A. BEWUßTES ABWEICHEN
VON WILLE UND ERKLÄRUNG
Bei den Fällen der §§
116-118 handelt es sich im Gegensatz zu den anderen Willensmängeln
um bewußte Abweichungen zwischen Willen und Erklärung.
I.§Geheimer
Vorbehalt
1. Voraussetzungen
Ein geheimer Vorbehalt (Mentalreservation)
nach § 116 1 verlangt einerseits, daß der Erklärende eine
Erklärung abgibt, die bewußt von seinem Willen abweicht, und
andererseits, daß der Empfänger diese Abweichung nicht kennt
("böser Scherz").
2. Rechtsfolgen
Kennt der Empfänger
den geheimen Vorbehalt des Erklärenden nicht, so ist die Willenserklärung
nach § 116 1 wirksam. Durchschaut er jedoch die Absicht des Erklärenden,
so bedarf er nicht des Schutzes durch das Gesetz, die Willenserklärung
ist nach § 116 2 nichtig.
II.§Scherzerklärung
1. Voraussetzungen
Eine Scherzerklärung
nach § 118 ist wiederum an einer bewußten Abweichung zwischen
Willen und Erklärung zu erkennen. Jedoch muß die Erklärung§
im Gegensatz zum geheimen Vorbehalt nach § 116 in der Erwartung abgegeben
werden, daß der "Mangel an Ernstlichkeit" vom Empfänger erkannt
werde. Der Erklärende handelt also (auch im Gegensatz zu § 116)
ohne
Täuschungsabsicht.
2. Rechtsfolgen
Jede Scherzerklärung
ist nach § 118 nichtig, auch wenn der Empfänger
auf die Gültigkeit der Willenserklärung vertraut. Nach §
122 I hat der Empfänger jedoch einen Anspruch auf Schadensersatz
gegen den Erklärenden, wenn er auf die Gültigkeit der (nichtigen)
Erklärung vertraut hat, und ihm durch sein Vertrauen ein Schaden entstanden
ist (Vertrauensschaden).§
Der Empfänger kann sich
jedoch nach § 122 II nicht auf Schadensersatz berufen, wenn er die
Nichternstlichkeit der Erklärung kannte oder infolge Fahrlässigkeit
nicht kannte. Erkennt der Erklärende, daß die Scherzerklärung
ernst aufgefaßt wurde, so ist er nach Treu und Glauben dazu verpflichtet
den Empfänger unverzüglich über seinen Irrtum aufzuklären,
ansonsten ist die Erklärung als wirksam anzusehen.§
III.§Scheinerklärung
1. Voraussetzungen
Eine Scheinerklärung
nach § 117 I liegt vor, wenn der Erklärende eine empfangsbedürftige
Willenserklärung einvernehmlich mit dem Empfänger nur zum Schein
abgibt (Schwarzkauf).
2. Rechtsfolgen
Eine Scheinerklärung
ist nach § 117 I nichtig. Der Empfänger bedarf
nicht des Schutzes des Gesetzes, da er laut § 117 I damit einverstanden
sein muß, daß die Erklärung nur zum Schein abgegeben wird.
Wird nach § 117 II ein anderes Geschäft durch ein Scheingeschäft
versteckt, so ist das versteckte Geschäft wirksam, wenn es den Gültigkeitserfordernissen
eines Rechtsgeschäftes entspricht.
B.
DER IRRTUM
I. Verhältnis der
Anfechtung zur Auslegung
1. Anfechtung
Die Anfechtung
ermöglicht es dem Erklärenden, dem ein Irrtum bei seiner Willenserklärung
unterlaufen ist, seine Erklärung rechtlich zu vernichten.
Grundsätzlich sind alle Willenserklärungen anfechtbar, allerdings
bestehen folgende Ausnahmen:
-
Sonderregeln des Erbrechts und
des Familienrechts
-
Beitrittserklärungen zu
Kapitalgesellschaften und zu Genossenschaften
-
Schweigen
als Willenserklärung, wenn über die rechtliche Bedeutung des
Schweigens geirrt wird.
2. Auslegung
Die Auslegung ermittelt den
hinter der Erklärung stehenden Willen. Ist der Erklärungsempfänger
in der Lage, den echten Willen des Erklärenden zu erkennen oder hätte
er ihn bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt erkennen müssen,
so gilt das vom Erklärenden Gewollte. Eine Anfechtung ist also ausgeschlossen.
Kann der Empfänger den echten Willen des Empfängers trotz Anwendung
der ihm zumutbaren Sorgfalt nicht erkennen, so wird die normative
Auslegung angewendet. Das Ergebnis dieser Auslegung muß nicht
mit dem vom Erklärenden Gewollten übereinstimmen. Eine Anfechtung
ist also möglich.
Ausnahmen :
-
Begünstigt der durch die
normative Auslegung ermittelte Wille des Erklärenden ihn im Vergleich
zu seinem echten Willen, so ist eine Anfechtung ausgeschlossen.
-
Erklärt sich der Erklärungsempfänger
dazu bereit, daß das Gewollte gelten soll, ist ein Anfechtung ebenfalls
ausgeschlossen.
II. Irrtumstatbestände
1. Irrtum bei der Willensäußerung
Es gibt zwei verschiedene
Fälle des Irrtums bei der Willensäußerung :
Der§Erklärungsirrtum
nach § 119 I 2. Fall liegt vor, wenn der Erklärende nicht das
erklärt, was er erklären wollte (verschreibt oder verspricht
sich). Der Erklärende benutzt ein Erklärungszeichen, das er nicht
benutzen will.
Der§Inhaltsirrtum
nach § 119 I 1. Fall liegt vor, wenn der Erklärende zwar erklärt,
was er möchte, sich aber über die rechtliche Bedeutung der Erklärung
irrt. Er weiß also nicht was er mit seiner Erklärung erklärt
(Katalogfall). Er benutzt ein Erklärungszeichen, das er benutzen wollte,
irrt sich aber über Sinn und Bedeutung dieses Zeichens. Hierunter
sollen nach hM auch die Fälle des fehlenden Erklärungsbewußtseins
fallen.
Problem: Irrtum über
die Sollbeschaffenheit = Inhaltsirrtum?
Hier ist umstritten,
ob ein Irrtum über die Sollbeschaffenheit einen beachtlichen Inhaltsirrtum
darstellt. Der Streit dreht sich darum, ob ein Inhaltsirrtum vorliegt,
wenn der Gegenstand einer Erklärung nicht die Eigenschaften besitzt,
die er nach Vorstellung des Erklärenden haben soll.
Nach einer Ansicht soll hier
ein Inhaltsirrtum vorliegen.§
-
Dies wird damit begründet,
daß ein Inhaltsirrtum auch dann vorliege, wenn ein Irrtum über
eine Eigenschaft vorliege, wenn die Vorstellung darüber Bestandteil
des rechtsgeschäftlichen Willens ist. Die Beschaffenheit, die eine
Sache nach dem Erklärungstatbestand haben solle, stimme nicht mit
der Beschaffenheit überein, die erklärt werden sollte.
Nach anderer Auffassung (hM)
soll die Anfechtung jedoch in diesem Fall ausgeschlossen sein.§
-
Für diese Ansicht wird
angeführt, daß jeder das Risiko selbst tragen müsse, daß
seine Erwartungen sich nicht erfüllen oder nicht mit der Wirklichkeit
übereinstimmen.§
-
Ferner stimme der Inhalt der
Erklärung mit dem Willen überein, gerade diesen Gegenstand kaufen
zu wollen. Ein Irrtum liege folglich lediglich bezüglich der fälschlich
angenommenen, jedoch nicht in die Erklärung aufgenommenen Eigenschaft
vor. Was außerhalb der Erklärung liege könne nur als unbeachtlicher
Motivirrtum bezeichnet werden.§
-
Durch die Gegenauffassung wird
ferner der Anwendungsbereich des § 119 II ohne Grund eingeschränkt
und gleichzeitig die Anfechtung über nicht wesentliche Eigenschaften
ausgedehnt.§
-
Des weiteren könnten die
Gewährleistungsvorschriften durch die Anerkennung des Irrtums über
die Sollbeschaffenheit umgangen werden.
2.
Unrichtige Übermittlung
Die unrichtige Übermittlung
der Erklärung nach § 120 liegt vor, wenn der Erklärende
zur Übermittlung seiner Erklärung eine Person oder eine Anstalt
beauftragt, und diese die Erklärung falsch übermittelt. Voraussetzungen
für eine Anfechtung nach § 120:
-
Die Übermittlung der Willenserklärung
muß durch eine Anstalt oder eine Person (Erklärungsbote) stattfinden,
der Bote darf keine eigene Willenserklärung abgeben (kein Stellvertreter).
-
Der Bote muß die Willenserklärung
unbewußt unrichtig übermitteln.
3.§Eigenschaftsirrtum
Ein Irrtum bei der
Willensbildung (Motivirrtum) ist grundsätzlich, von der Ausnahme
der erbrechtlichen Anfechtung nach § 2078 II abgesehen, unbeachtlich.
Die Regelung des § 119 II läßt jedoch eine Anfechtung des
sog. Eigenschaftsirrtums zu. Der Eigenschaftsirrtum ist ein
Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder Sache, die im Verkehr
als wesentlich angesehen werden.
Eine Person
im Sinne des § 119 II kann eine der Geschäftsparteien, aber auch
ein Dritter sein, soweit dieser von dem Rechtsgeschäft betroffen ist.§
Eigenschaften
einer Person können z. B. Kreditwürdigkeit, Alter usw. sein,
eine rechtliche Erheblichkeit besitzen die Eigenschaften jedoch nur, wenn
sie in unmittelbarer Beziehung zum Geschäftsinhalt stehen.
Der Begriff der Sache
iSd § 119 II ist nicht im Wortsinn (§ 90), sondern als Bezeichnung
für jeden Geschäftsgegenstand zu verstehen, der nach der Verkehrsanschauung
als verkehrsfähig gilt, folglich fallen unter § 119 II auch Rechte;
erheblich iSd § 119 II sind jedoch nur solche Sachen und Rechte, die
Gegenstand des Geschäftes sind.§
Eigenschaften
einer Sache sind alle wertbildenden Faktoren. Hierunter fallen
nicht nur die auf der natürlichen Beschaffenheit beruhenden Merkmale,
sondern auch die tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen des Gegenstandes
zur Umwelt, die infolge ihrer Beschaffenheit und Dauer auf die Brauchbarkeit
und den Wert von Einfluß sind. Diese Beziehungen müssen allerdings
in der Sache selbst ihren Grund haben, von ihr ausgehen oder sie unmittelbar
kennzeichnen. Entscheidend ist ferner, daß der Irrtum ein gegenwärtiges
wertbildendes Merkmal betrifft. Künftige Merkmale fallen nicht
unter § 119 II. Die irrige Ansicht über die Entwicklung einer
Sache ist also kein Irrtum iSd § 119 II.
Der Wert oder der Preis
des Gegenstandes gehören jedoch nicht dazu, da sie keinen wertbildenden
Faktor darstellen, sondern von den Gegebenheiten des Marktes abhängig
sind (Brox) und damit das Resultat der wertbildenden Merkmale darstellt.
Problem: Ertrag eines
Grundstücks als wertbildender Faktor einer Grundschuld?
Umstritten
ist, ob der Ertrag eines Grundstücks wertbildender Faktor einer Grundschuld
ist.
Nach einer in der Literatur
vertretenen Ansicht soll der Ertrag des Grundstücks als Eigenschaft
der Grundschuld angesehen werden.
-
Dies wird damit begründet,
daß der Ertrag eines belasteten Grundstücks für die wirtschaftliche
Bewertung der Grundschuld ebenso bedeutsam sei, wie für das Grundstück
selbst. Die Sicherheit, welche die Grundschuld dem Grundschuldinhaber biete,
sei auch von dem Ertrag des belasteten Grundstücks abhängig.
Ein Irrtum über den Ertrag des Grundstücks betreffe somit eine
Eigenschaft der Grundschuld.
Nach der Rechtsprechung sollen
die Erträge des Grundstücks hingegen keine Eigenschaften der
Grundschuld darstellen.
-
Dies wird damit begründet,
daß die Erträge den Wert der Grundschuld nur mittelbar kennzeichnen;
sie bestimmen nämlich nur den Wert des Grundstücks, während
sich der Wert der Grundschuld nur nach dem Wert des Grundstücks bemesse.
Die wertbildenden Faktoren müßten aber dem Gegenstand selbst
anhaften, gerade dies sei hier aber nicht der Fall.
Problem: Bestimmung der Verkehrswesentlichkeit
Umstritten
ist, wie die Verkehrswesentlichkeit der Eigenschaft zu bestimmen ist.
Nach der sog. objektiven
Theorie solle hinsichtlich der Beurteilung der Verkehrswesentlichkeit
lediglich auf die Verkehrsanschauung abgestellt werden.
Nach der Lehre vom geschäftlichen
Eigenschaftsirrtum (wohl hM) soll die Eigenschaft hingegen im konkreten
Rechtsgeschäft als wesentlich vereinbart werden, was allerdings auch
stillschweigend möglich sein soll (Geschäftswesentlichkeit).
Verkehrswesentlich sei demnach das, was normalerweise geschäftswesentlich
sei.
3. Ausnahmen von §119
II§
Ausnahmen, bei denen trotz
gegebener Voraussetzungen des § 119 II eine Anfechtung ausgeschlossen
ist:
-
Der Bürgschaftsvertrag
nach § 765 I kann nicht wegen Irrtums über die Zahlungsfähigkeit
angefochten werden.
-
Greifen bei einem Irrtum des
Käufers über eine verkehrswesentliche Eigenschaft die Vorschriften
über die Sachmängelhaftung (§§ 459ff.) ein, so gehen
sie als Spezialvorschriften vor, so daß dem Käufer die Anfechtung
nach§ § 119 II verwehrt ist.
-
Kann sich der Verkäufer
im Wege der Anfechtung der Sachmängelhaftung entziehen, darf auch
er nicht nach § 119 II anfechten. Ihm steht jedoch ein Anfechtungsrecht
zu, wenn sich der Eigenschaftsirrtum nicht auf einen Sachmangel bezieht
oder wenn sicher ist, daß der Käufer keine Mängelansprüche
geltend machen wird.
4. Einzelfälle
a. Irrtum beim Unterschreiben
einer nicht gelesenen Urkunde
Folgende Fallgruppen sind
zu unterscheiden:
-
Hat eine mündliche Einigung
stattgefunden, die schriftlich niedergelegt wird, ist die Urkunde nach
Brox irrelevant, es komme lediglich auf das Gewollte an. Eine Anfechtung
ist daher nicht möglich.
-
Macht der Unterzeichner sich
keine Gedanken über den Inhalt der Urkunde, liegt auch kein Irrtum
vor, eine Anfechtung ist daher auch hier nicht möglich.
-
Glaubt der Unterzeichner eine
andere Urkunde zu unterschreiben, so liegt ein Auseinanderfallen von Wille
und Erklärung vor, so daß ein Anfechtung wegen Erklärungsirrtums
möglich ist.
b. Abredewidrig ausgefülltes
Blankett
Wird ein Blankett abredewidrig
ausgefüllt, so liegt grundsätzlich ein Erklärungsirrtum
vor, da der Unterzeichner eine andere Erklärung wollte, nach Brox
ist jedoch eine Anfechtung ausgeschlossen. Es sind folgende Fallgruppen
zu differenzieren:
-
Füllt der Erklärungsempfänger
das Blankett abredewidrig aus, so kann er sich nicht auf den Text des Blanketts
berufen; es gilt das Gewollte, da der Empfänger in seinem Vertrauen
nicht schutzwürdig ist.
-
Ein Dritter, der das Formular
nicht ausgefüllt hat, ist jedoch im Vertrauen auf das Erklärte
zu schützen, wenn er die abredewidrige Ausfüllung nicht kennt
oder kennen muß. Trotz Erklärungsirrtums ist also auch hier
eine Anfechtung ausgeschlossen. Begründet wird dies mit der fehlenden
Schutzbedürftigkeit des Erklärenden. Ferner wird darauf abgestellt,
daß die Interessenlage mit der Erteilung der Vollmachtsurkunde vergleichbar
sei. Entsprechend der Wertung der §§ 172 II, 173 dürfe sich
auch der Unterzeichner einer Blanketturkunde nicht darauf berufen, die
Urkunde sei abredewidrig ausgefüllt.
c. Rechtsfolgeirrtum
Ein Rechtsfolgeirrtum
liegt vor, wenn der Erklärende über eine Rechtsfolge, die seine
Erklärung auslöst, irrt. Hier sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden:
-
Wurde die Rechtsfolge vom Gesetz
an die Willenserklärung geknüpft und irrt sich der Erklärende
über diese Rechtsfolge, liegt ein unbeachtlicher Motivirrtum vor.
-
Bildet die Rechtsfolge den Inhalt
der Erklärung und irrt sich der Erklärende hierüber, weicht
seine Erklärung von seinem Willen ab, es liegt folglich ein Inhaltsirrtum
vor.
d. Kalkulationsirrtum
Hier irrt der Erklärende
über einen Umstand, den er seiner Berechnung zugrundelegt.
Folgende Fallgruppen sind zu unterscheiden:
aa. Verdeckter, interner
Kalkulationsirrtum
Wird die Kalkulationsgrundlage
dem Erklärungsempfänger nicht offengelegt, handelt es sich um
einen unbeachtlichen Motivirrtum.
-
Dies wird damit begründet,
daß ja gar kein Fall der §§ 119ff. vorliegt.
-
Darüber hinaus wären
auch die Grundlagen der Verkehrswirtschaft gefährdet, wenn sich eine
Partei nachträglich einer Vertragsabrede unter Berufung auf angebliche
interne Kalkulationsfehler entziehen könnte.
bb. Offener, externer Kalkulationsirrtum
Ist die Kalkulationsgrundlage
offengelegt, sollte nach der RG-Rechtsprechung ein Inhaltsirrtum
vorliegen.§
-
Begründet wurde dies damit,
daß durch die Offenlegung der Kalkulationsgrundlage, diese auch Bestandteil
der Erklärung werde.
Dies wird jedoch von der ganz
hM abgelehnt, da Wille und Erklärung sich decken, der Wille lediglich
fehlerhaft gebildet wurde.
-
Darüber hinaus trage auch
derjenige, der aufgrund einer für richtig gehaltenen, in Wirklichkeit
aber unzutreffenden Berechnungsgrundlage einen bestimmten Preis oder eine
Vergütungsforderung ermittelt und seinem Angebot zugrunde legt, auch
das Risiko dafür, daß seine Kalkulation zutrifft. Hieran ändert
sich nach dem BGH auch nichts, wenn die falsche Berechnung auf Fehlern
einer vom Erklärenden verwendeten Software beruht.§
Bei der von der ganz hM vertretenen
Ablehnung einer Anfechtungsmöglichkeit wegen eines Kalkulationsirrtums
bleibt es nach dem BGH auch dann, wenn der Erklärungsempfänger
den Kalkulationsirrtum hätte erkennen können, ohne daß
er ihn positiv erkannt hätte.§ Hier verweist der BGH den Erklärenden
auf die allgemeinen Rechtsinstitute der c.i.c. und der pFV.§
Der Erklärende kann
jedoch auch anders geschützt werden.
-
Ist der Rechenfehler für
den Erklärungsempfänger offensichtlich oder besteht ein übereinstimmender
Parteiwille hinsichtlich der Preisgestaltung, kann die Gesamtsumme eine
Falschbezeichnung (falsa demonstratio non nocet) sein, so daß durch
eine Auslegung das richtige Ergebnis erreicht werden kann.§
-
Darüber hinaus kann die
Kalkulationsgrundlage beim offenen Kalkulationsirrtum auch als Geschäftsgrundlage
aufgefaßt werden; soweit also kein übereinstimmender Parteiwille
gegeben ist, kann es nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage
zu einer Anpassung des Vertrags kommen.
-
Macht der Erklärungsempfänger
falsche Angaben, aus denen anschließend der Kalkulationsirrtum resultiert,
kommen Ansprüche aus c.i.c. in Betracht.
e. Identitätsirrtum
Meint der Erklärende
eine andere Person oder einen anderen Gegenstand, als sich aus seiner Erklärung
für den Empfänger entnehmen läßt, liegt ein nach §
119 I zur Anfechtung berechtigender Identitätsirrtum vor.
f. Irrtum bei der Stellvertretung
Hier ergeben sich Besonderheiten.
III. Voraussetzungen der§Irrtumsanfechtung
1. Irrtum
Es muß ein Irrtum
nach §§ 119, 120 vorliegen.
2. Kausalzusammenhang
zwischen Irrtum und Willenserklärung
Nach § 119 I muß
eine subjektive Erheblichkeit des Irrtums für eine wirksame
Anfechtung vorhanden sein. Der Erklärende hätte die Willenserklärung
bei Kenntnis der Sachlage nicht oder nicht so abgeben dürfen.§
Weiterhin ist auch die objektive
Erheblichkeit des Irrtums Voraussetzung für die Anfechtung.
Hierbei wird hinterfragt ob der Irrende bei verständiger Würdigung
des Falles (§ 119 I) als "verständiger Mensch" die Willenserklärung
unterlassen hätte.
Sind diese beiden oder einer
der beiden Faktoren zu verneinen, ist eine Anfechtung ausgeschlossen.§
3. Anfechtungserklärung
Die Anfechtung muß
vom Anfechtungsberechtigten dem Anfechtungsgegner
gegenüber erklärt werden (§ 143 I); sie ist ein einseitiges,
empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft.
Das Wort "anfechten"
muß nicht explizit in der Erklärung auftauchen, ein Hinweis
auf darauf, daß der Erklärende ein bestimmtes Rechtsgeschäft
wegen eines Willensmangels beseitigen möchte, reicht aus.§
Nach Brox ist es zur Wirksamkeit
einer Anfechtungserklärung nicht erforderlich, daß der Anfechtungsgrund
genannt wird; zwar habe der Anfechtungsgegner ein Interesse daran, den
Anfechtungsgrund zu erfahren, da er nur dann beurteilen könne, ob
er die Anfechtung gelten lassen oder dagegen vorgehen soll.§ Dieses
Interesse mache es jedoch nicht erforderlich, die Wirksamkeit der Anfechtungserklärung
von der Angabe des Anfechtungsgrundes abhängig zu machen. Wenn dem
Anfechtungsgegner der Anfechtungsgrund nicht erkennbar sei, könne
er sich beim Anfechtenden erkundigen.§
Zur Anfechtung mehrerer
von demselben Anfechtungsgrund erfaßten Willenserklärungen§
bedarf es nur einer Anfechtungserklärung. Durch die Geltendmachung
des Irrtums werden alle von dem Irrtum beeinflußten Erklärungen
beseitigt.
Anfechtungsberechtigt
ist, wer die auf dem§ Willensmangel beruhende Willenserklärung
abgegeben hat, bei § 119 also der Irrende, bei § 120 der Geschäftsherr.
Der Anfechtungsgegner
ist im Regelfall die andere Vertragspartei (§ 143 II, § 143 III,
IV für andere Anfechtungsgegner).
Als einseitiges Rechtsgeschäft
ist die Anfechtungserklärung nach dem Grundgedanken des§§§§§§§§
§ 388 2 bedingungs- und befristungsfeindlich.
4. Anfechtungsfrist
Nach § 121 I 1 muß
die Anfechtung unverzüglich, dh ohne schuldhaftes
Zögern, erfolgen. Die Frist beginnt, sobald der Erklärende
seinen Willensmangel erkannt hat. Nach § 121 I 2 genügt die unverzügliche
Absendung der Anfechtungserklärung. Diese Regelung schützt den
Vertragspartner vor zu langen Schwebezuständen.
5. Fehlen eines Ausschlußgrundes
Weitere Ausschlußgründe
neben der Anfechtungsfrist nach § 121 I sind :
-
§Nach § 121 II ist
eine Anfechtung unmöglich wenn seit der mit einem Willensmangel behafteten
Erklärung dreißig Jahre verstrichen sind.
-
Die Bestätigung des anfechtbaren
Rechtsgeschäfts nach § 144 II.
Das Anfechtungsrecht kann darüber
hinaus aufgrund von § 242 eingeschränkt werden, da das Anfechtungsrecht
wie jede Rechtsausübung den Grundsätzen von Treu und Glauben
unterliegt. Eine Einschränkung kommt hier insbesondere im Hinblick
auf das Verbot des venire contra factum proprium in Betracht.
Hiernach muß der Anfechtende sich an dem festhalten lassen, was er
gemeint hat.
IV. Folgen der Irrtumsanfechtung
1. Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts
Ein wirksam angefochtenes
Rechtsgeschäft ist nach § 142 I ist als von Anfang an nichtig
anzusehen. Die Anfechtung wirkt also rückwirkend (ex tunc).
Etwas anderes gilt hier im Bereich der Dauerschuldverhältnisse, insbesondere
dem Arbeitsvertrag. Zwar wird nur die Willenserklärung
des Anfechtenden nichtig, dies führt jedoch automatisch zur Nichtigkeit
des Vertrages, da es an der Willenserklärung des Anfechtenden mangelt.
2. Wirkung auf das Erfüllungsgeschäft
Aufgrund des Abstraktionsprinzips
bleibt ein Erfüllungsgeschäft trotz nichtigem Kausalgeschäft
regelmäßig gültig. Allerdings ist eine Rückgabe der
Leistung aus § 812 möglich.
Ein Erfüllungsgeschäft
kann auch ohne das Kausalgeschäft angefochten werden, wenn es mit
einem erheblichen Willensmangel behaftet ist.
Problem: Anfechtung des
Verfügungsgeschäfts?
Unter welchen Umständen
neben der schuldrechtlichen Erklärung auch das Verfügungsgeschäft
angefochten werden kann, ist umstritten.
Nach einer Auffassung soll
die Anfechtung des schuldrechtlichen Geschäfts das dingliche Erfüllungsgeschäft
grundsätzlich unberührt lassen. Nur wenn beide Geschäfte
in einem einheitlichen Willensakt zusammenfielen und dieser sich als anfechtbar
herausstelle, sei eine Anfechtung des dinglichen Geschäfts möglich.
Nach anderer Auffassung soll
eine Anfechtung das Kausalgeschäft als auch das Erfüllungsgeschäft
erfassen, wenn beide mit einem, bzw. dem selben Willensmangel behaftet
sind (Fehleridentität). Stichwort: Durchschlagen des Irrtums.
Eine problematische Situation
ist gegeben, wenn der Anfechtungsgegner die Sache bereits einem Dritten
übereignet hat. Kannte der Dritte die Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäftes,
oder mußte er sie kennen, so wird er nach der Anfechtung nach §
142 II so behandelt, als ob er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes
kannte oder hätte kennen müssen. Der Anfechtungsberechtigte kann
also die Herausgabe der Sache nach § 985 verlangen.
3. Schadensersatzpflicht
Nach § 122 entsteht
aus der Anfechtung nach §§ 119, 120 und der Scherzerklärung
nach § 118 eine Schadensersatzpflicht des Anfechtungsberechtigten
an den schutzwürdigen Anfechtungsgegner. Schutzwürdig
ist der Anfechtungsgegner wenn er die Anfechtbarkeit nach§§§
§ 122 II nicht kannte und nicht kennen mußte.§
Ersetzt wird nur der Vertrauensschaden
(negatives Interesse), d. h. der Schaden, der dem Anfechtungsgegner dadurch
entstanden ist, daß er auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäftes
vertraut hat (Portokosten, Benzingeld). Er soll so gestellt werden, als
ob er nie etwas von dem Rechtsgeschäft gehört hätte.
-
Der Erfüllungsschaden (positives
Interesse), der Schaden der durch die Nichterfüllung des Vertrages
entstanden ist, ist jedoch nicht zu ersetzen.
Weiterhin soll der Vertrauensschaden
nach § 122 I nicht die Höhe des Erfüllungsschaden übersteigen,
würde er dies tun, so wäre die Anfechtung ziemlich schwachsinnig.
Problem: Anfechtbarkeit
eines nichtigen Rechtsgeschäfts
Umstritten
ist, ob auch ein nichtiges Rechtsgeschäft
angefochten werden kann.
Nach einer Ansicht ist die
Anfechtung eines nichtigen Rechtsgeschäfts ausgeschlossen.§
-
Für diese Ansicht wird
angeführt, daß die Anfechtung logisch ein wirksamen Rechtsgeschäft
erfordere, was bereits nichtig sei, könne nicht noch einmal durch
Anfechtung vernichtet werden (man kann eine Kerze nicht zwei mal ausblasen).
-
Ferner schließe der stärkere
Grad der Fehlerhaftigkeit der Nichtigkeit den schwächeren Grad der
Fehlerhaftigkeit der Anfechtbarkeit aus.
Nach anderer Auffassung solle
eine Anfechtung jedoch möglich sein.
-
Dafür spreche zunächst,
daß ein Bedürfnis bestehe, die Anfechtung eines nichtigen Rechtsgeschäfts
zuzulassen, da ein Nichtigkeitsgrund möglicherweise schwierig, ein
Anfechtungsgrund jedoch leicht zu beweisen sein könne (Prozeßökonomie).§
-
Wenn ein Sachverhalt unter mehrere
Tatbestände einzuordnen sei, liege eine Fall vor, der im Strafrecht
als Konkurrenz bezeichnet werde, im Zivilrecht gelte das Prinzip der Kumulation,
so daß auch eine Anfechtung möglich sein soll.
D. ARGLISTIGE TÄUSCHUNG
UND WIDERRECHTLICHE DROHUNG
I.
Arglistige Täuschung
Nach § 123 I ist eine
Anfechtung einer auf arglistiger Täuschung beruhender Willenserklärung
möglich. Sinn und Zweck dieser Norm ist es, die Freiheit der
Willensentschließung zu schützen.
1. Täuschungshandlung
Eine Täuschungshandlung
ist ein Verhalten, das darauf abzielt in einem anderen eine unrichtige
Vorstellung hervorzurufen, zu bestärken oder zu unterhalten. Die Täuschungshandlung
kann sein:
-
Ein positives Tun,
dh die Aufstellung wahrheitswidriger Behauptungen bedeutsamer Umstände,
diese können sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen.
-
Ein Unterlassen;
dies ist allerdings nur dann relevant, wenn eine Rechtspflicht zur Aufklärung
besteht. Diese besteht dann, wenn nach Treu und Glauben und den im Verkehr
herrschenden Anschauungen eine Aufklärung über eine Tatsache
zu erwarten ist (Unfallwagen). Dies ist besonders bei Umständen der
Fall, die für die andere Partei erkennbar von Bedeutung sind. Es besteht
hingegen keine allgemeine Aufklärungspflicht über alle Dinge,
die möglicherweise von Belang sein können.
2. Kausalität
Die Täuschungshandlung
muß für die Willenserklärung des Getäuschte ursächlich
sein. Es muß davon auszugehen sein, daß der Getäuschte
die Willenserklärung nicht, oder nicht so abgeben hätte wie er
es aufgrund der Täuschung getan hat.
3. Widerrechtlichkeit
Die Täuschung muß
widerrechtlich sein; die Widerrechtlichkeit stellt ein ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal dar, das vom Gesetzgeber nicht gesehen wurde,
da er davon ausging, daß jede arglistige Täuschung auch widerrechtlich
ist. In Ausnahmefällen kann jedoch die Widerrechtlichkeit fehlen,
hier muß eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung dann ausgeschlossen
sein.§
Typischer Fall der fehlenden
Rechtswidrigkeit ist die falsche Antwort auf eine unzulässige Frage
bei einem Einstellungsgespräch für einen Arbeitsvertrag.
4. Arglist
Der Täuschende muß
vorsätzlich handeln, vorsätzlich handelt er, wenn die Tatbestandsmerkmale
Täuschungshandlung, Irrtumserregung und Willenserklärung vorhanden
sind. Der Täuschende muß also wissen und wollen, daß der
andere durch die Täuschung zu einer Willenserklärung bestimmt
wird, die er ohne die Täuschung möglicherweise nicht oder nicht
so abgeben würde.
Ausreichend ist im Rahmen
der Arglist jedoch bereits, daß der Vertragspartner Behauptungen
ins Blaue hinein aufstellt, für die er keine tatsächlichen
Anhaltspunkte hat und auf die es dem anderen Vertragspartner erkennbar
ankommt.
5.
Person des Täuschenden
Es muß unterschieden
werden, wer die arglistige Täuschung nach § 123
verübt hat:
Hat der Erklärungsempfänger
die Täuschung selbst verübt, kann die Erklärung immer angefochten
werden (§ 123 I).
Hat jedoch ein Dritter die
Täuschung verübt, so ist der Erklärungsempfänger im
Prinzip schutzbedürftig. In folgenden Fällen jedoch nicht:
-
Kannte der Erklärungsempfänger
die Täuschung durch den Dritten, oder mußte er sie kennen, so
kann angefochten werden (§ 123 II 1).
-
Ebenfalls nicht schutzbedürftig
ist der Erklärungsempfänger, wenn er sich das Verhalten des täuschenden
Dritten zurechnen lassen muß. Das Gesetz enthält hierüber
zwar keine Regelung, jedoch läßt sich nach hM eine Analogie
zu § 278 herstellen. Hiernach ist also eine Person welche eine Täuschung
verübt hat, die dem Erklärungsempfänger näher steht
als dem Erklärenden (Lagertheorie) kein Dritter
im Sinne des § 123 II 1. Hier greift also weiterhin § 123 I ein.
Nicht Dritter iSd § 123 II 1 sind demnach jedenfalls alle Personen,
deren sich der Vertragspartner in Erfüllung der ihm aus c.i.c.
erwachsenden Obliegenheiten bedient.
-
Erforderlich ist allerdings,
daß der "nicht Dritte" interessenmäßig auf
der Seite des Erklärungsempfängers stehen muß; hieran fehlt
es insbesondere dann, wenn der Hauptschuldner für seine Gläubiger
einen Bürgen sucht. Hier kann der durch den Hauptschuldner arglistig
getäuschte nicht ohne weiteres gegenüber dem Gläubiger anfechten,
weil der Schuldner mit der Besorgung des Bürgen seine eigenen Interessen
und nicht diejenigen des Gläubigers wahrnimmt.
6. Rechtzeitige Anfechtungserklärung
Die Anfechtungserklärung
muß nach § 143 I dem Anfechtungsgegner gegenüber erklärt
werden. Der Anfechtungsgegner ergibt sich aus § 143 II-IV. Des weiteren
muß die Anfechtung nach § 124 I innerhalb der Frist von einem
Jahr nach Entdeckung der Täuschung erklärt werden.
7. Ausschluß der
Anfechtung
Wie bei der Anfechtung nach
§§ 119, 120 ist die Anfechtung nach Ablauf der Ausschlußfrist§§§§§§§§
(§ 124 III) oder nach Bestätigung (§ 144 I) ausgeschlossen.
8. Rechtsfolgen
Ein nach § 123 angefochtenes
Rechtsgeschäft ist gemäß § 142 I als von Anfang
an nichtig anzusehen. Im Gegensatz zu der Anfechtung nach §§
119, 120 ist der arglistig Getäuschte dem Erklärungsempfänger
nicht zum Schadensersatz verpflichtet.
II.
Widerrechtliche Drohung
Nach § 123 I kann eine
auf einer widerrechtlichen Drohung basierende Willenserklärung
angefochten werden. Auch hier soll die Freiheit der Willensentschließung
geschützt werden.
1. Drohung
Eine Drohung
ist das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels auf das der
Drohende Einfluß zu haben vorgibt. Ein Übel ist hierbei jeder
Nachteil. Der Bedrohte muß nach § 123 I in eine psychische Zwangslage
(vis compulsiva) versetzt werden, dies geschieht durch die
Inaussichtstellung des Übels. Die Drohung muß hier allerdings
nicht ausdrücklich ausgesprochen werden; sie kann auch durch schlüssiges
Verhalten erfolgen.
2. Kausalität
Die Drohung muß für
die Furcht des Bedrohten und die Furcht für die Willenserklärung
des Bedrohten kausal sein.
3. Widerrechtlichkeit§
Nach § 123 I muß
der Bedrohte widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe seiner Willenserklärung
gebracht worden sein. Die Widerrechtlichkeit kann sich aus dem angedrohten
Übel (Mittel), dem erstrebten Erfolg (Zweck) oder der Zweck-Mittel-Relation
ergeben.
-
Die Widerrechtlichkeit des Mittels
(angedrohte Körperverletzung etc.) hat stets die Widerrechtlichkeit
der Drohung zur Folge.
-
Die Drohung ist auch dann widerrechtlich
wenn der Zweck widerrechtlich ist.
-
Die Drohung ist weiterhin dann
widerrechtlich, wenn zwar sowohl der Zweck als auch das Mittel unabhängig
voneinander nicht zu beanstanden sind, ihre Verbindung jedoch gegen das
Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.
4. Subjektiver Tatbestand
Der Drohende muß den
Willen haben, den Willen des Bedrohten zu bestimmen.
5. Person des Drohenden
Wer die Drohung verübt
hat, ist unwesentlich, die Willenserklärung ist bei der widerrechtlichen
Drohung stets anfechtbar.
6. Anfechtungsfrist
Die Anfechtungsfrist beträgt
gemäß § 124 I ein Jahr. Die Frist beginnt nach § 124
II mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage endet.
7. Rechtsfolgen der Anfechtung
Ein nach § 123 angefochtenes
Rechtsgeschäft ist gemäß § 142 I als von Anfang an
nichtig anzusehen, ex tunc Nichtigkreit. Im Gegensatz zu der Anfechtung
nach §§ 119, 120 ist der widerrechtlich Bedrohte dem Erklärungsempfänger
nicht zum Schadensersatz verpflichtet.
E.
BEIDERSEITIGER MOTIVIRRTUM
Ein Motivirrtum ist grundsätzlich
unbeachtlich. Gesetzlich nicht geregelt ist jedoch der Fall des beiderseitigen
Motivirrtums, d.h., daß beide Vertragspartner von einem unrichtigen
Motiv ausgehen. Nach Treu und Glauben muß ein solcher Vertrag korrigiert
oder annulliert werden, keine Partei kann sich an den Vertragsbedingungen
festhalten lassen.
Problem: Behandlung des
beiderseitigen Motivirrtums
Wie die Fälle des beiderseitigen
Motivirrtums gelöst werden sollen, ist umstritten.
Nach einer Ansicht soll zur
Lösung der sich aus dem beidseitigen Motivirrtum ergebenden Problematik
die Lehre von der Geschäftsgrundlage herangezogen werden.§
-
Dies wird damit begründet,
daß die §§ 119ff. nicht angewendet werden dürften,
da es auf Zufall beruhe, wer zuerst anfechte und damit nach § 122
zum Schadensersatz verpflichtet werde.
-
Darüber hinaus ermögliche
die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht nur die Beseitigung
des Vertrages, sondern vor allem die Anpassung an die wirklichen Umstände.
Nach anderer Auffassung können
die §§ 119ff. jedoch auch im Falle des beiderseitigen Motivirrtums
angewendet werden. Der Doppelirrtum solle allenfalls dann nach den Grundsätzen
über den Wegfall der Geschäftsgrundlage behandelt werden, wenn
beide Parteien anfechtungsberechtigt seien und auch zu erwarten sei, daß
sie beide von ihrem Anfechtungsrecht Gebrauch machen.
-
Die Prämisse der oben dargestellten
Meinung, daß es auf Zufall beruhe, wer zuerst anfechte, sei falsch.
Vielmehr fechte stets der an, zu dessen Nachteil die Wirklichkeit
von der
gemeinsamen Vorstellung abweicht, weil nur er einen Vorteil von der Anfechtung
habe. Könne die betroffene Partei anfechten, so sei es auch nicht
unbillig, daß der Vorteil der Anfechtung mit der Pflicht zum Ersatz
des negativen Interesses bezahlt werden müsse.
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Darüber hinaus hätten
regelmäßig gar nicht beide Parteien ein Anfechtungsrecht, da
es bei der Partei, die durch den Vertrag besser gestellt werde, an der
Kausalität des Irrtums mangele.
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Ferner sei es nicht einzusehen,
daß einer Partei, die sich über verkehrswesentliche Eigenschaften
geirrt hat, das Anfechtungsrecht nur aufgrund der Tatsache verwehrt sein
soll, weil sich auch die andere Partei im Irrtum befunden hat.
Nach einer dritten Auffassung
soll die Problematik mittels einer Anpassung durch ergänzende Auslegung
erfolgen. Gemäß der Gebote von Treu und Glauben und der Verkehrssitte
nach § 157 müsse ermittelt werden, was die Parteien vereinbart
hätten, wenn sie nicht von einem unrichtigen Umstand ausgegangen werden.
Der Vertrag könne dann dementsprechend korrigiert oder aufgelöst
werden.