Überblick:
- Allgemeines
- Objektiver
Tatbestand
- Subjektiver
Tatbestand
- Insbesondere:
Provisionsvertreterfälle (BGHSt 21, 384)
- Rechtswidrigkeit und
Schuld
- Besonders schwerer Fall
(§ 263 Abs.3 und 4)
- Strafantrag
I. Allgemeines
Betrug ist die zur Erlangung eines rechtswidrigen
Vermögensvorteils mittels Täuschung unternommene und durch
Herbeiführung einer irrtumsbedingten Verfügung erzielten
Schädigung fremden Vermögens (=Vermögensverschie-bungsdelikt).
Geschütztes Rechtsgut ist das Vermögen als ganzes (nicht
Dispositionsfreiheit). Verletzter (und damit antragsberechtigt) ist der in
seinem Vermögen Geschädigte (nicht unbedingt der Getäuschte).
§ 263 ist ein sog. kupiertes Erfolgsdelikt, weil der Vermögensvorteil
nicht zum obj. Tatbestand gehört. Zu unterscheiden ist beim Betrug die
Vollendung von der Beendigung. Vgl. auch den Aufsatz in der JURA 1992, 66
(Grundprobleme des Betrugs).
II. Objektiver Tatbestand
1. Täuschungshandlung
Nach dem Wortlaut ist “eine Vorspiegelung falscher
oder Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen” nötig.
Dieser Wortlaut ist aber nicht anwendbar. Zu prüfen ist deshalb, ob eine
Täuschung über Tatsachen vorliegt. Beachte: Täuschungsobjekt
können nur Menschen sein (ansonsten Computerbetrug, § 263a,
s.u.).
a) Tatsachen sind konkrete Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit
oder Gegenwart, die dem Beweise zugänglich sind. Keine Tatsachen sind
demnach zukünftige Ereignisse (Prognosen) sowie Meinungen und Werturteile,
weil sie nicht beweisbar sind. Als Tatsachen iSd. § 263 werden aber
angesehen:
- Dispositive Tatsachen (wie
z.B. Zerbrechlichkeit, Abnehmen)
- Innere Tatsachen
(Willensfähigkeit, Bereitschaft, Motive)
- Nach BGH (BGHSt 34, 199) auch
Fakten, die im Rahmen von Werturteilen behauptet werden, wo aber nicht sicher
ist, ob sie falsch oder wahr sind, als Tatsachen angesehen.
- juristische Fakten und
Ansprüche (str.)
b) Täuschung ist objektiv das Einwirken auf den Intellekt und subjektiv die
Vorspiegelung eines falschen Sachverhalts. Eine Täuschung ist möglich
durch:
- (ausdrückliches)
positives Tun
- konkludentes Handeln: Ein
Handeln ist konkludent, wenn einer speziellen Handlung ein spezieller
Erklärungswert zukommt. Maßgeblich ist dabei, wie die
Verkehrsauffassung dieses Verhalten versteht und bei objektiver Beurteilung
verstehen darf. So liegt zB in der Benutzung eines Schecks die konkludente
Zusage der Zahlungsbereitschaft, beim Ablegen von Waren an der Kasse in einem
SB-Laden die Zusage keine weitere Waren mehr haben, durch den Abschluß
eines Vertrages die Zusage der Erfüllungsmöglichkeit/-bereitschaft,
durch die Bestellung von Speisen und Getränken die Zusage der
Zahlungsfähigkeit/-bereitschaft. Auch bei der Abgabe eine Wettscheins bei
Pferderennen nach einer Bestechung der Jockeys ist eine konkludente
Täuschung möglich, da die Wettchance eine dispositive Tatsache ist und
durch die Abgabe des Tippscheins ein konkludentes Versprechen abgegeben wird,
daß eine Gewinnchance besteht. Dasselbe gilt auch für Warentermin-
und Optionsgeschäfte mit derart hohen Vermittlungsgebühren, daß
der andere keinen Gewinn erzielen kann.
- Unterlassen: Voraussetzung
für einen Betrug durch Unterlassen ist eine Garantenstellung
(=Rechtspflicht zum Handeln). Eine Garantenstellung kann sich aus Gesetz (zB
§ 666 BGB), aus einem vertraglich begründetem
Vertrauensverhältnis oder aus pflichtwidrigem vorausgegangenem Tun ergeben.
Allerdings begründet nicht jeder Vertrag ein Vertrauensverhältnis. Das
gleiche gilt bei einer Garantenpflicht aus §§242 BGB (allgemeine
Aufklärungspflicht). Nach der Rechtsprechung (BGHSt 39, 398) müssen
besondere vertrauensbildende Umstände zukommen, v.a. wenn die
Nichtaufklärung einen erheblichen Schaden verursacht, es dem Partner
erkennbar auf einen Umstand ankommt oder der Partner erkennbar unerfahren ist
(zB langjährige Geschäftsverbindung, Tätigkeit in einer
Gesellschaft, enge natürliche Verbundenheit, bei größeren
Werten, Zurückhalten von Expertisen bezüglich eines Bildes,
Nichterwähnen des Wegfalls eines Grundes für
Eigenbedarfskündigung). Keine Garantenstellung liegt zB bei Nichtherausgabe
von zuviel zurückbekommenen Geld und bei Weiterbezug von Rentenzahlungen
nach dem Tod vor. Wird jemand nach Einmietung in ein Hotel zahlungsunfähig,
so kann darin kein Betrug liegen, da die Zahlungsunfähigkeit nicht zum
Zeitpunkt des Einmietens vorlag und keine Garantenstellung bezüglich
später eintretender Zahlungsunfähigkeit bestehen
kann.
c) Besonders problematisch sind die Fälle der Fehlüberweisung und
Fehlbuchung:
- Bei der Fehlüberweisung
erfolgt eine Gutschrift infolge einer irrtümlichen Überweisung eines
Geldbetrages durch einen Dritten. Nach der Rechtsprechung (BGHSt 39, 396)
erlangt der Kunde hier einen Anspruch auf die Auszahlung der irrtümlichen
Gutschrift des Dritten gegen die Bank. Rechtsgrundlage dafür ist der
Girovertrag mit der Bank (st. Rspr.). Daher macht der Kunde gegenüber der
Bank einen rechtmäßigen Anspruch geltend, wenn er das eingegangene
Geld abhebt. Es ist mangels Täuschung kein Betrug gegenüber der Bank
möglich. Auch scheidet ein Betrug durch Unterlassen zum Nachteil des
Überweisenden aus, weil der (getäuschte) Bankangestellte keine
Garantenpflicht für das Vermögen des Überweisenden hat. Der
Dritte hat lediglich zivilrechtliche Ansprüche (z.B. § 812). Beachte:
Möglich ist jedoch ein untauglicher Versuch, wenn der Kunde subjektiv
glaubt, keinen Anspruch gegen die Bank zu haben.
- Unter Fehlbuchung ist ein
Vorgang zu verstehen, bei dem dem Konto durch ein bankinternes Versehen ein
falscher Betrag gutgeschrieben wird (zB anstatt 50.000 DM werden 500.000 DM
gebucht). Durch eine solche Fehlbuchung erlangt der Kontoinhaber keinen Anspruch
gegen die Bank, da die Gutschrift der Bank ohne Wirkung ist. Hebt der
Kontoinhaber mit dieser Kenntnis einen Geldbetrag ab, liegt eine konkludente
Täuschung gegenüber dem Bankangestellten vor und er begeht einen
Betrug zum Nachteil der Bank (tatbestandlich nicht möglich sind § 246
und § 266). Beachte: Bei Weitergabe des durch Betrug erlangten Geldes ist
Hehlerei möglich.
2. Entstehung eines Irrtums oder Irrtumsunterhaltung
Durch die Täuschung muß beim Getäuschten
kausal ein Irrtum erregt oder ein bestehender Irrtum unterhalten
werden.
a) Unter Irrtum versteht man die Erweckung jeder unrichtiger Vorstellung (bei
einem Menschen), die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Kein Irrtum
ist demnach gegeben, wenn sich der andere überhaupt keine Vorstellungen
macht (sog. ignorantia facti). Auch wenn der Getäuschte keine konkreten
Vorstellungen hat, ist ein Betrug möglich. Ein unreflektiertes
sachgedankliches Mitbewußtsein genügt zur Irrtumserregung ebenso wie
die aus bestimmten Tatsachen abgeleitete Vorstellung, daß in der
betreffenden Hinsicht “alles in Ordnung” ist. Ein Irrtum kann auch
vorliegen, wenn der andere Zweifel an der Richtigkeit der Aussage hat, er
muß die behauptete Tatsache lediglich Fürmöglichhalten.
b) Die Täuschungshandlung muß Kausalität für den Irrtum
sein. Bei den Fällen der ignorantia facti liegt beim Opfer zwar auch ein
Irrtum vor, dieser ist jedoch nicht auf die Täuschung
zurückzuführen.
c) Besonders problematisch ist die Täuschung in folgenden Fällen:
- Bei der Hingabe von
qualifizierten Inhaberpapieren (zB Sparbuch, § 808 BGB) durch einen
Nichtberechtigten kann ein Irrtum erregt werden, weil der Bankangestellte sich
Gedanken über die Person des Kunden macht, wenn er Geld ausbezahlt.
Begründet wird dies damit, daß der Bankangestellte bei grob
fahrlässigem Handeln haftbar und die Bank von einer Leistung frei wird
(vgl. § 808 BGB).
- Fraglich ist, ob ein Irrtum
möglich ist, wenn jemand einen nicht gedeckten Scheck innerhalb der
Einlösungsgarantie der Bank einreicht. Nach der Rechtsprechung (BGHSt 24,
326) ist ein Betrug möglich, obwohl sich der Kassierer hier keine Gedanken
macht (es liegt ein Garantievertrag vor!). Ausreichend sei in diesen
Fällen, daß der Kassierer Mitbewußtsein über die
Liquidität hat.
- Der Kellner wird zB bei der
Aufnahme der Speisen und Getränke regelmäßig von der
Zahlungswilligkeit des Gastes ausgehen. Ebenso der Schaffner im Zug, der auf die
Frage “noch jemand zugestiegen” keine Anwort enthält. Strittig
ist in diesem Zusammenhang v.a. der Tankstellenbetrug (Hat sich Kassierer
Gedanken gemacht?).
- Unproblematisch kann ein
Irrtum hingegen dann bejaht werden, wenn der Handelnde weiß nicht,
daß er eine Verfügung trifft (zB Vertrag statt Autogramm), er das
Ausmaß einer Verfügung nicht kennt (zB ist der Wert eines Gegenstands
nicht 100 DM, sondern 10000 DM) oder er eine Leistung erhält, die keine ist
(zB Hingabe von Falschgeld).
- Für den Mißbrauch
von Scheck- und Kreditkarten (nicht Kundenkarte) gilt § 266b
(s.u.).
- Für den Mißbrauch
von Codekarte gilt nach der Rechtsprechung (BGH MDR 1992, 168) § 263a
(s.u.).
3. Vermögensverfügung
Durch den Irrtum muß der Getäuschte kausal zu
einer Verfügung über sein Vermögen oder das eines Dritten
veranlaßt werden. Der Begriff der Vermögensverfügung ist nicht
zivilrechtlich, sondern rein tatsächlich zu verstehen.
a) Eine Vermögensverfügung ist jedes bewußte oder
unbewußte freiwillige Tun, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar zu
einem Vermögensschaden führt.
aa) Tun, Dulden oder Unterlassen: Notwendig ist nur eine rein tatsächliche
(nicht unbedingt rechtliche) Handlung. Auch eine hoheitliche Handlung (z.B.
Entscheidung eines Richters) kann einen Betrug auslösen, wenn sich der
Richter geirrt hat (z.B. infolge einer falschen Aussage), sog.
Prozeßbetrug. Fraglich ist, ob dies auch im Mahnverfahren (§ 692 ZPO)
gilt. Hier ist nach heutiger Rechtslage wohl kein Irrtum möglich, weil der
Rechtspfleger keine Schlüssigkeitsprüfung mehr macht, häufig
sogar automatisierte Verfahren angewendet werden (anders OLG Düsseldorf,
NStZ 1991, 586). Vgl. auch zu einem Fall des Prozeßbetrugs vor dem BVerfG
(OLG Karlsruhe, NStZ 1996, 282).
bb) Unmittelbarkeit: Unmittelbarkeit bedeutet, daß kein weiteres
eigenmächtiges Handeln des Täters erforderlich ist. Die
Unmittelbarkeit des Handelns wäre u.a. dann ausgeschlossen, wenn die
Täuschung nur dazu dienen soll, eine Sache später wegzunehmen.
Problematisch ist insoweit die Abgrenzung zum Diebstahl (s.u.).
cc) Freiwilligkeit: Liegt keine freiwillige Verfügung vor, dann handelt es
sich nicht um einen Betrug, sondern um einen Diebstahl bzw. eine
Erpressung.
dd) Ein Verfügungsbewußtsein ist nicht erforderlich. Zur
Unterscheidung zwischen bewußt und unbewußt à BGHSt 14,
170
b) Besonders problematisch ist in einigen Fällen die Abgrenzung zum
Diebstahl. Hier sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: keine Unmittelbarkeit
(wegen Gewahrsamslockerung) und keine Freiwilligkeit.
- MDR 1966, 199: Autofahrer
veranlaßt Anhalterin unter einem Vorwand zum Aussteigen und fährt mit
ihrem Gepäck weg. § 263? Täuschung (+), Irrtum (+),
Vermögensverfügung (-, da keine Unmittelbarkeit, weil keine Anhalterin
keine Verfügung über Gegenstände trifft, sondern nur
Gewahrsamslockerung)
à
Diebstahl
- A verkauft und übergibt
Moped an B. Er bittet diesen, ihn noch nach Hause zu bringen. Während der
Fahrt täuscht A dem B vor, daß an dem Moped etwas nicht stimmt.
Daraufhin steigt B vom Moped, A fährt davon. §§263?
Täuschung (+), Irrtum (+), Vermögensverfügung (-, da keine
Unmittelbarkeit, weil B nichts selbst gemacht hat, sondern nur
Gewahrsamslockerung)
à
Diebstahl
- A und B stellen sich bei
Tabakhändlerin T als Polizisten vor und “beschlagnahmen” den
Tabak. § 263? Täuschung (+), Irrtum (+), Vermögensverfügung
(-, da keine Freiwilligkeit, weil T den Tabak nicht an A und B herausgeben
wollte, sondern dies nur unter Druck gemacht hat)
à
Diebstahl
- A rennt mit nicht bezahlter
Kleidung weg, die er sich angeblich am Tageslicht anschauen will. Hier liegt
eine Gewahrsamslockerung vor. Somit konnte der Täter den Gewahrsam brechen.
à
Diebstahl
Folgen: Bei Betrug keine
Anwendung von § 252 und § 248b
c) Es muß keine Identität zwischen Verfügendem und
Geschädigtem gegeben sein. Ein Betrug liegt demnach vor, wenn eine
Vermögensverfügung eines Dritten vorliegt (à Dreiecksbetrug).
Hingegen liegt kein Betrug vor, wenn sich der Täter des Dritten nur als
Werkzeug bedient (à Diebstahl in mittelbarer Täterschaft). Die
Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl ist sehr strittig:
- Die Rechtsprechung
unterscheidet, ob der Getäuschte Mitgewahrsam an der Sache
hatte.
Parkgaragen-Fall (BGHSt 18, 221):
Frau hat bei P ihr Auto in Parkgarage abgegeben und P einen Schlüssel zur
Sicherheit gegeben. Der ehemalige Freund D der Frau, der bisher immer das Auto
benutzen durfte, kommt nun (nicht mehr berechtigt) zu P und bittet ihm, den
Schlüssel zu geben. D fährt mit dem Auto weg. § 263? Nach BGH hat
sowohl Frau als auch P Mitgewahrsam an dem Auto, weshalb durch die
Täuschung des P ein Betrug vorliegt, weil P seinen Mitgewahrsam durch
Täuschung aufgegeben hat. Gleichzeitig müßte aber auch ein
Diebstahl gegenüber der Frau vorliegen. Nach BGH schließen sich aber
§ 263 und § 242 aus (Exklusivität), weshalb ein Diebstahl nicht
möglich ist. Ausschlaggebend ist dabei, ob der Dritte Mitgewahrsam hatte
(dann Betrug). Kritisch JuS 1964, 234
Bsp.: A und B streiten sich in der Straßenbahn. B
verliert sein Uhr. A will aussteigen. Fahrgast sieht die herunterfallende Uhr
und fragt den A, ob es seine sei. Dieser bejaht es und nimmt die Uhr an sich.
Betrug oder Diebstahl? Fahrgast hat nach RSpr. Mitgewahrsam an der Uhr, so
daß ein Betrug vorliegt (so auch bei einer Kassiererin in einem
Supermarkt; anders z.B. Vermieterin, die keinen Mitgewahrsam an den Sachen der
Untermieterin hat).
- In der Literatur werden z.T.
andere Ansichten vertreten:
- Nach Dreher kommt es auf die subjektive Willensrichtung
des Getäuschten und nicht auf den Mitgewahrsam an. Hat der Getäuschte
für den Täter gehandelt, dann kommt § 242 in Frage; hat er
für den Geschädigten gehandelt, dann ist § 263
einschlägig.
- Nach Lenckner (JZ 1966, 320) ist eine objektive
Abgrenzung nach der sog. Lagertheorie erforderlich. Es kommt also darauf an, ob
der Getäuschte im Lager des Täters (dann § 242) oder des
Geschädigten steht (dann § 263).
- Nach Otto ist sowohl ein objektive Element
(Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache) als auch die Willensrichtung des
Getäuschten ausschlaggebend. Außerdem muß der Getäuschte
im Rahmen der Verfügungsmacht gehandelt
haben.
4. Vermögensschaden
a) Vermögensbegriff (vgl. dazu auch JURA 1994, 309)
- juristischer
Vermögensbegriff: die Gesamtheit der Vermögensrechte und -pflichten
einer Person. Dies wurde aber als zu eng angesehen, da z.B. Expektanzen,
Kundenstamm, Wettchance nicht umfaßt sind.
- wirtschaftlicher
Vermögensbegriff: die Summe der geldwerten Güter nach Abzug der
Verbindlichkeiten. Dies wurde aber als zu weit angesehen, weil z.B. auch eine
(wegen Sittenwidrigkeit) nichtige Forderung oder der Besitz des Diebes
geschützt wäre.
- juristisch-ökonomischer
(oder materialer) Vermögensbegriff: Summe der geldwerten Güter, soweit
kein Widerspruch zur Rechtsordnung vorhanden ist. Hier wären auch
Anwartschaften und Expektanzen umfaßt, hingegen nicht der Besitz des
Diebes oder sittenwidrige Forderungen (z.B. aus
Prostitution).
b) Schadensberechnung
Der Schaden wird grundsätzlich nach der
Saldotheorie anhand einer objektiv individualisierenden Betrachtungsweise unter
Berücksichtigung einer etwaigen Schadenskompensation (z.B. Erhalt einer
Gegenleistung) berechnet, d.h. ein Vergleich des Vermögens vor der
Verfügung mit dem nach der Verfügung. Ist das Vermögen nach der
Verfügung weniger als davor, dann ist ein Schaden eingetreten (nachteilige
Vermögensdifferenz). Zu unterscheiden ist zwischen Eingehungsbetrug
(Schaden tritt bereits bei Vertragsschluß ein, d.h. Vergleich der
Ansprüche und Verpflichtungen, BGH NJW 53, 836) und Erfüllungsbetrug
(Schaden tritt erst bei Vornahme der Erfüllungshandlung ein, d.h. Vergleich
zwischen dem im Vertrag vorgesehenen und dem tatsächlich erhaltenen, BGHSt
32, 211).
c) geschützter Vermögenswert
- Ein Vermögensschaden
liegt nach der RSpr. und hL. auch schon vor, wenn bei wirtschaftlicher
Betrachtungsweise eine konkrete Vermögensgefährdung gegeben ist, d.h.
der bevorstehende (noch nicht eingetretene) Schaden muß sich soweit
verdichtet haben, daß der Eintritt bei lebensnaher Betrachtungsweise unter
Beachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls wahrscheinlich ist (vgl.
BGHSt 21, 113). Beispiele sind Anspruch gegen einen
zahlungsunfähigen/-unwilligen Kunden, Unterschreibung eines Blankowechsels,
Schuldschein für eine nichtbestehende Schuld, Erlaß eines
Vollstreckungsbescheids (nicht jedoch eines Mahnbescheids). Keine konkrete
Vermögensgefährdung liegt nach Ansicht der Literatur (anders LG
Mannheim) bei Anmietung einer Wohnung für ein Callgirl (statt einer
Sekretärin) vor. Ebenso ist dies beim Kauf eines Gerätes mit anderen
als den versprochenen Eigenschaften unter zweiwöchigem Rückgaberecht.
Nach der Literatur ist ein Vermögensgefährdung erst gegeben, wenn das
vorhandene vertragliches Rücktrittsrecht abgelaufen ist (anders OLG
Köln). Nach der Rechtsprechung (BGH) gilt anderes bei Vorliegen von
Anfechtungsrechten, da diese idR. nicht ausgebt werden.
- Strittig ist, in wieweit
Anwartschaften einen Vermögensgegenstand darstellen. Nach der h.M. ist dies
dann der Fall, wenn eine tatsächliche Erwerbs- und Gewinnaussicht mit
Wahrscheinlichkeit eintreten wird (z.B. Kundenstamm). Ausschlaggebend ist nach
der Rechtsprechung eine aus bestimmten Lebensverhältnissen abzuleitende
Wahrscheinlichkeit. Fraglich ist, ob die Aussicht, im Rahmen eines
Bieterverfahrens einen Auftrag zu bekommen, eine wahrscheinlich eintretende
Anwartschaft ist, d.h. der Auftrag an diese Firma vergeben wird. Dies ist nach
der Rechtsprechung (BGHSt 17, 140) nur für den Anbieter der Fall, der das
(legal) günstigste Angebot abgegeben hat. Deshalb liegt ein Betrug
gegenüber diesem Anbieter dann vor, wenn ein Unternehmen den Auftrag z.B.
durch Bestechung des Auftaggebers erhält.
- Ein Unterfall ist der
Submissionbetrug. Ein Submissionsbetrug liegt vor, wenn sich mehrere Unternehmen
über die Preise absprechen. Macht z.B. ein Unternehmen ein Angebot und
zahlt anderen Unternehmen Geld, damit diese keine besseren Angebote machen, dann
liegt ein Betrug bzgl. des Auftraggebers vor (nicht jedoch bzgl. der anderen
Unternehmen, da diese kein Schaden haben). Der Schaden für den Auftraggeber
liegt darin, daß kein Marktpreis zustande kommt und er mehr zahlen
mußte (vgl. dazu auch BGH NStZ 1993, 40).
- Eine Kompensation findet
ausnahmsweise nicht statt, wenn die Regeln des persönlichen
Schadenseinschlags eingreifen. Dies ist u.a. der Fall, wenn eine andere aber
gleichwertige Leistung geliefert
wird.
Vgl. dazu grundlegend
BGHSt 16, 321 (Melkmaschinen-Fall), in dem drei Sachverhalte entschieden
wurden.
(1) A erzählt L, er könne ihm die
Maschinen weit unter dem Listenpreis verkaufen, obwohl der Preis in Wirklichkeit
dem Listenpreis entsprach. Er forderte den hoch verschuldeten L (was A
wußte) auf, sich innerhalb von kurzer Zeit zu entscheiden, da er sonst den
normalen Listenpreis berechnen müsse.
(2) A erzäht B, er könne bei
sofortigem Kauf 1000,- DM sparen (in Wirklichkeit entsprach der Preis aber dem
Listenpreis). B kaufte die Maschinen und mußte für den Kauf, weil er
verschuldet war, einen hochverzinslichen Kredit aufnehmen.
(3) A erzählt F, die Melkmaschine reiche
für 10 Kühe, obwohl sie in Wirklichkeit nur für 2 Kühe
reichte.
In allen Fällen des Melkmaschinen-Falles liegt
eigentlich kein Schaden vor, da zwischen Leistung und Gegenleistung
Gleichwertigkeit vorliegt. Man kann aber trotz der Gleichwertigkeit
ausnahmsweise aufgrund der besonderen persönlichen Umstände bei den
Betrogenen einen Schaden bejahen (Eingehungsbetrug). Nach dem BGH gilt
folgendes:
- § 263 ist grundsätzlich kein Delikt zum Schutz
der Dispositionsfreiheit, d.h. ein bloß unerwünschter Vertrag ist
noch kein Schaden, solange objektiv wirtschaftlich eine gleichwertige
Gegenleistung erbracht wird.
- Der Schaden darf aber nicht nur ausschließlich
objektiv bestimmt werden, vielmehr sind die persönliche Umstände und
der mit dem Vertrag verfolgten Zweck zu berücksichtigen (Prinzip der
Individualisierung).
- Es kommt aber nicht auf die subjektive, persönliche
Ansicht des Geschädigten an, sondern auf die Sicht eines neutralen,
objektiven Dritten (objektiv-individualisierende Betrachtungsweise).
- Folgende drei objektive Umstände können deshalb
einen Schaden trotz Gleichwertigkeit der Gegenleistung
begründen:
- Der vertraglich vorausgesetzte Zweck kann nicht (oder
nicht in vollem Umfang) erreicht werden oder die Gegenleistung nicht in anderer
zumutbarer Weise verwertet werden.
- Der Getäuschte wird durch den Vertrag zu
vermögensschädigenden Dispositionen veranlaßt (z.B. Aufnahme
eines zinsungünstigen Darlehens, Verkauf von Gegenständen zu einem
ungünstigen Zeitpunkt).
- Der Getäuschte wird durch die Verpflichtung zu
erheblichen Einschränkungen in seiner Lebens- und Wirtschaftsweise
gezwungen, d.h. er hat nicht mehr die Mittel zur Verfügung, die er zur
ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Verbindlichkeit
benötigt.
d) einseitige unentgeltliche Weggabe (Bettel-/Spendenbetrug)
Ein Spendenbetrug liegt vor, wenn mit Hilfe von Spenden
ein Gewinn erzielt wird, der in die eigene Tasche gewirtschaftet oder für
andere Zwecke verwendet wird. Problematisch ist zunächst, ob eine
Täuschung durch konkludentes Tun gegeben ist. Dies wäre der Fall, wenn
der Spendensammler erklärt, daß das Geld zweckgebunden verwendet
wird. Nach Ansicht des BGH macht er dies allerdings nicht (vgl. BGH NStZ 1995,
134). Fraglich ist desweiteren, ob auch ein Vermögensschaden entstanden
ist, da die Spender wußten, daß sie keine Gegenleistung bekommen.
Eigentlich ist darin nur eine unbewußte Selbstschädigung der Spender
zu sehen. Anerkannt ist aber, daß ein Schaden dann anzunehmen ist, wenn
soziale oder wirtschaftliche Zwecke verfehlt werden (sog.
Zweckverfehlungstheorie). Deshalb ist der Spendenbetrug gem. § 263 zu
bestrafen.
e) gutgläubiger Erwerb von Eigentum
Liegt ein Schaden auch vor, wenn der Getäuschte nur
gutgläubig Eigentum an der Sache erworben hat und die Sache deshalb mit
“einem sittlichen Makel” (sog. Makeltheorie des RGH) belastet ist
(z.B. Herausgabebegehren des früheren Eigentümers). Nach der
Rechtsprechung (BGHSt 15, 83) liegt in diesen Fällen grundsätzlich
kein Schaden vor; entscheidend sind jedoch die Umstände des Einzelfalls,
die dazu führen können, daß ein Schaden dann vorliegt, wenn ein
konkreter wirtschaftlicher Nachteil eintreten kann (z.B.
Prozeßgefahr).
f) Anstellungsbetrug (Abgrenzung zur Urkundenfälschung)
Ein Anstellungsbetrug liegt vor, wenn sich jemand durch
falsche Angaben eine Beschäftigung erschleicht. Zu unterscheiden sind
privat-rechtliche Arbeitsverhältnisse und Beamtenanstellungen. Ein Schaden
liegt vor, wenn zwischen Leistung (Lohn) und Gegenleistung (Arbeit) ein
Mißverhältnis besteht. Dies ist idR. nicht gegeben, weil der
Angestellte die Gegenleistung erbringen kann. Ausnahmsweise wird bei
privat-rechtlichen Anstellungsverhältnissen ein Schaden in folgenden drei
Fällen angenommen:
- Anstellung in einer
Vertrauensstellung
- Abstellung bei mangelnden
persönlichen Voraussetzungen
- Anstellung aufgrund
bewußter Fehlangaben.
Anders ist
dies bei beamtenrechtlichen Arbeitsverhältnissen, da es sich hier um eine
einseitige, vom Staat festgesetzte Leistung handelt, die an feste
Voraussetzungen geknüpft ist (Laufbahnvoraussetzungen,
besoldungsmäßige Voraussetzungen). Erfüllt der Bewerber diese
Voraussetzungen, dann entsteht für den Staat kein Schaden (vgl. BGHSt 5,
358).
III. Subjektiver Tatbestand
1. Vorsatz
Der Täter muß vorsätzlich bzgl. des
objektiven Tatbestandes unter Einschluß der sie verbindenden
Kausalbeziehung gehandelt haben. Ausreichend ist insofern dolus eventualis.
Daß der Täter sich unter dem Geschädigten eine andere Person als
die wirklich Benachteiligte vorstellt, schließt den Vorsatz nicht
aus.
2. Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern
Zusätzlich ist erforderlich, daß der
Täter in der Absicht handelt, sich oder einen Dritten zu bereichern.
Absicht ist nach st. Rspr. (BGHSt 16, 1) gegeben, wenn der Vermögensvorteil
die sichere und erwünschte Folge seines Tuns ist. Es reicht nur Absicht
(dolus directus 1. Grades) aus, dolus eventualis reicht nicht. Eine andere
Ansicht hat das BayObLG (JZ 1972, 25) vertreten, wonach auch eine
Bereicherungsabsicht 2. Grades ausreichend ist.
3. Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils
a) Rechtswidrigkeit des erstrebten Vorteils (obj TBM)
Der erstrebte Vermögensvorteil muß objektiv
rechtswidrig sein. Dies ist der Fall, wenn kein (materiell-rechtlich)
fälliger, einredefreier Anspruch gegeben ist (vgl. NStZ 1997, 431). Nach
anderer Ansicht fehlt es in diesen Fällen schon am Vermögensschaden,
so daß schon der objektive Tatbestand nicht erfüllt ist.
b) Vorsatz bzgl. Rechtswidrigkeit
Der Täter muß auch vorsätzlich
bezüglich der Rechtswidrigkeit gehandelt haben. Irrt sich der Täter
über die Rechtswidrigkeit, dann liegt ein Tatbestandsirrtum
vor.
obj. TB: Rechtswidrigkeit des
Vorteils
|
subj.TB: Vorsatz
|
Ergebnis
|
Rechtswidrigkeit fehlt
à obj. TB
(-)
|
Täter wußte dies
à subj. TB
(-)
|
263 (-)
BGSt, 3, 160
|
Rechtswidrigkeit ist gegeben (d.h. Täter hat keinen
Anspruch) à obj.
TB (+)
|
Täter wußte dies
à subj. TB
(+)
|
263 (+)
|
Rechtswidrigkeit ist gegeben (d.h. Täter hat keinen
Anspruch) à obj.
TB (+)
|
Täter glaubt irrig, Anspruch zu haben
à subj. TB
(-)
|
TBIrrtum, §§16 I
Wistra 1992, 74
|
Rechtswidrigkeit fehlt (d.h. Täter hat Anspruch)
à obj. TB
(-)
|
Täter glaubt irrig, keinen Anspruch zu haben (d.h.
Täter unterstellt die Rechtswidrigkeit zu seinen Ungunsten)
à subj. TB
(+)
|
untauglicher Ver-such (umgekehr-ter
TBIrrtum)
|
4. Stoffgleichheit zwischen Vermögensvorteil und -schaden
Der Vermögensvorteil muß deckungsgleich mit
dem Schaden sein, d.h. Schaden und Vorteil müssen unmittelbar durch
einunddieselbe Verfügung vermittelt werden (obj. TBM). Ist keine
Stoffgleichheit gegeben, dann liegt nur ein versuchter Betrug
vor.
IV. Insbesondere: Provisionsvertreterfälle (BGHSt 21, 384)
Vertreter V vermittelt einer alten Frau (F) anstatt
eines gewünschten Strickmagazins ein Herrenmagazin, um die Provision zu
kassieren. Mit dem Vertrag geht er zur Firma und kassiert die Provision. Wie hat
sich V strafbar gemacht?
1. Betrug bzgl. der Frau zum Nachteil der Frau
- Täuschung über Tatsachen: aktive Täuschung
über den Vertragsinhalt
- Irrtumserregung: Frau glaubt, etwas anderes bestellt zu
haben
- Vermögensverfügung: Frau schließt einen
Vertrag
- Vermögensschaden: Unbrauchbarkeit (trotz
Rücktrittsrecht
à
Vermögensgefährdung)
- Vorsatz
- Bereicherungsabsicht /
Stoffgleichheit
- Absicht, sich zu bereichern: Provisionserwerb
à Ergebnis: kein
Betrug wegen fehlender Stoffgleichheit
- Absicht, einen Dritten (=Firma) zu bereichern:
Verschaffen eines Auftrags an die Firma
à Ergebnis:
vollendeter Betrug
- Stoffgleichheit zwischen Vermögensschaden und
-vorteil
- Provision ist nicht Kehrseite der
Unbrauchbarkeit
- Lieferung / Auftrag hängt unmittelbar mit der
Unbrauchbarkeit zusammen
- Ergebnis: vollendeter Betrug zum Nachteil der Frau
2. Betrug bzgl. der Firma zum Nachteil der Firma
- Täuschung über Tatsachen: konkludentes
Vorspiegeln eines korrekt zustande gekommenen Vertrages
- Irrtumserregung: Firma glaubt, einen korrekten Vertrag
geschlossen zu haben
- Vermögensverfügung: Auszahlung einer
Provision
- Vermögensschaden: Vorhandensein eines anfechtbaren
Vertrages mit der Frau
- Vorsatz
- Absicht, sich zu bereichern:
Provisionserschwindelung
- Stoffgleichheit: Der Vertrag hängt unmittelbar mit
der Provision zusammen.
- Ergebnis. vollendeter
Betrug
V. Rechtswidrigkeit und Schuld
VI. Besonders schwerer Fall (§ 263 Abs.3 und 4)
In besonders schweren Fällen eine Freiheitsstrafe
von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu verhängen. Ein besonders schwerer
Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder
als Mitglied einer Bande handelt, einen Vermögensverlust großen
Ausmaßes herbeiführt, eine andere Person in wirtschaftliche Not
bringt, seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger
mißbraucht hat. Maßgebend ist das gesamte Tatbild unter
Einschluß der subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit.
Die Tat bleibt auch hier ein Vergehen (§ 12 Abs.3). Die
Ausschlußklausel des § 243 Abs.2 gilt beim Betrug entsprechend
(§ 263 Abs.4).
VII. Strafantrag (§ 263 Abs.4)
- . Bei Bagatelldelikten sowie beim Haus- und
Familienbetrug gilt §§ 248a, 247 entsprechend, d.h. es ist ein
Strafantrag erforderlich. Im letztgenannten Fall kommt als Antragsberechtigter
nur der Geschädigte, nicht auch der davon personenverschiedene
Getäuschte in Betracht.
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