "Das Unterlassen lebensverlängender
Maßnahmen zur
Sterbeerleichterung" auf den S. 133 ff. zu aktualisieren.
Daß sich
Seichter wie schon in der Vorauflage außerdem
nicht darauf
beschränkt, den status quo im Betreuungsrecht zu behandeln,
sondern auch zu
Reformvorhaben (kritisch) Stellung nimmt und eigene Vorschläge aus
der Sicht des
Praktikers bringt, zeigt die erhebliche Erweiterung und
Aktualisierung des Kapitels
über die weitere Entwicklung des Betreuungsrechts unter
Einbeziehung des
Zwischenberichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Betreuungsrecht"
vom Juni 2002.
Dabei setzt er sich z.B. mit der vorgeschlagenen Stärkung der
Vorsorgevollmacht
(zustimmend) oder der gesetzlichen Vertretungsbefugnis für
Angehörige (ablehnend)
auseinander. Zu begrüßen ist dabei der Reformvorschlag des Autors,
gesetzliche
Grundlagen für die Frage der Zwangsbehandlung auch ohne
geschlossene
Unterbringung sowie für den Zutritt zur Wohnung des Betroffenen
auch gegen
dessen Willen zu schaffen. Komplettiert werden die Modifikationen
in der zweiten
Auflage durch den bisher fehlenden Abdruck der FGG-Bestimmungen zum
Betreuungs- und Unterbringungsverfahren.
Fazit: Autor und Verlag haben die zweite Auflage
lobenswerterweise dazu
genützt, das Werk von (unwesentlichen) Fehlern zu befreien, weiter
inhaltlich zu
vervollständigen und Ausführungen zu aktuellen Problematiken und
Reformbestrebungen einzufügen. Der überaus positive Gesamteindruck
wurde so
nicht nur aufrecht erhalten, sondern verstärkt, so daß dieses Buch
auf dem besten
Weg ist, zu einem Standardwerk in der betreuungsrechtlichen
Literatur zu werden.
06/03