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Betrug, § 263
Überblick:
  • Allgemeines
  • Objektiver Tatbestand
  • Subjektiver Tatbestand
  • Insbesondere: Provisionsvertreterfälle (BGHSt 21, 384)
  • Rechtswidrigkeit und Schuld
  • Besonders schwerer Fall (§ 263 Abs.3 und 4)
  • Strafantrag
I. Allgemeines

Betrug ist die zur Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils mittels Täuschung unternommene und durch Herbeiführung einer irrtumsbedingten Verfügung erzielten Schädigung fremden Vermögens (=Vermögensverschie-bungsdelikt). Geschütztes Rechtsgut ist das Vermögen als ganzes (nicht Dispositionsfreiheit). Verletzter (und damit antragsberechtigt) ist der in seinem Vermögen Geschädigte (nicht unbedingt der Getäuschte). § 263 ist ein sog. kupiertes Erfolgsdelikt, weil der Vermögensvorteil nicht zum obj. Tatbestand gehört. Zu unterscheiden ist beim Betrug die Vollendung von der Beendigung. Vgl. auch den Aufsatz in der JURA 1992, 66 (Grundprobleme des Betrugs).

II. Objektiver Tatbestand

1. Täuschungshandlung

Nach dem Wortlaut ist “eine Vorspiegelung falscher oder Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen” nötig. Dieser Wortlaut ist aber nicht anwendbar. Zu prüfen ist deshalb, ob eine Täuschung über Tatsachen vorliegt. Beachte: Täuschungsobjekt können nur Menschen sein (ansonsten Computerbetrug, § 263a, s.u.).
a) Tatsachen sind konkrete Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweise zugänglich sind. Keine Tatsachen sind demnach zukünftige Ereignisse (Prognosen) sowie Meinungen und Werturteile, weil sie nicht beweisbar sind. Als Tatsachen iSd. § 263 werden aber angesehen:
  • Dispositive Tatsachen (wie z.B. Zerbrechlichkeit, Abnehmen)
  • Innere Tatsachen (Willensfähigkeit, Bereitschaft, Motive)
  • Nach BGH (BGHSt 34, 199) auch Fakten, die im Rahmen von Werturteilen behauptet werden, wo aber nicht sicher ist, ob sie falsch oder wahr sind, als Tatsachen angesehen.
  • juristische Fakten und Ansprüche (str.)
b) Täuschung ist objektiv das Einwirken auf den Intellekt und subjektiv die Vorspiegelung eines falschen Sachverhalts. Eine Täuschung ist möglich durch:
  • (ausdrückliches) positives Tun
  • konkludentes Handeln: Ein Handeln ist konkludent, wenn einer speziellen Handlung ein spezieller Erklärungswert zukommt. Maßgeblich ist dabei, wie die Verkehrsauffassung dieses Verhalten versteht und bei objektiver Beurteilung verstehen darf. So liegt zB in der Benutzung eines Schecks die konkludente Zusage der Zahlungsbereitschaft, beim Ablegen von Waren an der Kasse in einem SB-Laden die Zusage keine weitere Waren mehr haben, durch den Abschluß eines Vertrages die Zusage der Erfüllungsmöglichkeit/-bereitschaft, durch die Bestellung von Speisen und Getränken die Zusage der Zahlungsfähigkeit/-bereitschaft. Auch bei der Abgabe eine Wettscheins bei Pferderennen nach einer Bestechung der Jockeys ist eine konkludente Täuschung möglich, da die Wettchance eine dispositive Tatsache ist und durch die Abgabe des Tippscheins ein konkludentes Versprechen abgegeben wird, daß eine Gewinnchance besteht. Dasselbe gilt auch für Warentermin- und Optionsgeschäfte mit derart hohen Vermittlungsgebühren, daß der andere keinen Gewinn erzielen kann.
  • Unterlassen: Voraussetzung für einen Betrug durch Unterlassen ist eine Garantenstellung (=Rechtspflicht zum Handeln). Eine Garantenstellung kann sich aus Gesetz (zB § 666 BGB), aus einem vertraglich begründetem Vertrauensverhältnis oder aus pflichtwidrigem vorausgegangenem Tun ergeben. Allerdings begründet nicht jeder Vertrag ein Vertrauensverhältnis. Das gleiche gilt bei einer Garantenpflicht aus §§242 BGB (allgemeine Aufklärungspflicht). Nach der Rechtsprechung (BGHSt 39, 398) müssen besondere vertrauensbildende Umstände zukommen, v.a. wenn die Nichtaufklärung einen erheblichen Schaden verursacht, es dem Partner erkennbar auf einen Umstand ankommt oder der Partner erkennbar unerfahren ist (zB langjährige Geschäftsverbindung, Tätigkeit in einer Gesellschaft, enge natürliche Verbundenheit, bei größeren Werten, Zurückhalten von Expertisen bezüglich eines Bildes, Nichterwähnen des Wegfalls eines Grundes für Eigenbedarfskündigung). Keine Garantenstellung liegt zB bei Nichtherausgabe von zuviel zurückbekommenen Geld und bei Weiterbezug von Rentenzahlungen nach dem Tod vor. Wird jemand nach Einmietung in ein Hotel zahlungsunfähig, so kann darin kein Betrug liegen, da die Zahlungsunfähigkeit nicht zum Zeitpunkt des Einmietens vorlag und keine Garantenstellung bezüglich später eintretender Zahlungsunfähigkeit bestehen kann.
c) Besonders problematisch sind die Fälle der Fehlüberweisung und Fehlbuchung:
  • Bei der Fehlüberweisung erfolgt eine Gutschrift infolge einer irrtümlichen Überweisung eines Geldbetrages durch einen Dritten. Nach der Rechtsprechung (BGHSt 39, 396) erlangt der Kunde hier einen Anspruch auf die Auszahlung der irrtümlichen Gutschrift des Dritten gegen die Bank. Rechtsgrundlage dafür ist der Girovertrag mit der Bank (st. Rspr.). Daher macht der Kunde gegenüber der Bank einen rechtmäßigen Anspruch geltend, wenn er das eingegangene Geld abhebt. Es ist mangels Täuschung kein Betrug gegenüber der Bank möglich. Auch scheidet ein Betrug durch Unterlassen zum Nachteil des Überweisenden aus, weil der (getäuschte) Bankangestellte keine Garantenpflicht für das Vermögen des Überweisenden hat. Der Dritte hat lediglich zivilrechtliche Ansprüche (z.B. § 812). Beachte: Möglich ist jedoch ein untauglicher Versuch, wenn der Kunde subjektiv glaubt, keinen Anspruch gegen die Bank zu haben.
  • Unter Fehlbuchung ist ein Vorgang zu verstehen, bei dem dem Konto durch ein bankinternes Versehen ein falscher Betrag gutgeschrieben wird (zB anstatt 50.000 DM werden 500.000 DM gebucht). Durch eine solche Fehlbuchung erlangt der Kontoinhaber keinen Anspruch gegen die Bank, da die Gutschrift der Bank ohne Wirkung ist. Hebt der Kontoinhaber mit dieser Kenntnis einen Geldbetrag ab, liegt eine konkludente Täuschung gegenüber dem Bankangestellten vor und er begeht einen Betrug zum Nachteil der Bank (tatbestandlich nicht möglich sind § 246 und § 266). Beachte: Bei Weitergabe des durch Betrug erlangten Geldes ist Hehlerei möglich.
2. Entstehung eines Irrtums oder Irrtumsunterhaltung

Durch die Täuschung muß beim Getäuschten kausal ein Irrtum erregt oder ein bestehender Irrtum unterhalten werden.
a) Unter Irrtum versteht man die Erweckung jeder unrichtiger Vorstellung (bei einem Menschen), die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Kein Irrtum ist demnach gegeben, wenn sich der andere überhaupt keine Vorstellungen macht (sog. ignorantia facti). Auch wenn der Getäuschte keine konkreten Vorstellungen hat, ist ein Betrug möglich. Ein unreflektiertes sachgedankliches Mitbewußtsein genügt zur Irrtumserregung ebenso wie die aus bestimmten Tatsachen abgeleitete Vorstellung, daß in der betreffenden Hinsicht “alles in Ordnung” ist. Ein Irrtum kann auch vorliegen, wenn der andere Zweifel an der Richtigkeit der Aussage hat, er muß die behauptete Tatsache lediglich Fürmöglichhalten.

b) Die Täuschungshandlung muß Kausalität für den Irrtum sein. Bei den Fällen der ignorantia facti liegt beim Opfer zwar auch ein Irrtum vor, dieser ist jedoch nicht auf die Täuschung zurückzuführen.

c) Besonders problematisch ist die Täuschung in folgenden Fällen:
  • Bei der Hingabe von qualifizierten Inhaberpapieren (zB Sparbuch, § 808 BGB) durch einen Nichtberechtigten kann ein Irrtum erregt werden, weil der Bankangestellte sich Gedanken über die Person des Kunden macht, wenn er Geld ausbezahlt. Begründet wird dies damit, daß der Bankangestellte bei grob fahrlässigem Handeln haftbar und die Bank von einer Leistung frei wird (vgl. § 808 BGB).
  • Fraglich ist, ob ein Irrtum möglich ist, wenn jemand einen nicht gedeckten Scheck innerhalb der Einlösungsgarantie der Bank einreicht. Nach der Rechtsprechung (BGHSt 24, 326) ist ein Betrug möglich, obwohl sich der Kassierer hier keine Gedanken macht (es liegt ein Garantievertrag vor!). Ausreichend sei in diesen Fällen, daß der Kassierer Mitbewußtsein über die Liquidität hat.
  • Der Kellner wird zB bei der Aufnahme der Speisen und Getränke regelmäßig von der Zahlungswilligkeit des Gastes ausgehen. Ebenso der Schaffner im Zug, der auf die Frage “noch jemand zugestiegen” keine Anwort enthält. Strittig ist in diesem Zusammenhang v.a. der Tankstellenbetrug (Hat sich Kassierer Gedanken gemacht?).
  • Unproblematisch kann ein Irrtum hingegen dann bejaht werden, wenn der Handelnde weiß nicht, daß er eine Verfügung trifft (zB Vertrag statt Autogramm), er das Ausmaß einer Verfügung nicht kennt (zB ist der Wert eines Gegenstands nicht 100 DM, sondern 10000 DM) oder er eine Leistung erhält, die keine ist (zB Hingabe von Falschgeld).
  • Für den Mißbrauch von Scheck- und Kreditkarten (nicht Kundenkarte) gilt § 266b (s.u.).
  • Für den Mißbrauch von Codekarte gilt nach der Rechtsprechung (BGH MDR 1992, 168) § 263a (s.u.).
3. Vermögensverfügung

Durch den Irrtum muß der Getäuschte kausal zu einer Verfügung über sein Vermögen oder das eines Dritten veranlaßt werden. Der Begriff der Vermögensverfügung ist nicht zivilrechtlich, sondern rein tatsächlich zu verstehen.
a) Eine Vermögensverfügung ist jedes bewußte oder unbewußte freiwillige Tun, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar zu einem Vermögensschaden führt.

aa) Tun, Dulden oder Unterlassen: Notwendig ist nur eine rein tatsächliche (nicht unbedingt rechtliche) Handlung. Auch eine hoheitliche Handlung (z.B. Entscheidung eines Richters) kann einen Betrug auslösen, wenn sich der Richter geirrt hat (z.B. infolge einer falschen Aussage), sog. Prozeßbetrug. Fraglich ist, ob dies auch im Mahnverfahren (§ 692 ZPO) gilt. Hier ist nach heutiger Rechtslage wohl kein Irrtum möglich, weil der Rechtspfleger keine Schlüssigkeitsprüfung mehr macht, häufig sogar automatisierte Verfahren angewendet werden (anders OLG Düsseldorf, NStZ 1991, 586). Vgl. auch zu einem Fall des Prozeßbetrugs vor dem BVerfG (OLG Karlsruhe, NStZ 1996, 282).

bb) Unmittelbarkeit: Unmittelbarkeit bedeutet, daß kein weiteres eigenmächtiges Handeln des Täters erforderlich ist. Die Unmittelbarkeit des Handelns wäre u.a. dann ausgeschlossen, wenn die Täuschung nur dazu dienen soll, eine Sache später wegzunehmen. Problematisch ist insoweit die Abgrenzung zum Diebstahl (s.u.).

cc) Freiwilligkeit: Liegt keine freiwillige Verfügung vor, dann handelt es sich nicht um einen Betrug, sondern um einen Diebstahl bzw. eine Erpressung.

dd) Ein Verfügungsbewußtsein ist nicht erforderlich. Zur Unterscheidung zwischen bewußt und unbewußt à BGHSt 14, 170

b) Besonders problematisch ist in einigen Fällen die Abgrenzung zum Diebstahl. Hier sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: keine Unmittelbarkeit (wegen Gewahrsamslockerung) und keine Freiwilligkeit.
  • MDR 1966, 199: Autofahrer veranlaßt Anhalterin unter einem Vorwand zum Aussteigen und fährt mit ihrem Gepäck weg. § 263? Täuschung (+), Irrtum (+), Vermögensverfügung (-, da keine Unmittelbarkeit, weil keine Anhalterin keine Verfügung über Gegenstände trifft, sondern nur Gewahrsamslockerung) à Diebstahl
  • A verkauft und übergibt Moped an B. Er bittet diesen, ihn noch nach Hause zu bringen. Während der Fahrt täuscht A dem B vor, daß an dem Moped etwas nicht stimmt. Daraufhin steigt B vom Moped, A fährt davon. §§263? Täuschung (+), Irrtum (+), Vermögensverfügung (-, da keine Unmittelbarkeit, weil B nichts selbst gemacht hat, sondern nur Gewahrsamslockerung) à Diebstahl
  • A und B stellen sich bei Tabakhändlerin T als Polizisten vor und “beschlagnahmen” den Tabak. § 263? Täuschung (+), Irrtum (+), Vermögensverfügung (-, da keine Freiwilligkeit, weil T den Tabak nicht an A und B herausgeben wollte, sondern dies nur unter Druck gemacht hat) à Diebstahl
  • A rennt mit nicht bezahlter Kleidung weg, die er sich angeblich am Tageslicht anschauen will. Hier liegt eine Gewahrsamslockerung vor. Somit konnte der Täter den Gewahrsam brechen. à Diebstahl
Folgen: Bei Betrug keine Anwendung von § 252 und § 248b
c) Es muß keine Identität zwischen Verfügendem und Geschädigtem gegeben sein. Ein Betrug liegt demnach vor, wenn eine Vermögensverfügung eines Dritten vorliegt (à Dreiecksbetrug). Hingegen liegt kein Betrug vor, wenn sich der Täter des Dritten nur als Werkzeug bedient (à Diebstahl in mittelbarer Täterschaft). Die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl ist sehr strittig:
  • Die Rechtsprechung unterscheidet, ob der Getäuschte Mitgewahrsam an der Sache hatte.
Parkgaragen-Fall (BGHSt 18, 221): Frau hat bei P ihr Auto in Parkgarage abgegeben und P einen Schlüssel zur Sicherheit gegeben. Der ehemalige Freund D der Frau, der bisher immer das Auto benutzen durfte, kommt nun (nicht mehr berechtigt) zu P und bittet ihm, den Schlüssel zu geben. D fährt mit dem Auto weg. § 263? Nach BGH hat sowohl Frau als auch P Mitgewahrsam an dem Auto, weshalb durch die Täuschung des P ein Betrug vorliegt, weil P seinen Mitgewahrsam durch Täuschung aufgegeben hat. Gleichzeitig müßte aber auch ein Diebstahl gegenüber der Frau vorliegen. Nach BGH schließen sich aber § 263 und § 242 aus (Exklusivität), weshalb ein Diebstahl nicht möglich ist. Ausschlaggebend ist dabei, ob der Dritte Mitgewahrsam hatte (dann Betrug). Kritisch JuS 1964, 234
Bsp.: A und B streiten sich in der Straßenbahn. B verliert sein Uhr. A will aussteigen. Fahrgast sieht die herunterfallende Uhr und fragt den A, ob es seine sei. Dieser bejaht es und nimmt die Uhr an sich. Betrug oder Diebstahl? Fahrgast hat nach RSpr. Mitgewahrsam an der Uhr, so daß ein Betrug vorliegt (so auch bei einer Kassiererin in einem Supermarkt; anders z.B. Vermieterin, die keinen Mitgewahrsam an den Sachen der Untermieterin hat).
  • In der Literatur werden z.T. andere Ansichten vertreten:
  • Nach Dreher kommt es auf die subjektive Willensrichtung des Getäuschten und nicht auf den Mitgewahrsam an. Hat der Getäuschte für den Täter gehandelt, dann kommt § 242 in Frage; hat er für den Geschädigten gehandelt, dann ist § 263 einschlägig.
  • Nach Lenckner (JZ 1966, 320) ist eine objektive Abgrenzung nach der sog. Lagertheorie erforderlich. Es kommt also darauf an, ob der Getäuschte im Lager des Täters (dann § 242) oder des Geschädigten steht (dann § 263).
  • Nach Otto ist sowohl ein objektive Element (Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache) als auch die Willensrichtung des Getäuschten ausschlaggebend. Außerdem muß der Getäuschte im Rahmen der Verfügungsmacht gehandelt haben.
4. Vermögensschaden

a) Vermögensbegriff (vgl. dazu auch JURA 1994, 309)
  • juristischer Vermögensbegriff: die Gesamtheit der Vermögensrechte und -pflichten einer Person. Dies wurde aber als zu eng angesehen, da z.B. Expektanzen, Kundenstamm, Wettchance nicht umfaßt sind.
  • wirtschaftlicher Vermögensbegriff: die Summe der geldwerten Güter nach Abzug der Verbindlichkeiten. Dies wurde aber als zu weit angesehen, weil z.B. auch eine (wegen Sittenwidrigkeit) nichtige Forderung oder der Besitz des Diebes geschützt wäre.
  • juristisch-ökonomischer (oder materialer) Vermögensbegriff: Summe der geldwerten Güter, soweit kein Widerspruch zur Rechtsordnung vorhanden ist. Hier wären auch Anwartschaften und Expektanzen umfaßt, hingegen nicht der Besitz des Diebes oder sittenwidrige Forderungen (z.B. aus Prostitution).
b) Schadensberechnung

Der Schaden wird grundsätzlich nach der Saldotheorie anhand einer objektiv individualisierenden Betrachtungsweise unter Berücksichtigung einer etwaigen Schadenskompensation (z.B. Erhalt einer Gegenleistung) berechnet, d.h. ein Vergleich des Vermögens vor der Verfügung mit dem nach der Verfügung. Ist das Vermögen nach der Verfügung weniger als davor, dann ist ein Schaden eingetreten (nachteilige Vermögensdifferenz). Zu unterscheiden ist zwischen Eingehungsbetrug (Schaden tritt bereits bei Vertragsschluß ein, d.h. Vergleich der Ansprüche und Verpflichtungen, BGH NJW 53, 836) und Erfüllungsbetrug (Schaden tritt erst bei Vornahme der Erfüllungshandlung ein, d.h. Vergleich zwischen dem im Vertrag vorgesehenen und dem tatsächlich erhaltenen, BGHSt 32, 211).
c) geschützter Vermögenswert
  • Ein Vermögensschaden liegt nach der RSpr. und hL. auch schon vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine konkrete Vermögensgefährdung gegeben ist, d.h. der bevorstehende (noch nicht eingetretene) Schaden muß sich soweit verdichtet haben, daß der Eintritt bei lebensnaher Betrachtungsweise unter Beachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls wahrscheinlich ist (vgl. BGHSt 21, 113). Beispiele sind Anspruch gegen einen zahlungsunfähigen/-unwilligen Kunden, Unterschreibung eines Blankowechsels, Schuldschein für eine nichtbestehende Schuld, Erlaß eines Vollstreckungsbescheids (nicht jedoch eines Mahnbescheids). Keine konkrete Vermögensgefährdung liegt nach Ansicht der Literatur (anders LG Mannheim) bei Anmietung einer Wohnung für ein Callgirl (statt einer Sekretärin) vor. Ebenso ist dies beim Kauf eines Gerätes mit anderen als den versprochenen Eigenschaften unter zweiwöchigem Rückgaberecht. Nach der Literatur ist ein Vermögensgefährdung erst gegeben, wenn das vorhandene vertragliches Rücktrittsrecht abgelaufen ist (anders OLG Köln). Nach der Rechtsprechung (BGH) gilt anderes bei Vorliegen von Anfechtungsrechten, da diese idR. nicht ausgebt werden.
  • Strittig ist, in wieweit Anwartschaften einen Vermögensgegenstand darstellen. Nach der h.M. ist dies dann der Fall, wenn eine tatsächliche Erwerbs- und Gewinnaussicht mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird (z.B. Kundenstamm). Ausschlaggebend ist nach der Rechtsprechung eine aus bestimmten Lebensverhältnissen abzuleitende Wahrscheinlichkeit. Fraglich ist, ob die Aussicht, im Rahmen eines Bieterverfahrens einen Auftrag zu bekommen, eine wahrscheinlich eintretende Anwartschaft ist, d.h. der Auftrag an diese Firma vergeben wird. Dies ist nach der Rechtsprechung (BGHSt 17, 140) nur für den Anbieter der Fall, der das (legal) günstigste Angebot abgegeben hat. Deshalb liegt ein Betrug gegenüber diesem Anbieter dann vor, wenn ein Unternehmen den Auftrag z.B. durch Bestechung des Auftaggebers erhält.
  • Ein Unterfall ist der Submissionbetrug. Ein Submissionsbetrug liegt vor, wenn sich mehrere Unternehmen über die Preise absprechen. Macht z.B. ein Unternehmen ein Angebot und zahlt anderen Unternehmen Geld, damit diese keine besseren Angebote machen, dann liegt ein Betrug bzgl. des Auftraggebers vor (nicht jedoch bzgl. der anderen Unternehmen, da diese kein Schaden haben). Der Schaden für den Auftraggeber liegt darin, daß kein Marktpreis zustande kommt und er mehr zahlen mußte (vgl. dazu auch BGH NStZ 1993, 40).
  • Eine Kompensation findet ausnahmsweise nicht statt, wenn die Regeln des persönlichen Schadenseinschlags eingreifen. Dies ist u.a. der Fall, wenn eine andere aber gleichwertige Leistung geliefert wird.
Vgl. dazu grundlegend BGHSt 16, 321 (Melkmaschinen-Fall), in dem drei Sachverhalte entschieden wurden.
(1) A erzählt L, er könne ihm die Maschinen weit unter dem Listenpreis verkaufen, obwohl der Preis in Wirklichkeit dem Listenpreis entsprach. Er forderte den hoch verschuldeten L (was A wußte) auf, sich innerhalb von kurzer Zeit zu entscheiden, da er sonst den normalen Listenpreis berechnen müsse.
(2) A erzäht B, er könne bei sofortigem Kauf 1000,- DM sparen (in Wirklichkeit entsprach der Preis aber dem Listenpreis). B kaufte die Maschinen und mußte für den Kauf, weil er verschuldet war, einen hochverzinslichen Kredit aufnehmen.
(3) A erzählt F, die Melkmaschine reiche für 10 Kühe, obwohl sie in Wirklichkeit nur für 2 Kühe reichte.
In allen Fällen des Melkmaschinen-Falles liegt eigentlich kein Schaden vor, da zwischen Leistung und Gegenleistung Gleichwertigkeit vorliegt. Man kann aber trotz der Gleichwertigkeit ausnahmsweise aufgrund der besonderen persönlichen Umstände bei den Betrogenen einen Schaden bejahen (Eingehungsbetrug). Nach dem BGH gilt folgendes:
  1. § 263 ist grundsätzlich kein Delikt zum Schutz der Dispositionsfreiheit, d.h. ein bloß unerwünschter Vertrag ist noch kein Schaden, solange objektiv wirtschaftlich eine gleichwertige Gegenleistung erbracht wird.
  2. Der Schaden darf aber nicht nur ausschließlich objektiv bestimmt werden, vielmehr sind die persönliche Umstände und der mit dem Vertrag verfolgten Zweck zu berücksichtigen (Prinzip der Individualisierung).
  3. Es kommt aber nicht auf die subjektive, persönliche Ansicht des Geschädigten an, sondern auf die Sicht eines neutralen, objektiven Dritten (objektiv-individualisierende Betrachtungsweise).
  4. Folgende drei objektive Umstände können deshalb einen Schaden trotz Gleichwertigkeit der Gegenleistung begründen:
  5. Der vertraglich vorausgesetzte Zweck kann nicht (oder nicht in vollem Umfang) erreicht werden oder die Gegenleistung nicht in anderer zumutbarer Weise verwertet werden.
  6. Der Getäuschte wird durch den Vertrag zu vermögensschädigenden Dispositionen veranlaßt (z.B. Aufnahme eines zinsungünstigen Darlehens, Verkauf von Gegenständen zu einem ungünstigen Zeitpunkt).
  7. Der Getäuschte wird durch die Verpflichtung zu erheblichen Einschränkungen in seiner Lebens- und Wirtschaftsweise gezwungen, d.h. er hat nicht mehr die Mittel zur Verfügung, die er zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Verbindlichkeit benötigt.
d) einseitige unentgeltliche Weggabe (Bettel-/Spendenbetrug)

Ein Spendenbetrug liegt vor, wenn mit Hilfe von Spenden ein Gewinn erzielt wird, der in die eigene Tasche gewirtschaftet oder für andere Zwecke verwendet wird. Problematisch ist zunächst, ob eine Täuschung durch konkludentes Tun gegeben ist. Dies wäre der Fall, wenn der Spendensammler erklärt, daß das Geld zweckgebunden verwendet wird. Nach Ansicht des BGH macht er dies allerdings nicht (vgl. BGH NStZ 1995, 134). Fraglich ist desweiteren, ob auch ein Vermögensschaden entstanden ist, da die Spender wußten, daß sie keine Gegenleistung bekommen. Eigentlich ist darin nur eine unbewußte Selbstschädigung der Spender zu sehen. Anerkannt ist aber, daß ein Schaden dann anzunehmen ist, wenn soziale oder wirtschaftliche Zwecke verfehlt werden (sog. Zweckverfehlungstheorie). Deshalb ist der Spendenbetrug gem. § 263 zu bestrafen.

e) gutgläubiger Erwerb von Eigentum

Liegt ein Schaden auch vor, wenn der Getäuschte nur gutgläubig Eigentum an der Sache erworben hat und die Sache deshalb mit “einem sittlichen Makel” (sog. Makeltheorie des RGH) belastet ist (z.B. Herausgabebegehren des früheren Eigentümers). Nach der Rechtsprechung (BGHSt 15, 83) liegt in diesen Fällen grundsätzlich kein Schaden vor; entscheidend sind jedoch die Umstände des Einzelfalls, die dazu führen können, daß ein Schaden dann vorliegt, wenn ein konkreter wirtschaftlicher Nachteil eintreten kann (z.B. Prozeßgefahr).

f) Anstellungsbetrug (Abgrenzung zur Urkundenfälschung)

Ein Anstellungsbetrug liegt vor, wenn sich jemand durch falsche Angaben eine Beschäftigung erschleicht. Zu unterscheiden sind privat-rechtliche Arbeitsverhältnisse und Beamtenanstellungen. Ein Schaden liegt vor, wenn zwischen Leistung (Lohn) und Gegenleistung (Arbeit) ein Mißverhältnis besteht. Dies ist idR. nicht gegeben, weil der Angestellte die Gegenleistung erbringen kann. Ausnahmsweise wird bei privat-rechtlichen Anstellungsverhältnissen ein Schaden in folgenden drei Fällen angenommen:
  • Anstellung in einer Vertrauensstellung
  • Abstellung bei mangelnden persönlichen Voraussetzungen
  • Anstellung aufgrund bewußter Fehlangaben.
Anders ist dies bei beamtenrechtlichen Arbeitsverhältnissen, da es sich hier um eine einseitige, vom Staat festgesetzte Leistung handelt, die an feste Voraussetzungen geknüpft ist (Laufbahnvoraussetzungen, besoldungsmäßige Voraussetzungen). Erfüllt der Bewerber diese Voraussetzungen, dann entsteht für den Staat kein Schaden (vgl. BGHSt 5, 358).


III. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz

Der Täter muß vorsätzlich bzgl. des objektiven Tatbestandes unter Einschluß der sie verbindenden Kausalbeziehung gehandelt haben. Ausreichend ist insofern dolus eventualis. Daß der Täter sich unter dem Geschädigten eine andere Person als die wirklich Benachteiligte vorstellt, schließt den Vorsatz nicht aus.

2. Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern

Zusätzlich ist erforderlich, daß der Täter in der Absicht handelt, sich oder einen Dritten zu bereichern. Absicht ist nach st. Rspr. (BGHSt 16, 1) gegeben, wenn der Vermögensvorteil die sichere und erwünschte Folge seines Tuns ist. Es reicht nur Absicht (dolus directus 1. Grades) aus, dolus eventualis reicht nicht. Eine andere Ansicht hat das BayObLG (JZ 1972, 25) vertreten, wonach auch eine Bereicherungsabsicht 2. Grades ausreichend ist.

3. Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils

a) Rechtswidrigkeit des erstrebten Vorteils (obj TBM)

Der erstrebte Vermögensvorteil muß objektiv rechtswidrig sein. Dies ist der Fall, wenn kein (materiell-rechtlich) fälliger, einredefreier Anspruch gegeben ist (vgl. NStZ 1997, 431). Nach anderer Ansicht fehlt es in diesen Fällen schon am Vermögensschaden, so daß schon der objektive Tatbestand nicht erfüllt ist.

b) Vorsatz bzgl. Rechtswidrigkeit

Der Täter muß auch vorsätzlich bezüglich der Rechtswidrigkeit gehandelt haben. Irrt sich der Täter über die Rechtswidrigkeit, dann liegt ein Tatbestandsirrtum vor.
obj. TB: Rechtswidrigkeit des Vorteils
subj.TB: Vorsatz
Ergebnis
Rechtswidrigkeit fehlt à obj. TB (-)
Täter wußte dies à subj. TB (-)
263 (-)
BGSt, 3, 160
Rechtswidrigkeit ist gegeben (d.h. Täter hat keinen Anspruch) à obj. TB (+)
Täter wußte dies à subj. TB (+)
263 (+)
Rechtswidrigkeit ist gegeben (d.h. Täter hat keinen Anspruch) à obj. TB (+)
Täter glaubt irrig, Anspruch zu haben à subj. TB (-)
TBIrrtum, §§16 I
Wistra 1992, 74
Rechtswidrigkeit fehlt (d.h. Täter hat Anspruch) à obj. TB (-)
Täter glaubt irrig, keinen Anspruch zu haben (d.h. Täter unterstellt die Rechtswidrigkeit zu seinen Ungunsten) à subj. TB (+)
untauglicher Ver-such (umgekehr-ter TBIrrtum)

4. Stoffgleichheit zwischen Vermögensvorteil und -schaden

Der Vermögensvorteil muß deckungsgleich mit dem Schaden sein, d.h. Schaden und Vorteil müssen unmittelbar durch einunddieselbe Verfügung vermittelt werden (obj. TBM). Ist keine Stoffgleichheit gegeben, dann liegt nur ein versuchter Betrug vor.

IV. Insbesondere: Provisionsvertreterfälle (BGHSt 21, 384)

Vertreter V vermittelt einer alten Frau (F) anstatt eines gewünschten Strickmagazins ein Herrenmagazin, um die Provision zu kassieren. Mit dem Vertrag geht er zur Firma und kassiert die Provision. Wie hat sich V strafbar gemacht?

1. Betrug bzgl. der Frau zum Nachteil der Frau

  1. Täuschung über Tatsachen: aktive Täuschung über den Vertragsinhalt
  2. Irrtumserregung: Frau glaubt, etwas anderes bestellt zu haben
  3. Vermögensverfügung: Frau schließt einen Vertrag
  4. Vermögensschaden: Unbrauchbarkeit (trotz Rücktrittsrecht à Vermögensgefährdung)
  5. Vorsatz
  6. Bereicherungsabsicht / Stoffgleichheit


    • Absicht, sich zu bereichern: Provisionserwerb à Ergebnis: kein Betrug wegen fehlender Stoffgleichheit
    • Absicht, einen Dritten (=Firma) zu bereichern: Verschaffen eines Auftrags an die Firma à Ergebnis: vollendeter Betrug

  7. Stoffgleichheit zwischen Vermögensschaden und -vorteil


    • Provision ist nicht Kehrseite der Unbrauchbarkeit
    • Lieferung / Auftrag hängt unmittelbar mit der Unbrauchbarkeit zusammen

  8. Ergebnis: vollendeter Betrug zum Nachteil der Frau

2. Betrug bzgl. der Firma zum Nachteil der Firma

  1. Täuschung über Tatsachen: konkludentes Vorspiegeln eines korrekt zustande gekommenen Vertrages
  2. Irrtumserregung: Firma glaubt, einen korrekten Vertrag geschlossen zu haben
  3. Vermögensverfügung: Auszahlung einer Provision
  4. Vermögensschaden: Vorhandensein eines anfechtbaren Vertrages mit der Frau
  5. Vorsatz
  6. Absicht, sich zu bereichern: Provisionserschwindelung
  7. Stoffgleichheit: Der Vertrag hängt unmittelbar mit der Provision zusammen.
  8. Ergebnis. vollendeter Betrug

V. Rechtswidrigkeit und Schuld

VI. Besonders schwerer Fall (§ 263 Abs.3 und 4)

In besonders schweren Fällen eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu verhängen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt, eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht hat. Maßgebend ist das gesamte Tatbild unter Einschluß der subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit. Die Tat bleibt auch hier ein Vergehen (§ 12 Abs.3). Die Ausschlußklausel des § 243 Abs.2 gilt beim Betrug entsprechend (§ 263 Abs.4).

VII. Strafantrag (§ 263 Abs.4)

  • . Bei Bagatelldelikten sowie beim Haus- und Familienbetrug gilt §§ 248a, 247 entsprechend, d.h. es ist ein Strafantrag erforderlich. Im letztgenannten Fall kommt als Antragsberechtigter nur der Geschädigte, nicht auch der davon personenverschiedene Getäuschte in Betracht.

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