Aussagedelikte
A. Allgemeines
Geschütztes Rechtsgut der §§ 153 ff. ( schlichte
Tätigkeitsdelikte[1]) ist die - durch
falsche Aussagen gefährdete - staatliche Rechtspflege. Zu den
Aussagedelikten gehören (1) das vorsätzliche falsche Aussagen, §
153, (2) das vorsätzliche oder fahrlässige falsche Schwören,
§§ 154, 163 und (3) das vorsätzliche oder fahrlässige
Abgeben einer falschen Versicherung an Eides Statt, §§ 156, 163.
Bei den Aussagedelikten handelt es sich um abstrakte
Gefährdungsdelikte, so daß die Rechtspflege nicht
tatsächlich beeinflußt oder gefährdet worden sein muß.
Tatbestandsmäßig sind also auch offensichtliche
Lügen. [2] Darüber hinaus sind die
Aussagedelikte auch eigenhändige Delikte. Mittäterschaft und
mittelbare Täterschaft sind daher - wie sich auch aus § 160 ergibt -
ausgeschlossen. Durch die Regelung des § 159 wird (u.a.) die
Anwendung des § 30 I auf die §§ 153, 156
ermöglicht. [3]
Durch § 157 I, der es dem Gericht ermöglicht die Strafe zu
mildern bzw. von ihr abzusehen, wird die Zwangslage von Zeugen oder
Sachverständigen berücksichtigt, die sich selbst oder einen
Angehörigen durch eine wahrheitsgemäße Aussage belasten
würden. [4] § 157 II enthält
einen Strafmilderungsgrund bzw. die Möglichkeit ganz von Strafe abzusehen,
wenn ein noch nicht Eidesmündiger uneidlich falsch ausgesagt hat. §
158 enthält einen Strafmilderungs bzw. Strafabsehungsgrund, wenn der
Täter die falsche Aussage rechtzeitig berichtigt.
B. Falsche uneidliche Aussage, § 153
Sinn und Zweck speziell der Strafandrohung des § 153 ist es, den Wert
der uneidlichen Aussage als Beweismittel zu
sichern. [5] Für die Prüfung des
§ 153 empfiehlt sich folgendes Aufbauschema:
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
Tatsubjekt nach § 153 kann nur ein Zeuge
oder ein Sachverständiger sein (Sonderdelikt). Maßgebend ist hier der
Status nach dem jeweiligen Verfahrensrecht, da es einen davon unabhängigen
Zeugen- bzw. Sachverständigenbegriff des StGB nicht gibt.
Tatobjekt: Gerichte sind die
inländischen staatlichen Gerichte in allen ihren Funktionen. Andere zur
eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständige
Stellen sind Behörden, denen der Gesetzgeber das Recht der eidlichen
Vernehmung gegeben hat. „Vor“ Gericht oder einer anderen
zuständigen Stelle ist eine mündliche Aussage nur dann abgegeben, wenn
sie gegenüber einer Person erfolgt, die zur Vertretung des Gerichts oder
der Stelle bei derartigen Geschäften berufen ist. Nicht
tatbestandsmäßig sind falsche Aussagen vor der Staatsanwaltschaft
und der Polizei, da diese nicht zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder
Sachverständigen zuständig sind (§§ 161a I S. 3, 163a V
StPO).
Tathandlung: Falschaussagen:
Gegenstand der Aussage ist in den Fällen der Zeugen- und
Parteiaussage sowie der eidesstattlichen Versicherung die Wiedergabe von
(inneren und äußeren) Tatsachen. Im Fall des
Sachverständigengutachtens erweitert sich der Begriff der Aussage auf reine
Werturteile. Eine Aussage ist jede mündliche Bekundung, auf die sich
in der konkreten Verfahrenssituation die Wahrheitspflicht erstreckt.
Falsch ist die Aussage nach der herrschenden objektiven Theorie, wenn das
Erklärte objektiv nicht mit der Wirklichkeit in Einklang
steht.
2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz, mindestens
dolus eventualis.
II. Rechtswidrigkeit und III. Schuld: Es gelten die
allgemeinen Grundsätze.
IV. Strafmilderung/Absehen von
Strafe
Eine Strafmilderung bzw. ein Absehen von Strafe kommt in den
Fällen des Aussagenotstandes (§ 157 I), bei uneidlicher Falschaussage
eines Eidesunmündigen (§ 157 II) und bei tätiger Reue durch
rechtzeitige Berichtigung unter den Voraussetzungen des § 158 in Betracht.
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I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand des § 153 erfordert, daß der Täter
vor Gericht oder einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder
Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder
Sachverständiger uneidlich falsch aussagt.
a. Tatsubjekt: Tauglicher Täterkreis
Nach § 153 kann nur ein Zeuge oder ein
Sachverständiger Täter dieses Deliktes sein. Es handelt sich
daher nicht nur um ein eigenhändiges Delikt, sondern auch um ein
Sonderdelikt.[6] Für die Einordnung
ist das jeweilige Verfahrensrecht maßgebend, da es einen davon
unabhängigen Zeugen- bzw. Sachverständigenbegriff des StGB nicht
gibt[7]. Mangels Subjektqualität werden von
§ 153 daher falsche uneidliche Aussagen von Beschuldigten bzw. Angeklagten
(zur Terminologie vgl. § 157 StPO) im Strafprozeß und Parteien im
Zivilprozeß nicht erfaßt.
b. Tatobjekt: Adressatenkreis der Falschaussage
Tatbestandsmäßig sind nur Falschaussagen, die vor einem
(staatlichen) Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung
zuständigen Stelle gemacht werden.
Gerichte sind die inländischen staatlichen Gerichte in allen
ihren Funktionen.[8]
è
Straf-, Verwaltungs-, Finanz-, Sozial-, Disziplinargerichte, ordentliche
Gerichte. Nicht dagegen private Schiedsgerichte (§§ 1025 ff.
ZPO).
Andere zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen
zuständige Stellen sind Behörden, denen der Gesetzgeber das Recht
zur eidlichen Vernehmung gegeben hat.[9]
Beispiele: Bundespatentamt (§ 46 PatG) und
parlamentarische Untersuchungsausschüsse (Art. 44 GG und entsprechende
Vorschriften der Landesverfassungen). Für Notare gilt § 22
BNotO.
Dagegen sind weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft
zur eidlichen Vernehmung zuständig (arg. §§ 161a I S. 3, 163a V
StPO). Eine uneidliche falsche Aussage vor der Polizei oder Staatsanwaltschaft
ist daher nicht tatbestandsmäßig i.S.d. § 153. Zu prüfen
sind aber ggf. §§ 145d, 164 sowie § 258.
„Vor“ Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle
ist eine mündliche Aussage nur dann abgegeben, wenn sie gegenüber
einer Person erfolgt, die zur Vertretung des Gerichts oder der Stelle bei
derartigen Geschäften berufen
ist.[10]
Im Gegensatz zu § 154 kann dies hier auch ein Referendar oder im
Rahmen des § 4 RechtspflegerG ein Rechtspfleger
sein.[11]
c. Tathandlung: „Falsch aussagen“
Der Täter muß vor Gericht oder einer anderen zuständigen
Stelle falsch aussagen.
aa. Begriff und Gegenstand der Aussage
Erfaßt wird mit der „Aussage“ nach
h.M.[12] grds. nur die
mündliche Aussage vor der jeweiligen Vernehmungsperson. Eine
Ausnahme macht nur § 186 GVG. Hiernach ist eine schriftliche
Verständigung zwischen dem Vernehmenden und einer tauben oder stummen
Person zulässig.
Gegenstand der Aussage ist in den Fällen der Zeugen- und
Parteiaussage sowie der eidesstattlichen Versicherung die Wiedergabe von
(inneren und äußeren) Tatsachen. Im Fall des
Sachverständigengutachtens erweitert sich der Begriff der Aussage
auf reine Werturteile.[13]
Der äußere Tatbestand der Falschaussage nach den §§
153 ff. erfaßt aber nur solche Aussagen, die nach den Regeln des
jeweiligen Prozesses den Gegenstand der Wahrnehmung des Zeugen und damit seine
Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage
betreffen.[14]. Diese prozessuale
Wahrheitspflicht des Aussagenden bzgl. des Vernehmungsgegenstandes begrenzt
also den strafrechtlich bedeutsamen Inhalt einer
Aussage.[15]
- Zunächst
gehören sowohl im Zivilprozeß als auch im Strafprozeß die
Angaben zur Person bei Zeugen dazu (§§ 395 ZPO, 68 StPO).
- Im
Zivilprozeß wird der Gegenstand der Vernehmung (die Angaben
zur Sache) grundsätzlich durch Beweisbeschluß (§§
358, 359 ZPO) förmlich begrenzt. Von der Wahrheitspflicht werden aber auch
Tatsachen erfaßt, die der Zeuge außerhalb des durch den
Beweisbeschluß festgelegten Beweisthemas auf Fragen des Gerichts oder
anderer Verfahrensbeteiligter bekundet, wobei es auf ihre Erheblichkeit für
das betreffende Verfahren es insoweit nicht ankommt. Spontane
Äußerungen, die diesen Rahmen überschreiten, fallen jedoch nur
unter die Wahrheitspflicht, wenn sie auf nachträgliche Erweiterung des
Beweisthemas durch den vernehmenden Richter hin bestätigt worden
sind.[16]
- Im
Strafprozeß werden von der Wahrheits- und Aussagepflicht
alle Tatsachen umfaßt, die mit der gesamten Tat i.S.d. § 264 StPO
zusammenhängen (können). Dieser „Gegenstand der
Untersuchung“ (und die Person des Beschuldigten) ist dem Zeugen vor der
Vernehmung zu bezeichnen (vgl. § 69 I StPO). Auch im Strafprozeß kann
die Wahrheitspflicht durch Fragen des Gerichts oder anderer
Verfahrensbeteiligter erweitert werden (vgl. §§ 68 IV, 69 II, 240
StPO).[17]
bb. „Falschheit“ der Aussage
Wann eine Aussage „falsch“ ist, ist umstritten. Zu
dieser Frage werden insbesondere die folgenden drei Aussagetheorien vertreten:
- Nach der
Pflichttheorie[18]
ist die Aussage falsch, wenn der Zeuge bzw. Sachverständige seine
prozessuale Wahrheitspflicht verletzt, d.h. wenn seine Aussage nicht das Wissen
wiedergibt, das der Aussagende bei prozeßordnungsgemäßem
Verhalten, d.h. bei kritrischer Prüfung seines Erinnerungsvermögens,
reproduzieren könnte.
- Nach der
subjektiven
Theorie[19]
ist eine Aussage falsch, wenn sie inhaltlich nicht dem aktuellen
Vorstellungsbild und Wissen des Aussagenden entspricht.
- Nach der auch hier
vertretenen herrschenden objektiven
Theorie[20] ist eine
Aussage falsch, wenn sie inhaltlich mit dem tatsächlichen Sachverhalt nicht
übereinstimmt. Beurteilungsmaßstab ist hier also die objektive
Sachlage, die Wirklichkeit.
Beispiele für äußere
Tatsachen: (1) T sagt als Zeuge vor Gericht über das Wetter am
Tatort aus. Er sagt: „Es hat geregnet.“ Davon ist er auch
überzeugt. In Wirklichkeit hat aber die Sonne geschienen. Nach der
objektiven Theorie war die Aussage des T falsch, doch fehlte es am
Vorsatz. Nach der subjektiven Theorie war die Aussage richtig, so
daß schon der objektive Tatbestand nicht vorliegt. Nach der
Pflichttheorie kommt es darauf an, ob T bei pflichtgemäßem
Nachdenken das richtige Erinnerungsbild hätte gewinnen können.
Wäre dies zu bejahen, dann läge zwar der objektive, nicht aber der
subjektive Tatbestand vor. Alle Ansichten führen daher zur Straflosigkeit
nach § 153.
(2) Sagt T dagegen objektiv zutreffend aus, die Sonne
habe geschienen, obwohl er glaubt, es habe geregnet, liegt nach der
objektiven Theorie eine richtige Aussage vor, so daß der Tatbestand
des § 153 nicht erfüllt ist. Es liegt aber ein (untauglicher) Versuch
vor, der im Fall des § 153 straflos ist. Nach der subjektiven
Theorie liegt eine vollendete Falschaussage vor, so daß T nach § 153
strafbar ist. Auch nach der Pflichttheorie wäre wohl eine
Strafbarkeit anzunehmen.
Beispiele für innere Tatsachen: In den
obigen beiden Beispielen beginnt T wie folgt: „Ich glaube ... / Soweit ich
mich erinnern kann ....“ Nunmehr beschränkt sich seine Aussage
ausdrücklich auf sein Vorstellungsbild, er berichtet über eine
gegenwärtige innere Tatsache. Damit hat T in Beispiel (1) nach
allen Theorien schon den objektiven Tatbestand einer vollendeten
Falschaussage nicht verwirklicht. In Beispiel (2) ist er dagegen nach
allen Theorien wegen vollendeter Falschaussage strafbar, unabhängig
davon, ob es geregnet hat oder nicht.
Zusammenfassend ergibt sich nach der herrschenden objektiven
Theorie, daß eine Aussage falsch ist, wenn sie der Wahrheit
nicht entspricht. Bei der Beurteilung, ob eine falsche oder wahre Aussage
vorliegt, ist der Sinn der Aussage durch Auslegung zu ermitteln, und nicht am
bloßen Wortlaut zu haften.[21]
cc. Falschaussage durch (partielles) Unterlassen
Die Falschaussage kann auch durch (partielles) Unterlassen (nicht
i.S.d. § 13!) begangen werden. Ein Zeuge hat bei seiner Vernehmung nicht
nur die reine Wahrheit zu sagen, sondern er ist auch verpflichtet, nichts zu
verschweigen. Er muß alles angeben, was erkennbar mit der Beweisfrage in
untrennbarem Zusammenhang steht und für die Entscheidung des Rechtsstreits
erheblich ist.[22] Das (partielle) Verschweigen
führt zu einer unvollständigen, und somit falschen Aussage (vgl. auch
§ 66c StPO: der Zeuge muß schwören, nichts verschwiegen zu
haben).
Schweigt der zur Aussage Verpflichtete jedoch ganz, weigert er sich somit
generell, Fragen zu beantworten, so macht er keine falsche Aussage, sondern
überhaupt keine Aussage.[23] Damit
entfällt schon der Tatbestand der §§ 153
ff..[24]
Nicht tatbestandsmäßig ist aber das Schweigen zu nicht
genannten Themen, seien sie auch prozeßerheblich. Entsprechendes gilt,
wenn der Zeuge eine explizit gestellte Frage wörtlich und
sinngemäß wahrheitsgemäß beantwortet, jedoch darüber
hinausgehende verfahrenserhebliche Tatsachen zu einem nicht aus der Frage
hervorgehenden Thema verschweigt.[25]
Beispiel[26]:
T wurde in einem Unterhaltsprozeß darüber vernommen, ob sie in der
Empfängniszeit mit X und/oder mit Y geschlechtlich verkehrt habe. Danach,
ob sie mit einem sonstigen Mann innerhalb der Empfängniszeit
Geschlechtsverkehr gehabt habe, wurde sie bei dieser Vernehmung nicht gefragt.
Sie sagte hierüber auch nichts aus.
In diesem Fall liegt keine falsche Aussage vor, da die
Beweisfrage explizit nur den Geschlechtsverkehr mit X und Y betraf, die T
wahrheitsgemäß beantwortete. Die Tatsache, daß T mit anderen
Männer geschlechtlich verkehrte war zwar prozeßerheblich, nach dem
BGH muß sich aber der in einem bürgerlichen Rechtsstreit vernommene
Zeuge darauf verlassen dürfen, daß ihm bestimmt und erschöpfend
bezeichnet werde, worüber er auszusagen
habe.[27]
dd. Zeitpunkt der Vollendung
Vollendet ist die Tat mit dem Abschluß der Vernehmung. Diese
ist abgeschlossen, wenn der Richter zu erkennen gegeben hat, daß er von
dem Zeugen keine weitere Auskunft über den Vernehmungsgegenstand erwartet,
und der Zeuge, daß er seinerseits nichts mehr bekunden und das bisher
Bekundete als seine verantwortliche Aussage gelten lassen
will.[28] Wann eine Vernehmung in diesem Sinne
abgeschlossen ist, ist eine Tatfrage. Möglich ist sowohl, daß sich
dieselbe Vernehmung über mehrere Termine erstreckt als auch, daß ein
Zeuge in derselben Verhandlung wiederholt abschließend gehört
wird.[29] Die Vollendung setzt spätestens
mit dem Schluß der Verhandlung im jeweiligen Rechtszug
ein.[30]
Berichtigt der Zeuge vor dem Abschluß der Vernehmung die
unwahre Aussage, so ist § 153 StGB nicht vollendet. Der Versuch ist
aufgrund seines Vergehenscharakters und mangelnder
Versuchsstrafbarkeitsnormierung nicht strafbar. Nach diesem Zeitpunkt hat die
Berichtigung nur zur Folge, daß § 158 StGB anwendbar
ist.[31] Dies gilt auch dann, wenn der Zeuge,
bevor er den Eid leistet, die unwahren Angaben berichtigt und nunmehr eine wahre
Aussage beschwört. In diesem Falle wird die falsche Aussage eben nicht
durch einen sie bekräftigenden Meineid aufgezehrt. Wenn z.B. der Zeuge, der
seine falsche Aussage beeidigt, die Eidesformel nicht zu Ende spricht, sondern
im Schwören innehält und nunmehr die Wahrheit sagt, so ist er zwar vom
Versuch des Meineides zurückgetreten. Das bereits mit dem Beginn der
Eidesleistung vollendete Vergehen der uneidlichen falschen Aussage wird dadurch
aber nicht beseitigt. Er bleibt nach § 153
strafbar.[32]
2. Subjektiver Tatbestand
Zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes der §§ 153
ff. ist Vorsatz, mindestens dolus eventualis erforderlich. Er
muß sich zunächst auf die Unwahrheit der (uneidlichen, eidlichen oder
mit einer eidesstattlichen Versicherung versehenen) Aussage und die
Zuständigkeit der betreffenden Stelle
erstrecken.[33]
II. Rechtswidrigkeit und III. Schuld
Zu Rechtswidrigkeit und Schuld ergeben sich bei den §§ 153 ff.
keine Besonderheiten.
IV. Aussagenotstand (§ 157)
§ 157 I enthält einen besonderen Strafmilderungs- bzw.
Strafabsehungsgrund, der die Zwangslage von Zeugen oder Sachverständigen
berücksichtigt, in der sich die Beweisperson bei der Erfüllung der ihr
im öffentlichen Interesse auferlegten Zeugenpflichten befindet, wenn sie
durch wahrheitsgemäße Aussage sich selbst oder einen Angehörigen
belasten müßten.[34] Zu beachten
sind hier insbesondere folgende Punkte:
- Von § 157 I
erfaßt werden nur die falsche uneidliche Aussage (§ 153) und
der Meineid (§ 154, s.u.) - auch in der Form des Versuchs. Dagegen
bezieht sich § 157 nicht auf die falsche Versicherung an Eides Statt
(§ 156) oder ein fahrlässiges Aussagedelikt, da derjenige, der
unbewußt von der Wahrheit abweicht, damit nicht die geforderte Absicht
(s.u.) verbinden
kann[35].
- Begünstigt werden
von § 157 I nur Zeugen oder Sachverständige. Er bleibt
auch dann anwendbar, wenn der Zeuge die Aussage zwar verweigern könnte, von
seinem Schweigerecht aber keinen Gebrauch
macht[36], da auch die
Angabe der Gründe der Auskunftswerweigerung eine Zwangslage
herbeiführen
können[37].
Unerheblich ist nach h.M. auch, ob der Täter den Aussagenotstand schuldhaft
herbeigeführt hat (er sich z.B. zur Aussage
anbot).[38]
Den
Parteien, Anstiftern, Gehilfen oder dem Verleitenden (§ 160) kommt §
157 I - mangels unmittelbarer Zwangslage - nicht
zugute.[39]
- Der Täter
muß bei Verwirklichung des Aussagedeliktes (§§ 153, 154)
beabsichtigen, die Gefahr einer Bestrafung abzuwenden. Dabei ist es
unerheblich, ob der Täter meint, durch eine falsche Aussage die Bestrafung
überhaupt abwenden zu können, ob er die Verurteilung nach einem
milderen Strafgesetz erreichen will oder ob es ihm darauf ankommt, eine
günstigere Strafzumessung - etwa durch Annahme eines minder schweren
Falles - zu bewirken (z.B. Absicht, statt einer Bestrafung wegen Mordes eine
Verurteilung wegen eines minder schweren Falles des Totschlags zu
erreichen).[40] Dieses
(Selbst-)Begünstigungsstreben muß dabei aber nicht das einzige oder
Hauptmotiv des Täters sein.
- Die Gefahr der
Bestrafung muß durch ein Verhalten drohen, das vor der
Aussage liegt. Die Gefahr der Bestrafung darf also nicht erst durch die
Aussage begründet worden sein. Als taugliche „Vortat“ kommt
dabei jede Straftat in
Betracht.[41] Zu beachten
ist diesbezüglich, daß nicht auf die objektive Gefahr der
Strafverfolgung ankommt, sondern allein auf die subjektive Vorstellung des
Täters: Absatz 1 sei deshalb auch anwendbar, wenn der Täter infolge
tatsächlicher oder rechtlicher Fehlvorstellungen irrig die Gefahr einer
Bestrafung angenommen habe. Wenn nach der Vorstellung des Täters die
Gefahr, d.h. die nicht völlig fernliegende Möglichkeit bestanden habe,
bestraft zu werden, und nach der Vorstellung des Täters gerade die richtige
Bekundung über das, was in der Aussage falsch ist, die Gefahr der
Strafverfolgung gegebenenfalls auch erst in der Verbindung mit der übrigen
Sachlage herbeizuführen in der Lage ist, sei § 157
anzuwenden.[42]
- Die Gefahr muß
dem Aussagenden selbst oder einem Angehörigen (§ 11 I
Nr. 1) drohen. Dabei wird eine analoge Erweiterung des Schutzbereichs auf dem
Aussagenden nahestehende Personen (z.B. bei einem nichtehelichen Zusammenleben)
wohl überwiegend
abgelehnt.[43]
- Zuletzt ist zu
beachten, daß sich die Gefahr der Bestrafung gerade aus der
wahrheitsgemäßen Aussage ergeben muß.
è
§ 157 ist daher z.B. auf denjenigen nicht anwendbar, der als Zeuge die
Unwahrheit gesagt hat, um dadurch den, zu dessen Gunsten er falsch aussagt, von
einer Anzeige gegen ihn wegen einer anderen Straftat
zurückzuhalten.[44]
è Ferner
greift § 157 I z.B. dann nicht ein, wenn der Aussagende einem
Angehörigen ein falsches Alibi gibt.
Enthält eine Aussage mehrere Unrichtigkeiten, bei denen die
Voraussetzungen des § 157 I nur teilweise erfüllt sind, so ist diese
Vorschrift nur dann auf die Aussage insgesamt anwendbar, wenn ein innerer
Zusammenhang zwischen den verschiedenen falschen Angaben besteht. Andernfalls
ist eine Strafmilderung nur nach allgemeinen Regeln möglich, da dem
Aussagenden sonst zugute käme, daß er über eine
„allgemeine“ Falschaussage hinaus mit Blick auf eine drohende
Strafverfolgung weitere falsche Angaben gemacht
hat.[45]
§ 157 II betrifft - unabhängig von den Voraussetzungen des
§ 157 I - einen Strafmilderungsgrund bzw. die Möglichkeit, ganz von
Strafe abzusehen für den Fall, daß ein noch nicht
Eidesmündiger uneidlich falsch aussagt. Das Vorliegen einer Zwangslage
i.S.d. § 157 I und eine diesbezügliche Abwendungsabsicht sind also
nicht erforderlich.
V. Berichtigung einer falschen Aussage (§ 158)
Nach § 158 I kann das Gericht die Strafe wegen Meineids, falscher
Versicherung an Eides Statt oder falscher uneidlicher Aussage nach seinem
Ermessen mildern (§ 49 II) oder von Strafe absehen, wenn der Täter die
falsche Angabe rechtzeitig berichtigt. Wann eine Berichtigung
verspätet ist, wird in § 158 II bestimmt. Wo die
Berichtigung erfolgen kann, findet sich in § 158 III.
In persönlicher Hinsicht ist der Anwendungsbereich des §
158 nicht auf Zeugen oder Sachverständige beschränkt. Er
schließt auch die Parteien und Teilnehmer mit ein.
§ 24 und § 158 schließen sich nicht aus. Im Bereich
des strafbaren Versuchs (so beim Meineid), ist aber vorrangig auf §
24 einzugehen. Scheitert der Rücktritt z.B. wegen mangelnder
Freiwilligkeit, so kann auf § 158 (der kein freiwilliges Handeln
voraussetzt und somit täterfreundlicher ist) zurückgegriffen werden.
Steht dagegen ein bereits vollendetes Aussagedelikt in Frage, so kommt im
Falle einer Berichtigung nur noch die Regelung des § 158 in Betracht.
C. Meineid, § 154
Der Tatbestand des § 154 normiert eine qualifizierte Form der falschen
Aussage. Tatbestandsmäßig ist hier das kumulative Vorliegen von
Falschaussage und Eid. Insofern ist der Wortlaut „wer ...
falsch schwört“ mißverständlich und müßte
eigentlich lauten „wer ... eine falsche Aussage beschwört“. Der
Meineid ist ein Verbrechen. Daraus ergibt sich auch dessen Versuchsstrafbarkeit
(vgl. §§ 23 I, 12 I). Gemäß § 155 stehen dem
Eid die den Eid ersetzenden Bekräftigungen (Nr. 1) und Berufungen auf einen
früheren Eid oder auf eine frühere Bekräftigung (Nr. 2) gleich.
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand des § 154 setzt voraus, daß der
Täter vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden
zuständigen Stelle eine falsche Aussage beschwört.
a. Tatsubjekt: Tauglicher Täterkreis
Mit Ausnahme des Beschuldigten[46] kann -
im Gegensatz zu § 153 - jedermann Täter des § 154 sein, der
eidesfähig[47] ist. § 154
erfaßt daher neben dem Zeugen- und Sachverständigeneid auch den
falschen Dolmetschereid (§ 189 GVG), bei dem der (vor-!,
s.u.)vereidigte Dolmetscher bewußt falsch übersetzt, und den
falschen Parteieid im Zivilprozeß (§ 452 ZPO).
Klausurhinweis: Handelt es sich bei dem Täter um
einen Zeugen oder Sachverständigen, so ist § 154 nach ganz
h.M.[48] ein
Qualifikationstatbestand zu § 153. Für andere taugliche Täter,
die nicht Täter des § 153 sein können, stellt § 154 einen
selbständigen Tatbestand dar.
Streitig ist, ob auch eidesunmündige Personen unter 16
Jahren (§ 60 Nr. 1, 1. Alt. StPO) als taugliche Täter in
Betracht kommen, wenn sie nach ihrer individuellen Reife eidesfähig
sind.[49]
b. Tatobjekt: Adressatenkreis der Falschaussage
Der Täter muß den falschen Eid vor einem Gericht oder vor einer
anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle ablegen.
Gerichte sind alle mit Richtern besetzte Organe der
Rechtsprechung.[50]
Es kommen also alle Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichte
einschließlich der Dienststrafgerichte in Betracht. Auch ausländische
Gerichte können ein taugliches Tatobjekt sein, soweit die Tat dem deutschen
Strafrecht unterliegt. Dagegen sind private Schiedsgerichte (§§ 1025
ff. ZPO) nicht zur Abnahme von Eiden zuständig.
Als andere zur Abnahme eines Eides zuständige Stellen kommen
nur staatliche Einrichtungen (nicht notwendigerweise Behörden) in Betracht,
denen der Gesetzgeber das Recht zur Abnahme von Eiden gegeben hat.
Beispiele[51]:
Prüfungsstelle und Patentabteilung des Patentamtes (§ 33 PatG), der
Untersuchungsführer im Disziplinarverfahren (§ 58 BDisziplinarO),
Notare in den Grenzen des § 22 I BNotO, parlamentarische
Untersuchungsausschüsse bei einer entsprechenden gesetzlichen
Ermächtigung (vgl. Art. 44 II GG).
Dagegen sind auch hier weder die Polizei noch die
Staatsanwaltschaft zur Abnahme von Eiden zuständig (arg. §§ 161a
I S. 3, 163a V StPO).
Neben dieser allgemeinen Zuständigkeit muß in dem konkreten
Verfahren ein Eid der geleisteten Art überhaupt gesetzlich zugelassen
sein[52] und die ihn abnehmende Person
muß zu diesem Akt gesetzlich ermächtigt
sein[53].
Nicht ermächtigt ist zum Beispiel ein
Referendar (§ 10 S. 2 GVG) oder ein Rechtspfleger (§ 4 II Nr. 1
RPflG).
c. Tathandlung: „Falsch schwören“
Erste Voraussetzung ist das Vorliegen einer falschen Aussage i.S.d. §
153 (s.o.). Darüber hinaus muß der Täter diese beschwören.
Der zu leistende Schwur kann als „Voreid“ vor der Vernehmung
und als „Nacheid“ nach der Vernehmung abgenommen werden. Zu
beachten ist dabei, daß die wesentlichen Formerfordernisse gewahrt werden
müssen. Unerläßlich ist beim Eid das Sprechen der Worte:
„Ich schwöre ...“.[54]
So hat ein Dolmetscher einen Voreid zu leisten (vgl.
§ 189 I S. 1 GVG). Auch bei Sachverständigen im
Zivilprozeß kann dieser wahlweise erfolgen (vgl. § 410 I S. 1
ZPO). Bei Zeugen im Zivilprozeß und bei Zeugen und
Sachenverständigen im Strafprozeß wird ein Nacheid abgenommen
(vgl. §§ 392 S. 1 ZPO; 59 I S. 1, 79 II, 1. Hs. StPO).
2. Subjektiver Tatbestand
Für den subjektiven Tatbestand ist Vorsatz, mindestens dolus
eventualis erforderlich. Dieser muß zum einen die Falschheit der
Aussage erfassen. Darüber hinaus ist auch das Bewußtsein
erforderlich, daß die Aussage unter Eid erfolgt. Denkt der
Täter, daß bestimmte Teile seiner Angaben (z.B. die Personalien)
nicht vom Eid umfaßt sind, so fehlt diesbezüglich der
Tatbestandsvorsatz.
Zum anderen muß sich der Vorsatz auch darauf beziehen, daß der
Eid vor einer zuständigen Stelle erfolgt. Irrt sich der
Aussagende über die Zuständigkeit desjenigen, vor dem er
aussagt, ist wie folgt zu differenzieren[55]:
Hält der Täter Tatsachen für gegeben, bei deren
tatsächlichem Vorliegen das betreffende Merkmal erfüllt wäre, so
liegt ein (strafbarer) untauglicher Meineidsversuch vor. Kennt er dagegen die
vorliegenden Tatsachen, aus denen sich die Unzuständigkeit ergibt, so
handelt es sich um ein (strafloses) Wahndelikt.
Beispiel: T sagt vor einem Staatsanwalt falsch aus
und beschwört die Falschaussage in der irrigen Annahme, daß der
Staatsanwalt zur Eidesabnahme befugt ist.
è Strafloses
Wahndelikt. Abwandlung: T beschwört die Falschaussage vor dem
Staatsanwalt in der irrigen Annahme, daß dieser ein (Ermittlungs-)Richter
ist. è
Strafbarer untauglicher Versuch.
II. Rechtswidrigkeit und III. Schuld
Bezüglich der Rechtswidrigkeit und der Schuld ergeben sich hier keine
von den allgemeinen Grundsätzen abweichenden Besonderheiten.
IV. Versuch und Vollendung
Beim Voreid beginnt der Versuch des § 154 mit dem
unmittelbaren Ansetzen zur Falschaussage. Vollendet ist der Meineid mit
dem Abschluß der Aussage. Beim Nacheid beginnt der Versuch
des § 154 (nach der Vollendung der Falschaussage! - sofern es sich bei dem
Täter um einen tauglichen Täter des § 153 handelt) mit dem Beginn
des Sprechens der Eidesformel. Vollendet ist § 154 mit der
vollständigen Ableistung der
Eidesformel.[56]
V. Rücktritt
Tritt der Täter im Falle des Voreides nach § 24 strafbefreiend
vom Versuch des § 154 zurück, so ist er straflos, da eine nur
„versuchte“ Falschaussage nicht mit Strafe bedroht ist. Im Falle des
Nacheids entfällt zwar die Strafbarkeit nach § 154, der (vorbehaltlich
der Täterqualität) vollendete § 153 bleibt jedoch erhalten (zu
prüfen ist ggf. § 158).
D. Beteiligungsprobleme im Bereich der Aussagedelikte
I. Allgemeines
Da die Aussagedelikte eigenhändige Delikte sind, können
sie nur von dem Aussagenden selbst täterschaftlich begangen werden.
Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft scheiden somit bereits von
vornherein aus. Hinsichtlich der mittelbaren Täterschaft soll § 160
die verbleibenden Lücken schließen.
Eine Teilnahme (Anstiftung und Beihilfe) bestimmt sich jedoch nach den
allgemeinen Regeln. Die Strafbarkeit der versuchten Anstiftung zum
Meineid folgt schon aus § 30 I, da es sich bei § 154 um ein
Verbrechen handelt. Durch die Regelung des § 159 wird (u.a.) der
Anwendungsbereich des § 30 I auf die §§ 153, 156
(Vergehen) ausgedehnt.
II. Verleitung zur Falschaussage, § 160
1. Grundlagen
Nach § 160 wird bestraft, wer einen anderen zur Ableistung eines
falschen Eides, einer falschen Versicherung an Eides Statt oder einer falschen
uneidlichen Aussage verleitet. Die mittelbare Täterschaft wird hier zu
einem selbständigen Tatbestand mit milderer Strafdrohung gegenüber den
eigenhändigen Delikten.[57] Aus § 160
II ergibt sich die Versuchsstrafbarkeit.
Objektive Voraussetzung ist zunächst, daß der Aussagende
objektiv den Tatbestand des § 153, § 154 oder § 156 verwirklicht.
Streitig ist, ob der Aussagende unvorsätzlich handeln muß.
Handelt der Aussagende entgegen der Vorstellung des Verleitenden
vorsätzlich, so nimmt eine
Ansicht[58] nur eine (strafbare)
versuchte Verleitung an, da der Verleitete mehr tue, als er tun solle,
d.h. da er vorsätzlich statt gutgläubig falsch aussage. Die
Rechtsprechung[59] und die Gegenauffassung in
der Literatur[60] nimmt dagegen auch bei einem
vorsätzlichen Handeln des Verleiteten eine vollendete Verleitung zum
Falscheid an.
Unerheblich ist jedoch, ob der Verleitete den Tatbestand schuldhaft
verwirklicht. Darüber hinaus muß der Täter den Aussagenden zu
dem objektiv von ihm verwirklichten Tatbestand verleiten.
Zur Ableistung verleitet, wer den Willen des anderen (z.B. durch
Täuschung oder Drohung)
beeinflußt.[61]
Subjektiv ist mindestens dolus eventualis erforderlich. Nach
der ersten oben genannten Auffassung muß sich der Vorsatz des Täters
zur Vollendung insbesondere darauf beziehen, daß der Verleitete
gutgläubig handelt, somit eine unvorsätzlich falsche
Aussage macht bzw. diese auch beschwört. Nach der Gegenauffassung
schließt die weitergehende Vorsatztat die unvorsätzliche ein
(argumentum a maiore ad minus). Mindestens handle es sich um eine für die
Beurteilung unwesentliche Abweichung der Vorstellung von der
Wirklichkeit.[62]
2. Subsidiarität des § 160 zur (versuchten) Anstiftung
Wie schon gesagt, soll § 160 die infolge des Charakters der
Aussagedelikte als eigenhändige Delikte verbleibenden Lücken im
Bereich der mittelbaren Täterschaft schließen
(Ergänzungsfunktion). Vorrangig geht es hier um die Fälle des
vorsatzlos oder gerechtfertigt handelnden Werkzeugs (vgl. das Beispiel 1).
Anders liegt es jedoch in den Fällen, in denen der Aussagende schuldlos
oder entschuldigt handelt, da insoweit eine teilnahmefähige
vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat vorliegt. Nach
h.M.[63] kommt dem § 160 aber wegen seiner
milden Strafdrohung gegenüber den §§ 153 ff. i.V.m. §§
26, 30, 159 nur ein subsidiärer Charakter zu, so daß die Tat
(vorrangig) als (versuchte) Anstiftung zu ahnden ist. Dies gilt auch dann, wenn
der Aussagende nicht schuldhaft handelt und der Hintermann dies weiß,
konstruktiv also an sich eine mittelbare Täterschaft gegeben
wäre[64] (vgl. das Beispiel 2)..
Beispiel 1: A ist wegen Diebstahls angeklagt. Zu Z,
dessen schlechtes Erinnerungsvermögen ihm bekannt ist, sagt er, daß
sie am fraglichen Abend doch zusammen Billard gespielt hätten.
Anschließend benennt er ihn als Zeugen in der Erwartung, er werde
gutgläubig vor Gericht falsch aussagen. So geschieht es. Anschließend
wird Z vereidigt. Strafbarkeit der Beteiligten?
Z ist wegen fehlenden Vorsatzes nicht nach § 154
strafbar. Bei gegebenen Voraussetzungen, insbesondere bei entsprechender
Sorgfaltspflichtverletzung, besteht aber eine Strafbarkeit wegen
fahrlässigen Falscheides, § 163.
Fraglich ist die Strafbarkeit des A. Mittelbare
Täterschaft kommt wegen des Charakters der §§ 153 ff. als
eigenhändige Delikte nicht in Betracht. Möglicherweise liegt aber eine
Anstiftung zum Meineid (§§ 154 I, 26) vor. Dies setzt aber eine
vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat voraus. Vorliegend fehlt es jedoch
am Vorsatz des Z. Eine Anstiftung ist daher nicht gegeben. A könnte aber
nach § 160 strafbar sein. Dazu müßte er den Z zum Ableisten der
Falschaussage verleitet haben. Zur Ableistung verleitet, wer den Willen des
anderen durch beliebige Mittel beeinflußt. Indem A den Z an das nicht
stattgefundene Billardspiel „erinnerte“, hat er diesen zu der
Begehung eines Meineides beeinflußt, somit verleitet. A ist nach §
160 strafbar.
Beispiel 2: Der wegen Mordes angeklagte X droht dem
einzigen Belastungszeugen T, er werden ihn „kurz und klein“
schlagen, wenn er ihn in der Hauptverhandlung belaste. Aus Angst vor der
Verwirklichung sagt T vor Gericht zunächst falsch aus und beschwört
seine Aussage in einem Nacheid. Infolge dieser Aussage muß X
freigesprochen werden. Strafbarkeit der Beteiligten?
I. Strafbarkeit des T
Der objektive und subjektive Tatbestand der §§
153, 154 liegt vor. T könnte aber gerechtfertigt sein. In Frage kommt hier
der rechtfertigende Notstand, §
34.[65]
Eine gegenwärtige Gefahr für Leib und
Leben liegt vor. Die entlastende Aussage (Notstandshandlung) müßte
objektiv erforderlich gewesen sein. Erforderlich ist die
Notstandshandlung, wenn sie zur Gefahrabwendung geeignet ist und unter
Berücksichtigung aller ex ante erkennbaren Umstände aus der
Sicht eines sachkundigen objektiven Beobachters als der sicherste Weg zur
Erhaltung des gefährdeten Gutes
erscheint.[66] Die
entlastende Aussage war wohl das einzige Mittel, um diese Gefahr abzuwenden,
somit objektiv erforderlich. Darüber hinaus müßte das
geschützte Rechtsgut das beeinträchtigte aber auch wesentlich
überwiegen (Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der konkreten
Situation). Zunächst ist festzustellen, daß im allgemeinen
Rangverhältnis dem Rechtsgut Leben ein deutlich höherer Wert
beizumessen ist, als dem Rechtsgut der Rechtspflege. Für die Abwägung
kommt es aber auch maßgeblich darauf an, ob die Rechtspflege durch eine
unrichtige Rechtsentscheidung (bzw. durch Verursachung einer solchen) in ihrem
Kern getroffen oder ob sie nur faktisch, vorübergehend und
„reparabel“ gehemmt
wird[67]. Würde man
eine Rechtfertigung zulassen, so wäre die Rechtspflege in ihrem Kern
betroffen und nicht nur „reparabel“ gehemmt. Ihr Geltungsanspruch
wäre in gefährlicher Weise betroffen, so daß eine Rechtfertigung
ausscheiden muß.
T wäre aufgrund der gegenwärtigen Gefahr aber nach
§ 35
entschuldigt.[68] Eine
Abwägung wie bei § 34 findet hier nicht statt. Entsprechendes gilt
für die Strafbarkeit nach § 258.
II. Strafbarkeit des X
Fraglich ist auch die Strafbarkeit des X. Da es sich
bei den Aussagedelikten um eigenhändige Delikte handelt, scheidet eine
mittelbare Täterschaft nach § 25 I, 2. Alt. aus. X könnte sich
aber wegen Anstiftung zum Meineid (§§ 153, 154, 26) strafbar gemacht
haben. Eine vorsätzliche und rechtswidrige - nach den allgemeinen Regeln
teilnahmefähige - Haupttat liegt vor. X rief auch den Tatentschluß
bei T hervor und hatte den erforderlichen doppelten
Anstiftervorsatz[69]. X
hat sich daher nach §§ 153, 154, 26, nicht nach § 160 strafbar
gemacht.
3. Irrtumsfälle im Bereich des § 160
Darüber hinaus ist die rechtliche Behandlung von
Irrtumsfällen im Bereich des § 160 problematisch und
klausurrelevant. Dabei sind zwei Konstellationen denkbar: In der ersten
hält der Hintermann den Aussagenden für gutgläubig, während
dieser tatsächlich vorsätzlich handelt. In der zweiten hält der
Hintermann den Aussagenden für bösgläubig, während dieser
gutgläubig ist.
Beispiel für das Verleiten eines vermeintlich
Gutgläubigen: A ist wegen Diebstahls angeklagt. Zu Z, dessen schlechtes
Erinnerungsvermögen ihm bekannt ist, sagt er, daß sie am fraglichen
Abend doch zusammen Billard gespielt hätten. Anschließend benennt er
ihn als Zeugen in der Erwartung, er werde gutgläubig vor Gericht falsch
aussagen. Tatsächlich erkennt Z zutreffend die Sachlage, handelt dennoch
i.S.d. A. Anschließend wird Z vereidigt. Daraufhin wird A freigesprochen.
Strafbarkeit der Beteiligten?
Z ist nach §§ 153, 154, 258 strafbar.
Insbesondere liegt kein Fall des Aussagenotstandes oder des § 258 VI vor.
Fraglich ist die Strafbarkeit des A. Eine
Strafvereitelung in mittelbarer Täterschaft (§§ 258, 25 I, 2.
Alt.) kommt infolge fehlender Subjektqualität nicht in Betracht. Auch ist
eine Anstiftung zur Strafvereitelung nicht gegeben, da A den Z für
gutgläubig hielt und es so am erforderlichen Anstiftervorsatz fehlt. Aus
demselben Grund scheitert eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zum Meineid
(§§ 153, 154, 26) und die versuchte Anstiftung nach § 159.
Es kommt aber eine Verleitung zum Meineid (§ 160 I) in
Betracht. Ein Meineid liegt objektiv vor. Fraglich ist jedoch, ob A den Z zum
Meineid „verleitet“ hat, da Z nicht gutgläubig war, sondern den
Meineid bewußt begangen hat.
Nach wohl
h.M.[70] ist der
Verleitende der vollendeten Verleitung zum Falscheid auch dann schuldig, wenn
entgegen seiner Vorstellung der Verleitete vorsätzlich falsch
schwört. Der Täter des § 160 StGB wolle zwar eine unbewußt
falsche Aussage herbeiführen. Sein Tun sei aber nicht um deswillen weniger
strafwürdig, weil entgegen seiner Vorstellung der Verleitete nicht
gutgläubig sei, denn auch bei dieser Sachlage trete der vom Verleitenden
gewollte, die Rechtspflege gefährdende äußere Erfolg ein.
Hiernach komme es dafür, ob die Verleitung zum Falscheid vollendet sei, nur
auf die Vorstellung und den Willen des Täters, sowie darauf an, daß
die Verleitung eine wenigstens objektiv falsche Aussage des Verleiteten zur
Folge habe, nicht jedoch darauf, ob dieser unbewußt oder bewußt
falsch aussage.[71] Dem
gesetzlichen Tatbestand, der ein „Verleiten“ erfordert, sei die
„exklusive“ Ausrichtung auf Fälle der mittelbaren
Täterschaft nicht zu entnehmen. Zur Ableistung der Aussage
„verleite“, wer die Beweisperson durch beliebige Mittel dazu
bestimme, falsch auszusagen. Diese Umschreibung ermögliche auch die
Einbeziehung von Zeugen, die keine Werkzeugqualität aufweisen und
„nur“ zur Tat bestimmt worden seien, ohne daß die
Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft oder des § 26
vollständig
vorlägen.[72]
Nach der
Gegenauffassung[73]
liegt beim Verleitenden in dem Fall, in dem der Eid bewußt falsch
geschworen oder die uneidliche Aussage bewußt falsch gemacht wurde, nur
ein strafbarer Versuch vor, da es in diesen Fällen wegen des Exzesses des
„Verleiteten“ nicht zur eigentlichen Tat gekommen sei.
Folgt man der wohl h.M., hätte A sich aus § 160 I
strafbar gemacht. Nach der Gegenauffassung liegt (lediglich) eine
Versuchsstrafbarkeit nach § 160 II vor.
In der umgekehrten Konstellation, in der der Hintermann ein
tatsächlich gutgläubiges Werkzeug irrig für bösgläubig
hält, ergeben sich Probleme mit der Strafbarkeit der versuchten Anstiftung
nach § 30 und der ergänzenden Funktion des § 159.
Beispiel für das Verleiten eines vermeintlich
Bösgläubigen: A ist wegen Diebstahls angeklagt. Zu Z, von dem er
glaubt, daß dieser ihm ein falsches Alibi verschaffen wird, sagt er,
daß sie am fraglichen Abend doch zusammen Billard gespielt hätten.
Anschließend benennt er ihn als Zeugen in der Erwartung, er werde
bösgläubig vor Gericht falsch aussagen. Tatsächlich macht Z eine
unvorsätzlich falsche Aussage. Anschließend wird Z vereidigt.
Abwandlung: Wie von vornherein gedacht, kommt es nur
zu einer uneidlichen Falschaussage. Strafbarkeit der
Beteiligten?
Im Ausgangsfall ist Z bei gegebenen Voraussetzungen
wegen eines fahrlässigen Falscheides nach § 163 strafbar. Bei A
scheidet eine mittelbare Täterschaft aus den genannten Gründen aus.
Auch kommt eine Anstiftung nach §§ 153, 154, 26 wegen fehlender
vorsätzlicher Haupttat nicht in Betracht. A ist aber - da es sich bei dem
Meineid um ein Verbrechen handelt - wegen versuchter Anstiftung nach
§§ 30 I, 1. Alt., 154 strafbar.
In der Abwandlung in der Z nicht vereidigt wurde,
bleibt Z straflos (vgl. § 163). § 30 I, 1. Alt. ist hinsichtlich der
Strafbarkeit des A dann wegen des Vergehenscharakters des § 153 nicht
direkt anwendbar. Es liegen aber die Voraussetzungen der §§ 153, 159,
30 I vor, so daß sich in diesen Beispielsfällen ein Eingehen auf den
§ 160 erübrigt.
4. Zusammenfassung:
„Verleiten“ ohne
Fehlvorstellung
|
|
Vordermann sagt bösgläubig (vorsätzlich)
falsch aus. Dies war vom Hintermann auch so vorgesehen.
Strafbarkeit:
- Vordermann aus
§§ 153 ff.
- Hintermann (nach den
allgemeinen Regeln) aus §§ 153 ff., 26
|
Vordermann sagt bösgläubig (vorsätzlich)
falsch aus. Hintermann hält ihn für gutgläubig.
Strafbarkeit:
- Vordermann aus
§§ 153, 154
- Hintermann je nach
Rechtsauffassung aus § 160 I oder §§ 160 II
|
Vordermann sagt gutgläubig (unvorsätzlich) falsch
aus. Dies war vom Hintermann auch so vorgesehen. Strafbarkeit:
- Vordermann ggf. aus
§ 163
- Hintermann (mangels
teilnahmefähiger Haupttat) unstr. aus § 160 I
|
Vordermann sagt gutgläubig (unvorsätzlich) falsch
aus. Hintermann hält ihn für bösgläubig.
Strafbarkeit:
- Vordermann ggf. aus
§ 163
- Hintermann aus
§§ 154, 30 I bzw. §§ 153/156, 159, 30 I ggf. mit
teleologischer Reduktion (s.u.)
|
III. Teilnahme durch positives Tun
Die Strafbarkeit wegen einer Anstiftung oder einer Beihilfe richtet sich
nach den allgemeinen Regeln. Daher soll hier nur darauf hingewiesen werden,
daß sich derjenige nicht nach den §§ 153, 154, 26 bzw. 27
strafbar macht, der durch sein Prozeßverhalten ausschließlich die
Möglichkeit eröffnet, daß ein anderer - ohne vorheriges
Einvernehmen - ein Aussagedelikt begeht. Es geht hier um die Fälle, in
denen der Angeklagte einen Zeugen lediglich benennt, von dem er eine falsche
Aussage zu seinen Gunsten erwartet, ohne daß er vorher auf ihn eingewirkt
oder mit ihm gesprochen hat.[74]
IV. Versuch der Anstiftung zur Falschaussage, § 159
Durch die Regelung des § 159 wird (u.a.) der Anwendungsbereich des
§ 30 I auf die §§ 153, 156 (Vergehen) ausgedehnt. Erfaßt
werden somit auch die versuchte Anstiftung zu einer falschen uneidlichen Aussage
und die versuchte Anstiftung zu einer falschen Versicherung an Eides Statt.
Voraussetzung des § 159 ist also zunächst, daß keine
vollendete vorsätzliche Tat i.S.d. §§ 153, 156 vorliegt.
Erfaßt werden somit die Fälle der nichtkausalen Einwirkung des
Täters, gleichgültig, aus welchen Gründen die Anstiftung
erfolglos geblieben ist.[75]
Beispiele[76]:
(1) Der Zeuge sagt entgegen der Annahme des „Anstifters“
gutgläubig falsch aus (vgl. auch das obige Beispiel). (2) Der Zeuge
ist vor der Anstifterhandlung zur Falschaussage schon fest entschlossen.
(3) Der die Aufforderung zu einer Falschaussage enthaltende Brief
erreicht den Zeugen überhaupt nicht oder kommt erst nach der Vernehmung an.
(4) Der Zeuge leistet der Aufforderung des Anstiftenden nicht Folge.
(5) Es kommt wider Erwarten gar nicht zur Vernehmung des Zeugen.
Kommt es nach der Anstiftung des A beim Zeugen Z jedoch nur zu einem
straflosen Versuch der §§ 153, 156, ist es umstritten, ob
für diesen Fall eine teleologische Reduktion des § 159 eingreifen
muß. Problematisch ist hier die Frage, ob ein Wertungswiderspruch
vorliegt, da das Gesetz den Versuch der §§ 153, 156 nicht mit Strafe
bedroht, während der Versuch der Anstiftung zu einem dieser Vergehen
strafbar sein soll. Wer eine versuchte Anstiftung begangen hat, würde
demnach schärfer bestraft werden als der unmittelbar Handelnde.
Aus diesem Grund nimmt der BGH[77]
eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches des § 159 für den
Fall vor, wenn die in Aussicht genommene Haupttat im Falle ihrer Begehung den
Tatbestand des § 153 oder § 156 verwirklicht und nicht nur zu einem
untauglichen Versuch geführt hätte.
Nach der vorzugswürdigen Gegenauffassung in der
Literatur[78] ist diese Reduktion aber (sei
sie kriminalpolitisch auch begrüßenswert) nicht mit dem Gesetz in
Einklang zu bringen.
V. Beihilfe durch Unterlassen
Klausurrelevant ist weiterhin, unter welchen Voraussetzungen eine
Beihilfe zu §§ 153, 154 durch Unterlassen angenommen werden
kann. Wichtig und konstitutiv ist auch hier die Begründung der
Garantenstellung des Unterlassungstäters i.S.d. § 13.
Es ist heute allgemein anerkannt, daß eine solche Rechtspflicht
für die Partei eines Zivilprozesses nicht bereits durch die aus §
138 ZPO folgende Pflicht zur Wahrheit begründet wird. Die
zivilprozessuale Wahrheitspflicht bürde der Partei, die sich
prozeßordnungswidrig verhält, noch nicht die Verantwortung für
das strafbare Verhalten eines anderen auf, der eine falsche Aussage
mache.[79]
In Betracht kommt aber eine Garantenstellung aus Ingerenz.
Insbesondere nach der Rechtsprechung[80]
ist ein garantenpflichtbegründendes Verhalten der Partei zur Verhinderung
des Meineids nur dann anzunehmen, wenn die Partei die Aussageperson in eine
besondere, dem Prozeß nicht mehr eigentümliche (inadäquate)
Gefahr der Falschaussage gebracht hat. Die bloße Benennung des Zeugen
ist hiernach ohne Hinzutreten weiterer besonderer Umstände nicht
ausreichend.[81]
Eine Beihilfe durch Unterlassen wird jedenfalls einhellig in
dem Fall angenommen, in dem jemand einen anderen zu einer uneidlichen
falschen Aussage vor Gericht anstiftet und es anschließend zu einer
Vereidigung kommen läßt, ohne aufklärend einzugreifen. Die
Garantenstellung ergibt sich hier aus dem rechtswidrigen
Anstifterverhalten.[82]
Ferner kann sich eine Garantenstellung unter dem Gesichtspunkt der
Beaufsichtigung Dritter ergeben. Hindern z.B. Eltern ihr minderjähriges
Kind nicht an einer Falschaussage, so liegt Beihilfe durch Unterlassen
vor.[83]
E. Auswirkungen prozessualer Verstöße
Zuletzt ist darauf einzugehen, ob und wie sich prozessuale
Verstöße hinsichtlich des Zustandekommens der Aussage auf die
Strafbarkeit nach den §§ 153 ff. auswirken.
Zwingend vorliegen müssen die Tatbestandsvoraussetzungen der
§§ 153 ff., so daß eine Strafbarkeit z.B. dann ausscheidet, wenn
es an dem Erfordernis einer „zuständigen Stelle“ fehlt.
Streitig sind aber die Folgen sonstiger Verfahrensverstöße, wie
z.B. dem Verstoß gegen das Vereidigungsverbot (§ 60 StPO) oder gegen
Belehrungspflichten über ein Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht (vgl.
§§ 52 ff. StPO).
- Nach einer
Auffassung[84] werden
prozessual unverwertbare Aussagen von den §§ 153 ff. tatbestandlich
nicht erfaßt. Denn sei es untersagt, bestimmte unter Verletzung
prozessualer Normen zustande gekommene Aussagen, Eide und eidesstattliche
Versicherungen zu Zwecken der Wahrheitsfindung überhaupt in irgendeiner
Weise heranzuziehen und zu berücksichtigen, widerspreche also bereits ihre
Berücksichtigung bei der Wahrheitsfindung den Zielen der Rechtspflege, so
seien sie weder geeignet, die Ziele der Rechtspflege im Falle ihrer Wahrheit zu
fördern, noch fähig, diese im Falle ihrer Unwahrheit zu
gefährden. Zugleich ergebe sich daraus, daß in diesen Fällen
auch die von §§ 153 ff. vorausgesetzte prozessuale Wahrheitspflicht
der Aussageperson fehle.
- Nach
h.M.[85] haben
solche Verfahrensmängel auf die Strafbarkeit nach den §§ 153 ff.
an sich keinen Einfluß, da Verfahrensfehler verborgen blieben, auch
prozessual an sich unverwertbare Falschaussagen/Eide die Rechtspflege
gefährden könnten und die §§ 52, 55 StPO zwar das Schweigen
erlaubten, aber nicht das
Lügen.[86] Solche
Verfahrensfehler seien aber strafmildernd zu berücksichtigen.
Die Tatbestandsmäßigkeit ist aber auch nach
dieser Ansicht jedenfalls dann berührt, wenn verbotene Vernehmungsmethoden
nach §§ 69 III, 136a StPO in solcher Ausprägung angewendet worden
sind, daß die „Aussage“ im Ergebnis nur als widerwillige oder
willenlose Hinnahme eines fremden Diktats erscheine. Ob die Grenze, von der ab
wegen Verfahrensverstoßes die Tatbestandsmäßigkeit einer
Aussage verneint werden könne, überschritten sei, habe der Tatrichter
im Einzelfall unter Würdigung aller Umstände zu
beurteilen.[87]
F. Konkurrenzen im Bereich der Aussagedelikte
Trifft § 153 mit §§ 145d, 164, 187, 257, 258 und 263
(Prozeßbetrug) zusammentreffen, so ist Idealkonkurrenz anzunehmen. §
154 ist bezüglich der in § 153 genannten Zeugen und
Sachverständigen lex specialis (Gesetzeskonkurrenz),
s.o..[88]
[1] Vgl. dazu im AT S.
4.
[2] Sch-Sch-Lenckner,
Vorbem §§ 153 ff. Rn 2a.
[3]
è § 30
I betrifft nur den Versuch der Beteiligung an einem Verbrechen (§ 12
I). Wie sich aus der Strafandrohung der §§ 153, 156 ergibt, handelt es
sich bei diesen Normen aber lediglich um Vergehen (§ 12 II), so daß,
um eine Strafbarkeit zu normieren, die explizite und vom Grundsatz (der
Straflosigkeit des Versuchs der Beteiligung an einem Vergehen) abweichende
Regelung des § 159 notwendig war.
[4] Rengier, BT II,
§ 49 Rn 40.
[5] BGHSt 8, 301, 311.
[6] Bezüglich der
Beteiligungsprobleme in diesem Bereich vgl. die Ausführungen unten D.
[7] Sch-Sch-Lenckner,
§ 153 Rn 4.
[8] Otto, BT, §
97 Rn 33.
[9] Otto, BT, §
97 Rn 33.
[10]
Sch-Sch-Lenckner, § 153 Rn 6.
[11]
Sch-Sch-Lenckner, § 153 Rn 6 m.w.N.; Otto, BT, § 97 Rn
33. A.A. Schroth, BT, S. 256.
[12] Vgl. nur
Rengier, BT II, § 49 Rn 6; Otto, BT, § 97 Rn 34;
Hohmann/Sander, BT II, § 21 Rn 7 jeweils m.w.N.. A.A.
Sch-Sch-Lenckner, § 153 Rn 6, der auch eine schriftliche
„Beweisaussage“ genügen läßt, soweit diese eine
prozessual vollwertige Aussage darstellt.
[13]
Tröndle/Fischer, Vor § 153 Rn 3.
[14] BGH NStZ 1982,
464.
[15] Vgl. Otto, BT,
§ 97 Rn 16 ff.; Rengier, BT II, § 49 Rn 11 jew. m.w.N..
[16] BGH NStZ 1982,
464.
[17] Otto, BT,
§ 97 Rn 20; Rengier, BT II, § 49 Rn 11.
[18] Otto, BT,
§ 97 Rn 7, 8 ff..
[19] Vgl. dazu die
Nachweise bei Otto, BT, § 97 Rn 6.
[20] Rengier, BT II,
§ 49 Rn 8; Tröndle/Fischer, Vor § 153 Rn 4 ff.;
Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 153 ff. Rn 8; Joecks, Vor
§ 153 Rn 5; Hohmann/Sander, BT II, § 21 Rn 19;
Küper, BT, S. 29.
[21]
Tröndle/Fischer, Vor § 153 Rn 4.
[22] BGHSt 3, 221,
223.
[23] OLG Zweibrücken
StV 1993, 423.
[24] Verweigert der
Betreffende das Zeugnis oder die Eidesleistung ohne gesetzlichen Grund, werden
ihm die durch die Weigerung verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird ein
Ordnungsgeld und ggf. Ordnungshaft festgesetzt, vgl. § 70
StPO.
[25] Otto, BT,
§ 97 Rn 23.
[26] Nach BGHSt 3,
221 ff..
[27] BGHSt 3, 221,
224.
[28] BGHSt 8, 301,
314.
[29] BGHSt 4, 172,
177.
[30]
Tröndle/Fischer, § 153 Rn 5a.
[31] Die Vorschrift des
§ 158 ist erforderlich, weil § 24 wegen der bereits abgeschlossenen
Falschaussage bzw. des Meineids und falscher eidesstattlicher Versicherung nicht
mehr greifen kann (dazu später).
[32] BGHSt 8, 301,
314 f..
[33]
Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 153 ff. Rn 27.
[34] BayObLG NStZ-RR
1999, 174 f. m.w.N..
[35] Otto, BT,
§ 97 Rn 100.
[36] BayObLG NStZ-RR
1999, 174 m.w.N..
[37] Otto, BT,
§ 97 Rn 96 m.w.N..
[38] Vgl. nur BGHSt
7, 332; BayObLG NStZ-RR 1999, 174; Otto, BT, §
97 Rn 96; Rengier, BT II, § 49 Rn 41 m.w.N.. A.A.
Sch-Sch-Lenckner, § 157 Rn 11.
[39]
Tröndle/Fischer, § 157 Rn 1; Otto, BT, § 97 Rn 96.
[40] BGHSt 29, 298,
299; Wessels/Hillenkamp, BT 1, Rn 762.
[41] Rengier, BT II,
§ 49 Rn 46.
[42] OLG Düsseldorf
NJW 1986, 1822.
[43] OLG Celle NJW
1997, 1084; OLG Brauschweig NStZ 1994, 344 (mit abl. Anm.
Hauf, NStZ 1995, 35); Tröndle/Fischer, §
157 Rn 9; Wessels/Hillenkamp, BT 1, Rn 762; Sch-Sch-Lenckner,
§ 157 Rn 6; Otto, BT, § 97 Rn 96; Rengier, BT II, §
49 Rn 43 m.w.N.. A.A. SK-Rudolphi. § 157 Rn 1;
NK-Vorbaum, § 157 Rn 14.
[44] BGHSt 7, 2, 5;
Tröndle/Fischer, § 157 Rn 7.
[45] BGH NJW 2000,
154, 156 f. m.w.N..
[46] Vgl. BGHSt 10,
8.
[47] Nach § 60 Nr.
1, 2. Alt. StPO ist derjenige eidesunfähig, der
wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder
einer geistigen oder seelischen Behinderung vom Wesen und der Bedeutung des
Eides keine genügende Vorstellung hat.
[48] Vgl. nur BGHSt
8, 301, 309; Rengier, BT II, § 49 Rn 19;
Wessels/Hettinger, BT 1, Rn 753.
[49] Dafür:
RGSt 36, 278; BGHSt 10, 142, 144; Tröndle/Fischer, Vor
§ 153 Rn 11; Schroth, BT, S. 257. Dagegen:
Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 153 ff. Rn 25;
Wessels/Hillenkamp, BT 1, Rn 754; Hohmann/Sander, BT II, § 22
Rn 4; Rengier, BT II, § 49 Rn 20; Joecks, § 154 Rn 6.
[50]
Sch-Sch-Lenckner, § 154 Rn 7.
[51]
Sch-Sch-Lenckner, § 154 Rn 11.
[52] BGHSt 12, 56,
57 f..
[53] Rengier, BT II,
§ 49 Rn 21; Otto, BT, § 97 Rn 41.
[54] Otto, BT,
§ 97 Rn 39.
[55] Vgl. Krey, BT
1, Rn 558, 559; Otto, BT, § 97 Rn 45; Hohmann/Sander, BT II,
§ 22 Rn 14 f.; Rengier, BT II, § 49 Rn 25 jew. m.w.N. auch zur
Gegenauffassung. A.A. BGHSt 10, 272, 275 f.; 12, 56, 58
(auch im zweiten Fall: strafbarer untauglicher Versuch).
[56] Vgl. nur
Tröndle/Fischer, § 154 Rn 21a.
[57]
Tröndle/Fischer, § 160 Rn 2.
[58]
Wessels/Hettinger, BT 1, Rn 783; Otto, BT, § 97 Rn 92;
Tröndle/Fischer, § 160 Rn 3; Hohmann/Sander, BT II,
§ 21 Rn 32.
[59] BGHSt 21, 116,
117.
[60]
Sch-Sch-Lenckner, § 160 Rn 9; Lackner/Kühl,
§ 160 Rn 4; Rengier, BT II, § 49 Rn 57; Heinrich JuS
1995, 1115, 1117 f..
[61]
Tröndle/Fischer, § 160 Rn 1.
[62]
Lackner/Kühl, § 160 Rn 4.
[63] Vgl. nur
Wessels/Hettinger, BT 1, Rn 783; Sch-Sch-Lenckner, § 160 Rn
1; Rengier, BT II, § 49 Rn 55.
[64]
Wessels/Hettinger, BT 1, Rn 783.
[65] Vgl. hierzu die
Ausführungen im AT auf S. 53 ff..
[66] Wessels/Beulke,
AT, Rn 308.
[67]
Sch-Sch-Lenckner, § 34 Rn 26.
[68] Vgl. auch BGHSt
5, 371.
[69] X hatte eigentlich
Tatherrschaft kraft übergeordneter Willensherrschaft inne. Der für
§ 26 erforderliche Anstiftervorsatz ist aber als minus im
(weitergehenden) Tätervorsatz enthalten.
[70] Vgl. auch
Sch-Sch-Lenckner, § 160 Rn 9; SK-Rudolphi, § 160 Rn 4;
Haft, BT, S. 44; Küper, BT, S. 119.
[71] BGHSt 21, 116,
117 f..
[72] Rengier, BT II,
§ 49 Rn 57.
[73]
Tröndle/Fischer, § 160 Rn 3; Krey, BT 1, Rn 569 ff.;
Joecks, § 160 Rn 6; Schroth, BT, S. 261;
Wessels/Hettinger, BT 1, Rn 783 jew. m.w.N..
[74] Vgl. Otto, BT,
§ 97 Rn 73; Rengier, BT II, § 49 Rn 66 f.; Heinrich, JuS
1995, 1115, 1118 f. jew. m.w.N. Vgl. auch OLG Hamm NStZ 1993, 82,
83.
[75]
Sch-Sch-Lenckner, § 159 Rn 4.
[76]
Sch-Sch-Lenckner, § 159 Rn 4.
[77] BGHSt 24, 38.
Zustimmend Krey, BT 1, Rn 585 ff.; Hohmann/Sander, BT 1, Rn 37.
[78]
Sch-Sch-Lenckner, § 159 Rn 4; Otto, § 97 Rn 79;
Rengier, BT II, § 49 Rn 65; Wessels/Hettinger, BT 1, Rn 781.
[79] OLG Köln NStZ
1990, 594 m.w.N.; Sch-Sch-Lenckner, Vorbem §§ 153 ff. Rn
38 m.w.N..
[80] OLG Köln NStZ
1990, 594; OLG Düsseldorf NJW 1994, 272, 273; BGHSt
14, 229, 230; 17, 321, 323. Zustimmend (wohl)
Wessels/Hettinger, BT 1, Rn 786; Tröndle/Fischer, § 154
Rn 15. Anders Otto, BT, § 97 Rn 76
(è Es sei
direkt auf das Vorverhalten abzustellen. Das Vorverhalten als solches
müsse bereits eine inadäquate Gefährdung der Rechtspflege derart
darstellen, daß die Möglichkeit sachgemäßer
Tatsachenermittlung bereits durch dieses Verhalten beeinträchtigt werde);
Krey, BT 1, Rn 579 m.w.N.
(è Es die
Eigenverantwortlichkeit des mündigen Zeugen in den Vordergrund zu
stellen).
[81] Als besonderer Umstand
wurde z.B. das Heiratsversprechen des untreuen Ehemanns ggü. seiner
Geliebten anerkannt, die daraufhin im Ehescheidungsprozeß das Bestehen
einer außerehelichen Beziehung zu ihm leugnete (BGHSt 14, 229, 230
f.: Derjenige, der noch während seines Scheidungsverfahrens
Liebesbeziehungen zu einer anderen Frau, die dann als Zeugin für dieses
Verhältnis benannt sei, fortsetze und enger gestalte und dadurch für
sie die Versuchung herbeiführe, falsch auszusagen und einen Meineid zu
schwören, sei von Rechts wegen verpflichtet, den Meineid zu verhindern,
wenn er die von ihm geschaffene Gefahr erkenne). Vgl. auch BGHSt 17, 321,
323 m.w.N.: Das Gefühl des gegenseitigen Verpflichtetseins, das bloße
»stillschweigende Einvernehmen« darüber, reiche aber für
sich allein gerade nicht aus, um eine besondere Gefahrenlage für den Zeugen
zu schaffen, die den schuldigen Ehegatten verpflichtet, den Zeugen von der
Falschaussage abzuhalten.
[82] Vgl. dazu BGH NStZ
1993, 489; Rengier, BT II, § 49 Rn 72; Otto, BT,
§ 97 Rn 76 jeweils m.w.N..
[83] Haft, BT, S.
48.
[84] SK-Rudolphi,
Vor §§ 153 ff. Rn 34. Einschränkend Otto, BT,
§ 97 Rn 28 und Hohmann/Sander, BT II, § 21 Rn 28, die
verlangen, daß das Gericht die Möglichkeit gehabt haben muß,
die Unverwertbarkeit der Aussage zu erkennen.
[85] BGHSt 8, 186,
189 ff.; 10, 142, 144 m.w.N.; Sch-Sch-Lenckner, Vorbem
§§ 153 ff.; Tröndle/Fischer, Vor § 153 Rn 11.
[86] Rengier, BT II,
§ 49 Rn 36 m.w.N..
[87] OLG Köln NJW
1988, 2485, 2486; Rengier, BT II, § 49 Rn 39 m.w.N..
[88] Haft, BT, S. 48
f..
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