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Vertrag, Willenserklärung und Rechtsgeschäft
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Laurent Lafleur
Vertrag, Willenserklärung und Rechtsgeschäft
A. VERTRAG
I. Bedeutung
Ein Vertrag
ist eine Willenseinigung zwischen den Vertragspartnern.
Die Bedarfsdeckung im privaten
und wirtschaftlichen Bereich erfolgt vor allem durch Verträge, die
auf den Austausch von Vermögensgütern gerichtet ist. Ein Vertrag
ist auch gegeben, wenn nur eine einseitige Leistungspflicht vorhanden ist,
so ist auch die Schenkung ein Vertrag (§ 516).
II.
Vertragsfreiheit
Vertragsfreiheit
ist die Freiheit eines einzelnen Verträge zu schließen, sie
ist durch Art. 2 I GG verfassungsrechtlich gewährleistet und wird
in § 305 für das BGB konkretisiert.§
Die Vertragsfreiheit beinhaltet
die Abschlußfreiheit (ob und mit wem ein Vertrag geschlossen
wird) und die Gestaltungsfreiheit (der Inhalt des Vertrages
kann innerhalb der vom Gesetz bestimmten Grenzen frei von den Vertragspartnern
bestimmt werden)
III. Begriff
Der Vertrag
ist ein Rechtsgeschäft, das aus inhaltlich übereinstimmenden,
mit Bezug aufeinander abgegebenen Willenserklärungen von mindestens
zwei Personen besteht.
Der Vertrag setzt folgendes
voraus:
-
Willenserklärungen von
mindestens zwei Personen (Angebot und Annahme).
-
Inhaltliche Übereinstimmung
der Willenserklärungen.
-
Willenserklärungen müssen
mit Bezug aufeinander abgegeben werden.
Eine Form ist, soweit vom Gesetzgeber
nicht anders bestimmt, nicht notwendig.
B.§WILLENSERKLÄRUNG
I. Begriff
Die Willenserklärung
ist eine private Willensäußerung, die auf die
Erzielung eines rechtlichen Erfolges gerichtet ist.
Sie besteht aus zwei Elementen,
dem (inneren) Willen (subjektiver Tatbestand) und der Äußerung
(objektiver Tatbestand) dieses Willens. Wille und Erklärung bilden
als Willensäußerung eine Einheit. Der innere Wille wird in :
-
Handlungswillen,
d. h. das Bewußtsein überhaupt zu handeln
-
Erklärungswillen,
d. h. das Bewußtsein des Handelnden, eine rechtserhebliche Erklärung
abzugeben.
-
Geschäftswillen,
d. h. den Willen, mit der Erklärung eine ganz bestimmte, konkrete
Rechtsfolge herbeizuführen
eingeteilt.
Aus diesen Elementen setzt
sich eine fehlerfreie Willenserklärung zusammen. Eine
andere Frage ist jedoch, unter welchen Umständen eine Willenserklärung
zwar fehlerhaft, aber dennoch wirksam sein kann. Nach allgemeiner Meinung
muß der Handlungswille auf jeden Fall vorliegen, ist dieses Tatbestandsmerkmal
nicht gegeben, kann nicht von einer wirksamen§ Willenserklärung
gesprochen werden. Nach allgemeiner Meinung, muß der Geschäftswille
für eine wirksame (wenn auch fehlerhafte) Willenserklärung nicht
vorliegen.
Problem: Fehlen des Erklärungsbewußtseins
(Erklärungswillen) (siehe dazu auch den Aufsatz "Das Erklärungsbewusstsein bei der Willenserklärung" von Patrick Dahm)
Umstritten
ist allerdings, ob bei fehlendem Erklärungsbewußtsein eine wirksame
Willenserklärung vorliegt.
Nach§ einem Teil der
Literatur muß der Erklärende mit sog. aktuellem Erklärungsbewußtsein
handeln.§
-
Dies wird auf die Regelung des
§ 118 gestützt, der einen Fall des fehlenden Erklärungsbewußtseins
regelt.
Nach hM soll es jedoch lediglich
auf ein sog. potentielles Erklärungsbewußtsein
ankommen. Demnach soll es für eine zurechenbare, wirksame Willenserklärung
ausreichen, wenn der Erklärende bei Anwendung der verkehrserforderlichen
Sorgfalt hätte erkennen können, daß sein Partner seine
Erklärung als rechtlich erheblich ansieht.
-
Für diese Ansicht werden
die allgemeinen Grundsätze des Vertrauensschutzes angeführt;
der Vertragspartner muß sich grundsätzlich auf das verlassen
können, was ihm gegenüber unmißverständlich erklärt
wird.
-
Darüber hinaus spricht
auch die Regelung des § 119 I für diese Ansicht; soweit jemand
eine Erklärung abgibt, die er mit diesem Inhalt nicht abgeben wollte,
ist er zunächst gebunden. Um sich von der Erklärung zu lösen,
muß er anfechten. Der hinter § 119 stehende Gedanke treffe auch
auf das fehlende Erklärungsbewußtsein zu.
-
Die Regelung des § 118
wird demgegenüber als nicht verallgemeinerungsfähiger Sonderfall
angesehen.
Der innere Wille verwirklicht
sich in einer Äußerung, die einen Willen zum Ausdruck bringt,
eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Dies ist der Fall, wenn
man von dem erkennbaren Verhalten auf einen dadurch ausgedrückten
Geschäftswillen schließen kann. Dies kann auf verschiedene Arten
geschehen :
-
Die ausdrückliche,
direkte, unmittelbare Willenserklärung drückt den Geschäftswillen
des Handelnden konkret aus.
-
Die konkludente,
indirekte, mittelbare Willenserklärung drückt den Geschäftswillen
durch ein Verhalten aus, das eigentlich einem anderen unmittelbaren Zweck
dient.
1.§Schweigen
als Willenserklärung
In Ausnahmefällen kann
auch ein Unterlassen eine Willenserklärung sein, allgemein ist aber
davon auszugehen, daß aus einem Schweigen keine Willenserklärung
erfolgt. Das Schweigen hat jedoch im BGB in folgenden fünf
Fällen eine rechtserhebliche Bedeutung:
-
Schlüssiges Schweigen,
§ 157§
-
Genehmigung der Hypothekenschuldübernahme,
§ 416 I
-
Billigung nach Fristablauf bei
Probekauf, § 496 2
-
Schenkungsangebotsannahme nach
Fristablauf, § 516 III
-
Erbschaftsannahme nach Ablauf
der Ausschlagungsfrist, § 1943
Hier sollen die Regeln über
die Willenserklärungen entsprechend angewendet werden; es sei nicht
einzusehen, warum der Schweigende an sein Schweigen stärker gebunden
sein solle als der Redende an ein ausdrücklich erklärtes "Ja".
Auch ist die Anfechtbarkeit für den praktisch wichtigsten Fall des
§ 1943 in § 1956 sogar ausdrücklich angeordnet.
Eine Irrtumsanfechtbarkeit
kann allerdings nicht darauf gegründet werden, daß der Schweigende
die seinem Schweigen vom Gesetz zuerkannte Bedeutung nicht
gekannt habe. Hier liegt dann vielmehr ein sog. unbeachtlicher Motivirrtum
vor.
-
§ 119 wolle den fehlerfreien
Willen zur Geltung bringen; die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge des
Schweigens beruhe aber gerade nicht auf dem Willen des Schweigenden.
Im HGB hat das Schweigen in
folgenden drei Fällen eine Bedeutung:
-
Handelsbrauch des kaufmännischen
Bestätigungsschreibens, § 346 HGB
-
Schweigen eines Kaufmanns, dessen
Gewerbebetrieb die Besorgung von Geschäften für andere mit sich
bringt, § 362 I HGB
-
Verstoß gegen Untersuchungs-
und Rügepflicht, § 377 II HGB
Auch können die Parteien
eines Vertrags vereinbaren, daß das Schweigen einer Partei als Annahme
gelten soll. In AGB ist dies allerdings nur in den strengen Grenzen des
§ 10 Nr. 5 AGBG möglich.§
-
Hiernach ist eine Klausel unwirksam,
die dem Empfänger das Schweigen als Erklärungsmittel einseitig
aufdrängt und ihm eine Erklärungspflicht aufgebürdet wird.
2. Schweigen als Ablehnung
Soweit das Schweigen als
Ablehnung
gilt, § 108 II 2, § 177 II 2, § 415 II 2, sind die Regeln
über die Willenserklärungen nicht, auch nicht analog anwendbar.
-
Medicus begründet dies
damit, daß die Rechtsfolge des Schweigens auch unvermeidbar dann
einträte, wenn ein erklärtes "Nein" nichtig oder anfechtbar wäre,
da auch die Nichtigkeit oder Anfechtung eines erklärten "Nein" noch
kein "Ja" bedeuten würden, sondern erst den Weg dahin frei machen.
Zu einem "Ja" sei es aber in den gesetzlich geregelten Fällen nach
Ablauf der Frist zu spät.§
II. Arten
Man unterscheidet zwischen
zwei Arten von Willenserklärungen:
-
Empfangsbedürftige
Willenserklärungen sind die Willenserklärungen, die an eine andere
Person gerichtet sind.
-
Nicht empfangsbedürftige
Willenserklärungen sind nicht an eine andere Person gerichtet (Testament).
III. Abgrenzung
Willenserklärungen sind
von Realakten und geschäftsähnlichen Handlungen
zu unterscheiden.
Realakte
sind Handlungen, die unabhängig vom Willen des Handelnden Rechtsfolgen
haben§§§§§§§ (§ 950, das Handeln
bei der Auslobung).
Geschäftsähnliche
Handlungen sind Willensäußerungen, die Rechtsfolgen
besitzen, auch wenn diese nicht vom Handelnden gewollt wurden (Mahnung,
Abmahnung, Androhung des Selbsthilfeverkaufs).
C. ABGABE UND ZUGANG DER
WILLENSERKLÄRUNG
I. Interessenlage
Zu einer gültigen Willenserklärung
reicht die Existenz einer solchen alleine regelmäßig nicht aus,
sie muß dem Empfänger auch zugehen. Da dieser
Empfänger bei der Erklärung auch abwesend sein kann, sich aber
auf eine eventuell neue Rechtslage vorbereiten muß, muß der
Gesetzgeber regeln, ab wann eine Willenserklärung als zugegangen gilt.§
-
Absendungstheorie: Abgabe und
Wirksamkeit der Willenserklärung fallen zusammen.
-
Vernehmungstheorie: Zeitpunkt
der Kenntnisnahme durch den Empfänger.
Diese beiden Theorien sind jedoch
sehr unausgewogen, in dem einen Fall wird der Erklärende
zu sehr bevorzugt, im anderen der Empfänger. Das BGB geht daher von
der Empfangs- oder Zugangstheorie aus (§ 130 I 1). Die
Willenserklärung gilt als wirksam, sobald sie in die Sphäre des
Empfängers eindringt. Fehler auf dem Wege zum Empfänger gehen
zu Lasten des Erklärenden, sobald die Erklärung in die Sphäre
des Empfängers gelangt, kann davon ausgegangen werden, daß er
sie zur Kenntnis nehmen kann, die Kenntnisnahme selbst ist jedoch nicht
erforderlich.
II. Abgabe der Willenserklärung
1. Voraussetzungen
Unterscheidung zwischen nicht
empfangsbedürftigen und empfangsbedürftigen Willenserklärungen:
Eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung wird regelmäßig
mit der Abgabe (Entäußerung) wirksam. Empfangsbedürftige
Willenserklärungen hingegen müssen nicht nur entäußert
werden, sondern zusätzlich auf den Empfänger gerichtet sein,
und diesem muß es unter normalen Umständen möglich sein,
Zugang zur Erklärung zu haben.§
-
Mündliche Erklärungen
gegenüber Anwesenden gelten als abgegeben, wenn der Empfänger
in der Lage ist sie zu verstehen (gilt auch für Telefon)
-
Mündliche Erklärungen
gegenüber Abwesenden geschehen durch einen Boten
-
Schriftliche Erklärungen
gegenüber Anwesenden gelten als abgegeben, wenn sie durch den Empfänger
entgegengenommen wurden
-
Schriftliche Erklärungen
gegenüber Abwesenden gelten als abgegeben, wenn das Schriftstück
auf den Weg zum Empfänger gebracht wurde und normalerweise mit dem
Zugang beim Empfänger gerechnet werden darf
2. Rechtliche Bedeutung
Bei empfangsbedürftigen
Willenserklärungen ist die Abgabe eine der Voraussetzungen für
die Wirksamkeit. Der Zeitpunkt der Abgabe ist für einige Eigenschaften
des Erklärenden (Tod, Geschäftsunfähigkeit nach § 130
II, aber auch Irrtum nach § 119) relevant.
III.§Zugang
der Willenserklärung
1. Zugang gegenüber
einem Abwesenden
Eine empfangsbedürftige
Willenserklärung wird nach § 130 I S. 1 mit dem Zugang beim Empfänger
wirksam.§
Zugang ist nach hM dann gegeben,
wenn der Empfänger unter normalen Umständen von
der Erklärung Kenntnis nehmen kann; eine tatsächliche
Kenntnisnahme ist also nicht erforderlich. Dafür ist es erforderlich,
daß das Schriftstück in den Machtbereich (Sphäre) des Empfängers
gerät (Briefkasten, Postfach etc.). Unter normalen Umständen
versteht man die Verkehrssitten, es muß dem Empfänger zuzumuten
sein, die Erklärung entgegenzunehmen (kein Anruf mitten in der Nacht).
Der Zugang kann auch über
eine Mittelsperson stattfinden :
-
Beim Empfangsvertreter
ist der Zugang schon gegeben, wenn die Erklärung ihm zugeht, eine
Übermittlung an den Empfänger ist nicht nötig.§
-
Beim Empfangsboten
geht die Erklärung zu dem Zeitpunkt zu, an dem man nach den Verkehrssitten
mit der Weitergabe an den Empfänger rechnen kann.§
-
Beim Erklärungsboten
geht die Erklärung zu, wenn diese dem Empfänger erklärt
wurde.
Die Erklärung kann jedoch
durch einen Widerruf des Erklärenden, der spätestens zeitgleich
mit der Erklärung eintreffen muß,§ trotz des Zugangs unwirksam
sein (§ 130 I 2).
2. Zugang gegenüber
einem Anwesenden
Hier ist keine gesetzliche
Regelung vorhanden, daher wird der Grundgedanke aus § 130 entnommen.§
Schriftliche Erklärungen
gegenüber Anwesenden gelten als zugegangen, sobald sie in den Machtbereich
des Empfängers geraten. Erforderlich ist also, daß der andere
Teil die Verfügungsmacht über die schriftliche
Erklärung erhält.
Mündliche Erklärungen
gegenüber Anwesenden gelten regelmäßig als zugegangen,
sobald der Empfänger sie zur Kenntnis genommen hat (Vernehmungstheorie).§
-
Die Interessen werden durch
diese Theorie jedoch nicht gleich stark vertreten, so müßte
der Zugang schon dann gegeben sein, wenn der Erklärende keinen Zweifel
daran haben kann, daß der Empfänger die Erklärung nicht
verstanden hat.
3. Zugangshindernisse
Es kann zu einer Verweigerung
der Annahme einer Erklärung kommen, hierbei muß man zwischen
der berechtigten Verweigerung, die zu Lasten des Erklärenden geht,
und der unberechtigten Verweigerung, die zu Lasten des Erklärungsempfängers
geht, unterscheiden.§
4. Zugangsverzögerung§
Bei Zugangsverzögerungen
soll nach der früher hM eine Zugangsfiktion gegeben sein; die Erklärung
soll als zugegangen gelten, sobald die den Empfänger ohne das von
ihm geschaffene Hindernis erreicht hätte.
Nach einer neueren Auffassung
soll die Erklärung dagegen erst dann zugegangen sein, wenn sie wirklich
in den neuen Bereich des Empfängers gelangt ist. Allerdings könne
sich der Empfänger nicht auf die von ihm selbst verursachte Verspätung
des Zugangs berufen.
-
Im Gegensatz zu der älteren
Auffassung, nach der die Erkläung kraft der Fiktion des Zugangs in
jeder Hinsicht wirksam geworden ist, so daß er Erklärende gebunden
ist, bleibt der Erklärende nach der neueren Auffassung Herr seiner
Erklärung. Er kann sich entweder weiter um wirklichen Zugang bemühen,
der dann hinsichtlich der Rechtzeitigkeit zurückwirkt oder er kann
auf weitere Bemühungen verzichten und so die Erklärung ungeschehen
sein lassen.
Der Erklärende soll im
Einzelfall verpflichtet sein, auf ein ihm bekanntes Zugangshindernis auf
der Seite des Empfängers Rücksicht zu nehmen.
4. Besondere Fälle
des Zugangs
Die Erklärung gegenüber
Geschäftsunfähigen
wird wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht (§ 131 I).§
Für die Erklärung
gegenüber einem beschränkt
Geschäftsfähigen gilt allgemein das gleiche,§§§§§§§
(§ 131 II 1) jedoch kann eine Erklärung§ wirksam zugegangen
sein, wenn der gesetzliche Vertreter vorher seine Einwilligung erteilt
hat, oder der beschränkt Geschäftsfähige lediglich einen
rechtlichen Vorteil aus der Erklärung erhält.
Die Vorschrift des §
131 II steht allerdings insofern in einem Widerspruch zu
§ 108 III, als daß der von einem beschränkt Geschäftsfähigen
abgeschlossene Vertrag im Rahmen des § 108 III auch dadurch wirksam
werden kann, daß der nunmehr unbeschränkt Geschäftsfähige
den Vertrag genehmigt. Dieses Ergebnis würde aber durch diese fehlende
Möglichkeit im Rahmen des§§§§§§§§§§§
§ 131 II 1 vereitelt. Konstruktiv läßt sich dieses Ergebnis
dadurch vermeiden, daß die Genehmigung des Vertrags nach § 108
III ausnahmsweise auch den Zugang beim Minderjährigen rückwirkend
wirksam macht.
Für Erklärungen
gegenüber einer Behörde gilt nach § 130 III das Gleiche
wie für empfangsbedürftige Willenserklärungen.
Die Zustellung durch einen
Gerichtsvollzieher oder durch das Amtsgericht ist mit dem oben definierten
Zugang gleichzusetzen (§ 132 I u. II).
D. RECHTSGESCHÄFT
I. Begriff
Ein Rechtsgeschäft
besteht aus mindestens einer Willenserklärung, welche die Rechtsordnung
an den Eintritt eines gewollten rechtlichen Erfolges knüpft.
Oft reicht die Willenserklärung
allein nicht aus, um den Tatbestand des Rechtsgeschäft zu erfüllen,
in vielen Fällen müssen noch andere Tatbestandsmerkmale auftreten,
wie z. B. ein Realakt.§§§§§§§ (§
929; Einigung (Willenserklärungen) und Übergabe (Realakt). Die
Rechtsordnung muß das Rechtsgeschäft anerkennen, so ist ein
wucherischer Kaufvertrag nach § 138 II nichtig.
Einseitige Rechtsgeschäfte
enthalten die Willenserklärung einer einzigen Person, z. B. Testament
oder Kündigungserklärung.
Mehrseitige Rechtsgeschäfte
enthalten die Willenserklärungen mehrerer Personen, z. B. Verträge,
Gesamtakte und Beschlüsse.
Gesamtakte
unterscheiden sich von Verträgen dadurch, daß sie zwar auch
mehrere Willenserklärungen enthalten, diese jedoch nicht wechselseitig
sind, sondern gleichlaufende, parallele Erklärungen sind.
Beschlüsse
sind gleichgerichtete Willenserklärungen von mehreren Personen in
einer Gesellschaft oder anderen Vereinigungen. Das Ziel des Beschlusses
ist es, die inneren§ Rechtsverhältnisse der jeweiligen Vereinigung
zu regeln. Ein Beschluß ist bindend, soweit die erforderliche Mehrheit
erreicht worden ist. Die Bestimmungen darüber, in welchen Fällen
welche Mehrheiten nötig sind, ergeben sich aus der Satzung, dem Gesellschaftsvertrag
oder dem Gesetz.
E. ANGEBOT UND ANNAHME
I.§Angebot
Das Angebot
(Antrag, Offerte) ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung.
Somit wird das Angebot erst mit dem Zugang beim Empfänger wirksam.
Durch das Angebot wird einem anderen ein Vertragsschluß angeboten,
dieser Vertragsschluß hängt nur noch von der Zustimmung des
Empfängers ab (Antwort "ja" reicht aus). Das bedeutet, daß ein
Angebot die wesentlichen Punkte des Vertrages beinhalten muß, so
z. B. beim Kauf den Kaufpreis und die Sache (essentialia negotii).
Auch der Vertragspartner muß normalerweise aus dem Angebot zu erkennen
sein. Ist dies nicht der Fall, so muß im Einzelfall entschieden werden,
ob es sich wirklich um ein Angebot, oder nur um eine unverbindliche invitatio
ad offerendum (Schaufenster) handelt.
1. Wirkung
Gemäß § 145
ist der Antragende an seinen Antrag gebunden. Der Empfänger
gerät so in eine rechtlich lediglich vorteilhafte Position
(Geschäftsfähigkeit),
da er sich aussuchen kann, ob er das Angebot annimmt oder nicht. Der Antrag
kann jedoch bis zum Zugang beim Empfänger widerrufen werden (§
130 I S.2). Der Antragende kann seine Gebundenheit jedoch ausschließen
oder befristen. Dazu muß das Angebot jedoch die Ausschließung
oder die Befristung beinhalten.
2. Erlöschen des
Angebots
Angebote erlöschen durch
Ablauf der Frist, durch Ablehnung durch den Empfänger, und in Ausnahmefällen
durch Tod oder Geschäftsfähigen. Die Ablehnung des Antrags (§
146) ist, wie der Antrag selbst, eine empfangsbedürftige Willenserklärung.
Auch wenn das Angebot verändert angenommen wird, handelt es sich um
eine Ablehnung des Antrags, der somit erlischt. Allerdings hat der ursprünglich
Antragende die veränderte Annahme als neues Angebot aufzufassen (§
150 II). Wird ein Angebot nicht rechtzeitig angenommen, erlischt es nach
§ 146. Die Fristbestimmung erfolgt durch den Antragenden oder durch
Gesetz.§ Hat der Antragende dem Empfänger eine Frist zur Annahme
des Angebots gestellt, so hat die Annahme innerhalb dieser Frist zu erfolgen.
Grundsätzlich beginnt die Frist mit der Abgabe des Angebots und endet
mit dem Zugang der Annahme.
Falls der Antragende keine
Frist festgesetzt hat, so gelten die Bestimmungen des § 147 I, II.
Wenn der Empfänger anwesend ist, so hat er den Antrag sofort anzunehmen,
ansonsten erlischt das Angebot (gleiches für Telefon).§
Nach § 147 II ist der
Antrag gegenüber einem Abwesenden solange gültig, wie der Antragende
normalerweise mit einer Antwort rechnen kann. Das ist alles ziemlich schwammig,
es kann aber davon ausgegangen werden, daß der Antragende eine Frist
bestimmen wird, wenn er daran interessiert ist.
Regelmäßig erlischt
ein Antrag nicht mit dem Tode oder der Geschäftsunfähigkeit des
Antragenden. Ausnahmen sind möglich, wenn aus dem (hypothetischen)
Willen des Toten erkennbar wird, daß der Antrag mit seinem Tod erlöschen
sollte (Verbrauchsgüter). Die Annahme ist in diesen Fällen den
Erben oder dem gesetzlichen Vertreter gegenüber abzugeben (§
153,§§§§§§ § 130 II).
Das Erlöschen eines
Antrags macht ihn rechtlich inexistent, dabei spielt es keine Rolle, ob
der Antrag im nachhinein noch angenommen wird. Die verspätete Annahme
gilt jedoch wieder als neues Angebot (§ 150).
Dies gilt auch für Annahmen,
die wegen unregelmäßiger Beförderung verspätet eintreffen.
Der Antragende muß in diesem Fall geschützt werden, allerdings
hat auch der Annehmende ein Recht darauf, zu erfahren, daß seine
Annahme durch Gründe, die er nicht zu verschulden hat, ungültig
geworden ist. Somit ist der Antragende nach § 149 dazu verpflichtet,
dem Annehmenden die (unnatürliche und für ihn als solche erkennbare)
Verspätung unverzüglich anzuzeigen, tut er dies, so erlischt
sein Angebot, andernfalls gilt die Annahme als zugegangen.
II.§Annahme
Die Annahme
ist wie das Angebot eine grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärung.
Die Annahme wird mit dem Zugang beim Antragenden wirksam, sie kann jedoch
nach § 130 I 2 bis zum Zugang widerrufen werden. Die Annahme muß
in bezug auf das Angebot abgegeben werden und muß inhaltlich mit
dem Angebot übereinstimmen, ansonsten ist kein Vertrag zustande gekommen.
Die Annahme kann auch konkludent durch schlüssiges Verhalten erfolgen.
In einigen Ausnahmefällen ist der Zugang der Annahme nicht erforderlich
(§ 151). Dies ist der Fall, wenn nach der Verkehrssitte kein Zugang
erforderlich ist oder wenn der Antragende auf eine Annahme verzichtet;
in beiden Fällen kommt ein wirksamer Vertrag zustande.§
Eine andere Ausnahme liegt
bei der notariellen Beglaubigung, werden Antrag und Annahme zeitlich unabhängig
voneinander beglaubigt, wird die Annahme mit der Beglaubigung, und nicht
erst mit dem Zugang wirksam (§ 152).§
Bei einer privatrechtlichen
Versteigerung kommt der Vertrag durch Zuschlag des Versteigerers zustande,
auch diese Annahme ist nicht empfangsbedürftig§ (§ 156).
1. Wirkung
Wenn die Annahme mit dem
Antrag inhaltlich übereinstimmt und vor dem Erlöschen des Antrags
wirksam wird, so ist ein Vertrag zustande gekommen. Zum Erlöschen
des Angebots, siehe oben.
III. Sonderfälle
1. Option
Durch einen sogenannten Optionsvertrag,
kann einem Vertragspartner das Recht eingeräumt werden, einen Vertrag
ausschließlich mit dem Angebot abzuschließen, eine Annahme
des Vertragspartners ist nicht notwendig (Verlängerung eines befristeten
Mietvertrages, Abonnements).
2. Sozialtypisches Verhalten
Nach einer Auffassung soll
im modernen Massenverkehr ein Vertrag nicht durch Angebot und Annahme,
sondern allein durch tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung
zustande
kommen. Eine solche Inanspruchnahme müsse nach dieser Ansicht nach
ihrer sozialtypischen Bedeutung die Rechtsfolgen rechtsgeschäftlichen
Handelns hervorrufen. Ein Vertrag soll folglich unabhängig von einem
rechtsgeschäftlichen Willen allein durch tatsächliches Verhalten
zustande kommen.
Der Grund für diese
Lehre vom sozialtypischen Verhalten ist die Überwindung von zwei Problemkreisen:
-
Der beschränkt
Geschäftsfähige, der ohne Wissen seiner Eltern eine Leistung
in Anspruch nimmt, soll zur Erbringung der Gegenleistung verpflichtet werden.
-
Der Geschäftsfähige,
der von der Leistung gebraucht macht, soll auch dann zur Gegenleistung
verpflichtet sein, wenn er bei der Inanspruchnahme der Leistung erklärt,
er wolle weder die Leistung erhalten, noch eine Gegenleistung erbringen
(bewachter Parkplatz).
Die Lehre vom sozialtypischen
Verhalten wird jedoch von der ganz hM abgelehnt.§
-
Dies wird zunächst damit
begründet, daß sie keine Stütze im Gesetz finde.§
Denn im Gesetz wird für den Vertragsschluß Angebot und Annahme
verlangt.§
-
Auch wird die Lehre als unnötig
angesehen, da in der Inanspruchnahme meist eine konkludente Willenserklärung
zu sehen ist.§
Die beiden von der Lehre vom
sozialtypischen Verhalten aufgeworfenen Problemkreise sollen vielmehr folgendermaßen
gelöst werden:
Der Minderjährige,
der ohne Zustimmung seiner Eltern von einer Leistung Gebrauch macht, schließt
keinen gültigen Vertrag, so daß er aus Vertrag nicht in Anspruch
genommen werden kann. Soweit die Lehre vom sozialtypischen Verhalten den
Minderjährigen zur Erbringung der Gegenleistung für verpflichtet
hält, verstößt sie gegen den Minderjährigenschutz
des BGB.
Der Geschäftsfähige,
der eine Leistung in Anspruch nimmt, muß die verkehrsmäßige
Bedeutung seines Handelns gegen sich gelten lassen, selbst wenn er sich
dahin äußert, er wolle die Gegenleistung nicht erbringen. Die
sog. protestatio facto contraria ist gem. § 242 unbeachtlich,
da der Handelnde sich damit zu seinem tatsächlichen Verhalten in Widerspruch
setzt.
3. Zusendung unbestellter
Waren
Nach den Grundsätzen
über das Zustandekommen von Kaufverträgen bei Zusendung unbestellter
Waren wird die Annahme der Realofferte (Zusendung) in Gebrauchs-, Verbrauchs-
und Aneignungshandlungen des Empfängers gesehen.
Begründet wird dies
damit, daß diese Verhaltensweisen typischerweise auf das Vorhandensein
eines zumindest latenten Annahmewillens des Empfängers schließen
lassen.
Voraussetzung für die
Anwendbarkeit dieser Grundsätze ist es allerdings, daß die Zusendung
der nicht bestellten Ware aus Sicht des sorgfältigen Empfängers
als Vertragsangebot zu werten ist.
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