a. Die Rücknahme und der Widerruf werden in den §§
48 f. VwVfG sowie in etlichen Spezialgesetzen geregelt. Bevor aber als
Rechtsgrundlage für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes die §§
48 ff. VwVfG (bzw. die Vorschriften der Landesverwaltungsverfahrensgesetze)
herangezogen werden, ist stets zu bedenken, daß wegen der
grundsätzlichen Subsidiarität der VwVfGe Spezialregelungen in anderen
Gesetzen auch in diesem Bereich vorgehen.
Spezialregelungen finden sich beispielsweise in
§ 15 GastG. Liegen die Voraussetzungen des § 15 I GastG
(Rücknahme) vor, so muß die Behörde die
Gaststättenerlaubnis zurücknehmen. Das Ermessen des § 48 VwVfG
tritt zurück. Für die übrigen Rücknahmegründe bleibt es
indes bei § 48 VwVfG. § 15 II, III GastG (Widerruf) ist dagegen
abschließend und verdrängt § 49 VwVfG vollständig.
Darüber hinaus stellt § 21 BImSchG (Widerruf einer
Anlagengenehmigung) eine § 49 VwVfG insoweit völlig verdrängende
Spezialvorschrift dar. Weitere abschließende Sondervorschriften sind
§ 17 AtomG für atomrechtliche Genehmigungen, § 47
WaffG für waffenrechtliche Erlaubnisse oder Zulassungen,
§§ 3 I, 46 StVG für die Entziehung der Fahrerlaubnis und
§ 12 BBG, § 9 BRRG für beamtenrechtliche Ernennungen. Auch
richtet sich die Aufhebung von Steuerverwaltungsakten nach den §§ 130
ff., 172 ff. AO. Die Aufhebung von Verwaltungsakten des Sozialrechts ist in den
§§ 44 ff. SBG X geregelt. Hingegen sind die Aufhebungsvorschriften der
Landesbauordnungen fast durchweg gestrichen worden, so daß in diesem
Bereich die §§ 48 ff. VwVfG wieder greifen. Für den Bereich des
Europäischen Gemeinschaftsrechts gilt, daß die Rücknahme
gemeinschaftsrechtswidriger Verwaltungsakte wegen des Fehlens entsprechender
genereller und umfassender gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften im Grundsatz
(noch) nach nationalem Recht zu beurteilen
ist.[1] Sollte es zu einer
Harmonisierung der Rücknahme gemeinschaftsrechtswidriger Verwaltungsakte
kommen, würden die entsprechenden Vorschriften des EG-Rechts die Anwendung
der nationalen Rücknahmevorschriften sperren (sog. Anwendungsvorrang des
Europäischen Gemeinschaftsrechts).
Findet eine spezialgesetzliche Rechtsgrundlage keine Anwendung, ist auf die
§§ 48 f. VwVfG
zurückzugreifen.
[2]
b. Begrifflich bildet die
Aufhebung den Oberbegriff. Sie
ist jede Beseitigung der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts durch einen
bestimmten
actus contrarius (= Gegenakt). Bezieht sich die Aufhebung auf
einen rechtswidrigen Verwaltungsakt, spricht das Gesetz in § 48 VwVfG von
Rücknahme. Soll demgegenüber ein rechtmäßiger
Verwaltungsakt aufgehoben werden, ist der in § 49 VwVfG genannte Begriff
des
Widerrufs zugrunde zu legen.
Beispiel: Dem A wird unter Mißachtung der in
Art. 87 f. EG normierten Notifikationspflicht eine Subvention gewährt. Die
Subventionierung ist daher rechtswidrig. Hier kann die Behörde den
Bewilligungsbescheid gem. § 48 II VwVfG zurücknehmen. Handelt
es sich demgegenüber um eine nicht gegen geltendes Recht verstoßende
Subvention, die mit einer bestimmten Auflage verbunden war, und erfüllt A
diese Auflage nicht, kann die Behörde den Bewilligungsbescheid gem. §
49 II Nr. 2 VwVfG widerrufen.
c. Rücknahme und Widerruf können den Verwaltungsakt
ganz erfassen oder sich nur auf einen Teil beziehen. Im zweiten Fall spricht man
von
Teilaufhebung.
Beispiel: Dem B wird eine Subvention in Höhe von
1.000.000,- DM gewährt. Nach Auszahlung stellt die Behörde fest,
daß die EG-Kommission nur Subventionen in Höhe von 800.000,- DM
genehmigt hatte. Hier kann (und muß) die Behörde den
Bewilligungsbescheid bezüglich des Teilbetrags in Höhe von 200.000,-
DM zurücknehmen.
d. Schließlich ist die Besonderheit zu beachten, daß
sich der Widerruf zwar an rechtmäßigen Verwaltungsakten orientiert,
einen rechtmäßigen Verwaltungsakt aber nicht voraussetzt. Vielmehr
kann auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt gem. § 49 VwVfG aufgehoben
werden. Das ist folgerichtig, wenn man bedenkt, daß die Aufhebung eines
rechtswidrigen Verwaltungsakts unter weiteren, in § 48 VwVfG genannten
Voraussetzungen zulässig ist. § 48 VwVfG stellt also lediglich eine
weiter gefaßte Möglichkeit der Aufhebung dar. Es besteht ein
erst-recht-Schluß: Wenn schon rechtmäßige Verwaltungsakte unter
den Voraussetzungen des § 49 II VwVfG aufgehoben werden können, dann
erst recht rechtswidrige Verwaltungsakte.
Beispiel: Die Stadt B erteilt der Eiskrem GmbH die
Sondernutzungserlaubnis, im stadteigenen Park Eiskrem zu verkaufen. Mit der
Erlaubnis verbindet sie die Auflage, daß in der näheren Umgebung eine
angemessene Zahl von Abfallbehältern aufgestellt werden müsse. Kommt
die Eiskrem GmbH dieser Auflage nicht nach, kann B die Sondernutzungserlaubnis
gem. § 49 II Nr. 2 VwVfG aufheben, auch wenn die Sondernutzungserlaubnis
rechtswidrig sein sollte. Mit dieser Möglichkeit kann die oft schwierige
Prüfung, ob tatsächlich eine Rechtswidrigkeit gegeben ist und ob die
strengen Rücknahmevoraussetzungen des § 48 VwVfG vorliegen,
dahinstehen.
e. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß
wenn ersichtlich keine Sonderregelung in Betracht kommt oder diese den
Sachverhalt nicht abschließend regelt, subsidiär (insbesondere im
Bereich der Fristen oder des Vertrauensschutzes) auf die §§ 48 ff.
VwVfG zurückgegriffen werden muß. § 48 VwVfG regelt die
Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, § 49 VwVfG die eines
rechtmäßigen Verwaltungsakts.
Klausurhinweis: In einer Klausur empfiehlt es sich,
daß zunächst gedanklich geklärt wird, ob ein
rechtmäßiger oder ein rechtswidriger Verwaltungsakt
aufgehoben wird, bevor eine einschlägige spezialgesetzliche Rechtsgrundlage
für die Aufhebung gesucht wird, da diese nur entweder § 48 oder
§ 49 VwVfG, nicht jedoch beide verdrängen kann. Sodann wird die im
Ergebnis einschlägige Vorschrift als Rechtsgrundlage herangezogen und die
Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden
Verwaltungsaktes dann im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzungen der
Aufhebungsnorm - also inzident - geprüft. Bei dieser inzidenten
Prüfung des ursprünglichen Verwaltungsaktes sind dessen sämtliche
formellen und materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen,
insbesondere der in der Leistungsverwaltung problematische eingeschränkte
Gesetzesvorbehalt, zu prüfen.
In einem weiteren Schritt sind die übrigen (der
Aufhebungsnorm und subsidiär den allgemeinen Vorschriften der §§
48 ff. VwVfG zu entnehmenden) Rücknahme-/Widerrufsvoraussetzungen zu
prüfen. Die Frage, ob und wieweit eine spezialgesetzliche
Aufhebungsvorschrift einen Rückgriff auf die §§ 48 ff. VwVfG
zuläßt, muß methodisch durch Auslegung gelöst werden,
indem untersucht wird, ob das einschlägige Spezialgesetz eine
erschöpfende Regelung einer bestimmten Materie darstellt. Regelt das
Spezialgesetz ausdrücklich nur Teile des Sachgebietes und ist dieses
Spezialgesetz gegenüber dem VwVfG früher erlassen worden, wird ein
Rückgriff auf die §§ 48 ff. VwVfG bezüglich offener
Teilfragen regelmäßig zulässig sein. Diese offen Teilfragen sind
insbesondere Fristen und Vertrauensschutz (siehe die nachfolgenden
Ausführungen). Schließlich sind der Vertrauensschutz und das
Aufhebungsermessen zu prüfen.
2. Die Rücknahme nach § 48 VwVfG
a. Belastende rechtswidrige Verwaltungsakte, § 48 I S. 1 VwVfG
Wie bereits erläutert, differenziert § 48 VwVfG zwischen der
Rücknahme von „begünstigenden“ und „nicht
begünstigenden“, also belastenden Verwaltungsakten. Während die
Entscheidung über die Rücknahme belastender Verwaltungsakte gem.
§ 48 I S. 1 VwVfG im Ermessen der Behörde steht, unterliegt die
Behörde bei der Entscheidung über die Rücknahme von
begünstigenden Verwaltungsakten gem. § 48 I S. 2 VwVfG den
Einschränkungen des § 48 II-IV VwVfG. Zunächst soll auf die
Rücknahme von belastenden Verwaltungsakten eingegangen werden.
Belastende rechtswidrige Verwaltungsakte
können auch nach
Unanfechtbarkeit frei zurückgenommen werden, § 48 I S. 1 VwVfG. Das
erklärt sich schon allein daraus, daß gerade wegen der Beseitigung
eines belastenden und zudem rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtsstaatliche
Gesichtspunkte wie etwa Vertrauensschutz oder Fristen keine Rolle spielen
können. Im Gegenteil ist die Rücknahme geradezu geboten.
Problematisch ist allerdings die Aufhebbarkeit von Verwaltungsakten, die
für dieselbe Person teils belastend und teils begünstigend wirken
(Verwaltungsakte mit Doppelwirkung i.S.e.
Mischwirkung[3]). Nur
wenn belastender und begünstigender Teil voneinander
trennbar sind[4], kommt
eine isolierte Aufhebung nach den jeweiligen Regeln für belastende (§
48 I S. 1 VwVfG) und begünstigende (§ 48 I S. 2, II-IV VwVfG)
Verwaltungsakte in Betracht. Ist der Verwaltungsakt dagegen unteilbar, so ist er
insgesamt nur nach den Regeln für begünstigende Verwaltungsakte
aufhebbar.
Über einen Änderungsbescheid, der eine größere
Belastung darstellt als der ursprüngliche, finden die Regeln über
begünstigende Verwaltungsakte nur dann Anwendung, wenn der fehlerhafte
Verwaltungsakt eine begünstigende Feststellung enthält, wenn der
Adressat also darauf vertrauen durfte, es würde bei dieser (geringeren)
Belastung bleiben. Im übrigen sind die Regeln über belastende
Verwaltungsakte heranzuziehen.
Fraglich ist, ob § 48 I S. 1 VwVfG auch bei
rechtsunwirksamen, also nichtigen Verwaltungsakten anwendbar ist, da auch
diese letztlich rechtswidrige Verwaltungsakte darstellen. Man könnte sich
auf den Standpunkt stellen, daß wenn bei der Prüfung des
zurückzunehmenden Verwaltungsaktes festgestellt wird, daß dieser
nicht nur rechtswidrig, sondern sogar nichtig ist, der Rücknahmebescheid
nicht etwa gegenstandslos oder gar selbst nichtig ist. Denn auch gegen einen
nichtigen Verwaltungsakt ist die Anfechtungsklage zulässig, um den
Rechtsschein der Wirksamkeit zu beseitigen. Nichts anderes könnte für
die Aufhebung eines nichtigen Verwaltungsaktes gelten. Dem ist aber nicht zu
folgen. Nach § 44 I und II VwVfG nichtige Verwaltungsakte sind gem. §
43 III VwVfG rechtsunwirksam. Rechtsunwirksame Verwaltungsakte sind rechtlich
nicht existent und können daher schon begriffsnotwendig nicht nach §
48 VwVfG aufgehoben werden. Da sie der Nichtigkeitsfeststellungsklage nach
§ 44 V VwVfG unterliegen, kommt auch eine analoge Anwendung mangels
Regelungslücke nicht in Betracht.
Zusammenfassung: Bei Nichtvorliegen spezieller
Rücknahmevorschriften stellt § 48 I S. 1 VwVfG also die
Rechtsgrundlage für die Rücknahme von Verwaltungsakten dar. Dies gilt
auch für die Rücknahme von gemeinschaftsrechtwidrigen
Verwaltungsakten, die von den Behörden der Mitgliedstaaten erlassen worden
sind, soweit nicht das Gemeinschaftsrecht
[5] oder
das nationale Recht
[6] spezielle
Regelung treffen. Schließlich ist zu beachten,
daß § 48 VwVfG sich nicht auf nichtige Verwaltungsakte bezieht. Der
Aufhebung zugänglich sind nur wirksame Verwaltungsakte.
b. Begünstigende rechtswidrige Verwaltungsakte
Die Rücknahme eines
begünstigenden rechtswidrigen
Verwaltungsaktes bestimmt sich nach der strengeren Regelung des § 48 I S.
2, II-IV VwVfG. Innerhalb dieser Gruppe ist zwischen zurückzunehmenden
leistungsgewährenden Bescheiden (
Leistungsbescheiden), § 48 II
VwVfG und
sonstigen begünstigenden Bescheiden, § 48 III VwVfG
zu differenzieren.
Klausurhinweis: Die Unterscheidung zwischen
Leistungsbescheiden und sonstigen begünstigenden Bescheiden ist für
die weitere Fallbearbeitung wesentlich. So kann ein Leistungsbescheid nach
§ 48 II VwVfG grundsätzlich nicht zurückgenommen werden.
Eine Rücknahme kommt nur bei Nichtvorliegen eines schutzwürdigen
Vertrauens in Betracht (Bestandsschutz, vgl. § 48 II VwVfG). Anders
liegt es bei den sonstigen begünstigenden Verwaltungsakten. Diese
können grundsätzlich zurückgenommen werden. Es ist aber eine
Entschädigung zu leisten, soweit der Betroffene auf den Bestand des
Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist
(Vermögensschutz, vgl. § 48 III S. 1 VwVfG). Zu den
Einzelheiten siehe die nachfolgenden Ausführungen und die Übersicht
auf S. 128.
aa. Leistungsbescheide, § 48 II VwVfG
a.) Vorliegen eines leistungsgewährenden Bescheids
Das Gesetz spricht in § 48 II VwVfG von Verwaltungsakten, die eine
einmalige oder laufende Geldleistung oder eine teilbare Sachleistung
gewähren oder hierfür Voraussetzung sind. Ein Verwaltungsakt
gewährt eine Leistung, wenn er eine Anordnung trifft, die das Vermögen
des Begünstigten unmittelbar vermehrt. Die Leistung kann auch in dem
Verzicht einer bestehenden Forderung bestehen (sog. Erlaß). Eine
Geldleistung ist die Leistung, wenn sie bezifferbar ist. Der Geldleistung
gleichgestellt ist die teilbare Sachleistung. Der Begriff der Sachleistung nimmt
Bezug auf § 90 BGB. Gegenstand einer Sachleistung kann die Übereignung
eines körperlichen Gegenstandes oder dessen sonstige Überlassung zum
Gebrauch sein.
Beispiele: Lieferung von Gütern,
Überlassung von Wohnräumen oder einer Dienstwohnung, Zulassung zur
Benutzung einer öffentlichen Einrichtung, soweit im Rahmen der Benutzung
bestimmte Gegenstände überlassen werden, Gewährung von
Krankenhaus- oder Kuraufenthalten, Gewährung von Heizmaterial, Bekleidung
oder ähnlichen Leistungen, die aufgrund einer Bewilligung gewährt
werden.
Demnach sind weder die Gewährung immaterieller Vorteile noch die
Erteilung von Erlaubnissen (Jagdschein o.ä.) oder die Bewilligung von
Dienstleistungen (Unterricht, Beratung o.ä.) vom Begriff der Sachleistung
umfaßt. Sie können aber sonstige begünstigende Verwaltungsakte
i.S.d. § 48 III VwVfG sein.
Schließlich muß die Sachleistung teilbar sein. Teilbar ist die
Sachleistung, wenn es sich um eine vertretbare Sache (§ 91 BGB) handelt.
b.) Vertrauensschutz
Bei der gemäß § 48 II VwVfG im Ermessen der Behörde
stehenden Rücknahme von Leistungsbescheiden gilt der Grundsatz, daß
eine Rücknahme ausscheidet, wenn der Begünstigte (aa.) auf den Bestand
des Verwaltungsaktes vertraut hat und (bb.) sein Vertrauen unter Abwägung
mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig
ist, § 48 II S. 1 VwVfG (
Bestandsschutz).
Klausurhinweis: In der Fallbearbeitung gilt es daher,
zunächst den Vertrauenstatbestand zu prüfen und dann zu untersuchen,
ob das Vertrauen auch schutzwürdig ist.
aa.) Vertrauenstatbestand
Der Leistungsempfänger muß zunächst auf den Bestand des
leistungsgewährenden Verwaltungsaktes vertraut haben. Dies ist eine
Tatfrage und der Fall, wenn der Leistungsempfänger fest damit rechnet,
daß der Verwaltungsakt nicht aufgehoben wird. Dabei genügt es,
daß das Vertrauen tatsächlich vorhanden ist.
bb.) Schutzwürdigkeit
Das tatsächlich vorhandene Vertrauen muß aber unter
Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig sein. Das
ist eine Wertungsfrage und anhand der folgenden Kriterien zu
bestimmen.
(a.) Ausschluß der Schutzwürdigkeit gem. § 48 II S. 3
VwVfG
§ 48 II S. 3 VwVfG nennt drei Tatbestände, bei deren alternativen
Vorliegen die Schutzwürdigkeit des Vertrauens ausgeschlossen ist.
- Gem. § 48
II S. 3 Nr. 1 VwVfG ist die Schutzwürdigkeit des Vertrauens ausgeschlossen,
wenn der Leistungsempfänger den Verwaltungsakte durch arglistige
Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat. Den Tatbestandsmerkmalen
kommt die gleiche Bedeutung wie im Straf- und Zivilrecht zu. Vgl. dazu die
§§ 123 BGB, 240 und 334 StGB sowie die Ausführungen bei
Schmidt/Seidel, Strafgesetzbuch - Besonderer Teil I und II und BGB AT.
„Erwirkt“ hat der Leistungsempfänger den Verwaltungsakt, wenn
sein vorheriges Verhalten (Vorgespräch, Antrag) kausal sowohl für den
Erlaß des Verwaltungsaktes als auch für dessen Rechtswidrigkeit
war.
- Gem. § 48
II S. 3 Nr. 2 VwVfG ist die Schutzwürdigkeit des Vertrauens weiterhin
ausgeschlossen, wenn der Leistungsempfänger den Verwaltungsakt durch
Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder
unvollständig waren. „Angaben“ müssen sich auf die
objektiven Tatsachen beziehen. „Unrichtig“ sind die Angaben, wenn
die Tatsachen nicht der Wirklichkeit entsprechen,
„unvollständig“, wenn der Leistungsempfänger Tatsachen
verschwiegen hat, von deren Nichtvorliegen die Behörde erkennbar ausging
oder zu deren Übermittlung er rechtlich verpflichtet war oder
behördlich aufgefordert
wurde.[7] Zum
Tatbestandsmerkmal „erwirken“ vgl. oben, Nr. 1. In
„wesentlicher“ Beziehung unrichtig oder unvollständig sind die
Angaben, wenn sie für die Entscheidungsfindung der Behörde
erforderlich sind. Zu beachten ist jedoch, daß wenn die Behörde die
Falschangaben mitverursacht, etwa durch die Verwendung von irreführenden
Fragebögen, die objektive Zurechnung der Falschangaben entfallen
kann.
- Schließlich
kann sich der Leistungsempfänger gem. § 48 II S. 3 Nr. 3 VwVfG nicht
auf Vertrauensschutz berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes
kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Der
Leistungsempfänger hat Kenntnis von der Rechtswidrigkeit, wenn ihm
bewußt ist, daß ihm die gewährte Leistung materiell nicht
zusteht. Grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit liegt vor, wenn
sie sich dem Leistungsempfänger im Rahmen der Parallelwertung in der
Laiensphäre hätte geradezu aufdrängen müssen. Dabei sind die
persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Leistungsempfängers
zu berücksichtigen. Der Ausschlußtatbestand des § 48 II S. 3 Nr.
3 VwVfG gewinnt vor allem bei der Rückforderung von
gemeinschaftsrechtswidrig gewährten Subventionen an Bedeutung, vgl.
hierzu unten S.
128.
(b.) Regelfälle der Schutzwürdigkeit gem. § 48 II S. 2
VwVfG
Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens ist durch Vorliegen eines der
Regelbeispiele des § 48 II S. 2 VwVfG indiziert („in der
Regel“). Aber auch in diesem Fall ist der Fortbestand der Regelung (die
Schutzwürdigkeit) weiterhin gegen das öffentliche Interesse an der
Rücknahme abzuwägen. Der Vertrauenstatbestand ist immer dann
anzunehmen, wenn dem Sachverhalt keine gegenteiligen Angaben zu entnehmen sind.
Klausurhinweis: In der Fallbearbeitung sollte so
vorgegangen werden, daß gedanklich zunächst der Negativkatalog
des § 48 II S. 3 VwVfG geprüft wird, da bei Vorliegen eines dieser
Ausschlußtatbestände die Abwägung bei der Bestimmung der
Schutzwürdigkeit des Vertrauens (§ 48 II S. 1 u. 2 VwVfG)
entfällt.
c.) Ermessensentscheidung der Behörde
Sind die Tatbestandsvoraussetzungen
Nichtvorliegen des Vertrauens
oder
Nichtvorliegen der Schutzwürdigkeit des Vertrauens
erfüllt, so entscheidet die Behörde über die Rücknahme in
ihrem Ermessen, § 48 I S. 1 VwVfG. Eine Ermessensreduzierung kommt weder
infolge der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts noch infolge des fehlenden
Vertrauensschutzes in Betracht, da diese Aspekte bereits die Tatbestandsseite
bestimmen. Allerdings sind die den Vertrauensschutz nicht tragenden Elemente zu
berücksichtigen. Dies sind die Beachtung des Gleichheitssatzes, die
übrigen Grundrechte und das Übermaßverbot. Gleichwohl wird der
Grundsatz der Gesetzmäßigkeit (Art. 20 III GG) kaum einen Spielraum
lassen, bei Vorliegen des Rücknahmetatbestandes von der Rücknahme
abzusehen. Kein Ermessen steht der Behörde jedenfalls zu, wenn es –
bei entsprechender Entscheidung der Kommission – um die Rücknahme von
gemeinschaftsrechtswidrigen Beihilfebescheiden geht. Vgl. dazu unten
S. 128.
bb. Sonstige begünstigende Verwaltungsakte, § 48 III VwVfG
a.) Auch die Rücknahme eines sonstigen begünstigenden
Verwaltungsakts (§ 48 III VwVfG) erfolgt nach § 48 I S. 1 VwVfG. Eine
Abwägung des Vertrauens mit dem öffentlichen Recht findet aber nicht
statt. Vielmehr erfolgt der Vertrauensschutz durch
Vermögensschutz:
Im Gegensatz zu dem einen Bestandsschutz gewährleistenden § 48 II
VwVfG ist eine Rücknahme eines sonstigen begünstigenden
Verwaltungsaktes unter Vermögensausgleich des Vertrauensinteresses des
Betroffenen grundsätzlich möglich. Ein solcher sonstiger
begünstigender Verwaltungsakt ist beispielsweise eine
Baugenehmigung: Diese gewährt keine Geld- oder teilbare Sachleistung
und ist auch nicht Voraussetzung hierfür, sondern begründet das Recht
zur Errichtung eines Bauvorhabens. Auch werden die einen Unterfall zu den
Subventionen darstellenden staatlichen
Bürgschaften hierunter zu
subsumieren sein, da die gesetzliche Terminologie in § 48 II S. 1 VwVfG die
mit einer Bürgschaft verbundene Sicherheitsleistung nicht erfaßt. Die
Rücknahme richtet sich in diesen Fällen daher nach § 48 I S. 1 u.
2,
III VwVfG, und steht, ohne daß weitere Voraussetzungen vorliegen
müßten, im Ermessen der Behörde (§ 48 I S. 2 VwVfG). Anders
als beim Geld- oder Sachleistungsverwaltungsakt (vgl. § 48 II S. 2 VwVfG)
stellt bei einem Fall des § 48 III VwVfG nach dem Wortlaut der Norm der
Verbrauch der gewährten Leistung oder die getroffene
Vermögensdisposition keine tatbestandliche Rücknahmeschranke dar.
Insbesondere kann aus dem Verweis des § 48 III S. 2 VwVfG auf § 48 II
S. 3 VwVfG geschlossen werden, daß § 48 II S. 2 VwVfG gerade
nicht zur Anwendung kommen soll (
argumentum e contrario). Die
Schutzwürdigkeit des Vertrauens bemißt sich im Fall des § 48 III
VwVfG somit nur nach der Abwägung mit dem öffentlichen Interesse und
der Anwendung des § 48 II S. 3 Nrn. 1-3 VwVfG (a.A. vertretbar).
Problematisch ist es, wenn ein finanzieller Ausgleich nicht
stattfinden kann, weil sich das investierte Vertrauen in den Bestand des
Verwaltungsaktes nicht in Geld beziffern läßt. In derartigen
Fällen findet im Ergebnis also kein Vertrauensschutz statt. Da der
Vertrauensschutz aber Verfassungsrang genießt, begegnet sein
Ausschluß verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Möglichkeit,
gleichwohl Vertrauensschutz zu gewähren, besteht drin, in Fällen, in
denen ein finanzieller Ausgleich nicht stattfinden kann, von der Rücknahme
abzusehen.[8] Damit wird
aber die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Norm auf die
Rechtsfolgeseite verlagert, also von der Ermessensentscheidung der Behörde
anhängig gemacht. Ob einer derartigen Vorgehensweise mit Blick auf die
eindeutige Aussage und Systematik des § 48 VwVfG befolgt werden kann, mag
bezweifelt werden.[9]
b.) Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, so ist dem
Betroffenen auf Antrag der erlittene Vermögensnachteil auszugleichen,
§ 48 III S. 1 VwVfG. Erstattungspflichtig ist der
Vertrauensschaden,
also all diejenigen Schäden, die der Betroffene dadurch erlitten hat,
daß er auf die Wirksamkeit der ursprünglichen Bewilligung vertraut
hat (negatives Interesse). Dazu zählen sämtliche aus dem Zivilrecht
bekannten Schadenspositionen, also auch der
entgangene Gewinn. Die
Obergrenze bildet auch hier das positive Interesse.
c.) Schließlich ist zu beachten, daß ein darüber
hinausgehender
Anspruchsausschluß- oder Anspruchsminderungsgrund
vorliegen kann. Zunächst ist der Antrag innerhalb eines Jahres zu stellen,
§ 48 III S. 5 VwVfG. Zu denken ist weiterhin an die Regelung des § 839
III BGB, wonach ein Anspruch ausgeschlossen ist, wenn der Anspruchsberechtigte
den Schaden in vorwerfbarer Weise nicht durch den Gebrauch eines Rechtsmittels
abgewendet hat (
Rechtsmittelversäumnis). Da es sich im Gegensatz zu
§ 839 BGB bei dem Ausgleich i.S.d. § 48 III VwVfG aber nicht um eine
Kompensation staatlichen Unrechts handelt, sondern um eine Gewährleistung
des Vertrauens- und Vermögensschutzes, findet die Regelung des § 839
BGB keine (analoge) Anwendung. Ein Anspruchsausschluß oder eine -minderung
kommt insoweit nicht in Betracht.
Etwas anderes könnte sich jedoch aus der Heranziehung des
Rechtsgedankens aus § 254 BGB unter dem Aspekt der
Schadensabwendungspflicht ergeben. Handelt es sich bei einem staatlichen
Akt um eine vermeintlich rechtswidrige Maßnahme, so steht dem betroffenen
Bürger der Rechtsweg offen, Art. 19 IV S. 1 GG. Er muß das Unrecht
durch den Richterspruch abwehren und kann den rechtswidrigen Eingriff in seine
Rechte nicht einfach dulden und den Schaden liquidieren. Nur ausnahmsweise, d.h.
wenn bereits irreparable Schäden eingetreten sind oder die Abwehr des
rechtswidrigen Handelns unzumutbar ist, kann er im nachhinein Entschädigung
verlangen (
Vorrang des Primärrechtsschutzes). Entscheidend ist also,
ob es sich bei dem Rücknahmebescheid i.S.d. § 48 VwVfG (nicht bei dem
aufzuhebenden Verwaltungsakt!) um eine rechtswidrige oder eine
rechtmäßige Maßnahme handelt. Die Rechtswidrigkeit des
Rücknahmebescheides ist immer dann anzunehmen, wenn die Behörde
bereits gegen formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen verstoßen
hat, wie etwa gegen geltende Zuständigkeitsbestimmungen (vgl. § 48 V
i.V.m. § 3 VwVfG) oder ihre Rücknahmeentscheidung ermessensfehlerhaft
gewesen ist.
Klausurhinweis: Geht die Fallgestaltung dahin,
daß der Antragsteller Schadensausgleich fordert, erfolgt der Einstieg in
die Prüfung nicht (wie üblich) über die Anfechtung des
Rücknahmebescheides, sondern über die Anspruchsgrundlage des §
48 III VwVfG (bzw. bei zu widerrufenden Verwaltungsakten über
§ 49 VI VwVfG). Sodann ist inzident zu prüfen, ob es sich bei dem
aufzuhebenden Verwaltungsakt um einen rechtmäßigen oder
rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt. Nur bei dessen
Rechtswidrigkeit ist § 48 III VwVfG anwendbar (anderenfalls §
49 VI VwVfG). Schließlich sind die übrigen
Rücknahmevoraussetzungen sowie die Ermessensausübung (siehe sogleich)
und ein eventuelles Rechtsmittelversäumnis zu prüfen.
cc. Anwendung des § 49 II VwVfG auf § 48 II, III VwVfG
Schon im Rahmen der Prüfung des § 48 VwVfG kann eine
Rücknahme jedenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen des
§ 49 II VwVfG vorliegen, denn kann ein (begünstigender
rechtmäßiger) Verwaltungsakt unter den dort genannten
Voraussetzungen zurückgenommen werden, muß dies erst recht
(
argumentum a maiori ad minus) für einen begünstigenden
rechtswidrigen Verwaltungsakt
gelten.
[10] Liegt also mindestens einer der
Widerrufsgründe des § 49 II S. 1 Nr. 1-5 VwVfG vor, kann die
komplizierte Prüfung der Voraussetzungen des § 48 II, III VwVfG
unterbleiben, und mit dem erst-recht-Schluß aus § 49 II VwVfG die
Rücknehmbarkeit bejaht werden.
dd. Rücknahmefrist des § 48 IV VwVfG
Die Rücknahme kann nur innerhalb eines Jahres nach Kenntnisnahme der
Behörde von den Tatsachen, welche die Rücknahme eines Verwaltungsaktes
rechtfertigen, erfolgen. Diese zeitliche Grenze gilt nicht, wenn der
Verwaltungsakt durch Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist
(§ 48 IV S. 2 i.V.m. § 48 II S. 3 Nr. 1 VwVfG). Strittig sind der
Anwendungsbereich dieser Vorschrift, der Fristbeginn und der
Behördenbegriff.
a.) Anwendungsbereich des § 48 IV VwVfG
Nach dem Wortlaut des § 48 IV VwVfG ist die Rücknahme innerhalb
der Jahresfrist nur dann zulässig, wenn die Behörde von Tatsachen
Kenntnis erlangt, welche die Rechtswidrigkeit anzeigen (enge Auslegung:
Beschränkung auf nachträgliche Kenntnis von
Tatsachen). Nach
der Entscheidung des
Großen
Senats[11] greift die Regelung des §
48 IV VwVfG auch dann ein, wenn die Behörde zwar vom zutreffenden
Sachverhalt ausgegangen ist, aber später erkennt, daß sie das Recht
falsch ausgelegt oder angewendet hat und der Verwaltungsakt deshalb rechtswidrig
ist (weite Auslegung: Ausweitung auch auf
Rechtsanwendungsfehler).
Für die weite Auslegung spricht, daß der Bürger auch bei
Rechtsanwendungsfehlern der Behörde nicht weniger schutzwürdig ist als
nur bei Tatsachenerlangung. Daher sollte § 48 IV VwVfG mit seiner (kurzen)
Jahresfrist auch bei Rechtsanwendungsfehlern der Behörde (analog) angewandt
werden.
b.) Fristbeginn
Höchst umstritten ist, von welchem Zeitpunkt an die Jahresfrist zu
laufen beginnt. Nach der Auffassung des
Großen Senats
(s.o.)
[12] beginnt sie nicht schon mit Kenntnis
der Rechtswidrigkeit, sondern erst dann, wenn die Behörde
alle für
die Rücknahmeentscheidung relevanten Tatsachen kennt, also die für
die Gewährung von Vertrauensschutz und die Ermessenserwägung
relevanten Tatsachen ermittelt hat und vor der Entscheidung über die
Rücknahme steht. Somit ist die Jahresfrist keine
Bearbeitungs- bzw.
Ermittlungsfrist, sondern eine
Entscheidungsfrist.
Stellungnahme: Gegen diese Auffassung spricht - wenn
nicht schon der Wortlaut des § 48 IV VwVfG - zumindest der Sinn der
Fristbestimmung: Sie soll dem Schutz des Bürgers dienen und die
Rücknahmemöglichkeit zeitlich begrenzen. Der Schutz des Bürgers
und die zeitliche Begrenzung sind nahezu ausgehöhlt, wenn die Behörde
jederzeit durch neue Ermittlungen die Fristberechnung hinausschieben kann. Mit
Maurer[13] und
Kopp[14] ist daher als
Fristbeginn der Zeitpunkt festzusetzen, an dem die Behörde
erkennt, daß der Verwaltungsakt aus tatsächlichen oder
rechtlichen Gründen rechtswidrig ist, und damit vor der Frage der
Rücknahme steht.
c.) Behördenbegriff
Mit „Behörde“ könnte einerseits der zuständige
Sachbearbeiter, der Amtswalter (= enger Behördenbegriff), andererseits aber
auch die Behörde als solche gemeint sein (= weiter Behördenbegriff).
Der
Große Senat (s.o.) geht in diesem Zusammenhang von dem engen
Behördenbegriff aus. Lebensnäher ist aber das Abstellen auf den weiten
Behördenbegriff, denn gegenüber dem Bürger tritt die Behörde
als Einheit auf, so daß es aus Rechtsschutzgesichtspunkten eine
Angelegenheit der Behördenorganisation sein muß, dafür zu
sorgen, daß der Informationsfluß innerhalb der Behörde
funktioniert. Ist also die Jahresfrist abgelaufen, scheint es rechtsstaatlich
sehr bedenklich, wenn die Behörde sich wirksam darauf berufen könnte,
ihr seien die Tatsachen durch den zuständigen Sachbearbeiter erst nach
Jahresfrist mitgeteilt worden, so daß die Jahresfrist nun erst zu laufen
beginne.
Fraglich ist, auf welche Behörde abzustellen ist, wenn
der aufzuhebende Verwaltungsakt von einer sachlich unzuständigen
Behörde erlassen wurde. Hier ist zunächst zu klären, welche
Behörde für die Rücknahme eines von einer sachlich
unzuständigen Behörde erlassenen Verwaltungsaktes zuständig ist.
Das VwVfG enthält keine Regelung. Daher ist das jeweils anwendbare
Fachrecht heranzuziehen. Fehlen derartige Regelungen, ist nach allgemeinen
verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen die Behörde
zuständig, die zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung für den
Erlaß des aufzuhebenden Verwaltungsaktes sachlich zuständig
wäre. Ist der ursprüngliche Verwaltungsakt von einer sachlich
unzuständigen Behörde erlassen worden, so kommt es für den Beginn
der Jahresfrist auf die Kenntnis der für die Rücknahme
zuständiges Behörde und nicht der Behörde an, die sachlich
unzuständig den rechtswidrigen Verwaltungsakt erlassen
hat.[15]
ee. Richtige Ausübung des Aufhebungsermessens, § 48 I S. 1 und S. 2
VwVfG
Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen
darf die
Behörde den rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt
zurücknehmen. Dieses Rücknahmeermessen ist für das Gericht im
Rahmen des § 114 VwGO auf eventuelle Ermessensfehler hin nachprüfbar.
Besondere Bedeutung hat das Rücknahmeermessen bei Leistungsbescheiden mit
Dauerwirkung. Hier kann der Vertrauensschutz es erforderlich machen, daß
bereits erbrachte Leistungen nicht zurückgefordert werden dürfen und
daß auch für eine Übergangszeit weiterhin Leistungen zu
gewähren sind. Bei begünstigenden Verwaltungsakten mit belastender
Drittwirkung[16]
ergibt sich die Besonderheit, daß zwar auch in diesem Fall keine
grundsätzliche Rücknahme
pflicht der Behörde besteht,
dieser Dritte aber einen materiellrechtlichen Anspruch auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung hat, der sich bei einer formellrechtlich zu bewertenden
Ermessensreduzierung auf Null zu einem Rücknahmeanspruch
konkretisiert.
[17]
ff. Rechtsfolge: Rücknahme des Verwaltungsaktes durch die Behörde und
Rückgewähr der erhaltenen Leistung durch den Betroffenen
Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, kann die Behörde den
ursprünglichen Verwaltungsakt zurücknehmen. Die Rückgewähr
der erhaltenen Leistungen erfolgt dann durch den in § 49 a VwVfG
spezialgesetzlich geregelten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch
(dazu sogleich).
gg. Zusammenfassendes Prüfungsschema zu § 48 I S. 2, II-IV VwVfG
- Zuständigkeits-,
Verfahren- und Formvorschriften des Rücknahmebescheides: Die örtliche
Zuständigkeit der Rücknahmebehörde bestimmt sich nach § 48 V
i.V.m. § 3 VwVfG. Im übrigen gelten die allgemeinen
Regeln.
- Rechtsgrundlage: §
48 I S. 1 VwVfG.
- Rechtswidrigkeit des
zurückzunehmenden begünstigenden Verwaltungsaktes.
- Bei Geld- und
Sachleistungen (§ 48 II VwVfG):
- Tatsächliches
Vertrauen auf den Bestand der Begünstigung.
- Schutzwürdigkeit des
Vertrauens, § 48 II S. 1, S. 2 VwVfG:
- Kein Ausschluß des
Vertrauensschutzes (§ 48 II S. 3 Nr. 1-3 VwVfG).
- Indizien für den
Vertrauensschutz, § 48 II S. 2 VwVfG.
- Abwägung zwischen
Vertrauensinteresse und Rücknahmeinteresse, § 48 II S. 1
VwVfG[18].
- Ggf. Anwendung des §
49 II VwVfG auf § 48 II, III VwVfG.
- Bei sonstigen
begünstigenden Verwaltungsakten (§ 48 III VwVfG): ohne besondere
Einschränkungen.
- Frist, § 48 IV
VwVfG.
- Rechtsfolge:
Rücknahme bei fehlerfreier Ermessensausübung und Rückgewähr
der erbrachten Leistungen. Bei § 48 III VwVfG Ausgleich des
Vermögensnachteils, wobei ggf. Minderung oder Ausschluß zu beachten
ist.
|
c. Rückabwicklung gemeinschaftsrechtswidriger Subventionen
aa. Das EG - Beihilfeverfahren
Gemäß Art. 88 I EGV überprüft die
Kommission
[19] fortlaufend in Zusammenarbeit
mit den Mitgliedsstaaten deren bestehende Beihilferegelungen auf ihre
Vereinbarkeit mit den Zielen des EG-Vertrages (
repressives Verfahren).
Bei neuen Beihilfen dagegen übt sie ihre Kontrollbefugnisse gem. Art. 88
III EGV und Art. 2 der VO (EG) Nr. 659/1999 des
Rates
[20] in Form eines
präventiven
Verfahrens aus. Im Interesse einer effektiven Kontrolle dürfen
Subventionen also nur dann von den Mitgliedstaaten ausgezahlt werden, wenn die
Kommission eine abschließende Regelung darüber getroffen hat, vgl.
Art. 88 III S. 3 EGV und Art. 3 der VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates. Eine
autonome Gewährung durch die Mitgliedstaaten verbietet sich somit, auch
wenn die Beihilfe als solche mit dem Gemeinschaftsrecht materiell vereinbar ist.
Ein Verstoß hiergegen beeinträchtigt die Gültigkeit der
Rechtsakte (hier: Subventionsbescheide) zur Durchführung der
Beihilfe
[21] und führt zur
Rückgewährung der Beihilfe.
Das Beihilfeverfahren selbst ist dreistufig ausgestaltet. In der ersten
Stufe unterrichtet der Mitgliedstaat die Kommission über das beabsichtigte
Beihilfeverfahren, Art. 88 III S. 1 EGV und Art. 2 der VO (EG) Nr. 659/1999 des
Rates (Notifizierungspflicht des
Mitgliedstaates).
[22] Die zweite Stufe besteht
im Prüfungs- bzw. Genehmigungsverfahren der Kommission, Art. 88 III S. 3
EGV und Art. 6 ff. der VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates (Umsetzungsverbot, bzw.
Sperrwirkung).
Diesem Normalgenehmigungsverfahren ist eine auf zwei Monate begrenzte
Vorprüfphase vorgeschaltet (vgl. Art. 4 V der VO (EG) Nr. 659/1999 des
Rates). Hat die Kommission innerhalb dieser Phase keine Bedenken bezüglich
des konkreten Beihilfevorhabens, so gilt die Beihilfe als von der Kommission
genehmigt. Der betreffende Mitgliedstaat kann daraufhin die betreffenden
Maßnahmen durchführen, nachdem er die Kommission hiervon in Kenntnis
gesetzt hat (Art. 4 VI der VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates). Das
Beihilfeverfahren wird somit ohne Durchführung eines förmlichen
Genehmigungsverfahrens wirksam. Stellt die Kommission in dieser
Vorprüfphase allerdings fest, daß die angemeldete Maßnahme zu
Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, so
entscheidet sie, das förmliche Verfahren nach Art. 88 II EGV zu
eröffnen (Art. 4 IV der VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates). Das förmliche
Verfahren ist näher in den Art. 6 ff. der VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates
geregelt.
In der dritten Stufe erfolgt die Durchführung des Beihilfeverfahrens
durch den betreffenden Mitgliedstaat.
Zum Rechtsschutz: Gegen eine Entscheidung der
Kommission können der Mitgliedstaat oder der Begünstigte, sofern er
unmittelbar und individuell betroffen ist, mit der Nichtigkeitsklage vor dem
EuGH bzw. dem EuG vorgehen (Art. 230 EGV). Zu beachten ist in diesem
Zusammenhang, daß gem. Art. 242 S. 1 EGV Klagen vor dem EuGH bzw. dem EuG
keine aufschiebende Wirkung haben. Um die fragliche Beihilfe gewähren bzw.
empfangen zu können, muß daher die Beantragung einer
Vollzugsaussetzung nach Art. 242 S. 2 EGV in Betracht gezogen werden. An eine
solche werden aber hohe Anforderungen gestellt. Grundsätzlich sind
Kommissionsentscheidungen somit sofort vollziehbar. Besondere Bedeutung hat dies
für den Schuldner einer zurückzugewährenden Beihilfe, der die
Rückzahlung vorzunehmen hat, obwohl ein Verfahren gegen die Kommission
abhängig ist: Er muß die empfangene Beihilfe zunächst einmal
zurückgewähren. Sollte der EuGH bzw. der EuG dann zu dem Schluß
kommen, daß die Beihilfe rechtmäßig gewährt wurde,
muß die Beihilfe erneut gewährt werden.
bb. Aufhebungspflicht der Mitgliedstaaten
Da sich der Vollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts nach
nationalem Recht bestimmt, soweit nichts anderes geregelt ist (vgl. Art. 10
EGV), richtet sich die Rücknahme gemeinschaftsrechtswidriger
Verwaltungsakte deutscher Behörden nach § 48
VwVfG
[23] (vgl. auch Art. 14 III der VO (EG)
Nr. 659/1999 des Rates). Stellt die Kommission fest, daß die Beihilfe mit
Art. 87 EGV nicht vereinbar und daher gemeinschaftsrechtswidrig ist (zur
Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit materiellem EG-Beihilfenrecht
vgl. die Ausführungen zum Subventionsrecht im Besonderen Verwaltungsrecht),
hat die zuständige bundesdeutsche Behörde den gleichwohl erlassenen
Beihilfebescheid aufzuheben oder in vertragskonformer Weise abzuändern
sowie bereits erfolgte Beihilfezahlungen nebst Zinsen, die nach einem von der
Kommission festgelegten angemessenen Satz berechnet werden,
zurückzufordern, Art. 14 I u. II der VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates
(Folgenbeseitigungspflicht). Die Rechtsgrundlage dafür bietet Art. 14 I u.
II der VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates i.V.m. § 48 VwVfG.
Umstritten ist, ob bereits eine
formelle
Gemeinschaftsrechtswidrigkeit (Verstoß gegen die Notifizierungspflicht
nach Art. 88 EGV) der gewährten Beihilfe zur Rückforderung
verpflichtet, oder ob eine
materielle EG-Rechtswidrigkeit (Verstoß
gegen das Beihilfeverbot des Art. 87 EG erforderlich ist.
Für die Rückforderungspflicht auch bei nur
formellen
Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht spricht, daß die
praktische Wirksamkeit der Art. 87 f. EGV (
effet utile), insbesondere die
des Art. 88 III EGV, gewahrt bleiben muß.
Die Wertung des Art. 87 EGV sowie der auch im Gemeinschaftsrecht geltende
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit spricht hingegen dafür,
daß nur Beihilfen, die materiellrechtlich gegen das Gemeinschaftsrecht
verstoßen, zurückgefordert werden
müssen.
[24]
Der EuGH läßt in einem neueren Judikat, in dem er konstatiert,
daß Beihilfen, die gegen die Sperrwirkung des Art. 88 III S. 3 EGV
verstoßen (= formelle Rechtswidrigkeit)
per se rechtswidrig seien,
erkennen, daß nicht auszuschließen ist, daß auch nur formelle
Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht zu einer
Rückforderungspflicht führen
können.
[25]
Stellungnahme: Aus Gründen der effektiven
Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts und seiner Verfahrensregeln sollte
grundsätzlich auch eine bereits formelle EG-Rechtswidrigkeit der
betreffende Beihilfe zu einer Rückforderungspflicht durch den
Mitgliedsstaat führen. Wo allerdings die Wertung des Art. 87 EGV, der nur
die mit den Zielen des gemeinsamen Marktes nicht zu vereinbarenden Beihilfen
unterbinden will, sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
unterlaufen zu werden droht, sollte nur eine materiell gemeinschaftsrechtswidrig
gewährten Beihilfe zur Rückforderungspflicht durch den jeweiligen
Mitgliedsstaat führen. Von dieser Einschränkung scheint auch Nr. 13
der Begründung der VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates
auszugehen
cc. Anordnungsbefugnis der Kommission
Gemäß Art. 88 II i.V.m. Art. 249 IV EGV ist Grundlage für
die Rückforderung gemeinschaftswidriger Subventionen eine
Entscheidung[26] der
Kommission (vgl. Art. 13 der VO (EG) Nr. 659/1999 des
Rates).
[27] Entscheidet die Kommission,
daß eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe i.S.v.
Art. 87 EG vorliegt (materielle Rechtswidrigkeit der Beihilfe) oder daß
die in Art. 88 III EGV niedergelegten Vorschriften über das
Notifizierungsverfahren nicht beachtet wurden (formelle Rechtswidrigkeit der
Beihilfe), dann wirkt diese Entscheidung i.V.m. Art 87 EGV unmittelbar im
innerstaatlichen Recht und geht diesem als höherrangiges
Recht vor.
[28] Wird
gegen eine solche Entscheidung nicht vorgegangen (Art. 230 EGV) bzw. wird sie
bestandskräftig, so steht die materielle Rechtswidrigkeit der Beihilfe
für den betreffenden Mitgliedsstaat verbindlich
fest.
[29] Dieser Mitgliedstaat kann sich dann
nur noch in einem anschließenden Vertragsverletzungsverfahren (Art. 226 f.
EGV) damit rechtfertigen, daß es ihm absolut unmöglich gewesen sei,
die Entscheidung richtig
durchzuführen.
[30]
dd. Rückforderung von gemeinschaftsrechtswidrig gewährten Beihilfen
a.) Problemstellung
Besteht eine entsprechende Entscheidung der Kommission, so richtet sich das
Rückforderungsverfahren in Ermangelung einer europarechtlichen
Rechtsgrundlage für die Bundesrepublik Deutschland nach § 48 VwVfG
(s.o.), und zwar unabhängig davon, ob die Subvention aus Mitteln der
Gemeinschaft oder aus nationalen Mitteln
erfolgte.
[31]
Problematisch ist insbesondere, daß nach den deutschen Bestimmungen
die Rücknahme im
Ermessen der Behörde liegt (vgl. § 48 I
S. 1 VwVfG), gemäß Art. 88 II EGV und Art. 14 I der VO (EG) Nr.
659/1999 des Rates die Kommission aber entscheidet, daß der betreffende
Staat sie aufzuheben oder umzugestalten
hat[32]. Ausgangspunkt der
Überlegung ist, daß ein rechtswidriger begünstigender
Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare
Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nur unter den
Voraussetzungen des § 48 II - IV VwVfG zurückgenommen werden
darf (vgl. § 48 I S. 2 VwVfG). Da es bei den Subventionen um Geld-
bzw. Sachleistungen geht, ist § 48 II VwVfG zugrunde zu legen. Nach §
48 II S. 1 VwVfG
darf ein rechtswidriger begünstigender
Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf
den Bestand vertraut hat
und sein Vertrauen unter Abwägung mit den
öffentlichen Interessen schutzwürdig ist. Problematisch ist die
Schutzwürdigkeit des Vertrauens.
Zwar ist auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes Bestandteil des
Gemeinschaftsrechts
[33], so daß die
Berufung auf Vertrauensschutz bei gemeinschaftsrechtswidrig gewährten
Beihilfen dem Gemeinschaftsrecht generell nicht fremd ist. Vertrauen darf der
Subventionsempfänger jedoch nur unter den Voraussetzungen des Art. 88 EG in
Anspruch nehmen („
ist ...
aufzuheben“).
[34] So ist fraglich, ob dem
Subventionsempfänger das negative Regelbeispiel des § 48 II S. 3 Nr. 3
VwVfG entgegengehalten werden kann, wenn der Subventionsgeber, die Verwaltung
seines Staates, der Notifizierungspflicht (Art. 88 III S. 1 EGV) nicht
nachgekommen ist.
Da von einer
Kenntnis des Betroffenen von der Nachlässigkeit
seines Staates nicht unbedingt ausgegangen werden kann, kommt
regelmäßig allenfalls grob fahrlässige Nichtkenntnis in
Betracht. Dies wird vom EuGH
[35] angenommen,
wenn sich der Beihilfeempfänger („sorgfältiger
Gewerbetreibender“) nicht erkundigt hat, ob sein Staat der
Notifizierungspflicht nachgekommen ist. Darüber hinaus unterrichte die
Kommission den potentiellen Empfänger staatlicher Beihilfe im EG-Amtsblatt
darüber, daß er bei gemeinschaftsrechtswidriger
Beihilfegewährung mit einer Rückforderung zu rechnen habe (vgl. ABl.
EG 1993 C 318, S. 3). Aus diesem Grund genieße er keinen Vertrauensschutz
i.S.d. § 48 II VwVfG.
[36]
Stellungnahme: Der Rechtsprechung des EuGH
läßt sich entgegenhalten, daß es lebensfremd erscheint, eine
solche Überwachungspflicht des Subventionsempfängers anzunehmen,
sofern die Versäumnisse des Mitgliedstaates nicht offensichtlich sind. Das
trifft insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen ohne
Rechtsabteilung und ohne internationale Geschäftsverbindungen zu. In bezug
auf diese Unternehmen vermag es nicht zu überzeugen, anzunehmen, sie
würden grob fahrlässig handeln, wenn sie das EG-Amtsblatt nicht
studierten.[37] Ein
solcher Subventionsempfänger darf in Ermangelung entgegenstehender
offensichtlicher Anhaltspunkte davon ausgehen, daß sein Staat der
Notifizierungspflicht nachgekommen ist. Er darf sich auf Vertrauen berufen.
Davon getrennt muß jedoch die Frage betrachtet werden,
ob sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen
Interessen auch schutzwürdig ist (vgl. § 48 II S. 1 letzter HS
VwVfG): Besteht im konkreten Fall ein Konfliktverhältnis zwischen der
Entscheidung der Kommission, daß der betreffende Staat die Beihilfe
aufzuheben oder umzugestalten hat und dem Rücknahmeermessen der
deutschen Behörde, so sind die Gemeinschaftsbelange des EG in die
Rücknahmeentscheidung mit Vorrang einzubeziehen, da die Sanktionen der
Art. 87 ff. EGV weitgehend leer liefen, wenn der Begünstigte die Beihilfe
(wie im Regelfall) irreversibel verbraucht hat und so die Regel des
schutzwürdigen Vertrauens (vgl. § 48 II S. 2 VwVfG) griffe. Aus diesem
Grund sind die Gemeinschaftsbelange als öffentliches Interesse i.S.d.
§ 48 II S. 1 letzter HS VwVfG zu qualifizieren. § 48 VwVfG ist somit
gemeinschaftsrechtskonform anzuwenden, was bedeutet, daß nicht nur
der unbestimmte Rechtsbegriff des „öffentlichen Interesses“
europarechtskonform ausgelegt werden
muß[38], sondern
auch daß das der Behörde eingeräumte Rücknahmeermessen
durch eine negative Kommissionsentscheidung dahingehend auf Null reduziert ist.
Anderenfalls wäre eine gleichmäßige und effektive Durchsetzung
des Gemeinschaftsrechts nicht
gewährleistet.[39]
b.) Ausschlußfrist des § 48 IV VwVfG
Diskutiert wurde auch die Frage, ob die
Rücknahmefrist des §
48 IV VwVfG (ein Jahr) auch für gemeinschaftsrechtswidrige
Beihilfebescheide maßgeblich ist, und - wenn dies bejaht würde - ab
wann die Frist zu laufen beginnt. Diese Frage ist nun durch die bereits mehrfach
behandelte Entscheidung des EuGH
[40] aufgrund
eines Vorlagebeschlusses des BVerwG
[41]
geklärt. Der EuGH betrachtet § 48 VwVfG offenbar als einen reinen
Durchsetzungsmechanismus für die gemeinschaftsrechtliche
Rückforderungsanordnung und sieht in ihrer Rechtsfolge eine gebundene
Entscheidung. Die nationale Behörde müsse aufgrund einer
bestandskräftigen Entscheidung der Kommission, in der die Beihilfe für
mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung
verlangt wird, selbst dann noch zurücknehmen, wenn sie nach nationalem
Recht im Interesse der Rechtssicherheit dafür bestehende
Ausschlußfristen hat verstreichen
lassen.
[42] Für die
Rückforderungsanordnung der Kommission gilt eine Frist von 10 Jahren
nachdem dem Empfänger die Beihilfe gewährt worden ist, Art. 15 der VO
(EG) Nr. 659/1999 des Rates.
c.) Treu und Glauben
Im Wege des genannten Vorlagebeschlusses hatte der EuGH darüber hinaus
die Frage zu beantworten, ob die die Beihilfe gewährende Behörde
verpflichtet ist, den Bewilligungsbescheid für eine rechtswidrig
gewährte Beihilfe gemäß einer bestandskräftigen
Entscheidung der Kommission (s.o.), selbst dann zurückzunehmen, wenn sie
für dessen Rechtswidrigkeit in einem solchen Maße verantwortlich ist,
daß die Rücknahme dem Begünstigten gegenüber als
Verstoß gegen
Treu und Glauben erscheint. Auch in diesem Fall sei
die Behörde zur Rücknahme verpflichtet, sofern der Begünstigte
wegen Nichteinhaltung des in Art. 88 EGV vorgesehenen Verfahrens kein
berechtigtes, d.h. schutzwürdiges Vertrauen in die
Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe haben
konnte.
[43] Die Verpflichtung des
Begünstigten, sich zu vergewissern, daß das Verfahren des Art. 88 III
EGV eingehalten wurde, könne nämlich nicht vom Verhalten der
Behörde abhängen, auch wenn diese für die Rechtswidrigkeit des
Bewilligungsbescheides in einem solchen Maße verantwortlich war, daß
die Rücknahme als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheine.
Diese Rechtsprechung darf jedoch nicht verallgemeinert
werden. Denn der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist sowohl im
Gemeinschaftsrecht als auch beim mitgliedstaatlichen Vollzug desselben
anerkannt. Dies hat der EuGH in einem neueren Judikat
bestätigt.[44] Das
Gemeinschaftsrecht stehe grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht
entgegen, die für den Ausschluß der Rückforderung zu Unrecht
gezahlter Gemeinschaftsbeihilfen, sofern der gute Glaube des
Beihilfeempfängers nachgewiesen ist, auf Kriterien wie das sorgfaltswidrige
Verhalten der nationalen Behörden und den Ablauf eines erheblichen
Zeitraums seit der Zahlung der betreffenden Beihilfen abstellt.
d.) Wegfall der Bereicherung
Im dritten und letzten Teil des Vorlagebeschlusses war zu der Frage
Stellung zu nehmen, ob nach einer bestandskräftigen Kommissionsentscheidung
der Bewilligungsbescheid auch dann noch zurückzunehmen ist, wenn dies nach
nationalem Recht wegen
Wegfalls der Bereicherung und mangels
Bösgläubigkeit des Beihilfeempfängers (vgl. § 49 a II VwVfG
i.V.m. §§ 818 III, IV, 819 I BGB) ausgeschlossen wäre.
Konsequenterweise kommt der EuGH auch hier zu keinem anderen Ergebnis und beruft
sich auf den nur im Rahmen des Art. Art. 88 III EG zu gewährenden
Vertrauensschutz. Darüber hinaus könnten einem Unternehmen, das nach
der Gewährung einer Beihilfe Verluste erleide, gleichwohl aus seinem
einstweiligen Fortbestand weiterhin Vorteile erwachsen, insbesondere aufgrund
der Wahrung seiner Machtposition, seines Rufes und seines Kundenkreises. Daher
könne auch nicht behauptet werden, daß die Bereicherung schon deshalb
weggefallen sei, weil der aus der Gewährung der staatlichen Beihilfe
resultierende Vorteil nicht mehr in der Bilanz (ergänze: oder den
Büchern) des begünstigten Unternehmens
erscheine.
[45]
e.) Zusammenfassung
Mit seiner jüngsten Entscheidung schneidet der EuGH somit alle
„§ 48 VwVfG spezifischen“ (Vertrauensschutz, Jahresfrist, Treu
und Glauben, Wegfall der Bereicherung) Einwände gegen die
Rückforderung gemeinschaftsrechtswidrig ausgezahlter Beihilfen ab, so
daß sich in praktischer Sicht jede nationale Vertrauensschutzargumentation
zugunsten des Gemeinschaftsinteresses erübrigt haben
dürfte.
[46] Dem nationalen Recht kann
lediglich noch die Ermächtigung zur Rücknahme bzw. Rückforderung
entnommen werden.
2. Widerruf, § 49 VwVfG
Widerruf ist die Aufhebung eines
rechtmäßigen
Verwaltungsaktes (s.o.). Die Behörde wird einen Widerruf in Erwägung
ziehen, wenn die Sach- und Rechtslage sich so verändert hat, daß der
Verwaltungsakt jetzt nicht mehr erlassen werden dürfte. § 49 VwVfG
unterscheidet rechtmäßige
belastende und
rechtmäßige
begünstigende
Verwaltungsakte.
[47]
a. Rechtmäßige belastende Verwaltungsakte, § 49 I VwVfG
Bei rechtmäßigen belastenden Verwaltungsakten ist die Aufhebung
auch nach Bestandskraft problemlos möglich, § 49 I S. 1 HS 1 VwVfG.
Hierbei kann das Ermessen soweit schrumpfen, daß die Behörde, um
ermessensfehlerfrei zu handeln, den Verwaltungsakt zurücknehmen
muß. Zu beachten ist aber der Ausschlußgrund des § 49 I
S. 1 2. HS VwVfG.
b. Rechtmäßige begünstigende Verwaltungsakte, § 49 II
VwVfG
Für den ebenfalls im Ermessen der Behörde stehenden Widerruf
eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes ist ein in
§ 49 II S. 1 Nr. 1-5 VwVfG genannter Widerrufsgrund
erforderlich.
[48]
aa. Durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten, §
49 II S. 1 Nr. 1 VwVfG
Die Behörde wird sich den Widerruf vorbehalten, wenn für sie
absehbar ist, daß sich die Sach- und Rechtslage ändern wird.
Problematisch ist es aber, wenn der Widerrufsvorbehalt rechtswidrig
ist.
Auch ein rechtswidriger Widerrufsvorbehalt steht dem Widerruf durch die
Behörde nicht entgegen, wenn er mit dem Verwaltungsakt bestandskräftig
geworden ist. Der Begünstigte hat es ja in der Hand, gegen den
Widerrufsvorbehalt (isoliert)
vorzugehen.[49]
Allerdings handelt die Behörde, die von einem solchen Widerrufsvorbehalt
Gebrauch macht, jedenfalls i.d.R. dann ermessensfehlerhaft, wenn die
Rechtswidrigkeit des Vorbehaltes offensichtlich ist.
Durch Rechtsvorschrift zugelassen ist der Widerrufsvorbehalt beispielsweise
gemäß § 8 II FernStrG.
bb. Nichterfüllung einer Auflage, § 49 II Nr. 2 VwVfG
Auch bei Nichterfüllung einer Auflage, wobei auch schwere
Verstöße gegen diese umfaßt sind, kann die Behörde
widerrufen. Nr. 2 ist analog auch auf die Nichterfüllung sonstiger mit
einem Verwaltungsakt verbundener wesentlicher Pflichten anzuwenden.
Der Widerruf nach Nr. 2 ist wegen des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit nur als
ultima ratio zulässig,
d.h. die Behörde muß zunächst versuchen, die Erfüllung der
Auflage durchzusetzen (durch Mahnung, Fristsetzung o.ä.). Ob dazu auch der
Verwaltungszwang gehört, ist strittig
[50],
soll aber hier nicht weiter erläutert werden.
Für rechtswidrige Auflagen gilt das zum Widerrufsvorbehalt Gesagte
entsprechend.
cc. Neue Tatsachen und Änderung der Rechtslage, § 49 II Nrn. 3 u. 4
VwVfG
Diese Voraussetzungen ergeben sich ohne Schwierigkeiten aus dem
Gesetzestext. Es ist jedoch zu beachten, daß Nr. 3 u. 4 jeweils zwei
kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen enthalten.
dd. Schwere Nachteile für das Gemeinwohl, § 49 II Nr. 5 VwVfG
Ein Widerruf auf Grundlage der Generalklausel der Nr. 5 ist nicht nur bei
einer Gefährdung wichtiger allgemeiner Gemeinschaftsgüter
möglich, sondern auch bei ernsthafter Gefährdung oder
Beeinträchtigung des Lebens und der Gesundheit einzelner. Auch bei dem
Widerruf nach Nr. 5 ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu
beachten, d.h. die Beeinträchtigung für das Gemeinwohl darf nicht
durch andere, mildere Weise als durch Widerruf wirksam beseitigt werden
können. Der Widerruf nach Nr. 5 ist also wie Nr. 2 nur als
ultima
ratio zulässig und daher eng auszulegen.
ee. Befristung
Für die Befristung gilt § 48 IV VwVfG (s.o.) entsprechend, §
49 II S. 2 VwVfG.
c. Einmalige oder laufende Geldleistungen oder teilbare Sachleistungen, §
49 III VwVfG sowie Erstattung und Verzinsung, § 49 a VwVfG
aa. Einführung
Um bestehende Zweifelsfragen hinsichtlich der Zulässigkeit und der
Voraussetzungen der Rücknahme und des Widerrufs von Zuwendungsbescheiden
(Subventionsbescheiden) und der Rückforderung und Verzinsung von
Zuwendungsbeträgen zu beseitigen, fügte der Bundesgesetzgeber 1980 in
die BHO den § 44 a ein
[51]. Die
Zweifelsfragen waren vor allem deshalb entstanden, weil § 49 VwVfG in der
bisherigen Fassung den Widerruf von Verwaltungsakten nur
für die
Zukunft zuließ, eine Aufhebung aber auch mit Wirkung
für die
Vergangenheit wünschenswert erschien. Darüber hinaus ließ
§ 49 VwVfG auch keinen Erstattungsanspruch (Rückerstattung an die
Behörde) wie der bisherige § 48 II S. 5 VwVfG zu. Da der
eingeführte § 44 a BHO den Sachverhalt aber nicht abschließend
regelte, mußte auf Vorschriften der §§ 48 ff. VwVfG
zurückgegriffen werden, so daß alle Vorschriften alternativ oder auch
kumulativ nebeneinander anwendbar waren
[52].
Dies führte zu einer Komplizierung des Aufhebungsverfahrens.
Nachdem einige Bundesländer mit Rücksicht auf den von der
Bundesregierung im Jahre 1988 eingebrachten Musterentwurf zur Änderung des
VwVfG die Regelung des § 44a BHO in erweiterter Form, insbesondere auch
unter Erstreckung der Anwendung über die Zuwendung i.e.S. hinaus auf alle
Geldleistungen und unter Einbeziehung auch von Bescheiden, die infolge des
Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden waren, in ihre
allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetze übernommen haben, hat auch der
Bundesgesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung verwaltungsrechtlicher
Vorschriften v. 02. 05. 1996
[53] u.a. § 44
a BHO aufgehoben und § 49 VwVfG durch einen neuen Abs. 3
ergänzt
[54].
Dieser neue Abs. 3 ermöglicht den Widerruf eines
rechtmäßigen Verwaltungsaktes, der einmalige oder fortlaufende
Geldleistungen oder teilbare Leistungen gewährt oder hierfür
Voraussetzung ist, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (Nrn. 1 u. 2) im
Gegensatz zu § 49 II VwVfG a.F.
auch für die Vergangenheit.
Darüber hinaus wurde in Anlehnung an die bereits im Vertrauen auf das
Ergehen der bundesgesetzlichen Regelung teilweise eingeführten
landesrechtlichen Bestimmungen ein § 49 a VwVfG eingeführt. Dieser
enthält zusammenfassend alle Regelungen über die Erstattungs- und
Verzinsungspflicht des Begünstigten bei rückwirkender Unwirksamkeit
eines Verwaltungsaktes, der Leistungen gewährt hat oder Voraussetzung
hierfür war. Damit werden nun einheitlich alle Fragen über die
Erstattung und Verzinsung zurückgenommener und widerrufener von auf Geld-
und Sachleistungen gerichteter Verwaltungsakte behandelt.
bb. Widerrufsgründe
In Anlehnung an den früheren § 44 a I BHO sind die dort genannten
Fälle nun in § 49 III Nr. 1 VwVfG geregelt. Den Verstoß gegen
Auflagen regelt die Nr. 2.
Von § 49 III VwVfG werden solche Leistungsverwaltungsakte
erfaßt, mit denen die Behörde nicht nur einen bestimmten Zweck
verfolgt, sondern
der Leistungsempfänger darüber hinaus mit der
Leistung einen bestimmten Zweck erfüllen muß. Schon der
Wortlaut deutet eine solche Interpretation an, da das Merkmal „zur
Erfüllung“ sonst nicht verständlich wäre. Anderenfalls
hätte es heißen müssen (ohne
Erfüllung): „Zu
einem bestimmten Zweck“. Die hier vorgenommene Auslegung wird vor allem
auch durch § 49 III S. 1 Nr. 1 VwVfG gestützt, der die Zweckbestimmung
der Leistung nochmals aufgreift und einen Widerruf zuläßt,
„wenn die Leistung nicht (...) für den in dem Verwaltungsakt
bestimmten Zweck verwendet wird“. Darüber hinaus ist die Formulierung
über die Zweckbestimmung nicht ohne Grund aus der des § 23 BHO
übernommen worden. Bei diesem Zweck muß es sich folglich um einen
„Leistungsverwendungszweck“ handeln. Dieser Verwendungszweck
muß sich in allen Fällen des § 49 III VwVfG aus dem
Verwaltungsakt selbst ergeben. Zwar sind keine ausdrücklich formulierten
Angaben zum Verwendungszweck zu fordern, der Verwaltungsakt muß diesen
aber eindeutig erkennen lassen. Dazu kann im Einzelfall auch ein eindeutiger
Hinweis im Verwaltungsakt auf eine Rechtsgrundlage ausreichen, wenn die
Vorschrift den zu erfüllenden Zweck eindeutig
angibt.
[55]
Klausurhinweis: In der Fallbearbeitung ist daher
zunächst festzustellen, daß von § 49 III VwVfG solche
Leistungsverwaltungsakte erfaßt sind, mit denen die Behörde nicht nur
einen bestimmten Zweck verfolgt, sondern der Leistungsempfänger
darüber hinaus mit der Leistung einen bestimmten Zweck erfüllen
muß. Anschließend ist zu prüfen, ob der
Zuwendungsbescheid expressis verbis den Zuwendungsempfänger
verpflichtet, einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Ist dies nicht der Fall,
muß sich dies aus den genannten Umständen ergeben. Aus den
Überlegungen zum Anwendungsbereich des § 49 III VwVfG folgt auch,
daß das Verhältnis zu § 49 II VwVfG nicht dem des zwischen
§ 48 II und III VwVfG existierenden entspricht. § 48 II und III VwVfG
schließen sich aus (vgl. den Wortlaut des § 48 III S. 1 am Anfang).
Dagegen schließt § 49 III VwVfG von seinem Tatbestand her die
Anwendbarkeit des § 49 II VwVfG nicht aus. Das bedeutet, daß bei
einem Verwaltungsakt, der eine verwendungsgebundene Leistung gewährt und
damit grundsätzlich von § 49 III VwVfG erfaßt wird, auch
geprüft werden muß, ob eine der Widerrufsmöglichkeiten des
§ 49 II VwVfG gegeben ist!
Die Einführung der Widerrufsmöglichkeit mit Wirkung für die
Vergangenheit bewirkt nicht nur, daß erbrachte Leistungen
zurückverlangt werden können, sondern auch, daß die Herausgabe
von Nutzungen (§ 100 BGB) gefordert werden kann.
cc. Widerrufsfrist
§ 49 III S. 2 VwVfG unterwirft den Widerruf nach Abs. 3 der
Jahresfrist des § 48 IV VwVfG.
dd. Sonderproblem des rechtswidrig gewordenen Verwaltungsaktes
In der Literatur sehr umstritten war
vor Inkrafttreten der
Novellierung der §§ 48 ff. VwVfG die rechtliche Behandlung
zunächst rechtmäßig ergangener, aber im nachhinein rechtswidrig
gewordener Verwaltungsakte. Insbesondere war strittig, ob bei § 48 VwVfG
über die Beurteilung der Frage der Rechtswidrigkeit auf den Zeitpunkt des
Erlasses des Verwaltungsaktes abzustellen ist oder ob die Vorschrift auch
anzuwenden ist, wenn Umstände eintreten, welche die Aufrechterhaltung des
Bescheids rechtswidrig machen.
[56]
Aus § 49 II Nr. 3 und 4 VwVfG ergibt sich, daß ein
ursprünglich rechtmäßig ergangener Verwaltungsakt nur durch eine
nachträglich veränderte Sach- und Rechtslage rechtswidrig werden kann
und für diesen Fall nur ein Widerruf in Betracht kommt. Daraus schloß
die h.M., daß die §§ 48, 49 VwVfG auf die
Rechtmäßigkeit im Zeitpunkt des Erlasses abstellten. Anders verhielt
es sich wegen der damals ausschließlich geltenden
ex-nunc-Wirkung
des § 49 VwVfG bei Dauerverwaltungsakten im Bereich der
Leistungsgewährung, da eine rückwirkende Korrektur sonst nicht
möglich gewesen wäre. Deshalb wurde in solchen Fällen auf den
Zeitpunkt des Rechtswidrigwerdens abgestellt und die Wirkung von diesem
Zeitpunkt an zurückgenommen.
Dieser Meinungsstreit könnte durch die bereits erwähnte
Einführung des § 49 III VwVfG obsolet geworden sein.
Wie bereits festgestellt, erfaßt § 49 III VwVfG nur den
beschränkten Bereich der verwendungszweckgebundenen Bewilligungsbescheide,
ohne jedoch auf den engeren Zuwendungsbegriff der §§ 23, 44 BHO
abzustellen und somit festgelegt zu sein. Somit verbleibt für § 49 II
VwVfG - mit Ausnahme der kommunalen Zuwendungsbescheide - nahezu derselbe
Anwendungsbereich. Lediglich für die Fälle der Nichtbefolgung der
Verwendungszweckbindung nach § 49 III VwVfG ist nunmehr allgemein
klargestellt, daß das VwVfG nicht von einem Rechtswidrigwerden des
begünstigenden Verwaltungsaktes mit der Folge der Anwendbarkeit des §
48 VwVfG ausgeht. Aus diesem Grund ist der Streit, ob auf den ursprünglich
rechtmäßig erlassenen, aber im nachhinein rechtswidrig gewordenen
Verwaltungsakt auch § 48 VwVfG Anwendung findet, durchaus nicht
überflüssig geworden.
[57]
Beispiel[58]:
Ein beamteter Lehrer erhält eine monatlich zu zahlende Fachleiterzulage,
die durch einen rechtmäßig ergangenen Verwaltungsakt festgesetzt
wurde. Nach der Beendigung der entsprechenden Tätigkeit wird der
Zulagenbescheid wegen Unkenntnis der Behörde zunächst nicht aufgehoben
und die Zulage weiterhin ausbezahlt. Wie ist die Rechtslage?
Vorliegend handelt es sich nicht um eine zweckgebundene
Leistung.[59] Der
grundsätzlich in Betracht kommende Widerruf gem. § 49 II Nr. 3 VwVfG
vermag nach ganz h.M. den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der
Zahlungen in der Vergangenheit nicht zu beseitigen (vgl. den Wortlaut des §
48 II VwVfG: „mit Wirkung für die Zukunft“). Der neue
§ 49 III VwVfG, über den der Zulagenbescheid mit Wirkung für die
Vergangenheit aufgehoben werden könnte, erfaßt diesen Fall schon von
seinem Tatbestand her nicht, da der Lehrer die Zulage zwar aus einem bestimmten
Grund erhält, es sich bei der Zulage aber nicht um eine
verwendungszweckgebundene Leistung handelt.
Zunächst ließe sich dieses Problem im Rahmen
eines allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs angehen. Die
Lösung würde dann über eine analoge Anwendung des § 812 I S.
2 Alt. 2 BGB (Nichteintritt des bezweckten Erfolges) ohne Aufhebung des
begünstigenden Verwaltungsaktes
erfolgen.[60]
Dieser Ansatz ist jedoch abzulehnen. Zwar ist der
Rechtsgrund für den Bewilligungsbescheid weggefallen, wodurch dieser
rechtswidrig wurde; auch ist dadurch der Rechtsgrund für die empfangene
Leistung weggefallen. Eine analoge Heranziehung des § 812 BGB ist jedoch -
zumindest in diesem Zusammenhang - nicht erforderlich. Es besteht kein
Erfordernis i.S.e. planwidrigen Regelungslücke, aus der Sonderverbindung
der §§ 48 ff. VwVfG herauszutreten und auf den ungeschriebenen und
damit subsidiären allgemeinen öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch i.V.m. den Regeln der §§ 812 ff. BGB
zurückzugreifen: § 49 III S. 1 Nr. 1 VwVfG n.F. regelt jetzt
ausdrücklich den Fall der Zweckverfehlung bei verwendungszweckgebundenen
Verwaltungsakten. Dadurch bringt das Gesetz zum Ausdruck, daß es auch in
diesen Fällen vom Erfordernis des Widerrufs ausgeht. Folglich erscheint es
auch ausgeschlossen, wenigstens für die nicht von § 49 III VwVfG
erfaßten Verwaltungsakte (wie den vorliegenden) an der Auffassung
festzuhalten, es bedürfe gar keiner Aufhebung des leistungsgewährenden
Verwaltungsaktes.
Eine sinnvolle Lösung dieses Problems ist daher nach
wie vor durch eine Anwendung des § 48 II VwVfG zu erreichen. Der
Bewilligungsbescheid kann dann unproblematisch zurückgenommen werden, weil
der Lehrer, wenn er die Rechtswidrigkeit nicht kannte, dies zumindest aufgrund
grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 48 II S. 3 Nr. 3 VwVfG). Da in
Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückgenommen wird (§ 48 II S. 4 VwVfG), hat der
Lehrer die von der Behörde bereits erbrachten Leistungen zu erstatten
(§ 49 a S. 1 VwVfG). Zwar richtet sich der Umfang der Erstattung auch in
diesem Fall nach den §§ 812 ff. BGB, die Anwendbarkeit des
zivilrechtlichen Bereicherungsrechts wird aber durch die Sonderverbindung der
§§ 48 ff. VwVfG ausdrücklich angeordnet (§ 49 a II VwVfG).
ee. Der Regelungsgehalt des § 49 a VwVfG
a.) Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen
§ 49 a VwVfG regelt als spezielle Ausprägung des allgemeinen
öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in Abs. 1 die Erstattung
bereits erbrachter Leistungen, die mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückgenommen (§ 48 VwVfG) oder mit Wirkung für die Zukunft
widerrufen (§ 49 VwVfG) oder infolge einer auflösenden Bedingung
unwirksam geworden sind. Nach § 49 a I S. 1 VwVfG
sind die bereits
erbrachten Leistungen zu erstatten, nach § 49 a I S. 2 VwVfG
ist die
zu erstattende Leistung durch Verwaltungsakt festzusetzen. Aus dieser
Formulierung folgt einerseits, daß die Behörde durch die Rechtsform
Verwaltungsakt die Rückforderung selbst vollstrecken kann und nicht
auf eine gerichtliche Durchsetzung angewiesen ist. Für eine Leistungsklage
vor dem Verwaltungsgericht würde ihr wegen dieses einfacheren und
effektiveren Wegs schon das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Andererseits
bedeutet die gesetzliche Formulierung aber auch, daß die Handlungsform
„Verwaltungsakt“ als formelle
Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für Rückforderungen
zwingend angeordnet (sog.
Verwaltungsaktvorbehalt), und die
Behörde
verpflichtet ist, den Rückerstattungsanspruch
überhaupt geltend zu machen.
Diese Regelung hat auch Auswirkungen auf das Prozeßrecht: Die
Behörde kann nach dieser Rechtslage nicht mehr wie zuvor im Fall eines zu
erwartenden Widerspruchs auf die Festsetzung verzichten und statt dessen eine
allgemeine Leistungsklage gegen den verpflichteten Bürger
erheben
[61]. Gleichzeitig ist mit § 49 a I
S. 2 VwVfG ein rechtsstaatlicher Fortschritt eingetreten, da mit ihm auch eine
Rechtsgrundlage für den Leistungsbescheid in den Fällen
außerhalb des § 48 II VwVfG vorhanden ist, so daß nicht mehr
auf den im Verhältnis Staat - Bürger sehr zweifelhaft erscheinenden
allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurückgegriffen
werden muß.
Nach wie vor kann davon ausgegangen werden, daß die Geltendmachung
eines Erstattungsanspruches (§ 49 a VwVfG) gleichzeitig eine konkludente
Aufhebung des begünstigenden Verwaltungsaktes
darstellt.
[62] Fehlt es also bei einer
Festsetzung des Erstattungsanspruchs durch schriftlichen Verwaltungsakt an einer
vorausgehenden ausdrücklichen Aufhebung des begünstigenden
Verwaltungsaktes, so kann der Festsetzung nach § 49 a I S. 2 VwVfG unter
den gleichen Voraussetzungen wie nach der alten Rechtslage eine konkludente
Aufhebung entnommen werden.
b.) Umfang der Erstattung
Für den Umfang der Erstattung mit Ausnahme der Verzinsung gelten die
§§ 812 ff. BGB im Sinne einer Rechtsfolgenverweisung entsprechend,
§ 49 a II S. 1 VwVfG. Allerdings wird die bereicherungsrechtliche Einrede
der Entreicherung (§ 818 III BGB) durch § 49 a II S. 2 VwVfG für
den Fall der positiven Kenntnis und der grob fahrlässigen Unkenntnis des
Begünstigten von den Umständen, die zur Unwirksamkeit des
Verwaltungsaktes geführt haben, ausgeschlossen. Eine solche
Bösgläubigkeit dürfte insbesondere regelmäßig im Falle
einer zweckwidrigen Verwendung der Leistung
vorliegen.
[63]
c.) Verzinsung bei Erstattung
Nach § 49 a III S. 1 VwVfG ist der zu erstattende Betrag vom Eintritt
der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes an i.H.v. 3 % über dem jeweiligen
Diskontsatz zu verzinsen. Von dieser Verzinsungspflicht kann die Behörde
unter pflichtgemäßer Ermessensausübung absehen, was insbesondere
dann der Fall ist, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur
Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat
und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgelegten
Frist begleicht.
d.) Verzinsung bei Zweckverzögerung
Verwendet der Begünstigte die Leistung nicht alsbald nach der
Auszahlung für den bestimmten Zweck, so kann die Behörde
gemäß § 49 a IV 1. HS VwVfG Zwischenzinsen erheben. Durch diese
Regelung wird zum einen der Handlungsspielraum der Behörde erweitert, denn
sie kann statt den Verwaltungsakt zu widerrufen (§ 49 III Nr. 1 VwVfG), was
nicht immer zweckmäßig erscheint, auch verhindern, daß der
Begünstigte aus der Zweckverzögerung auch noch Vorteile zieht
(Abschöpfung). Darüber hinaus wird es dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit eher entsprechen, wenn statt des Erlasses
eines Widerrufs nur Zwischenzinsen erhoben werden.
Die Klarstellung des § 49 a IV 2. HS VwVfG, daß trotz der
Erhebung von Zwischenzinsen der Bewilligungsbescheid widerrufen werden kann, hat
die Funktion als zusätzliches Druckmittel gegenüber säumigen
Leistungsempfängern und gewinnt für den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit ebenfalls an Bedeutung.
[1] Vgl. BVerwGE 74,
357, 360.
[2] Vgl. dazu jüngst
BVerwG NJW 2000, 1512.
[3] Vgl. dazu die
Ausführungen bei Schmidt/Seidel, AllgVerwR S. 47.
[4] Bei der Frage der
Teilbarkeit kann auf die Grundsätze zu den Nebenbestimmungen
zurückgegriffen werden.
[5] Z.B. Art. 8, 9 VO Nr.
2913/92 des Rates vom 12.10.1992, ABl. 1922 Nr. L 302
(Zollkodex)
[6] Z.B. § 18 des
Gesetzes zur Durchführung einer gemeinsamen Marktorganisation
(MOG).
[7] OVG Münster NVwZ-RR
1997, 585, 587.
[8] So VGH Mannheim NWVBl.
1985, 425, 426; Achterberg, AllgVerwR, 2. Aufl. 1986,
§ 23 Rdnr. 71; Wendt, JA 1980, 85, 90
[9] Vgl. dazu
Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2. Aufl.
1984, S. 131 ff..
[10] Vgl.
Bodanowitz, JuS 1999, 674, 577.
[11] BVerwGE 70,
356.
[12] Fortgeführt von
BVerwGE 100, 199, 123; vgl. auch VGH Mannheim NVwZ 1998, 87, 89
und OVG Magdeburg NVwZ 1999, 1120.
[13] Maurer,
AllgVerwR, § 11 Rdnr. 35.
[14] Kopp, VwVfG,
§ 48 Rdnr. 98.
[15] BVerwG NJW
2000, 1512, 1513.
[16] Vgl. dazu näher
die Ausführungen bei Schmidt/Seidel, AllgVerwR, S. 47 f..
[17] Zum Ausschluß
des schutzwürdigen Vertrauens bei Vergabe von gemeinschaftsrechtswidrigen
Beihilfen vgl. unten.
[18] Zur Wiederholung sei
darauf hingewiesen, daß diese Prüfungsreihenfolge zwar nicht der des
Regel-Ausnahme-Verhältnisses des § 48 II VwVfG entspricht, sie bietet
sich aber deswegen an, weil nach Feststellung des Ausschlußtatbestandes
des Abs. 2 S. 3 die Abwägung zwischen Vertrauensinteresse und
Rücknahmeinteresse (Abs. 2 S. 1) entfallen kann.
[19] Gemäß Art.
7 und 211 ff. EG ist die Kommission Hauptverwaltungsorgan der EG. Sie ist
insbesondere zuständig für die Wettbewerbs- und Beihilfeaufsicht, die
gemeinschaftseigene Subventionsvergabe, die Fondverwaltung und für die
Sanktionierung von Verstößen nach den Art. 81 ff., 87 ff.
EG.
[20] ABl. EG L 83 vom
27.3.1999. Vgl. dazu Kruse, NVwZ 1999, 1049
ff..
[21] EuGH NJW 1993,
49; Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1067.
[22] Bei Subventionierungen
unterhalb der Geringfügigkeitsschwelle von derzeit 100.000 Euro innerhalb
eines Drei-Jahres-Zeitraums (de minimis) verzichtet die Kommission auf
die Notifizierung, da nach ihrer Auffassung keine Wettbewerbsverzerrung des
gemeinsamen Marktes stattfindet. Beispiel: Bestimmte Subventionen an kleine und
mittlere Unternehmen, vgl. dazu Koenig/Kühling, NJW 2000,
1065, 1072 f..
[23] Vgl. EuGH NVwZ
1998, 45, 46, Tz. 24 Fischer, JuS 1999, 749, 750;
Epiney, NVwZ 2000, 36; Koenig/Kühling, NJW
2000, 1065, 1073.
[24] So die ganz h.L., vgl.
nur Pache, Rechtsfragen der Aufhebung gemeinschaftsrechtswidriger
nationale Beihilfebescheide, in: NVwZ 1994, 318, 320; Stober,
Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 60 VII 4. Diese Ansicht wird auch von der
Kommission in ihrer Rückforderungspraxis zugrunde gelegt; a.A.
Richter, Rückforderung gemeinschaftswidriger Subventionen nach
§ 48 VwVfG, in: DÖV 1995, 846, 858.
[25] EuGH Slg 1991,
5528 f.; bestätigt in EuGH NVwZ 1998, 45, 46 Tz. 22. Ferner wurde in
dem zuerst genannten Judikat festgestellt, daß ein betroffener Bürger
sich vor den nationalen Gerichten auf die Verletzung von Art. 88 III S. 3
EG n.F. berufen kann.
[26] Zur Wiederholung sei
darauf hingewiesen, daß Entscheidungen nach Art. 249 IV EG in allen ihren
Teilen für denjenigen verbindlich sind, den sie bezeichnet. Sie entsprechen
somit der Wirkung eines Verwaltungsaktes im deutschen Recht. Zur Rechtsnatur des
EG-Sekundärrechts vgl. im Allgemeinen Verwaltungsrecht S. 38
f..
[27] Die Kompetenz zur
Rückforderung besitzt die Kommission, wenn (1) hinsichtlich des
Beihilfecharakters der betreffenden Maßnahme keinerlei Zweifel besteht,
(2) ein Tätigwerden dringend geboten ist und (3) ein erheblicher und nicht
wiedergutzumachender Schaden für einen Konkurrenten ernsthaft zu
befürchten ist, vgl. Art. 11 II der Verfahrensordnung.
[28] Zum Anwendungsvorrang
des Gemeinschaftsrechts vgl. im Allgemeinen Verwaltungsrecht S. 38
f..
[29] BVerwGE 92, 81,
83.
[30] EuGH Slg. 1989,
175, 191.
[31] Davon unabhängig
zu betrachten ist die Verpflichtung des Mitgliedstaates gem. Art. 14 VO (EG) Nr.
659/1999 des Rates die europarechtswidrig gewährte Beihilfe
zurückzufordern.
[32] Zur Befugnis der
Kommission, die nationalen Behörden anzuordnen, entgegen Art. 88 II EGV
gewährte Beihilfen zurückzufordern, vgl. EuGH NVwZ 1998, 45, 46
Tz. 22. Bei dieser Entscheidung handelte sich um ein Vorabentscheidungsverfahren
nach Art. 234 EG. Bei dieser Verfahrensart entscheidet der EuGH über
Auslegung und Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht, wenn ein nationales
Gericht die Beantwortung der Vorlagefrage in einem bei ihm anhängigen
Rechtsstreit für erforderlich hält. Die Frage, ob die Anwendung
bestimmter nationaler Normen gemeinschaftsrechtlich ausgeschlossen ist, betrifft
Inhalt und Auslegung des Gemeinschaftsrechts, kann also Gegenstand einer Vorlage
nach Art. 234 EG sein.
[33] Vgl.
Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065, 1074; Haibach, NVwZ
1998, 456, 459 f.; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 7
VI und § 60 VII 4.
[34] EuGH NVwZ 1998,
45, 46 Tz. 25.
[35] EuGH NVwZ 1998,
45, 46 Tz. 25.
[36] EuGH Slg. 1990,
3437; EuGH EuZW 1997, 217 Tz. 51.
[37] BVerwGE 92, 81,
84; vgl. auch Schneider NJW 1992, 1197, 1201; Pache NVwZ
1994, 318, 320; Kahl, JA 1996, 857, 858.
[38] Zur
gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung vgl. Huber, Recht der
europäischen Integration, 1996, § 8 Rdnr. 14; Zuleeg,
VVDStRL 53 (1994), 154, 165 ff.). Vgl. dazu auch Epiney, NVwZ
2000, 36, 37.
[39] Klargestellt nun durch
EuGH NVwZ 1998, 45 ff. a.A. Stober, Besonderes
Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 60 VII 4 mit Verweis auf ein in diesem
Zusammenhang nicht mehr zeitgemäßes Judikat des BVerwG (E 74,
357).
[40] EuGH NVwZ 1998,
45 ff. mit Anm. Happe, NVwZ 1998, 26 ff.
[41] BVerwG NVwZ
1995, 703.
[42] EuGH NVwZ 1998,
45, 47 Tz. 38; a.A. trotz entgegenstehender Rspr. des EuGH VGH Mannheim
NVwZ 1998, 87, 90 mit Besprechung von Fischer, JuS 1999,
749, 753. Vgl. dazu auch Epiney, NVwZ 2000, 36, 37. Hiervon ist
der Fall zu unterscheiden, daß ein Mitgliedstaat, der eine EG-Richtlinie
nicht fristgemäß umgesetzt hat, sich bei Klagen auf Schadenersatz
oder Erstattungsansprüchen im Zusammenhang mit der Nichtumsetzung sich sehr
wohl auf nationale Verjährungsvorschriften berufen kann. Voraussetzung ist
aber, daß die Frist für die Geltendmachung auf Gemeinschaftsrecht
gestützter Ansprüche nicht ungünstiger ist als für die
Geltendmachung auf innerstaatliches Recht gestützter Ansprüche und die
Durchsetzung der durch die Gemeinschaft verliehenen Rechte nicht praktisch
unmöglich macht. Vgl. dazu ausführlich EuGH NVwZ 1998,
833.
[43] EuGH NVwZ 1998,
45, 47 Tz. 43.
[44] Vgl. EuGH EuZW
1998, 499
[45] EuGH NVwZ 1998,
45, 47 Tz. 50-54.
[46] Montag, NJW
1998, 2088, 2095; Happe, NVwZ 1998, 26; Hoenike,
EuZW 1997, 279; Koenig/Kühling, NJW 2000, 1065,
1074.
[47] Vgl. auch hier die
Spezialvorschriften der §§ 15 GastG; 17, 18 BJagdG; 17 BremWG
etc.
[48] Zu
Ermessenserwägungen bei Widerruf einer Subventionsbewilligung und zur
ermessenslenkenden Bedeutung von haushaltsrechtlichen Grundsätzen vgl.
BVerwG NJW 1998, 2233, 2234.
[49] BVerwG NVwZ
1987, 498; Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 30; siehe auch die
Ausführungen zu den Nebenbestimmungen auf S. 150 f.; a.A.
Maurer, AllgVerwR, § 11 Rdnr. 41.
[50] Vgl. dazu Kopp,
VwVfG, § 49 Rdnr. 32.
[51] Zweites Gesetz zur
Änderung der Bundeshaushaltsordnung vom 14. 07. 1980 (BGBl I S.
955).
[52] BVerwG NVwZ
1988, 349.
[53] BGBl I S.
656.
[54] Um die
Revisibilität eines Landesverwaltungsverfahrensgesetzes zu
ermöglichen, muß entweder der Wortlaut dieses Gesetzes mit dem des
Bundesverwaltungsverfahrensgesetz übereinstimmen (§ 137 I Nr. 2 VwGO)
oder es muß sich bei dem Landesgesetz um ein sog. Verweisungsgesetz mit
dynamischer Anwendungserklärung des VwVfG des Bundes handeln. Aus diesem
Grund und aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Verwaltung ist eine
entsprechende Anpassung der übrigen Landesverwaltungsverfahrensgesetze an
die bundesgesetzliche Regelung nunmehr ausnahmslos erfolgt.
[55] Baumeister,
NVwZ 1997, 19, 20.
[56] Vgl.
Dickersbach, NVwZ 1993, 846, 851; 1996, 962,
966.
[57] Inwieweit dieser
Streit in der verwaltungsgerichtlichen Praxis aufgrund der gefestigten
Rechtsprechung i.S.d. Anwendbarkeit des § 48 VwVfG auf den rechtswidrig
gewordenen Verwaltungsakt geklärt ist, ist angesichts einer anderslautenden
Bemerkung des 3. Senats des BVerwG (NVwZ 1988, 349) zumindest fraglich
und nicht nur akademischer Natur.
[58] Angelehnt an OVG
Münster, NVwZ-RR 1988, 1 ff.; dazu Schenke, DVBl 1989,
433.
[59] Die Leistung ist
deswegen nicht zweckgebunden, weil sie der Lehrer nicht zur Verfolgung eines
bestimmten Zwecks erhält, sondern sie zur freien Verfügung verwenden
kann.
[60] So
Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 349; Erichsen, AllgVerwR,
§ 29 Rdnr. 26.
[61] Vgl. Schenke,
VerwProzR, Rdnrn. 353, 592.
[62] Baumeister,
NVwZ 1997, 19, 24.
[63]
Sachs/Wermeckes, NVwZ 1996, 1185, 1187.