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Beleidigung, §§ 185, 186, 193 StGB (Prof. Dr. Bernhard Hardtung)
14. Abschnitt: Beleidigung
§§ 185, 186, 193 StGB


Hinweis:
Dieses Skript behandelt den 14. Abschnitt des StGB ("Beleidigung"), soweit er zum Pflichtstoff der Ersten juristischen Staatsprüfung in Mecklenburg-Vorpommern gehört. Es ist die Kurzfassung, die in der Vorlesung ausgegeben worden ist. Diese Kurzfassung soll Ihnen dazu dienen, sich die Grundlagen zu erarbeiten. Dabei sollen Sie zunächst selber über die Fälle nachdenken.
Zu diesem Skript gibt es eine Langfassung auf der Seite meines Lehrstuhls an der Universität Rostock, und zwar unter "Strafrechtliche Texte". Dort finden Sie zahlreiche Ergänzungen, vor allem die Lösungen zu den Fällen. Die Langfassung dient so der Lernkontrolle und Vertiefung.


I. Beleidigung (§ 185)

1. Das Tatobjekt

Klar ist, dass jeder Mensch als Tatobjekt tauglich ist.

Fall 1:
Der Krankenhausseelsorger Pastor P besucht die unverheiratete Mutter M des Neugeborenen K und meint, bei diesem „Kind der Sünde“ wundere er sich nicht, dass es hässlich sei „wie ein Affe“.


Eine im Examen beliebte Frage ist die, ob Personengemeinschaften als solche beleidigt werden können.

Fall 2:
Zur Pflege sportlich-geselliger Beziehungen haben sich acht Ehepaare zum Kegelclub „In die Vollen“ zusammengeschlossen. Herr M, der sich mit seiner Frau vergeblich um Aufnahme bemüht hat, beschimpft den Club mit den Worten: „Das ist doch eine ganz primitive, als Kegelclub getarnte Säuferbande.“


2. Das Beleidigen

Beleidigung ist die Kundgabe der Miss- oder Nichtachtung.

a)§§Man muss hier genau wie bei anderen Delikten zwischen dem Rechtsgut „Ehre“ und seinem Träger unterscheiden.

Fall 3:
Die Kneipenwirtin K verweigert dem ihr unbekannten Gast G hartnäckig das bestellte Bier, weil sie weiß, dass er mit dem eigenen Wagen nach Hause fahren will. Obwohl G im Grunde Ks Fürsorge und Standfestigkeit anerkennt, ärgert er sich und spuckt ihr ins Gesicht.


Geht es demnach auch bei § 185 um die Verletzung eines spezifischen Rechtsgutes, dann muss man dieses auch eingrenzen. Das heißt: Die Missachtung des Rechtes auf Ehre ist streng zu unterscheiden von der Missachtung anderer Rechte.

Fall 4:
Der Einbrecher T steigt durch ein Fenster in die Wohnung des O und entwendet Sachen. O stellt später Strafantrag, u.§a. wegen Beleidigung mit der Begründung, er sehe sich durch ein dermaßen unverschämtes Verhalten missachtet und gedemütigt.


Fall 5:
Der Gefängniswärter W spritzt den Gefangenen G mit einem kräftigen und eiskalten Wasserstrahl minutenlang ab, um ihm klar zu machen, wie wenig er im Gefängnis wert sei.


Fall 6:
T nutzt das Gedränge in der Disco und grabscht der O überraschend mit beiden Händen an den Busen.


Lehrreich: BGHSt 36, 145 (147 ff.).

b)§§Die Ehre ist (wie jedes Rechtsgut) nur geschützt, soweit man sie hat. Soweit jemand keine Achtung verdient, hat er auch keinen Anspruch darauf, in Ehren gehalten zu werden. Geschützt ist also nur der verdiente Ehranspruch (s. z.§B. Wessels/Hettinger, BT 124, Rn 513).

Fall 7:
A weiß von B, dass er Kinder für Pornofilme missbraucht. Er ruft ihn an und sagt u.§a.: „Sie Kinderschänder, ich verabscheue Sie zutiefst!“


Beachten Sie aber die Grenze, die §§192 (Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises) zieht!

c)§§Problematisch und umstritten ist, was für die Kundgabe zu verlangen ist. Ich empfehle, mit der h.§M. (Lackner/Kühl23, §§185 Rn§7; Tröndle/Fischer50, § 185 Rn§5; Wessels/Hettinger, BT§124, Rn 487) ganz konsequent danach zu fragen, ob irgendjemand die Äußerung gerade als Missachtung verstanden hat.

Fall 8:
Der Russlandaussiedler R hat eine Wohnung in Rostock gemietet. Im selben Haus wohnt D, der sich über den Einzug ärgert. Er schreibt R einen Brief mit hässlichen Beschimpfungen. R kann deutsche Texte noch nicht lesen.
a) Er wirft den Brief weg.
b) Er lässt ihn sich ein paar Tage später übersetzen.


Fall 9:
Der chinesische Gastprofessor C macht sich den Spaß, eine Studentin der Universität Rostock mit lächelnder Miene auf chinesisch als mieses Flittchen zu bezeichnen, das es gewiss mit jedem treibe.


d)§§Keine Beleidigung ohne konkretes Opfer: Es muss immer erkennbar sein, wer der Missachtete ist.

Fall 10 (BGHSt 36, 83, 87):
A veröffentlicht ein Flugblatt, in dem er „den Soldatenberuf mit der Tätigkeit von KZ-Aufsehern, Henkern und Folterknechten vergleicht“.


Fall 11:
Demonstrant D schreibt einen Leserbrief, in dem es heißt: „Die Polizisten bei dem Einsatz letzten Mittwoch gegen unsere Demo waren alle brutale Schläger.“


e)§§Die Beleidigung kann durch ehrmissachtende Werturteile und (streng sachliche) Behauptung ehrenrühriger Tatsachen geschehen.

Fall 12:
Professor P hält seiner Sekretärin S – objektiv zu Unrecht – vor, sie habe die von ihm verfassten Lösungshinweise zu einer Examensklausur einigen Kandidaten offenbart.


Fall 13:
Wie Fall 12, aber P stellt seine Behauptung in Abwesenheit der S im Gespräch mit dem Assistenten A auf. Dabei hält er für möglich, der S Unrecht zu tun.


f)§§Üblicherweise verneint man eine strafbare Beleidigung bei „ehrverletzenden Äußerungen über (nichtanwesende) Dritte in besonders engen Lebensbereichen“ dann, wenn sie „Ausdruck des besonderen Vertrauens sind und nicht die begründete Möglichkeit der Weitergabe besteht“ (S/S-Lenckner26, Vor §§185 Rn§9). Die Begründung, die genauere Eingrenzung und selbst die Einordnung im Deliktsaufbau sind umstritten.


II. Üble Nachrede (§§186)

1. Tatsache, welche einen anderen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist

a)§§„Tatsachen“ sind nach der gängigen Definition vergangene und gegenwärtige Geschehnisse und Zustände der Außenwelt und des menschlichen Innenlebens (S/S-Lenckner26, §§186 Rn§3; Tröndle/Fischer50, §§186 Rn§2; Wessels/Hettinger, BT§124, Rn§492).

b)§§Die Tatsache muss den anderen „verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet“ sein.

Fall 14:
Um seine Konkurrenten A, B, C und D bei der Beförderung auszustechen, erzählt T wahrheitswidrig herum,
a) A sei manisch-depressiv,
b) B sei Alkoholiker,
c) C sei homosexuell und
d) D sei zuckerkrank.


2. Behaupten oder Verbreiten

a)§aa)§§Üblicherweise versteht man unter Behaupten „eine Tatsache als nach eigener Überzeugung wahr hinstellen“ (Lackner/Kühl23, §§186 Rn 5). Kein Behaupten sei es dagegen, „wenn der fragliche Sachverhalt nur als möglich dargestellt wird“ (S/S-Lenckner26, §§186 Rn 7). Die h.§A. hält sich aber (zu Recht) praktisch nicht an die eigene Definition.

Fall 15:
T lebt in einer Wohngemeinschaft zusammen mit X, Y und Z. Er vermisst einen 100-DM-Schein und sagt zu seinem Kommilitonen K,
a) er halte für möglich, dass X ihn bestohlen habe.
b) er sei von der Möglichkeit überzeugt, dass X ihn bestohlen habe.
c) er sei überzeugt, dass entweder X, Y oder Z ihn bestohlen habe.
In Wahrheit hat ein auswärtiger Besucher den Geldschein gestohlen.


Fall 16:
Rechtsanwalt R erklärte in einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil, „zumindest rein theoretisch sei eine Bestechlichkeit der Richter nicht völlig auszuschließen, ohne dass allerdings konkrete Anhaltspunkte vorlägen. Diese Verdächtigung wiederholte er mehrfach, um sie dann jeweils wieder abzuschwächen und in Frage zu stellen, jedoch mit dem Hinweis, seine Ausführungen so ernst aufzufassen, wie sie tatsächlich gemeint seien.“


Fall 17:
Professor P äußert im Hörsaal die Überzeugung, es sei mit Sicherheit ein Student der RUB gewesen, der ihm seinen Medicus gestohlen habe.


bb)§§Man verlangt für die Vollendung des § 186 wie bei § 185, dass „die Äußerung zur Kenntnis eines Dritten gelangt ist“ (S/S-Lenckner26, §§186 Rn§17).

b)§aa)§§Verbreiten wird definiert als „die Mitteilung einer ehrenrührigen Tatsache als Gegenstand fremden Wissens und fremder Überzeugung durch Weitergabe von – wirklichen oder angeblichen – Tatsachenbehauptungen anderer, die sich der Täter nicht selbst zu Eigen macht und für deren Richtigkeit er daher auch nicht eintritt“ (S/S-Lenckner26, §§186 Rn 8). Auch diese Definition sollten Sie aber nicht zu wörtlich nehmen.

Fall 18:
Der bettlägerige A hat in einem „offenen Brief“ an seinen Nachbarn schwere und unwahre Vorwürfe zu Papier gebracht. Zu Weiterem unfähig, lässt er seinen Freund F den Brief lesen und bittet ihn, den Brief zu vervielfältigen und an bestimmte Nachbarn zu schicken. F tut das.


bb)§§Umstritten ist die Frage, ob man Tatsachen auch durch das Schaffen ehrenrühriger Sachlagen („kompromittierende Tatsachenmanipulationen“) „verbreiten“ kann.

Fall 19:
A feiert seine Beförderung zum Abteilungsleiter. B, der sich auch beworben hatte, hegt tiefen Groll und will A kompromittieren. Er legt heimlich einen Kinderporno in As Videorecorder. Als er später unter dem Vorwand, eine Tennisübertragung zu suchen, den Apparat einschaltet, läuft der Pornostreifen und die Gäste gewinnen einen für A äußerst peinlichen Eindruck.


cc)§§Der Täter muss die Tatsache „in Beziehung auf einen anderen“ behaupten oder verbreiten.

Fall 20:
Die Grundschullehrerin L sagt im Lehrerzimmer: „Die kleine Sophie hat den ganzen Rücken voll mit blauen Striemen.“ Sie weiß, dass ihre Kollegen den starken Verdacht schöpfen werden, Sophies Vater habe sein Kind misshandelt.


3. „wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist“

Die Nichterweislichkeit der Wahrheit ist kein Tatbestandsmerkmal, sondern eine objektive Bedingung der Strafbarkeit. Sachlich das Gleiche bedeutet es, wenn man – umgekehrt – die Erweislichkeit der Wahrheit als Strafausschließungsgrund bezeichnet. Vorsatz hinsichtlich der Nichterweislichkeit braucht der Täter also nicht zu haben. – Beachten Sie die Beweisregel in §§190!


III. Verleumdung (§§187)

§§187 ist laut JAPO kein Pflichtstoff. Die Vorschrift lässt sich aber in einer Fallbearbeitung nicht von § 186 trennen.

Beachten Sie, dass nach §§187 auch das Behaupten oder Verbreiten einer Tatsache in Beziehung auf einen anderen strafbar sein kann, „welche ... dessen Kredit zu gefährden geeignet ist“! In den beiden anderen Alternativen (Ehrenrührigkeit) ist die Verleumdung eine qualifizierte üble Nachrede: Sie verlangt zusätzlich im objektiven Tatbestand (über die Nichterweislichkeit der Wahrheit hinaus sogar) die Unwahrheit der Tatsache (wobei §§190 zu beachten ist) und im subjektiven, dass der Täter wider besseres Wissen handelt.


IV. Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§§189)

§§189 ist laut JAPO kein Pflichtstoff. – Die Verunglimpfung des Andenkens kann geschehen durch Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung, setzt aber eine besonders schwere Ehrkränkung voraus (S/S-Lenckner26, §§189 Rn 2; SKStGB-Rudolphi1996, §§189 Rn§3) oder jedenfalls eine „erheblichere Ehrenkränkung“ (BGHSt 12, 366).


V. Wahrnehmung berechtigter Interessen (§§193)

Die h.§M. sieht in §§193 einen Rechtfertigungsgrund für tadelnde Urteile usw., bei denen die besonderen Strafbarkeitsvoraussetzungen nicht vorliegen (s. nur BVerfGE 12, 125; BGHSt 18, 184; S/S-Lenckner26, §§193 Rn§1; SKStGB-Rudolphi1996, §§193 Rn§1).

  • Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen

  • Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten gemacht werden

  • Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen

  • Dienstliche Anzeigen oder Urteile von Seiten eines Beamten

  • Äußerungen, welche zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden

    • Fast schon eine Auffangklausel. Hier nennt das Gesetz abstrakt den Grund, der bei allen in §§193 genannten Äußerungen zum Erlaubtsein der Äußerung führt, nämlich das Vorhandensein eines überwiegenden Interesses, das für die Äußerung streitet.
  • Ähnliche Fälle


  • Der Prüfungsgang bei §§193 ist ähnlich wie der in §§34:

    1. Es muss ein berechtigtes Interesse (nicht unbedingt eines des Täters selber) vorliegen.

    2. Die Äußerung muss zur Wahrnehmung des Interesses geeignet und erforderlich sein.

    3. Das wahrgenommene Interesse muss das Interesse des Opfers am Ehrschutz überwiegen (Interessenabwägung).


    VI. Strafantrag (§§194)

    § 194 regelt die Verfolgbarkeit der Beleidigungsdelikte (§§§185§ff.) in höchst differenzierter Weise. Lesen!

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