1.
Rechtmäßigkeit/Rechtswidrigkeit eines
Verwaltungsakts
Der Verwaltungsakt ist fehlerhaft (d.h. rechtswidrig),
wenn er den
Anforderungen nicht entspricht, die die Rechtsordnung an
ihn stellt. Der
Verwaltungsakt entspricht nicht den rechtlichen
Anforderungen, wenn er erlassen
wurde, obwohl die Behörde im konkreten Fall nicht
zum Erlaß eines
Verwaltungsaktes befugt war (ihr fehlte die Befugnis zum
Erlaß eines
Verwaltungsakts, die sog. Verwaltungsaktbefugnis). Des
weiteren kann der
Verwaltungsakt in formeller und materieller Hinsicht mit
der Rechtsordnung
kollidieren. Stellt sich nach der Prüfung des zu
untersuchenden
Verwaltungsaktes dessen Fehlerhaftigkeit heraus, so sind
die differenzierten
Rechtsfolgen (
Fehlerfolgen) zu behandeln, die
sich im Zusammenhang mit
der Fehlerhaftigkeit ergeben. Zwar besitzt das formelle
Recht in der deutschen
Rechtsordnung nicht die Relevanz wie beispielsweise im
US-amerikanischen Recht,
wo ein ordnungsgemäßes Verfahren („due
process“) die
sachliche Richtigkeit einer Entscheidung
indiziert.
[1] Aber auch
im deutschen Recht
führen
formelle Fehler zur Fehlerhaftigkeit
und zur Regelfolge der
Rechtswidrigkeit (nicht notwendigerweise der
Nichtigkeit). Dies ist nicht
nur vor dem Hintergrund des Art. 20 III GG
selbstverständlich, sondern
ergibt sich auch aus § 59 II Nr. 2 VwVfG, wonach
ein verwaltungsrechtlicher
Vertrag, der statt des Erlasses eines Verwaltungsaktes
geschlossen wird
(subordinationsrechtlicher Vertrag, vgl. § 54 S. 2
VwVfG)
nichtig
ist, wenn ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt
„nicht nur wegen
eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des §
46 VwVfG rechtswidrig
wäre“.
Weiteren Aufschluß über die Fehlerfolge
ergibt die systematische
Zusammenschau mit § 113 I S. 1 VwGO, der –
wie seinem Wortlaut zu
entnehmen ist – den Aufhebungsanspruch an die
Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsaktes knüpft. Dieser Aufhebungsanspruch
wird aber durch §
46 VwVfG bei solchen Verwaltungsakten ausgeschlossen,
die lediglich an –
nicht bereits gemäß § 45 VwVfG geheilten
– Verfahrens- und
Formfehlern bzw. an Mängeln der örtlichen
Zuständigkeit
leiden.
[2]
Systematisch kann § 46 VwVfG zwar
keine unmittelbare
Einschränkung des § 113 I S. 1 VwGO bewirken,
weil das
Verwaltungsverfahrensrecht nicht das
Verwaltungsprozeßrecht bestimmen
kann. Dies ändert aber nichts daran, daß das
Gericht bei
Anwendbarkeit des § 46 VwVfG einen
Aufhebungsanspruch zu verneinen hat.
Daraus folgt, daß fehlerhafte Verwaltungsakte im
Anwendungsbereich des
§ 46 VwVfG rechtswidrig bleiben, nur die
Fehlerfolge modifiziert ist.
Zusammenfassend läßt
sich sagen, daß
ein Verwaltungsakt fehlerhaft ist, wenn er mit der
Rechtsordnung kollidiert. Die
Fehlerhaftigkeit führt – wie sich aus
§§ 44, 43 III VwVfG
ergibt – in der Regel aber nicht zur Nichtigkeit,
sondern nur zur
Rechtswidrigkeit, die sich durch die Möglichkeit
der Anfechtbarkeit und
Aufhebbarkeit kennzeichnet. Der fehlerhafte
Verwaltungsakt ist also wirksam,
wenn er nicht nichtig ist. Die Nichtigkeit ergibt sich
aus § 44
VwVfG.[3] Ob ein (formell)
fehlerhafter Verwaltungsakt zur Rechtswidrigkeit
führt, hängt davon
ab, ob Heilungsvorschriften wie beispielsweise § 45
VwVfG greifen. Ist ein
Verwaltungsakt geheilt, entfällt dessen
Rechtswidrigkeit. Kommt eine
Heilung nicht in Betracht, so ist die
Unbeachtlichkeitsregel des § 46 VwVfG
zu beachten. Danach bleibt es zwar bei der (formellen)
Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsaktes, jedoch ist diese unbeachtlich; es
entfällt der
gerichtliche Aufhebungsanspruch gemäß §
113 I S. 1 VwGO. Eine
materielle Rechtswidrigkeit ist dagegen nicht der
Heilung oder der
Unbeachtlichkeit zugänglich. Der Aufhebungsanspruch
gem. § 113 I S. 1
VwGO besteht allerdings grundsätzlich nur dann,
wenn der rechtswidrige
Verwaltungsakt den Kläger auch in seinen
Rechten verletzt.
Es läßt sich folgendes feststellen:
- Zulässig ist
der Verwaltungsakt, wenn
die Behörde befugt war, sich der Handlungsform
Verwaltungsakt zu
bedienen (siehe unten, a.)
- Formell fehlerhaft
ist der Verwaltungsakt,
wenn er nicht von der örtlich, sachlich und
instanziell zuständigen
Behörde erlassen wurde sowie Verfahrens- und
Formvorschriften
mißachtet wurden bzw. Verstöße
hiergegen nicht der Heilung
zugänglich (§ 45 VwVfG) oder nicht
unbeachtlich (§ 46 VwVfG)
waren (siehe unten, b.).
- Materiell
fehlerhaft ist der
Verwaltungsakt, wenn er mit der Rechtsgrundlage, die die
Behörde zu seinem
Erlaß ermächtigt, nicht vereinbar ist. Das
ist der Fall, wenn die
Voraussetzungen der Rechtsgrundlage nicht vorliegen oder
das Ermessen nicht
fehlerfrei ausgeübt wurde (siehe unten,
c.).
- Ist der Verwaltungsakt
fehlerhaft, so ist er
i.d.R. nicht nichtig, d.h. unwirksam, sondern lediglich
anfechtbar und
aufhebbar. Das eröffnet den
Anwendungsbereich der
Anfechtungsklage.
Um die nachfolgenden Ausführungen räumlich und
strukturell besser
einordnen zu können, sei zunächst ein
Überblick über den
möglichen Aufbau der
Begründetheitsprüfung der Anfechtungsklage
vorgestellt:
Aufbauschema der
Begründetheitsprüfung einer
Anfechtungsklage
- Rechtsgrundlage
für den Erlaß eines
Verwaltungsaktes
- Formelle
Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsaktes
-
Zuständigkeit der handelnden
Behörde
-
Ordnungsgemäßes Verfahren
-
Einhaltung der
Formvorschriften
- Materielle
Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsaktes
- Rechtmäßigkeit
der Rechtsgrundlage
- Vereinbarkeit des
Gesetzes mit Europäischem
Gemeinschaftsrecht
- Vereinbarkeit des
Gesetzes mit nationalem Verfassungsrecht
- Vereinbarkeit mit
Grundrechten
- Einhaltung der
Bestimmtheitstrias des Art. 80 I S. 2 GG bei
Zwischenschaltung von
Rechtsverordnungen
- Vereinbarkeit des
Verwaltungsaktes mit der Rechtsgrundlage
- Unbestimmte
Rechtsbegriffe
- Beurteilungsspielräume
- Planerische
Abwägungsentscheidungen
- Ermessen
- Kein Verstoß gegen
sonstiges Recht
- Maßgeblicher
Zeitpunkt
- Noch nicht vollzogener
Verwaltungsakt
- Dauerverwaltungsakte
- Nachschieben von
Gründen
- Rechtsverletzung beim
Kläger
|
a. Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsakts
aa. Im Grundsatz gilt, daß die
Ermächtigung der
Behörde zum hoheitlichen Tätigwerden die
Befugnis zum Handeln durch
Verwaltungsakt impliziert. Eine spezifische
Ermächtigungsnorm ist also
nicht erforderlich. Dem steht auch nicht der Grundsatz
vom Vorbehalt des
Gesetzes (Art. 20 III GG) entgegen, da dieser sich nur
auf den Inhalt der
Maßnahme, nicht auf die Handlungsform bezieht.
Klausurhinweis: Da die
Ermächtigung der
Behörde, sich der Handlungsform Verwaltungsakt zu
bedienen, sich aus der
Befugnis zum hoheitlichen Handeln ableitet, ist es in
der Fallbearbeitung
entbehrlich zu prüfen, ob die Behörde im
konkreten Fall durch
Verwaltungsakt tätig werden durfte.
bb. Eine Ausnahme von der generellen
Verwaltungsaktbefugnis ist
aber dort zu machen, wo sich die Behörde auf die
gleiche Stufe mit dem
Bürger stellt. So kann die Behörde, wenn sie
mit dem Bürger einen
verwaltungsrechtlichen Vertrag (vgl. §§
54 ff. VwVfG)
schließt und sich somit auf eine Stufe der
Gleichordnung begibt,
Leistungsansprüche aus dem Vertrag
konsequenterweise nicht durch
Verwaltungsakt geltend machen und notfalls mit Hilfe der
Verwaltungsvollstreckung durchsetzen. Sie muß wie
der Bürger vor dem
Verwaltungsgericht Leistungsklage erheben und einen
gerichtlichen
Vollstreckungstitel erwirken.
Beispiel: Die Gemeinde G
schließt mit dem
Bauherrn B einen Vertrag, in dem sich B im Hinblick
darauf, daß G durch
eine entsprechende Bauleitplanung die
Zulässigkeitsvoraussetzungen für
sein Bauwerk schafft, zur Zahlung eines Geldbetrages
verpflichtet. Bei dieser
Zahlung handelt es sich um eine Beteiligung an den
gemeindlichen Kosten für
die aufgrund seines Bauwerkes erforderlich werdende
Neuerrichtung bzw.
Erweiterung öffentlicher Einrichtungen
(Kindergärten, Schulen,
Sportanlagen etc.). Es handelt sich um einen sog.
städtebaulichen
Folgekostenvertrag, § 11 I S. 2 Nr. 3
BauGB.[4] Weigert sich B,
den Geldbetrag zu bezahlen, kann G keinen
Leistungsbescheid erlassen. Sie hat
aufgrund des verwaltungsrechtlichen Vertrags die
Verwaltungsaktbefugnis
verloren. Erhebt sie gleichwohl einen Leistungsbescheid,
so ist dieser nichtig.
Zur Durchsetzung des Anspruchs verbleibt ihr nur die
Möglichkeit,
Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben.
Umgekehrt kann B bei
Weigerung der G, die Zulässigkeitsvoraussetzungen
für sein Bauwerk zu
schaffen, Verpflichtungsklage erheben, weil die
Verpflichtung der G aus dem
Vertrag darin bestand, einen Verwaltungsakt zu erlassen.
Anspruchsgrundlage
wäre dann die Verpflichtung aus dem
Vertrag.
cc. Fraglich ist, ob sich die Behörde der
Handlungsform
Verwaltungsakt bedienen darf, wenn sie zu Unrecht
erbrachte Leistungen
zurückfordern will.
Beispiele: (1) Unternehmer
U hat unter
Verstoß gegen geltendes EG-Recht (Nichtbeachtung
der
Notifikationspflicht[5]
gem. Art. 88 III EG) vom Bundesland S einen
Subventionsbetrag i.H.v. DM
20.000.000,- erhalten. Die Kommission fordert S nunmehr
auf, den geleisteten
Betrag von U zurückzufordern. S nimmt den
Subventionsbescheid zurück
(vgl. § 48 VwVfG). Darüber hinaus
erläßt sie einen
Rückforderungsbescheid bezüglich der gezahlten
Summe.[6] (2) Ein
beamteter Lehrer erhält eine monatlich zu zahlende
Fachleiterzulage, die
durch einen rechtmäßig ergangenen
Verwaltungsakt festgesetzt wurde.
Nach der Beendigung der entsprechenden Tätigkeit
wird der Zulagenbescheid
wegen Unkenntnis der Behörde zunächst nicht
aufgehoben und die Zulage
weiterhin ausbezahlt. Als die Behörde von der
Beendigung der Tätigkeit
Kenntnis erlangt, erläßt sie einen
Rückforderungsbescheid.
Die
Rechtsprechung bejaht die Möglichkeit
der
Rückforderung durch Verwaltungsakt. Anders als bei
einem Verhältnis
der Gleichordnung, wie es z.B. bei einem
Subventionsvertrag der Fall wäre,
liege bei einer Subvention, die durch Verwaltungsakt
gewährt wird, ein
Verhältnis der Über- und Unterordnung vor.
Daher sei die Verwaltung
befugt, ihre Ansprüche durch Verwaltungsakt
festzusetzen.
[7] Nichts
anderes gelte bei zuviel
geleisteten Dienstbezügen, da das
Beamtenrechtsverhältnis auch sonst
durch Verwaltungsakt geregelt sei.
[8]
Die frühere
h.L. lehnte die
Verwaltungsaktbefugnis unter
Hinweis auf den Gesetzesvorbehalt ab. Die Verwaltung
müsse eine
Zahlungsaufforderung an den Betroffenen richten, und
falls dieser nicht
reagiere, Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht
erheben.
[9] Die h.L.
unterschied also formell
zwischen dem Rücknahmebescheid des
ursprünglichen
Bewilligungsbescheides und der Rückforderung der
zuviel oder rechtswidrig
erbrachten Leistung. Sie übersah aber, daß
die Rücknahme nur der
Rückforderung dient. Anderenfalls würde der
Rücknahmebescheid
keinen Sinn machen. Richtigerweise sind die
Rücknahme der Bewilligung und
die Rückforderung der erbrachten Leistung als
materielle Einheit zu
betrachten. Nicht ohne Grund werden beide in der Praxis
regelmäßig
miteinander verbunden oder es wird überhaupt nur
ein
Rückforderungsbescheid erlassen, der dann
konkludent die gleichzeitige
Rücknahme der Bewilligung enthält (s.o.).
Dieser Streit ist durch die
Einführung des § 49 a I S. 2 VwVfG obsolet
geworden. Nach dieser
Vorschrift sind zu erstattende Leistungen durch
schriftlichen Verwaltungsakt
festzusetzen. Es besteht ein Verwaltungsaktvorbehalt:
Die Verwaltung muß
die Handlungsform Verwaltungsakt verwenden. Zugleich
besteht in § 49 a
VwVfG eine Rechtsgrundlage für die
Rückforderung. Eines
Rückgriffs auf den ungeschriebenen allgemeinen
öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch bedarf es nun nicht
mehr.
[10]
In den obigen Beispielen muß
die Behörde
nach § 49 a i.V.m. § 48 I, II, IV bzw. 49
VwVfG vorgehen. Da diese
spezialgesetzliche Norm - wie auch die übrigen -
auf die Vorschriften des
BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung verweist, und
diese Verweisung aufgrund der in den §§ 48 f.
VwVfG bereits
beschriebenen Voraussetzungen einer Erstattung eine
Rechtsfolgenverweisung
darstellt[11],
müssen die Voraussetzungen der §§ 812 ff.
nicht geprüft
werden. Es kann sofort auf die in § 818 BGB
normierte Rechtsfolge
abgestellt werden.
b. Die formelle Rechtmäßigkeit
Der Verwaltungsakt ist formell fehlerhaft, wenn er nicht
von der
örtlich, sachlich und instanziell zuständigen
Behörde erlassen
wurde sowie Verfahrens- und Formvorschriften
mißachtet wurden bzw.
Verstöße hiergegen nicht der Heilung
zugänglich waren (§ 45
VwVfG).
Klausurhinweis: Die formelle
Rechtmäßigkeit ist nur zu prüfen, wenn
der Sachverhalt
Anlaß dazu bietet. Ansonsten gilt es lediglich
festzustellen, daß
der Sachverhalt in formeller Hinsicht keine
Anhaltspunkte für eine
Rechtmäßigkeitsprüfung bietet. So darf
z.B. nicht angenommen
werden, ein Verfahrensfehler sei passiert, nur weil der
Sachverhalt die Vornahme
der gebotenen Handlung nicht erwähnt. Dieser
Grundsatz gilt insbesondere
für das examensrelevante allgemeine Polizei- und
Ordnungsrecht (vgl.
Schmidt/Seidel, BesVerwR, S. 194 ff.). Dort wird die
sachliche
Zuständigkeit im Rahmen der Eröffnung des
Aufgabenbereichs
(Allzuständigkeit der Polizei) geprüft. Die
örtliche
Zuständigkeit ist deshalb unerheblich, weil die
Vollzugsbeamten der
Polizei im gesamten Gebiet des jeweiligen Bundeslandes
befugt sind (über
das Gebiet hinaus nur aufgrund eines entsprechenden
Staatsvertrages). Auch
Verfahren und Form bereiten keine
Schwierigkeiten: Die
Anhörung des Betroffenen ist wegen
regelmäßig
vorliegender Gefahr im Verzug entbehrlich (vgl. §
13 I Nr. 2 i.V.m. §
28 II Nr. 1 VwVfG). Polizeiliche Verwaltungsakte
können mündlich oder
in anderer Weise erlassen werden (vgl. § 37 II S. 1
VwVfG) und
bedürfen keiner Begründung (vgl. §
39 I S. 1 VwVfG). Ist
in diesem Zusammenhang die Rechtsbehelfsbelehrung
unterblieben oder fehlerhaft,
so hat dies nur die Verlängerung der
Rechtsbehelfsfristen auf ein Jahr zur
Folge (§ 58 II VwGO).
Aus diesen Überlegungen folgt,
daß
Ausführungen zur formellen
Rechtmäßigkeit in einer
Polizeirechtsklausur (aber auch nur dort!) meist
fehl am Platz sind und
daher unterbleiben sollten. Vielmehr genügt meist
die Feststellung,
daß die Polizei im institutionellen Sinn gehandelt
hat (vgl. z.B.
§§ 1, 2 BremPolG).
Außerhalb des Polizei- und
Ordnungsrechts liegt das
Erfordernis, die Zuständigkeit der
handelnden Behörde und die
ordnungsgemäße Einhaltung von
Verfahrens- und
Formvorschriften (kurz: ZVF) zu prüfen,
unter der oben genannten
Voraussetzung näher:
aa. Zuständigkeit
Zu prüfen ist die sachliche, örtliche und
instanzielle
Zuständigkeit der handelnden Behörde.
Klausurrelevant ist oft nur die
sachliche Zuständigkeit, da die
örtliche und instanzielle
Zuständigkeit eine Angelegenheit der (in einer
Klausur
regelmäßig nicht bekannten)
Verwaltungsorganisation ist.
Ausgangspunkt ist, daß die
Durchführung der (Bundes-)Gesetze,
d.h. die Regelung der Verwaltung, grundsätzlich
eine Angelegenheit der
Länder ist (vgl. Art. 83 ff. GG). Dann ist es auch
Aufgabe der Länder,
die Behördeneinrichtung zu regeln (vgl. bereits S.
3 ff.). Soweit
erforderlich, muß die entsprechende Zuweisungsnorm
in den
Ausführungsgesetzen zu den Bundesgesetzen gefunden
werden. Die
Landesgesetze enthalten i.d.R. selbst
Bestimmungen über die
Behördenzuständigkeit.
Beispiel: Die §§ 65-82
BremPolG bestimmen
die Polizeibehörden und deren Zuständigkeiten
im Rahmen von
Gefahrenabwehrmaßnahmen.
a.) Örtliche Zuständigkeit
Sofern spezialgesetzliche Regelungen fehlen, bestimmen
die VwVfGe der
Länder (bzw. § 3 VwVfG des Bundes) die
örtliche
Zuständigkeit. Ein Verstoß gegen § 3 I
Nr. 1 VwVfG führt
nach § 44 II Nr. 3 VwVfG immer zur Nichtigkeit.
§§ 45, 46 VwVfG
sind nicht anwendbar.
b.) Sachliche/funktionell-instanzielle
Zuständigkeit
Welche Behörde sachlich (z.B.
Gewerbeordnungsbehörde oder IHK)
oder funktionell-instanziell (z.B. Gewerbebehörde,
Gewerbeaufsichtsbehörde, Handwerkskammer oder
Handwerksinnung, untere oder
mittlere Verwaltungsbehörde) zuständig ist,
entscheidet sich nach den
Vorschriften des der Rechtsgrundlage zugrundeliegenden
Normengefüges.
Beispiel: Nach § 63 I S. 1
AuslG sind die
Ausländerbehörden sachlich zuständig. Wer
Ausländerbehörde ist, bestimmt sich nach den
Ausführungsgesetzen
zum AuslG. So sind gemäß Art. 1 BayAuslAusfG,
§ 1 I AVAuslG
Ausländerbehörde die
Kreisverwaltungsbehörden.
Klausurhinweis: An dieser Stelle
wird noch einmal
deutlich, wie sinnvoll es ist, bei der
Begründetheit der Klage / des
Widerspruchs zunächst die Rechtsgrundlage für
den Erlaß des zu
untersuchenden Verwaltungsaktes zu benennen, da sich die
Zuständigkeit der
Behörde nicht selten aus der Rechtsgrundlage
ergibt. Im Rahmen der
Prüfung der sachlich/funktionell-instanziellen
Zuständigkeit ist dann
zunächst die Verbandskompetenz zu
klären, also die Frage zu
beantworten, welchem Verband (Bund, Land, Gemeinde) die
Verwaltungsaufgabe
zugewiesen ist. Ausgangspunkt ist die bereits
erwähnte Regelung der Art. 83
ff. GG, wonach grundsätzlich die Länder
die (Bundes-)Gesetze
(als eigene Angelegenheiten) ausführen. In den
Bundesgesetzen ist daher
regelmäßig nur die Funktionsbezeichnung der
zuständigen
Behörde enthalten. Die Länder regeln dann die
Einrichtungen der
Behörden (Art. 84 I GG). Sie bestimmen, welche
Behörde im
Verwaltungsaufbau tatsächlich zuständig
ist.
Ist die Verbandskompetenz geklärt,
muß die
Organkompetenz untersucht, d.h. festgestellt
werden, welcher Behörde
des Verbandes die Aufgabe zugewiesen ist. (vgl. z.B.
§ 16 Bremisches
Ausführungsgesetz zum Gesetz über die
Vermeidung und Entsorgung von
Abfällen, wonach der Senator für Umweltschutz
und Stadtentwicklung
sachlich zuständig ist).
Verstöße gegen die
sachliche/funktionell-instanzielle
Zuständigkeit führen grundsätzlich zur
(formellen)
Rechtswidrigkeit. Auch hier ist § 45 VwVfG nicht
anwendbar. Eine
Unbeachtlichkeit nach § 46 VwVfG kann nicht
erfolgen, da dessen Wortlaut
sich ausdrücklich
nicht auf
„sachlich“ bezieht. Ob im
Einzelfall sogar eine Nichtigkeit nach § 44 VwVfG
vorliegt, ist im Rahmen
der Auslegung dieser Vorschrift zu ermitteln.
aa.) Sonderproblem reformatio in peius
Unter einer
reformatio in peius
(Verböserung) versteht man das
Abändern der Entscheidung der Erstbehörde
zuungunsten des
Widerspruchsführers durch die
Widerspruchsbehörde. Problematisch ist
nicht nur die
Zulässigkeit einer
reformatio in peius im
Widerspruchsverfahren, sondern, daß selbst wenn
man von deren
Zulässigkeit ausgeht, sich die Frage nach der
instanziellen
Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde stellt.
Da die Problematik der
reformatio in peius die gesamte
Klausurprüfung durchzieht, ist eine
sinnvolle klausuraufbauorientierte Darstellung nur im
inhaltlichen Kontext
gewährleistet. Daher sei auf die Ausführungen
bei Schmidt/Seidel,
VerwProzR, S. 158 ff. verwiesen.
bb.) Beispiele von zuständigen
Widerspruchsbehörden
Im Normalfall ist Gegenstand der Anfechtungsklage der
ursprüngliche
Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den
Widerspruchsbescheid gefunden
hat, § 79 I Nr. 1 VwGO. Hier muß die
Zuständigkeit derjenigen
Behörde untersucht werden, die den
ursprünglichen Verwaltungsakt
erlassen hat (Ausgangsbehörde, s.o.). Gegenstand
der Anfechtungsklage kann
aber auch ausschließlich der Widerspruchsbescheid
sein, wenn und soweit
dieser eine erstmalige Beschwer enthält (§ 79
I Nr. 2 VwGO) oder wenn
er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt
eine zusätzliche
selbständige Beschwer enthält (§ 79 II S.
1 VwGO). Hier muß
die Zuständigkeit derjenigen Behörde
untersucht werden, die den
Widerspruchsbescheid erlassen hat
(Widerspruchsbehörde). Die
Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde ergibt
sich aus § 73 I VwGO
i.V.m. den für den Behördenaufbau sonst
maßgeblichen
organisationsrechtlichen Vorschriften des Bundes- bzw.
Landesrechts. Im Zweifel
ist es die im hierarchischen Behördenaufbau
übergeordnete
Behörde.
[12]
- Wurde der
ursprüngliche Verwaltungsakt von einem Kollegium
(Gemeinderat, Lehrerrat
etc.) erlassen, so muß dieses, auch wenn für
den Widerspruchsbescheid
dieselbe Behörde zuständig ist, und sich aus
dem Gesetz nichts anderes
ergibt, grundsätzlich auch über den
Widerspruch entscheiden, nicht
etwa der Bürgermeister oder der Vorstand der Schule
(es sei denn, das
Kollegium war für den Erlaß des
ursprünglichen Verwaltungsaktes
nicht zuständig).
- In
Prüfungsentscheidungen muß hinsichtlich der
Leistungsbewertung wegen
des hier bestehenden Beurteilungsspielraumes wiederum
der
Prüfungsausschuß entscheiden, auch wenn kraft
Gesetzes der
Erlaß des Widerspruchsbescheides dem
Präsidenten
obliegt.
- Wurde der Verwaltungsakt
von einem Beliehenen erlassen, so ist dieser, wenn das
Gesetz nichts anderes
bestimmt, auch für den Widerspruchsbescheid
zuständig (str.). So ist
beispielsweise bei der Versagung der TÜV-Plakette
nach § 29 StVZO
durch den TÜV-Sachverständigen dieser selbst
für die Entscheidung
über den Widerspruch zuständig. Nach der
Gegenauffassung wäre
dies der Leiter der technischen Prüfstelle, welcher
der
Sachverständige angehört.
- War die Behörde, die
den mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsakt
erlassen hat (=
Ausgangsbehörde), nicht zuständig, so
ist - da eine inkorrekte
Verwaltungsentscheidung vorliegt - für die
Entscheidung über den
Widerspruch außer der formell übergeordneten
Behörde auch die
Behörde zuständig, die zuständig
wäre, wenn die richtige
Ausgangsbehörde entschieden hätte.
Während die nur
„formell“
zuständige Widerspruchsbehörde nur den
fehlerhaften Verwaltungsakt
aufheben kann, weil ihr eine weitergehende
Zuständigkeit in der Sache
fehlt, kann letztere auch zur Sache entscheiden, z.B.
den angegriffenen
Verwaltungsakt abändern usw. War der Widerspruch
jedoch an die erstere
Behörde gerichtet, so kann diese die Sache an die
letztere weiterleiten,
muß dies jedoch nicht, sondern kann auch den
fehlerhaften Verwaltungsakt
aufheben. Eine Unbeachtlichkeit, wie es § 46 VwVfG
vorsieht, ist jedenfalls
ausgeschlossen.
Klausurhinweis: Falls im
Sachverhalt nicht von
„zuständiger Behörde“ gesprochen
wird, sondern die
handelnde Widerspruchsbehörde benannt ist, ist
wegen möglicherweise
enthaltener Fehler eine Prüfung ihrer
Zuständigkeit
angezeigt.
bb. Verfahren
Die Verfahrensregeln des Allgemeinen
Verwaltungsverfahrens enthalten die
§§ 9 - 30 VwVfG sowie spezialgesetzliche
Regelungen. Verfahrens- und
Mitwirkungsvorschriften stellen beispielsweise dar:
- Beteiligung von
Beteiligten und Drittbetroffenen (§§ 13 ff.
VwVfG, § 10
BImSchG)
- Beteiligung der
Öffentlichkeit (§ 10 BImSchG)
- Öffentliche
Ausschreibung (§ 10 III GüKG, Art. 15
IVU-Richtlinie)
- Anhörung der
Beteiligten (§ 28 VwVfG, § 14
PBefG)
- Keine Befangenheit des
handelnden Amtswalters (§ 21 VwVfG)
- Mitwirkung anderer
Behörden (§ 35 IV, § 14 PBefG, § 102
b IV
GüKG)
- Mitwirkung von EG-Stellen
(Art. 87 ff. EG, § 16 III GenTG)
- Umweltverträglichkeitsprüfung
(nach dem UVPG und der IVU-Richtlinie)
- Abmahnung vor Untersagung
(§ 25 I S. 2 PBefG) oder Androhung vor Widerruf
(§ 12 II Nr. 3
WHG)
Von Klausurrelevanz ist vor allem
§ 28 VwVfG
(Anhörung
Beteiligter, § 13 VwVfG).
a.) Grundsatz der Anhörung des Betroffenen, §
28 I VwVfG
Nach § 28 I VwVfG erfordert jedes
Verwaltungsverfahren eine
Anhörung u.a. des Betroffenen. Sinn der
Anhörung ist die
Parteiöffentlichkeit des Verfahrens und das
Vertrauensverhältnis
zwischen Bürger und Behörde. Darüber
hinaus ist die Anhörung
eine Folge des Rechtsstaatsprinzips und der
Menschenwürde, die es
verbietet, den Menschen zu einem Objekt staatlichen
Handelns zu machen. Sie ist
aber auch ein wichtiges Mittel zur Aufklärung des
Sachverhalts gem. §
24 VwVfG. Dies gilt insbesondere für
Ermessensentscheidungen, da eine
ordnungsgemäße Ermessensausübung die
Kenntnis aller relevanten
Umstände erfordert. Eine nicht oder nicht
ordnungsgemäß
durchgeführte, nach § 28 I VwVfG aber
erforderliche Anhörung
führt somit nicht nur zur formellen
Rechtswidrigkeit, sondern kann auch
wegen eines Ermessensfehlers zur materiellen
Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsaktes führen.
Aber nicht nur in einer Anfechtungssituation, sondern
auch bei der
Versagung einer Begünstigung
(Verpflichtungssituation) kann nach dem
herrschenden Schrifttum eine Anhörung notwendig
sein, wenn diese Versagung
einer Belastung gleichkommt, also wie ein
„eingreifender“
Verwaltungsakt (§ 28 I VwVfG) wirkt. Dem hält
die Rechtsprechung
entgegen, daß der Antragsteller bereits vor der
Versagung, und zwar durch
die Antragstellung, Gelegenheit hatte, sich zur Sachlage
zu äußern.
Damit sei der
ratio legis des § 28 VwVfG
Genüge
getan.
[13]
Stellungnahme: Nach der hier
vertretenen Auffassung
ist die Rechtsprechung dem methodischen Einwand
ausgesetzt, daß der
Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung nicht alle
erdenklichen
(späteren) Entscheidungsgründe der
Behörde in Betracht ziehen,
sein Antrag sich also nicht entsprechend auf alle
Entscheidungsgründe
beziehen kann. Daher muß ihm für den Fall,
daß sich die
Begründung der Behörde auf andere Tatsachen
stützt als er in
seinem ursprünglichen Antrag hervorgebracht hat,
die Gelegenheit
eingeräumt werden, eine entsprechende Stellungnahme
in Form einer
Anhörung abgeben zu können.
b.) Entfallen oder Unterbleiben der Anhörung nach
§ 28 II, III
VwVfG
Unter den Voraussetzungen des § 28 II und III VwVfG
ist eine
Anhörung entbehrlich bzw. es ist von ihr abzusehen.
Bei der Prüfung
der Ausnahmetatbestände des § 28 II Nr. 2 - 5
VwVfG sind enge
Maßstäbe anzulegen, da der Anspruch auf
rechtliches Gehör zu den
Grundsätzen eines Rechtsstaates zählt (s.o.).
Sollte die Verwaltung
von § 28 II VwVfG keinen Gebrauch machen, so liegt
ein Fall des
Ermessensnichtgebrauchs vor. Der Verwaltungsakt ist
schon aus diesem Grunde
fehlerhaft. Typischer Klausurfall ist die
Entbehrlichkeit einer Anhörung
nach § 28 II Nr. 1 VwVfG bei Gefahr im Verzug oder
Nr. 4 i.V.m. § 35
S. 2 Alt. 3 VwVfG bei Verkehrszeichen.
Klausurhinweis: Ist die
Anhörung eines
Beteiligten (§ 13 VwVfG) unterblieben, ist in einer
Klausur zunächst
zu prüfen, ob die Anhörung nicht nach §
28 II VwVfG entfallen
konnte, bzw. nach § 28 III VwVfG zu unterbleiben
hatte. Erst wenn deren
Voraussetzungen nicht vorliegen, kommt eine Prüfung
der Heilungsvorschrift
des § 45 I Nr. 3 VwVfG und der
Unbeachtlichkeitsregel des § 46 VwVfG
in Betracht, da nur das Fehlen einer
„erforderlichen“ Anhörung
zu einem Verfahrensfehler führt.
c.) Heilung der unterbliebenen Anhörung
gemäß § 45 I Nr. 3
VwVfG
aa.) Die Fehlerfolge des unter Verletzung von
zwingenden
Verfahrensvorschriften zustande gekommenen
Verwaltungsaktes ist stets die
formelle
Rechtswidrigkeit.
[14] Das kann
auch aus § 59 II S. 2 VwVfG geschlossen werden:
„...ein
Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen
eines Verfahrens- oder
Formfehlers ... rechtswidrig wäre“. Zu
beachten ist aber die Regelung
des § 45 VwVfG, wonach
bestimmte formelle
Fehler des
Verwaltungsaktes durch Nachholung der versäumten
Handlung geheilt werden
können. Ist die gem. § 28 I VwVfG
erforderliche
Anhörung
unterblieben und kein Grund ersichtlich, daß sie
gem. § 28 II, III
VwVfG entbehrlich war bzw. zu unterbleiben hatte, kann
der Fehler nach § 45
I Nr. 3 VwVfG dadurch geheilt werden, daß die
Anhörung während
des
Vorverfahrens oder sogar noch während
des
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 45 II
VwVfG, siehe sogleich)
erfolgt. Der Grund hierfür besteht darin, daß
durch die
Begründung des Ausgangsverwaltungsaktes dem
Betroffenen die
maßgeblichen Tatsachen bekannt sind und ihm durch
die
Rechtsbehelfsbelehrung eine
Äußerungsmöglichkeit gegeben
wurde.
Allerdings tritt die Heilung im Falle des
Widerspruchsverfahrens nicht mit
der bloßen Einlegung des Widerspruchs ein, da
dieser nicht begründet
werden muß, sondern erst dann, wenn der
Sinn
der Anhörung,
nämlich eine Entscheidung unter
Berücksichtigung der
Äußerung der Beteiligten, noch
in vollem
Maße erreicht
werden kann. Das ist dann der Fall, wenn die nachgeholte
Anhörung zu der
unterlassenen qualitativ gleichwertig ist.
So ist die nachträgliche
Anhörung zu der
unterlassenen qualitativ nicht gleichwertig, wenn der
Verwaltungsakt schon
vollzogen ist. Hier kann der Zweck der
Anhörung nicht mehr
erfüllt werden. Im Verlauf einer
Fortsetzungsfeststellungsklage kann ein
Verfahrensfehler also nicht mehr geheilt werden. Des
weiteren ist die
nachträgliche Anhörung nicht gleichwertig,
wenn das Gesetz sie
zwingend vor Erlaß des
Verwaltungsakts vorschreibt und bei
Nachholung der Schutzzweck der Verfahrensnorm
unterlaufen würde. Gleiches
gilt bei Abwägungsentscheidungen, wenn die
gerechte Abwägung
die Einbringung von Belangen während des
Abwägungsvorgangs fordert,
oder wenn die Behörde einen
Beurteilungsspielraum hat. Hier liegen
der Verwaltungsentscheidung Umstände zugrunde, die
gerade zum Zeitpunkt der
Entscheidung vorliegen müssen und nachträglich
nicht reproduziert
werden können.[15]
In diesem Sinne muß auch § 75 I a VwVfG
ausgelegt werden. Nach dieser
Vorschrift führen Abwägungsfehler dann zur
Aufhebung des
Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung,
wenn „sie nicht
durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes
Verfahren behoben
werden können“. Behoben werden können
Abwägungsfehler aber
nur dann, wenn die Entscheidung noch nicht feststeht und
der nachgeholten
Verfahrenshandlung (Anhörung) noch ein Gewicht
zukommt. Zuletzt ist eine
heilend wirkende nachträgliche Anhörung nicht
möglich, wenn die
Entscheidungskompetenz der
Widerspruchsbehörde hinter derjenigen der
Ausgangsbehörde zurückbleibt (z.B. dann, wenn
die
Widerspruchsbehörde nur Rechtsaufsicht
gegenüber der
Ausgangsbehörde
hat).[16]
bb.) Die Heilungsvorschrift des § 45 I
VwVfG hat auch eine
zeitliche Dimension: Die Neufassung des § 45
II
VwVfG
[17] erlaubt es,
bestimmte
Verfahrenshandlungen - z.B. Anhörung eines
Beteiligten oder Mitwirkung
einer anderen Behörde - die unter Verletzung von
Verfahrens- oder
Formvorschriften unterblieben sind, noch
bis zum
Abschluß des
Verwaltungsgerichtsverfahrens mit heilender Wirkung
nachzuholen (s.o.).
Zuvor war dies nur bis zum Abschluß des
Verwaltungsverfahrens
möglich.
Auch nach der Neufassung des § 45
VwVfG kommt es darauf
an, den Verfahrensfehler so früh wie möglich
auszuräumen. Deshalb
ist die Heilung bereits im Widerspruchsverfahren
vorzunehmen. Da bis zum
Abschluß des Abhilfeverfahrens (§ 72 VwGO)
die Ausgangsbehörde
zuständig ist, ist zunächst diese daher
verpflichtet, den
Verfahrensfehler auszuräumen. Hilft die
Ausgangsbehörde dem
Widerspruch nicht ab, gibt den Vorgang somit an die
nächsthöhere
Behörde (Widerspruchsbehörde) ab, so muß
diese den
Verfahrensfehler ausräumen. Die Heilung durch die
Widerspruchsbehörde
kommt allerdings nur dann in Frage, wenn diese zur
vollen Überprüfung
der Recht- und Zweckmäßigkeit befugt ist. Ist
das nicht der Fall (wie
bei Selbstverwaltungsangelegenheiten der
Ausgangsbehörde, wo lediglich eine
Rechtsaufsicht besteht), kann eine Heilung zunächst
nur im Abhilfeverfahren
der Ausgangsbehörde erfolgen. Stellt die
Widerspruchsbehörde einen
Verfahrensfehler fest, so setzt sie die Entscheidung aus
und gibt sie den ganzen
Vorgang zurück an die Ausgangsbehörde. Wurde
der Verfahrensfehler
während des Widerspruchsverfahren geheilt, so
entfällt die (formelle)
Rechtswidrigkeit. Der Verwaltungsakt darf wegen dieses
geheilten Fehlers nicht
mehr aufgehoben werden.
Kommt es zum Verwaltungsgerichtsverfahren, so ist zu
beachten, daß
die Heilung keinesfalls durch das Verwaltungsgericht
erfolgt, sondern
durch die Behörde
während des
Gerichtsverfahrens. Eine
Heilung von Verwaltungsverfahrensfehlern durch das
Gericht wäre auch schon
mit dem Gewaltenteilungsprinzip nicht vereinbar.
Außerdem kommen in den
überwiegenden Fällen die
Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder
zur Anwendung. Der Bundesgesetzgeber (die VwGO ist ein
Bundesgesetz) ist nicht
befugt, Heilungsvorschriften über das
Landesverfahrensrecht zu erlassen.
Die Nachholung der Verfahrenshandlung während des
Gerichtsverfahrens soll
durch § 45 II VwGO daher lediglich „bis zum
Abschluß des
gerichtlichen Verfahrens“
[18]
ermöglicht werden. Selbstverständlich kommen
wie im
Verwaltungsverfahren nur Heilungsgründe des §
45 I VwVfG in Betracht.
Der dort enumerativ genannte Katalog ist
abschließend.
Auch bei der Heilung während des
Verwaltungsprozesses ist zu beachten,
daß nur die Behörde tätig werden kann,
die die volle
Entscheidungskompetenz über die betreffende Frage
des Streitgegenstands
hat. So kann bei Ermessensverwaltungsakten in
Selbsverwaltungsangelegenheiten
der Ausgangsbehörde nur diese – und nicht die
Widerspruchsbehörde – den betreffenden
Verfahrensfehler heilen, da
die Überprüfungsfunktion
Widerspruchsbehörde hinter der der
Ausgangsbehörde zurückbleibt, da sie hier nur
Rechtsaufsicht, keine
Fachaufsicht hat.
d.) Besorgnis der Befangenheit, § 21 VwVfG
Des weiteren ist ein Verwaltungsakt nur dann formell
rechtmäßig,
wenn dem handelnden Amtswalter nicht die Besorgnis der
Befangenheit trifft.
Besorgnis der Befangenheit verlangt einen
gegenständlichen,
vernünftigen Grund, der die Beteiligten von ihrem
Standpunkt aus
befürchten läßt, daß der
Amtswalter nicht unparteiisch
sachlich, also mit der gebotenen Distanz, Unbefangenheit
und Objektivität
entscheidet, sondern sich von persönlichen
Vorurteilen oder sonstigen
sachfremden Erwägungen leiten
läßt.
[19]
Beispiel: Wenn persönliche
Animositäten
zwischen dem Amtswalter und dem Bürger,
demgegenüber ein belastender
Verwaltungsakt erlassen werden soll, bestehen, liegt die
Besorgnis der
Befangenheit vor. Der Verwaltungsakt wäre formell
rechtswidrig. Eine
Heilung nach § 45 VwVfG käme nicht in
Betracht, da ein Verstoß
gegen § 21 VwVfG nicht vom Katalog des § 45
VwVfG umfaßt ist. Ob
der Fehler nach § 46 VwVfG unbeachtlich wäre,
hinge davon ab, ob in
der Sache keine andere Entscheidung hätte ergehen
können
(tatsächliche Alternativlosigkeit). Dies kann erst
nach entsprechender
Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit
des Verwaltungsaktes
beantwortet werden.
e.) Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach §
46 VwVfG
aa.) § 46 VwVfG betrifft den
Aufhebungsanspruch eines nicht
nach § 45 VwVfG geheilten oder heilbaren
Verfahrens- oder Formfehlers.
Danach bleibt trotz formeller Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsaktes die
Anfechtungsklage unbegründet (aber zulässig),
wenn der betreffende
Verfahrens- oder Formfehler die Entscheidung in der
Sache tatsächlich nicht
beeinflußt hat (
tatsächliche
Alternativlosigkeit). § 46
VwVfG dient damit der Prozeßökonomie:
Materiell
rechtmäßige Verwaltungsentscheidungen sollen
nicht wegen eines
unbeachtlichen formellen Fehlers aufgehoben werden. Denn
hier könnte die
Behörde unter Beachtung von Form, Verfahren und
örtlicher
Zuständigkeit sofort einen neuen Verwaltungsakt
gleichen Inhalts erlassen.
bb.) Die in § 46 VwVfG geforderte
„Offensichtlichkeit“ liegt vor, wenn die
fehlende Kausalität
klar erkennbar ist, gleichsam „ins Auge
springt“
[20].
Anders als in dem neuen
§ 75 I a VwVfG
[21]
bezieht sich die
Offensichtlichkeit in § 46 VwVfG nicht auf das
Vorliegen eines Mangels bei
dem Entscheidungsfindungsprozeß der Behörde,
sondern auf die
Kausalität des Fehlers für die
Sachentscheidung. Bei rechtlich
gebundenen Verwaltungsakten ist die
„Offensichtlichkeit“ der
Einflußlosigkeit des Fehlers daher
unproblematisch. Im Rahmen von
Ermessensentscheidungen bedarf es in der Regel einer
gesonderten Prüfung.
Tiefgründige und u.U. zeitintensive Forschungen, ob
ein Verfahrens- oder
Formfehler die Ermessensentscheidung der Behörde
beeinflußt hat,
kommen dabei zwar nicht in Betracht. Allerdings reicht
die bloße –
einer vernünftigen Betrachtung entgegenstehende
– Behauptung der
Behörde, sie hätte in jedem Falle wie
geschehen entschieden, nicht
aus, um die Aufhebung des Verwaltungsaktes abzuwenden.
Vielmehr muß das
Gericht – und damit der Klausurbearbeiter –
diese Frage prüfen.
Tatsächliche Alternativlosigkeit liegt nur dann
vor, wenn das Gericht zu
dem Ergebnis kommt, daß sich ein Fehler schon
„rechnerisch“
nicht auf das Ergebnis ausgewirkt haben kann. Die
Beweislast trägt auf
jeden Fall die Behörde
cc.) Konnte in der Sache keine andere
Entscheidung ergehen,
hängt der Erfolg der Klage maßgeblich von der
Anwendbarkeit
des § 46 VwVfG ab. Diese Vorschrift steht
gemäß § 1 VwVfG
unter dem Anwendungsvorbehalt „inhaltsgleicher
oder
entgegenstehender“ Bestimmungen in anderen
bundesrechtlichen
Rechtsvorschriften. So gehen dem § 46 VwVfG
Rechtsvorschriften vor, die
ausdrücklich (so z.B. § 17 FernStrG) oder nach
ihrer
ratio die
Fehlerfolgen abschließend regeln und in
diesem Sinne
weitere
Unerheblichkeitsgründe vorsehen oder umgekehrt
absolute
Aufhebungsgründe anerkennen.
§ 46 VwVfG
findet also keine
Anwendung, wenn eine spezialgesetzliche absolute
Verfahrensvorschrift greift.
Als Vorschriften, die nach ihrem
offensichtlichen Sinn und
Zweck die Anwendung des § 46 VwVfG
ausschließen, kommen etwa die
Vorschriften über die Mitwirkungsrechte anerkannter
Naturschutzverbände in naturschutzrelevanten
Planfeststellungsverfahren
(vgl. § 29 I S. 1 Nr. 4 BNatSchG) sowie die
Vorschriften über die
Öffentlichkeitsbeteiligung in
Planfeststellungsverfahren gemäß
§ 73 VwVfG (und entsprechenden Vorschriften) sowie
in ähnlich
ausgestalteten komplexen, durch Gesetz vorgeschriebenen
Verfahren (z.B. in
umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren nach
§§ 10, 19 BImSchG) in
Betracht.
Insbesondere ist die Anwendung von § 46 VwVfG bei
Vorschriften
ausgeschlossen, die – wie die §§ 13 II
S. 2, 67 f., 72 und 73
VwVfG und entsprechende Bestimmungen anderer Gesetze
– nach ihrem
offensichtlichen Sinn und Zweck für ein
rechtsstaatlich geordnetes
Verfahren wesentlich sind. Nicht anwendbar ist § 46
VwVfG auch bei
personenbezogenen Entscheidungen sowie bei komplexen
Abwägungs-,
Beurteilungs- und Ermessensentscheidungen (s.o.), weil
hier die
„Offensichtlichkeit“ des Ergebnisses gerade
nicht vorliegt. Im
Gegenteil muß widerlegbar davon ausgegangen
werden, daß ein Fehler
im Verfahren die Entscheidung beeinflußt hat.
Absolute Wirkung i.S. eines Ausschlusses von § 46
VwVfG haben wegen
des Erfordernisses effektiver, einheitlicher Wirkung des
EU-Rechts in allen
Mitgliedstaaten (
effet utile) auch die
Verfahrensvorschriften nach
EU-Recht (bspw. Art. 88 EGV) und die entsprechenden
deutschen Vorschriften,
soweit sie der
Umsetzung von EU-Recht,
insbesondere von Richtlinien,
dienen und insoweit an die Vorgaben des EU-Rechts
gebunden
sind.
[22]
dd.) Zusammenfassung: Nach dem bisher Gesagten
bleibt die
Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes durch die Regelung
des § 46 VwVfG
unberührt. Lediglich die Folgen des Verfahrens-
oder Formfehlers werden
modifiziert: Es entfällt der in § 113 I S. 1
VwGO formulierte
Aufhebungsanspruch. Die Klage ist in einem solchen Fall
unbegründet. Als
Form- und Verfahrensfehler, die nach § 46 VwVfG
unbeachtlich sein
können, kommen neben den in § 45 I VwVfG
genannten auch beispielsweise
folgende in Betracht:
- Fehlende örtliche
(nicht aber sachliche,
vgl. den Gegenschluß aus § 44 III Nr. 1
VwVfG) Zuständigkeit der
handelnden Behörde mit Ausnahme des
(klausurunbedeutenden) § 44 III
Nr. 1 i.V.m. § 44 II Nr. 3 i.V.m. § 3 I Nr. 1
VwVfG.
- Unterbliebene (aber
erforderliche) Mitwirkung
Dritter, § 13 VwVfG.
- Fehlende (aber
erforderliche) Anhörung eines
Beteiligten.
- Vorliegen der Besorgnis
der Befangenheit des
handelnden Amtswalters, § 21 VwVfG.
Klausurhinweis: Sowohl nach §
87 I S. 2 Nr. 7
VwGO als auch nach § 94 S. 2 VwGO hat der
Vorsitzende oder der
Berichterstatter die Behörde auf mögliche
Verfahrensfehler hinzuweisen
und ihr Gelegenheit zur Heilung nach § 45 VwVfG zu
geben. Ein solcher
Hinweis setzt aber eine vorherige eingehende
Prüfung voraus. Das Gericht
muß also die Frage klären, ob es
„offensichtlich“ ist,
daß die Verletzung des Verfahrensrechts die
Entscheidung in der Sache
tatsächlich nicht beeinflußt hat. Denn wenn
es offensichtlich ist,
daß der formelle Fehler die
Verwaltungsentscheidung nicht beeinflußt
hat, bleibt es bei der Unbeachtlichkeit des Formfehlers.
Eine Heilung nach
§ 45 VwVfG ist nicht erforderlich. Deshalb geht
auch in der Klausur die
Prüfung des § 46 VwVfG der des § 45 VwVfG
vor! Das bedeutet,
daß an dieser Stelle der Fallbearbeitung die
vollständige materielle
Begründetheitsprüfung des Verwaltungsaktes,
wie sie auch im
übrigen durchzuführen wäre (Vereinbarkeit
mit der
Rechtsgrundlage, Beachtung der
Verhältnismäßigkeit, fehlerfreie
Ermessensbetätigung), erfolgen muß. Nur wenn
die Voraussetzungen des
§ 46 VwVfG nicht vorliegen, ist § 45 VwVfG zu
prüfen.
Schließlich ist zu beachten,
daß die
§§ 45, 46 VwVfG nur für Fehler im
Verwaltungsverfahren nach
§ 9 VwVfG angewendet werden dürfen. Für
Fehler im
Normsetzungsverfahren (Rechtsverordnungen, Satzungen)
sind sie unanwendbar.
Hier gilt grundsätzlich, daß auch ein
formeller Fehler zur
Nichtigkeit, und damit zur Begründetheit der
Klage/des
Normenkontrollverfahrens (§ 47 VwGO) führt.
Allerdings sind auch hier
besondere Heilungs-/Unbeachtlichkeitsvorschriften zu
beachten. So sind bei einer
bauplanungsrechtlichen Satzung (Bebauungsplan) die
§§ 214 ff. BauGB zu
beachten.
cc. Form
a.) Form i.e.S.
Es gilt der allgemeine Grundsatz der Formfreiheit,
§§ 10, 37 II
VwVfG. Daher sind Formfehler relativ selten. Zu beachten
sind jedoch
spezialgesetzliche Regelungen wie etwa das
Schriftformerfordernis bei Erteilung
einer Baugenehmigung (z.B. § 74 III BremLBO) oder
einer Anlagengenehmigung
(§ 10 VI BImSchG), oder die Erlaubnisurkunde in
§ 3 GastG. Weitere
Formerfordernisse enthalten auch § 37 I, III und IV
VwVfG selbst.
b.) Begründungserfordernis
Gem. § 39 I VwVfG sind die wesentlichen
tatsächlichen und
rechtlichen Gründe im Bescheid mitzuteilen, die die
Behörde zu ihrer
Entscheidung bewogen haben. Dabei muß die
Begründung den ermittelten
Sachverhalt und dessen rechtlichen Bewertung enthalten.
Eine bloße Angabe
der Rechtsgrundlage für das fragliche
Verwaltungshandeln genügt dem
Begründungserfordernis nicht. In diesem Fall ist
von einem Fehlen der
Begründung auszugehen.
Das Begründungserfordernis findet
grundsätzlich für alle
schriftlich erlassenen oder schriftlich bestätigten
Verwaltungsentscheidungen Anwendung (§ 39 I VwVfG,
§ 73 III VwGO. Aus
formeller Sicht ist nur wichtig,
daß eine
Begründung
existiert. Die Richtigkeit der Begründung,
insbesondere, wenn die
Behörde bei einer Ermessensentscheidung wesentliche
Gründe außer
Betracht gelassen hat, ist eine Frage der materiellen
Rechtmäßigkeit.
Fehlt die erforderliche Begründung, ist der
Verwaltungsakt bereits
formell rechtswidrig. Soweit die Begründung
den
Rechtsschutzsuchenden in seinen Rechten verletzt,
besteht ein Aufhebungsanspruch
(vgl. § 113 I S. 1 VwGO). Zu beachten ist die
gesetzlich angeordnete
Entbehrlichkeit nach § 39 II VwVfG. Typischer
Klausurfall ist die
Entbehrlichkeit einer Begründung bei
Verkehrszeichen gem. Nr. 5 dieser
Vorschrift. Zur möglichen
Heilung und zur
Unbeachtlichkeit
siehe sogleich.
c.) Heilung der fehlenden Begründung nach § 45
I Nr. 2 VwVfG
Die zur Heilung von Anhörungsfehlern gemachten
Ausführungen
gelten entsprechend auch für die
Begründungsfehler. Insoweit sei auf
die obigen Ausführungen verwiesen. Im folgenden
wird daher nur noch auf die
begründungsspezifischen Besonderheiten eingegangen.
Nach h.M. kann die Nachholung der erforderlichen
Begründung sowohl von
der Ausgangsbehörde als auch von der
Widerspruchsbehörde erfolgen. Die
Heilung nach § 45 I Nr. 2 VwVfG beschränkt
sich aber auf
formelle Begründungsfehler. Das Nachholen
einer Begründung kann
– wie die Anhörung – bis zum
Abschluß des
Verwaltungsgerichtsverfahrens mit heilender Wirkung
erfolgen (§ 45 II
VwVfG).
Klausurhinweis: Von der Heilung
nach § 45 I Nr.
2 VwVfG abzugrenzen ist das Nachschieben von
Gründen. Dort geht es
um die Frage, ob die Behörde im späteren
Verwaltungsgerichtsverfahren
weitere Gründe für die
Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsakts nachschieben darf, weil sie
befürchtet, die bisherigen
genügten nicht, um den Prozeß zu gewinnen.
Dies ist richtigerweise
ein Problem der materiellen Rechtmäßigkeit,
darf also nicht in der
formellen Rechtmäßigkeit geprüft werden.
Vgl. dazu die
Ausführungen im Verwaltungsprozeßrecht auf S.
122 f.. Allerdings kann
ein kurzer Hinweis auf die erkannte Problematik
angemessen sein: „Bei der
Frage der Zulässigkeit des Nachschiebens von
Gründen handelt es sich
um ein Problem der materiellen
Rechtmäßigkeit“.
d.) Unbeachtlichkeit von Formfehlern nach § 46
VwVfG
Die obigen Ausführungen zur Unbeachtlichkeit einer
fehlenden
Anhörung gelten sinngemäß auch für
Formfehler. Falls der
Formfehler (wie auch der Verfahrensfehler) nicht nach
§ 45 VwVfG geheilt
wird und der Verwaltungsakt aus diesem Grund
rechtswidrig ist, muß immer
noch die Unbeachtlichkeitsregel des § 46 VwVfG
berücksichtigt werden.
Vgl. dazu 2. Verfahren.
Klausurhinweis: Insgesamt ist zu
beachten, daß
im Hinblick auf § 44 VwVfG nur weniger
schwerwiegende Verfahrens- oder
Formfehler über § 46 VwVfG zur
Unbeachtlichkeit führen
können. Da § 46 VwVfG von einer materiellen
Rechtmäßigkeit
des Verwaltungsaktes ausgeht, und diese noch nicht
geprüft wurde, ist der
Prüfungsstandort der Vorschrift unklar. Könnte
ein Fall des § 46
VwVfG vorliegen, sollte dies an dieser Stelle der
Fallbearbeitung festgestellt
werden und sodann die materielle
Rechtmäßigkeitsprüfung
durchgeführt werden, um die Offensichtlichkeit des
Formfehlers
festzustellen. Gegebenenfalls ist der Fehler beachtlich
und die Klage demzufolge
begründet! Zu beachten ist aber, daß es nur
verhältnismäßig wenige Klausuren gibt,
in denen die formellen
und verfahrensmäßigen Voraussetzungen des
Verwaltungsaktes wirklich
erheblich werden. Demgemäß sollten (wie
bereits dargelegt) die
Darstellungen über Form und Verfahren - von
Ausnahmefällen abgesehen -
kurz gehalten werden.
e.) Fehlende Rechtsbehelfsbelehrung
Auf diesen Prüfungspunkt ist an dieser Stelle der
Klausur nicht weiter
einzugehen, wenn die damit zusammenhängende
Fristproblematik mit der hier
vertretenen Auffassung bereits in der
Zulässigkeitsprüfung (Frist)
behandelt wurde. Vgl. daher im
Verwaltungsprozeßrecht S. 64 und
73.
f.) Hinreichende Bestimmtheit
Ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des
§ 37 I VwVfG
ist nicht nur ein bloßer Formfehler, sondern macht
den Verwaltungsakt auch
materiell rechtswidrig, wenn nicht sogar nichtig
(so bei einem
Verstoß gegen § 37 III VwVfG i.V.m. § 44
II Nr. 1 VwVfG). Die an
den Bestimmtheitsgrundsatz zu stellenden Anforderungen
lassen sich
folgendermaßen gliedern:
- Bestimmtheit hinsichtlich
der handelnden
Behörde (§ 37 III VwVfG i.V.m. § 44
II Nr. 1
VwVfG).
Beispiel: Die Bauerlaubnis, die
(beispielsweise
gemäß § 74
BremLBO[23]) schriftlich
zu erteilen ist, enthält keine Angaben und
dementsprechend keine
Unterschrift des Behördenleiters bzw. seines
Vertreters oder Beauftragten.
Gemäß § 37 III VwVfG ist sie
rechtswidrig. Würde
darüber hinaus die erlassende Behörde nicht
erkennbar sein, wäre
die Bauerlaubnis gemäß § 44 II Nr. 1
VwVfG sogar nichtig.
- Bestimmtheit hinsichtlich
des Adressaten
(wobei an Allgemeinverfügungen abgeschwächte
Anforderungen zu stellen
sind).
Beispiel: Der an eine
Wohngemeinschaft gerichtete
Verwaltungsakt mit der Angabe „Herrn Friedrich X
sowie Partnerinnen und
Partner“ genügt den Anforderungen des
Bestimmtheitsgebotes
grundsätzlich nicht. Wird aber ein Verwaltungsakt,
der an die einzelnen
Gesellschafter einer GbR zu richten ist, an die GbR als
solche gerichtet,
führt dies nicht zur Unbestimmtheit des Bescheids,
wenn sich aus den
gesamten Umständen ersehen läßt, wer von
dem Verwaltungsakt
betroffen sein soll.[24]
- Bestimmtheit hinsichtlich
des
Verwaltungsaktcharakters
Beispiel: Aus einem
behördlichen Schreiben,
durch das der Betroffene zur Entrichtung eines
Geldbetrages aufgefordert wird,
muß klar hervorgehen, ob es sich um eine
bloße Zahlungsaufforderung
oder um einen Leistungsbescheid (Verwaltungsakt)
handelt. Unklarheiten gehen zu
Lasten der
Behörde.[25]
- Bestimmtheit hinsichtlich
des
Regelungsgehaltes (Hauptfall)
Beispiel: Ein Verwaltungsakt mit
dem Inhalt,
„geeignete Maßnahmen zu ergreifen, daß
der Nachbar nicht in
seiner Nachtruhe gestört wird“, ist mangels
hinreichender
inhaltlicher Bestimmtheit rechtswidrig. Gut vertretbar
ist es auch, sogar eine
Nichtigkeit anzunehmen.
c. Die materielle Rechtmäßigkeit
Der (belastende) Verwaltungsakt ist nur dann materiell
rechtmäßig, wenn er sich auf eine
gesetzliche Grundlage
stützen läßt. Das ist der Fall, wenn die
Voraussetzungen der
Rechtsgrundlage vorliegen und das Ermessen fehlerfrei
ausgeübt bzw. nicht
gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit verstoßen
wurde. Darüber hinaus darf die Rechtsgrundlage
nicht ihrerseits gegen
höherrangiges Recht verstoßen. Es bietet sich
folgende
Prüfungsreihenfolge an:
aa. Vorhandensein einer
rechtmäßigen
Rechtsgrundlage
bb. Übereinstimmung des
Verwaltungsaktes mit der
Rechtsgrundlage
- Fehlerfreie Auslegung von
unbestimmten
Rechtsbegriffen
- Einhaltung von
Beurteilungsspielräumen
- Fehlerfreie planerische
Abwägungsentscheidungen
- Einhaltung von
Ermessensspielräumen; kein Verstoß
gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit
|
aa. Vorhandensein einer rechtmäßigen
Rechtsgrundlage
a.) Der Verwaltungsakt muß sich auf eine
gesetzliche
Rechtsgrundlage stützen lassen, soweit er in die
Rechte Betroffener
eingreift (sog. Vorbehalt des Gesetzes).
Einschlägige spezielle
Rechtsgrundlagen für den Erlaß eines
Verwaltungsaktes können
sich aus einem förmlichen Gesetz, aber auch aus
einer Rechtsverordnung oder
Satzung ergeben. Die größte Schwierigkeit
bereitet das Auffinden der
einschlägigen Rechtsgrundlage. Diese ist
- nach dem betroffenen Personenkreis
und/oder
- dem betroffenen Sachgebiet
aufzusuchen.[26]
Beispiel: Zur Haltbarmachung
verschiedener
Gemüsesorten wird von einem Industriebetrieb eine
nicht zugelassene
ultraviolette und ionisierende Bestrahlung angewandt.
Die zuständige
Landesbehörde beabsichtigt, gegen diese Art der
Lebensmittelkonservierung
vorzugehen.
Bei der Frage, nach welcher
Rechtsgrundlage die Behörde
eingreifen kann, wird das LMBG in Betracht zu ziehen
sein (betroffenes
Sachgebiet). Nach einem kurzen Blick in die
Inhaltsübersicht ist § 13
als einschlägig zu erkennen. Diese Norm verbietet
die Behandlung mit nicht
zugelassenen ultravioletten und ionisierenden Strahlen.
Allerdings
ermächtigt sie nicht zum Erlaß von
Verfügungen. Dafür ist
eine Befugnisnorm erforderlich. Nur sie wird dem
Vorbehalt des Gesetzes gerecht.
Soweit es um
Lebensmittelüberwachungsmaßnahmen geht, sind
die
§§ 40-46 LMBG einschlägig; im
übrigen ist subsidiär auf
die polizeiliche
Befugnisgeneralklausel[27]
zurückzugreifen.
b.) Die spezialgesetzlichen Rechtsgrundlagen
sind also in den die
jeweils betreffende Rechtsmaterie regelnden
Normkomplexen (bereichsspezifisches
Normgefüge) enthalten. Aufgrund der Regelungsdichte
des öffentlichen
Rechts ist aber davon abzuraten, möglichst viele
Rechts- oder
Anspruchsgrundlagen auswendig zu lernen. Die
Beherrschung der oben dargestellten
Systematik ist daher nicht zu unterschätzen. Im
folgenden sollen deswegen
nur einige Rechtsgrundlagen exemplarisch dargestellt
werden. Allerdings handelt
es sich hierbei um sehr häufige
Klausurfälle:
- § 15 I VersG
für das Verbot oder die Auflösung von
öffentlichen Versammlungen
im Freien.[28]
- § 13 VersG für
polizeiliche Auflösungen von öffentlichen
Versammlungen in
geschlossenen Räumen.
- § 5 VersG für
das Verbot von öffentlichen Versammlungen in
geschlossenen
Räumen.
- § 15 I / II, III
GastG für die Rücknahme und den Widerruf der
Gaststättenerlaubnis.[29]
- § 13 HandwO für
das Löschen aus der
Handwerksrolle.
- § 18 i.V.m. §
17 BJagdG für die Ungültigkeitserklärung
des
Jagdscheines.
- § 8 WaffG für
die Versagung einer Erlaubnis, Schußwaffen zu
vertreiben.
- § 29 GewO für
das Betreten der Geschäftsräume während
der üblichen
Geschäftszeiten, um dort Prüfungen und
Besichtigungen vorzunehmen,
sich die geschäftlichen Unterlagen vorlegen zu
lassen und diese
einzusehen.[30]
- § 35 I GewO für
die Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit oder
für die
Verhinderung der Ausübung eines Gewerbes durch
Schließung der
Geschäfts- bzw. Büroräume oder anderer
geeigneter
Maßnahmen.[31]
- §§ 48 ff. VwVfG
für die Aufhebung rechtswidriger und
rechtmäßiger
Verwaltungsakte, soweit – wie etwa im Baurecht
– keine
Sondervorschriften vorhanden sind.
- § 49 a VwVfG i.V.m.
§ 49 VwVfG für die Erstattung und die
Verzinsung von
Zuwendungen.
- §§ 11, 12 BBG
i.V.m. §§ 48 ff. VwVfG für die
Nichtigkeit bzw. Rücknahme
der
Beamtenernennung.[32]
- § 52 II BeamtVG
i.V.m. §§ 48 ff. VwVfG für die
Rückforderung von
Versorgungsbezügen.
- § 8 ProdSG für
die Anordnung gegenüber Herstellern, Händlern
oder Dritten, daß
alle, die einer von einem Produkt ausgehenden Gefahr
ausgesetzt sein
können, rechtzeitig in geeigneter Form,
insbesondere durch den Hersteller,
auf diese Gefahr hingewiesen werden.
- Sowie landesrechtliche
Vorschriften.
c.) Insbesondere im Polizei- und Ordnungsrecht
kann auch eine
Rechtsverordnung, die aufgrund einer
Ermächtigung im
Landespolizeigesetz (z.B. § 48 ff. BremPolG)
erlassen wurde, als
Rechtsgrundlage für den Erlaß von
Verfügungen (Verwaltungsakte)
fungieren. Sollte sich in einem solchen Falle
herausstellen, daß die
Rechtsverordnung rechtswidrig und somit nichtig ist, so
ist auch der darauf
basierende Verwaltungsakt (mangels wirksamer
Rechtsgrundlage)
rechtswidrig.
[33]
Darüber hinaus kann auch eine
Satzung die
Rechtsgrundlage
für den Erlaß von Verwaltungsakten bilden.
Auch hier gilt die Folge,
daß wenn die Satzung rechtswidrig und in
Ermangelung einer
Heilungsmöglichkeit nichtig ist, auch der darauf
basierende Verwaltungsakt
rechtswidrig sein muß (Vorbehalt des
Gesetzes).
d.) In Ermangelung einer spezialgesetzlichen
Rechtsgrundlage ist
auf die allgemeinen Institute zurückzugreifen.
Dabei muß beachtet
werden, daß eine spezialgesetzliche
Rechtsgrundlage in ihrem
Anwendungsbereich nicht einschlägig sein darf.
Grundsätzlich ist es
untersagt, bei nur Nichtvorliegen ihrer
Tatbestandsvoraussetzungen auf die
allgemeinen Institute zurückzugreifen. Dies zu tun
wäre nicht nur
systemwidrig, sondern würde vielmehr die Gefahr der
Umgehung der engeren
Tatbestandsvoraussetzungen der Spezialgesetze in sich
bergen, die in ihrem
engeren Anwendungsbereich grundsätzlich eine
abschließende Regelung
darstellen. Nur wenn nach entsprechender
Auslegung
[34] das
einschlägige
Spezialgesetz den Sachverhalt nicht abschließend
regelt, kann
subsidiär auf die allgemeinen Institute
zurückgegriffen
werden.
Beispiele: (1) Nach § 52 II
BeamtVG hat der
Versorgungsempfänger die zuviel erhaltenen
Versorgungsbezüge nach den
Vorschriften über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung
(§§ 812 ff. BGB) zu erstatten. Eine
Rücknahmeregelung des
Leistungsbescheides oder gar ein Bestandsschutz wegen
Vertrauens seitens des
Versorgungsempfängers ist von dieser Vorschrift
nicht umfaßt. Aus der
Notwendigkeit der Berücksichtigung dieser
Umstände sind
zusätzlich die Einschränkungen des § 48
II-IV VwVfG zu
beachten.
(2) Im Polizei- und Ordnungsrecht
greifen z.B. bei
fehlender Anwendbarkeit des VersG oder des WassG die
Rechtsinstitute des
jeweiligen Landespolizeigesetzes. So kommen
zunächst die dort normierten
Standardmaßnahmen in Betracht, und wenn der
Sachverhalt nicht in deren
Regelungsbereich fällt oder sie den Sachverhalt
nicht abschließend
regeln, die Befugnisgeneralklausel.
Klausurhinweis: In der
Fallbearbeitung könnte
die Prüfung wie folgt eingeleitet werden:
„Die ... (konkrete
Einzelmaßnahme) ordnet an, daß ... (deren
Inhalt). Es handelt sich
somit um einen belastenden Verwaltungsakt. Dieser ist
ein Instrument der
Eingriffsverwaltung. Eingriffe in Freiheit und Eigentum
bedürfen wegen der
rechtsstaatlichen Bindung der Verwaltung einer
gesetzlichen Grundlage. Es gilt
der sogenannte Vorbehalt des Gesetzes, Art. 20 III GG.
Die ... (konkrete
Maßnahme) bedarf daher einer Rechtsgrundlage. In
Betracht kommt §
...“.
Gedanklich muß sodann die
Normenhierarchie rezipiert
werden: Europäisches Gemeinschaftsrecht,
Bundesverfassungsrecht, allgemeine
Regeln des Völkerrechts, Bundesparlamentsgesetze,
Bundesadministrativrecht
(untergesetzliches staatliches Recht wie
Rechtsverordnungen oder
nichtstaatliches, autonomes Recht wie Satzungen),
Landesverfassungsrecht,
Landesparlamentsgesetze, sonstiges untergesetzliches
Landesrecht.[35]
e.) Das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage
führt zwar
regelmäßig, aber nicht notwendig zur
Rechtswidrigkeit der
Einzelmaßnahme. So ist das Fehlen einer
gesetzlichen Grundlage
unschädlich, wenn anderenfalls eine noch
verfassungsfernere Rechtslage
entstünde.
Beispiel[36]:
A war vor dem Zivilgericht auf
Unterlassung anonymer Anrufe
verklagt worden. Die antragsgemäße
Verurteilung stützte sich
entscheidend auf Ferngesprächsdaten, die die
Telekom mittels
Zählervergleichseinrichtungen und Fangschaltungen
auf Veranlassung der
Klägerin des Ausgangsverfahrens ermittelt hatte. A
fühlte sich durch
die Verwertung der Ferngesprächsdaten zu
Beweiszwecken in seinen
Grundrechten verletzt. Gegen die letzinstanzliche
Entscheidung erhebt A nun
Verfassungsbeschwerde. Wird diese begründet
sein?
Lösungsgesichtspunkte:
Die Verfassungsbeschwerde wird
begründet sein, wenn die
Verwertung der Ferngesprächsdaten den A in seinen
Grundrechten oder
grundrechtsgleichen Rechten verletzt. In Betracht kommt
eine Verletzung des
Fernmeldegeheimnisses, Art. 10 I GG.
I. Schutzbereich des
Fernmeldegeheimnisses
Art. 10 I GG schützt die
Privatsphäre, indem er
die Vertraulichkeit der Kommunikation im
Fernmeldeverkehr garantiert, und zwar
die Vertraulichkeit des Kommunikationsinhalts wie auch
des
Kommunikationsvorgangs.[37]
Diese Vertraulichkeit ist durch die Angewiesenheit auf
Vermittler – die
Telekom – besonders gefährdet. Das Grundrecht
schützt aber nicht
nur vor Eingriffen durch staatliche Stellen selbst,
sondern auch durch die
Telekom. Allerdings ist die Übermittlung ohne ein
Minimum an Erfassung
kommunikationsrelevanter Daten nicht denkbar. Deshalb
vertrat die früher
h.M., daß betriebliche Erfordernisse der Post,
insbesondere
Maßnahmen zur Sicherung des
ordnungsgemäßen Gebrauchs der
Fernmeldeeinrichtungen, die Reichweite des
Grundrechtsschutzes gleichsam
„von innen“ heraus begrenzen. Man spricht
insofern von
„betriebsbedingten Schranken“. Das BVerfG
hat dieser Auffassung
nunmehr eine Absage erteilt, indem es klarstellt,
daß der Schutzbereich
eines Grundrechts allein nach dem Schutzbedürfnis
des Bürgers zu
bestimmen sei.
Eingriffsorientierte Gesichtspunkte
– wie hier die
Bedürfnisse der Telekom – hätten dagegen
bei der Definition des
Schutzbereichs keinen Platz. Die Notwendigkeit der
Abwehr von
Grundrechtsmißbräuchen könne zwar ein
rechtfertigender Grund
für Grundrechtsbeschränkungen sein, nicht aber
bereits für eine
begrenzende Schutzbereichsauslegung. Damit
genießen alle der Telekom zur
Übermittlung anvertrauten
Kommunikationsvorgänge, -träger und
-inhalte den Schutz des Art. 10 I GG.
II. Eingriff in den
Schutzbereich
Geht man nicht von einer
Schutzbereichsbegrenzung aus,
stellt die Erfassung der Gesprächsdaten durch die
Telekom mittels
Zählereinrichtungen bzw. Fangschaltungen einen
Eingriff dar.
III. Verfassungsrechtliche
Rechtfertigung
Dieser Eingriff könnte durch
Einwilligung bzw.
Grundrechtsverzicht gerechtfertigt sein. Der
Grundrechtsschutz aus Art. 10 I GG
ist verzichtbar. Allerdings hat A weder generell durch
Begründung des
Fernsprechverhältnisses noch im konkreten Fall, da
er ihm gar nicht bekannt
war, in die Erfassung eingewilligt. Es könnte aber
in der Veranlassung der
Gesprächsbeobachtung durch die Belästigte ein
Verzicht auch mit
Wirkung für den A liegen. Da es vorliegend
allerdings um den
Grundrechtsschutz gerade des A geht – dessen
mißbräuchliches
Verhalten noch nicht feststeht – sowie die
Möglichkeit der
unzulässigen Verwertung der gesammelten Daten
besteht, ist jede staatliche
Einschaltung, die nicht mit Einverständnis beider
Kommunikationspartner
erfolgt, ein Grundrechtseingriff. Er bedarf zu seiner
Rechtfertigung eines
Parlamentsgesetzes. Vorliegend ist ein solches nicht
ersichtlich. Der Eingriff
könnte daher schon deshalb rechtswidrig sein.
Das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage
ist jedoch
unschädlich, wenn andernfalls eine noch
verfassungsfernere Rechtslage
entstünde.[38] Denn
während für die Gesprächsbeobachtung
„nur“ die
gesetzliche Grundlage fehlt, deren
verfassungsgemäße Schaffung jedoch
möglich, der Eingriff in das Fernmeldegeheimnis
also materiell
zulässig ist, stünden die Opfer von anonymen
Anrufen bei sofortigem
Verbot von Gesprächsbeobachtungen schutzlos; der
materielle
Grundrechtsschutz für ihr allgemeines
Persönlichkeitsrecht wie auch
etwa für ihr Recht auf körperliche
Unversehrtheit
entfiele.
IV. Ergebnis
Folgt man der Auffassung des BVerfG, so
wird die
Verfassungsbeschwerde des A unbegründet sein. Zu
beachten ist jedoch,
daß der Gesetzgeber in einem solchen Fall gehalten
ist, unverzüglich
die erforderliche Gesetzeslage zu schaffen. Für
eine Übergangszeit
darf die bestehende Rechtslage hingenommen werden.
Allerdings darf bis zur
Schaffung des erforderlichen Gesetzes in das Grundrecht
nur insoweit
eingegriffen werden, wie es zum Schutz der genannten
Rechtsgüter
unerläßlich
ist[39] Man spricht
insoweit von einer Appell-entscheidung des
BVerfG.
f.) Schließlich muß die
Rechtsgrundlage ihrerseits mit
höherrangigem Recht vereinbar sein. Ist sie das
nicht, so kann folgerichtig
auch nicht der Verwaltungsakt rechtmäßig
sein.
Klausurhinweis: In der
Fallbearbeitung genügt es
daher nicht, lediglich die Vereinbarkeit des
Verwaltungsakts mit seiner
Rechtsgrundlage zu prüfen. Dem Vorbehalt des
Gesetzes ist nur dann
Genüge getan, wenn auch die Rechtsgrundlage
rechtmäßig ist. Im
Zweifel ist auch deren Rechtmäßigkeit
zu
prüfen
bb. Übereinstimmung mit der Rechtsgrundlage
Der Verwaltungsakt stimmt mit der Rechtsgrundlage
überein, wenn
– soweit vorhanden – unbestimmte
Rechtsbegriffe richtig ausgelegt,
Beurteilungsspielräume sowie planerische
Abwägungsentscheidungen
eingehalten wurden. Schließlich müssen
Ermessensspielräume
eingehalten und der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit beachtet
werden.
a.) Unbestimmte Rechtsbegriffe
Der Gesetzgeber kann nicht alle erdenklichen
Lebenssachverhalte antizipiert
in den Normen aufnehmen. Dafür bieten sie zu viele
Besonderheiten und
Verschiedenartigkeiten. Daher muß der Wortlaut
einer Norm - freilich unter
Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes - ein bestimmtes
Maß an
Abstraktheit aufweisen. Darüber hinaus muß es
der Verwaltung
möglich sein, auch auf atypische, unvorhersehbare
Situationen zu reagieren.
Aus diesem Grund enthalten Normen nicht selten
generalklauselartige
Formulierungen, sog. unbestimmte Rechtsbegriffe.
Unbestimmte Rechtsbegriffe sind Gesetzesbegriffe,
die auf der
Tatbestandsseite einer Norm stehen und bei der
Rechtsanwendung des
einschlägigen Tatbestandes im Einzelfall einer
Auslegung bedürfen.
Beispiele:
Unzuverlässigkeit in § 35
I GewO; Ungeeignetheit in § 3 StVG i.V.m.
§§ 3, 11 III
FeV; öffentliche Sicherheit in § 10 I
S. 1 BremPolG
(Befugnisgeneralklausel); öffentliches
Interesse in § 80 II S.
1 Nr. 4 VwGO; Gemeinwohl in Art. 14 III S. 1 GG;
öffentliche
Belange in § 35 II BauGB; geeignete Form
in § 8 ProdSG
etc..
Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ist
grundsätzlich
gerichtlich voll überprüfbar, da es
sich um Rechtsanwendung
handelt und derartige Akte wegen der
Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV S. 1 GG
einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich sein
müssen. Außerdem
kann es keine Bandbreite möglicher Entscheidungen
geben: Entweder ist z.B.
der Straßenverkehrsteilnehmer gem. § 3 StVG
i.V.m. §§ 3, 11
III FeV ungeeignet oder er ist es nicht. Daraus folgt
die gerichtliche
Überprüfbarkeit im konkreten Fall.
b.) Beurteilungsspielräume
Eine Ausnahme von dem Postulat der vollen richterlichen
Überprüfung ist dort zu machen, wo die
richterliche Kontrolle aufgrund
atypischer Sachumstände
außergewöhnlichen Schwierigkeiten
begegnet und einem besonders prädestinierten
Entscheidungsträger eine
spezifische Sachkompetenz zukommt.
[40] Eine
besondere Bedeutung kommt dabei sog.
„prognostischen Entscheidungen“
zu. Dies sind Entscheidungen, bei denen die Subsumtion
unter einen unbestimmten
Rechtsbegriff von zukunftsgerichteten komplexen
Wertungen und/oder von komplexen
Diagnosen abhängt.
[41]
Voraussetzung für die Anerkennung eines solchen
gerichtlich nicht
weiter überprüfbaren Beurteilungsspielraums
ist aber eine
entsprechende
gesetzliche Ermächtigung, d.h.
die Verwendung von
unbestimmten Rechtsbegriffen, die durch Auslegung zu
einem Beurteilungsspielraum
führen.
[42] Die
gerichtliche
Überprüfbarkeit beschränkt sich dann
darauf, ob der anzuwendende
Begriff verkannt oder der gesetzliche Rahmen, der dem
Gesetzesanwender
eingeräumt wurde, überschritten wurde oder ob
dieser von einem
unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist,
allgemeingültige
Maßstäbe außer acht gelassen oder
sachfremde Erwägungen
angestellt hat.
[43] Bei
prognostischen
Entscheidungen kommt die gerichtliche
Prüfungsmöglichkeit hinzu, ob
der Rechtsanwender den möglichen Verlauf der
wirtschaftlichen Entwicklung
erkennbar verfehlt hat.
[44] Da die Dogmatik um
die Beurteilungsspielräume ein komplexes Gebilde
darstellt, sei auf die
ausführliche Darstellung bei Schmidt/Seidel,
AllgVerwR, S. 266 ff.
verwiesen.
c.) Einhaltung von Ermessensspielräumen; kein
Verstoß gegen den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
aa.) Ermessen
Um der Vielgestaltigkeit und Dynamik der
Lebenssachverhalte gerecht zu
werden, räumt der Gesetzgeber der Verwaltung
Handlungsspielräume nicht
nur auf der Tatbestandsseite ein (unbestimmte
Rechtsbegriffe, planerische
Abwägungsentscheidungen), sondern auch auf der
Rechtsfolgeseite. Hier
handelt es sich um Verwaltungsermessen.
Ermessen ist ein der Verwaltung auf der
Rechtsfolgeseite einer Norm
hinsichtlich des „ob“
(Entschließungsermessen) und/oder des
„wie“ (Auswahlermessen) eingeräumter
Entscheidungsspielraum,
der gerichtlich beschränkt (im Rahmen des §
114 VwGO)
überprüfbar ist.
Die
ratio des Ermessens liegt in der Freistellung
der Wahl der
Rechtsfolge eines gesetzlichen Tatbestandes, um die
Verwaltung in die Lage zu
versetzen, von
unnötigen Eingriffen
abzusehen und
somit dem
Übermaßverbot Rechnung zu
tragen. Das Ermessen
stellt somit die
Verknüpfung von Tatbestand und
Rechtsfolge
dar.
Beachtet die Behörde die Ermessensbindung nicht, so
ist der
Verwaltungsakt ermessensfehlerhaft und rechtswidrig.
bb.) Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
genießt
Verfassungsrang und gilt für alle staatlichen
Maßnahmen. Deshalb
verwundert es nicht, daß er nur gelegentlich
positivrechtlich normiert
ist. Er besagt, daß die Freiheit des einzelnen nur
soweit
eingeschränkt werden darf, als es im Interesse des
Gemeinwohls unabdingbar
ist.
[45] Es gilt somit
das Gebot des
geringstmöglichen Eingriffs („nicht mit
Kanonen auf Spatzen
schießen“). Die Maßnahme muß
geeignet, erforderlich und
angemessen sein.
Geeignet ist eine staatliche Maßnahme immer
dann, wenn mit
ihrer Hilfe das angestrebte Ziel gefördert werden
kann. Vorliegend
...“.
An dieser Stelle erfolgt die Subsumtion und i.d.R. die
Feststellung,
daß die konkrete behördliche Maßnahme
zwecktauglich, also
geeignet war.
Beispiel: Wenn die zuständige
Verwaltungsbehörde die Erhöhung eines
Abgaskamins um 10 Meter
anordnet, um in der Nachbarschaft
Geruchsbelästigungen zu verhindern, ist
diese Anordnung nur dann geeignet, wenn die
Geruchsbelästigungen durch die
Erhöhung des Kamins überhaupt verhindert
werden können.
War die Maßnahme geeignet, muß sie des
weiteren erforderlich
gewesen sein.
Erforderlich ist eine staatliche Maßnahme,
wenn es kein
milderes Mittel gibt, welches den gleichen Erfolg mit
der gleichen Sicherheit
und einem vergleichbaren Aufwand herbeiführen
würde (Prinzip des sog.
Interventionsminimums).
[46]
Beispiel: Die Anordnung, den
Abgaskamin um 10 Meter
zu erhöhen, um die Geruchsbelästigung
gegenüber den Nachbarn zu
verhindern, ist nur dann erforderlich, wenn eine
Erhöhung von
beispielsweise 5 Metern oder die Installation eines
Filters nicht ausreicht.
Klausurhinweis: Es gilt das
Prinzip des
geringstmöglichen Eingriffs. Klausurtechnisch kann
an dieser Stelle
hervorragend die Fähigkeit zu juristischer
Argumentation und Rhetorik
demonstriert werden. Es können Argumente
hervorgebracht werden, welche
Nachteile die zu prüfende Maßnahme für
den Betroffenen hat, und
wie diese Maßnahme beispielsweise
eingeschränkt werden könnte,
damit der Zweck (hier die Erforderlichkeit) trotzdem
erreicht wird.
Anschließend können
Maßnahmenalternativen herangezogen werden,
die ebenso geeignet sind, aber weniger intensiv in die
Rechtssphäre des
Betroffenen eingreifen (vgl. dazu exemplarisch den
Abschlußfall auf S. 13
ff. zur Angestelltenkammer). Wird im Ergebnis
festgestellt, daß die
betreffende Maßnahme erforderlich war, muß
zuletzt die
Verhältnismäßigkeit i.e.S.
(Angemessenheit) dieser
Maßnahme geprüft werden:
Zuletzt muß die Maßnahme
auch angemessen
sein.
Angemessen ist eine staatliche Maßnahme,
wenn das mit ihr
verfolgte Ziel in seiner Wertigkeit nicht außer
Verhältnis zur
Intensität des Eingriffes steht (Zumutbarkeit der
Maßnahme =
Übermaßverbot).
[47]
Zu beachten ist, daß der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit nicht schon bei
einem geringen
Übergewicht des Nachteils gegenüber dem Erfolg
der Maßnahme
verletzt ist. Beachtlich ist nur ein
erkennbares
Mißverhältnis von
einigem Gewicht. Daher ist dieser
Abwägungsprozeß anhand der
Umstände des konkreten Falles mitunter sehr
schwierig.
Beispiel: Die Anordnung
bezüglich der
Erhöhung des Abgaskamins verstößt nur
dann nicht gegen das
Übermaßverbot, wenn der Kostenaufwand nicht
in einem groben
Mißverhältnis zum Erfolg, nämlich zur
Verhinderung der
Geruchsbelästigung steht. Freilich ist die
Wertigkeit der
Geruchsbelästigung (Art. 2 II S. 1 GG) nicht
unterzubewerten.
Insbesondere im examensrelevanten
Polizeirecht
hat die Abwägung
das bedrohte Schutzgut einerseits, die Schwere des
drohenden Schadens (Umfang,
Gewicht, Ausmaß des Nachteils für den
Betroffenen, finanzielle
Folgen, Zerstörung von Werten) andererseits sowie
die Wahrscheinlichkeit
des Schadenseintritts zu berücksichtigen, da im
objektiv-rechtlichen
Polizei- und Ordnungsrecht die Haftung
verschuldensunabhängig ist.
Darüber hinaus ist das Austauschmittel zu beachten:
Wenn zur Gefahrenabwehr
mehrere Mittel in Betracht kommen, genügt es,
daß eines davon
bestimmt wird. Dem Betroffenen ist auf Antrag jedoch zu
gestatten, ein anderes
wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit
dadurch nicht stärker
beeinträchtigt wird
[48].
Klausurhinweis: Eine Abwägung
ist
durchgängig von (subjektiven) Wertungen
beeinflußt. Deshalb empfiehlt
es sich bei erheblichen Bedenken über die Akzeptanz
der vertretenen
Meinung, die fragliche Maßnahme erneut daraufhin
zu prüfen, ob sie
nicht eher an der Erforderlichkeit scheitert. Im
übrigen muß in einer
Klausur, um dogmatisch korrekt vorzugehen, die
Verhältnismäßigkeitsprüfung
hinsichtlich eines
angefochtenen Verwaltungsaktes im Rahmen der
Ermessensüberschreitung
erfolgen.[49] Denn
wählt die Behörde eine Rechtsfolge, die nicht
von der Norm vorgesehen
ist, verstößt sie damit gleichzeitig (wegen
Ermessensüberschreitung) gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Der Fehler steckt
hier im Ergebnis
der Ermessensbetätigung.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung
der
Rechtmäßigkeit
a. Grundsatz
Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines
Verwaltungsaktes
sind des weiteren zeitliche Aspekte zu
berücksichtigen. Grundsätzlich
ist nach h.M.
[50]
maßgeblicher Zeitpunkt,
auf den in einer Anfechtungssituation bei der
Beurteilung der Sach- und
Rechtslage abzustellen ist, derjenige der
letzten
Behördenentscheidung.
[51] Da der
Verwaltungsakt seine abschließende Gestalt erst
mit dem
Widerspruchsbescheid erhält und die
Widerspruchsbehörde im Moment des
Bescheids die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage
zugrunde zu legen hat, das
Verwaltungsverfahren der Ausgangs- und
Widerspruchsbehörde aus
verwaltungsprozessualer Sicht also als Einheit anzusehen
ist, ist die letzte
Behördenentscheidung i.d.R. der
Erlaß des
Widerspruchsbescheides.
[52] Änderungen
der tatsächlichen oder rechtlichen Grundlagen des
Verwaltungsaktes, die
zwischen dessen Erlaß und dem Widerspruchsbescheid
eintreten, sind deshalb
von der Widerspruchsbehörde grundsätzlich zu
berücksichtigen.
[53] Später
eingetretene Veränderungen der Sach- und Rechtslage
sind nur dann von
Bedeutung, wenn sich aus dem materiellen Recht
ausnahmsweise etwas anderes
ergibt (so etwa bei Gesetzesänderung mit
Rückwirkung).
b. Ausnahmen
aa. Noch nicht vollzogener Verwaltungsakt
Eine Ausnahme ist dann zu machen, wenn der
Verwaltungsakt bis zum Zeitpunkt
der Überprüfung noch nicht vollzogen wurde,
die Sach- und Rechtslage
sich aber zwischenzeitlich geändert hat.
Beispiel[54]:
B ist Halter eines aus dem Vereinigten Königreich
stammenden
Galloway-Rindes. Die zuständige
Veterinärbehörde ordnet durch
Verfügung die Tötung des Tieres an,
gestützt auf § 18 i.V.m.
§ 24 Tierseuchengesetz. Das Rind sei aus Schottland
eingeführt worden.
Aufgrund des vermehrten Auftretens von BSE könne
nicht ausgeschlossen
werden, daß auch das in Frage stehende Rind
infiziert sei. Ebensowenig
könne eine Übertragung auf den Menschen
ausgeschlossen werden. B
versichert glaubhaft, das Tier sei nicht zum Verzehr
bestimmt und würde
keinesfalls in den Nahrungskreislauf gelangen. Unter
Zugrundelegung dieser
Sachlage ändert sich die Interessenlage der
Tötung (vgl. § 18
Tierseuchengesetz: Verkehrsinteressen), also ein
Umstand, der die
Zulässigkeit der Anordnung trug. Fraglich ist aber,
ob auf den
nachträglichen Zeitpunkt abgestellt werden
kann.
Zwar wird nach überwiegender Auffassung in
Fällen dieser Art der
ursprünglich rechtmäßige Verwaltungsakt
nicht rechtswidrig, wohl
aber dessen weitere Aufrechterhaltung. Ist der
Rechtsstreit prozessual zu
prüfen, so legt das Gericht bei seiner Entscheidung
in diesem Fall die
veränderte Sach- und Rechtslage zugrunde. Das ist
folgerichtig, da sonst
der vollzogene (Grund-) Verwaltungsakt sofort wieder
rückgängig
gemacht werden müßte (vgl. § 113 I S. 2
VwGO). Mißlich
wird dies insbesondere dann, wenn die
Rückgängigmachung rechtlich oder
tatsächlich unmöglich ist.
Klausurhinweis: In der
Fallbearbeitung sollte die
Entscheidung, ob eine Aufhebung ex nunc oder ex tunc
bzw. ob sie ganz oder nur
teilweise erfolgt, von einer Würdigung der im zu
prüfenden Fall
betroffenen Interessen abhängig gemacht werden.
Diese Entscheidung sollte
der Prüfung der maßgeblichen Sach- und
Rechtslage nicht etwa
vorangestellt, sondern in diese integriert werden. So
bietet es sich im obigen
BSE-Fall an, zunächst die ursprüngliche
Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsaktes zu prüfen. Bei deren Bejahung ist
in einem zweiten Schritt
auf die geänderten Umstände einzugehen und
darzulegen, daß eine
tatbestandliche Voraussetzung weggefallen ist. Sodann
ist zu diskutieren, wie
sich die Änderung der Sach- und Rechtslage
auswirkt.
bb. Zwischenzeitlich legalisierter Sachverhalt
Sehr umstritten ist die Frage nach dem
maßgeblichen Zeitpunkt auch im
Fall des
baunachbarrechtlichen Widerspruchs. Nach
der Rechtsprechung des
BVerwG
[55] gilt,
daß wenn eine
rechtswidrig erteilte Baugenehmigung durch einen Dritten
angefochten wird, die
Rechtslage (etwa durch Änderung des Bebauungsplans)
sich aber bis zum
Zeitpunkt der letzten mündlichen
Gerichtsverhandlung ändert, so
daß das Vorhaben nunmehr rechtmäßig
wird, die Klage als
unbegründet abzuweisen ist, da der in Art. 14 GG
wurzelnde
Genehmigungsanspruch den Ausschlag dafür gibt,
daß die Änderung
der Rechtslage zu berücksichtigen ist. War die
ursprüngliche
Baugenehmigung dagegen rechtmäßig, und
ändert sich die
Rechtslage nachträglich zuungunsten des Bauherrn,
so genieße das
Bauvorhaben wegen der bereits eingeräumten
Rechtsposition
Bestandsschutz.
Diese Auffassung ist in der Literatur auf heftige Kritik
gestoßen.
[56]
Auch der
Widerspruchsführer mache Rechte geltend, deren
Voraussetzungen sich noch
zwischen Erlaß des Verwaltungsaktes und des
Widerspruchsbescheides
ändern können. Im übrigen sei die
„Risikoverteilung“
bei Drittwidersprüchen und Drittklagen insgesamt
dadurch gekennzeichnet,
daß ein Begünstigter die ihm eingeräumte
Rechtsposition in
vollem Umfang erst mit der Unanfechtbarkeit der
Entscheidung erlange (vgl.
§ 50 VwVfG, § 80 VwGO). Auch beim
Nachbarwiderspruch gelte daher der
Grundsatz der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im
Zeitpunkt des
Widerspruchsbescheids.
[57]
Klausurhinweis: Eine in der
Fallbearbeitung
häufig verlangte Problemdarstellung besteht darin,
daß die
Behörde eine Bauabrißverfügung in bezug
auf ein dem aktuellen
Bebauungsplan nicht entsprechendes, seinerzeit aber im
Einklang mit den
bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften
errichtetes Gebäude
erläßt. Die Rechtsgrundlage für eine
Bauabrißverfügung ist den Landesbauordnungen
zu
entnehmen.[58] Zu
problematisieren ist aber, ob bei der Beurteilung der
Illegalität des Baus
auf die damalige oder die heutige Rechtsordnung
abzustellen ist. Hier machen es
der Vertrauensschutz und der
Bestandsschutz erforderlich,
daß eine Beseitigungsverfügung nicht ergehen
darf. Die
Landesbauordnungen haben dies positivrechtlich geregelt,
indem die Vorschriften
über die Baubeseitigung verlangen, daß die
Anlage im Widerspruch zu
öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet
wurde. Eine
Beseitigungsverfügung ist also nur dann
zulässig, wenn die materielle
Illegalität bei der Errichtung des Baus vorlag,
nicht jedoch, wenn sie
später eintrat.
cc. Verwaltungsakte mit Dauerwirkung
Verwaltungsakte mit Dauerwirkung sind Verwaltungsakte,
die sich nicht in
einem einmaligen Gebot oder Verbot erschöpfen,
sondern über einen
bestimmten Zeitraum Rechtswirkungen entfalten (etwa
Verkehrszeichen,
Gewerbegenehmigung, Bewilligung eines monatlichen
Stipendiums etc.). Bei der
Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt kommt es auf
die Betrachtungsweise
an: Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist der Zeitpunkt
des Erlasses des
Verwaltungsaktes maßgebend. Aus
materiellrechtlicher Sicht gilt etwas
anderes: Wurde der Dauerverwaltungsakt
ursprünglich
rechtmäßig erlassen, stimmt er aber im
Nachhinein infolge einer
geänderten Sach- und Rechtslage nicht mehr mit
geltendem Recht
überein, so muß die Frage aufgeworfen werden,
ob seine
Aufrechterhaltung rechtswidrig wäre und er deshalb
aufgehoben werden
müßte.
Wegen der in die Zukunft reichenden Regelung ist auf den
Zeitpunkt der
letzten mündlichen Gerichtsverhandlung
abzustellen, da sich der
Verwaltungsakt gewissermaßen stets erneuert. Daher
muß
berücksichtigt werden, ob er zum jeweiligen neuen
Zeitpunkt noch hätte
rechtmäßig ergehen können. Von
praktischer Bedeutung ist dies
für die Frage, ob eine Aufhebungverfügung der
Behörde sich nach
den Rücknahme- oder den Widerrufsregeln (vgl.
§§ 48, 49 VwVfG)
bestimmt und damit eine Aufhebung mit Wirkung auch
für die Vergangenheit
(
ex tunc) oder nur für die Zukunft (
ex
nunc) erfolgen kann.
Da Dauerverwaltungsakte ihre Rechtswirkungen nicht zu
einem bestimmten Zeitpunkt
entfalten, sondern dies auf einen längeren Zeitraum
erstrecken, muß
auch ihre Vereinbarkeit mit den ihnen zugrundeliegenden
Rechtssätzen
für die Zeitdauer der Wirkung unverändert
Bestand haben. Daher scheint
eine Rücknahme beispielsweise nach § 48 VwVfG
mit
ex
nunc-Wirkung angebracht, soweit nicht die Regeln
über den Widerruf,
d.h. nach spezialgesetzlichen Vorschriften ggf. i.V.m.
§§ 49, 49 a
VwVfG einen Widerruf auch
ex tunc
zulassen.
[59] Zum
Sonderfall der
Gewerbeuntersagung gem. § 35 GewO vgl. die
Ausführungen bei
Schmidt/Seidel, BesVerwR, S. 8.
3. Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit eines
Verwaltungsakts
In einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland
ist im Zweifel
anzunehmen, daß ein rechtswidriger Staatsakt
nichtig, d.h. rechtsunwirksam
ist. Dies trifft insbesondere für formelle Gesetze
und Rechtsverordnungen
zu. Allerdings kann der formelle Gesetzgeber auch
Ausnahmen zulassen. So hat er
bei bestimmten rechtswidrigen baurechtlichen Satzungen
(d.h. bei
Bebauungsplänen gem. § 10 BauGB) eine
differenzierte Fehlerfolge
festgelegt. Bestimmte (in erster Linie formelle) Fehler
sind der Heilung
zugänglich bzw. unbeachtlich, vgl. §§ 214
f. BauGB. Eine
vergleichbare differenzierte Fehlerfolge besteht auch
bei den Verwaltungsakten.
Aus § 43 I, III VwVfG ergibt sich, daß ein
rechtswidriger
Verwaltungsakt im Interesse der Rechtssicherheit
grundsätzlich wirksam ist.
Auch bestimmt § 45 VwVfG, daß bestimmte
formelle Fehler heilbar sind.
Nach § 46 VwVfG sind bestimmte formelle Fehler
unbeachtlich. Der
rechtswidrige Verwaltungsakt entfaltet also
grundsätzlich Rechtswirkungen
und ist von jedermann zu beachten. Dieser rechtswidrige
Zustand muß aber
nicht geduldet werden. Der Verwaltungsakt kann
angefochten werden, und zwar
durch Einlegung eines Widerspruchs bzw. Erhebung einer
Anfechtungsklage. Diese
Rechtsbehelfe haben grundsätzlich zur Folge,
daß der Verwaltungsakt
vorerst nicht vollzogen werden darf (sog. aufschiebende
Wirkung, vgl. § 80
I VwGO). Es besteht eine Vollzugshemmung, bis der
Verwaltungsakt entweder von
der Verwaltung oder von dem Verwaltungsgericht (§
113 I S. 1 VwGO)
aufgehoben wird. Leidet der Verwaltungsakt jedoch an
einem offensichtlichen und
besonders schwerwiegenden Fehler, so ist er gem. §
44 VwVfG von Anfang an
nichtig, d.h. rechtsunwirksam.
Daraus ergeben sich folgende Grundsätze:
- Der offensichtlich und
schwerwiegend
rechtswidrige Verwaltungsakt ist nichtig (§ 44
VwVfG). Er entfaltet
keinerlei Rechtswirkungen.
- Im übrigen ist der
rechtswidrige
Verwaltungsakt wirksam (§ 43 I, III VwVfG). Er ist
aber anfechtbar und
aufhebbar.
- Bestimmte
Verfahrensfehler sind heilbar (§
45 VwVfG). Ist eine Heilung erfolgt, ist die Verletzung
von Verfahrens- oder
Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach
§ 44 VwVfG nichtig
machen, unbeachtlich.
- Bestimmte
Verfahrensfehler sind unbeachtlich,
wenn der betreffende Verfahrensfehler offensichtlich die
Entscheidung in der
Sache nicht beeinflußt hat (§ 46 VwVfG).
- Ein rechtswidriger
Verwaltungsakt kann unter
bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen werden
(§ 48
VwVfG).
- Ein rechtswidriger
Verwaltungsakt kann ggf. in
einen rechtmäßigen Verwaltungsakt umgedeutet
werden (§ 47
VwVfG).
- Ein offenbar unrichtiger
Verwaltungsakt kann
jederzeit und ohne weiteres berichtigt werden (§ 42
VwVfG).
- Eine fehlende oder
unrichtige
Rechtsbehelfsbelehrung berührt die
Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsakts nicht. Sie führt aber zur
Verlängerung der
Rechtsbehelfsfrist von einem Monat (§§ 70, 74,
58 I VwGO) auf ein Jahr
(§ 58 II VwGO).
[1] Zu
beachten ist aber die
Ausnahme z.B. bei Gemeinderatsbeschlüssen, die
unter Verletzung des
Öffentlichkeitsgrundsatzes (= zwingendes
Verfahrensrecht, nicht
bloßes Ordnungsrecht) zustande gekommen und daher
nichtig sind (vgl.
Stober, Kommunalrecht, § 15 II 5
d).
[2] Zur
Heilungsmöglichkeit formell fehlerhafter
Verwaltungsakte siehe
Schmidt/Seidel, AllgVerwR S. 91 und S. 96, zur
Unbeachtlichkeit S. 93 und
96.
[3] Vgl.
hierzu näher
Schnapp/Cordewener, Welche Rechtsfolgen hat die
Fehlerhaftigkeit eines
Verwaltungsakts?, in: JuS 1999, 39, 40
f..
[4] Zu den
städtebaulichen Verträgen vgl. § 11 BauGB
sowie BVerwGE
42, 331; 90, 310. Zu beachten ist, daß die
Gemeinde sich nicht
verpflichten darf, einen Bebauungsplan bestimmten
Inhalts zu erlassen (vgl.
§ 11 I S. 2 Nr. 1 a.E. BauGB sowie BVerwG DVBl.
1980, 686, 688;
DÖV 1981, 878).
[5] Zur
Notifikationspflicht
und der damit verbundenen Problematik vgl. unten S. 128
ff. und im Besonderen
Verwaltungsrecht S. 55 ff..
[6] Zu
beachten ist,
daß in der Praxis die Gemeinde nur einen
Rückforderungsbescheid
erläßt. In diesem Rückforderungsbescheid
liegt gleichzeitig und
konkludent der Aufhebungsbescheid.
[7]
BVerwGE 20, 295,
297 f.; 40, 85, 89.
[8]
BVerwGE 71, 354,
357 f.; 27, 245.
[9]
Rupp, DVBl.
1963, 577 ff.; Renck, JuS 1965, 129
ff.; Achterberg,
VerwR, § 20 Rdnr. 81 ff.; Bethge/Detterbeck,
JuS 1991, 227
f..
[10] Zum
öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch vgl.
Schmidt/Seidel, VerwProzR,
S. 202 ff..
[11]
Kopp/Ramsauer,
VwVfG, § 49a Rdnr. 12.
[12] Zum
Behördenaufbau vgl. Schmidt/Seidel,
AllgVerwR, S. 3
ff..
[13]
Vgl. zum Streitstand
Kopp, VwVfG, § 28 Rdnrn. 9 ff..
[14] In
Extremfällen
kann sogar die Nichtigkeit gem. § 44 VwVfG
vorliegen. Im Normalfall ist der
Verwaltungsakt wegen Verstoßes gegen eine
Verfahrens- oder Formvorschrift
aber nur rechtswidrig und aufhebbar (§ 43
VwVfG).
[15]
Vgl. Hufen, JuS
1999, 313, 316.
[16] Zur
Rechtsnatur und
zur Unterscheidung zwischen Fachaufsicht und
Rechtsaufsicht vgl.
Schmidt/Seidel, AllgVerwR, S. 12 ff..
[17]
§ 45 VwVfG wurde
neugefaßt im Rahmen des
Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom
12.09.1996 (BGBl. I, S. 1354).
[18]
Umstritten ist, ob
aufgrund dieses Wortlautes eine Heilung auch im Verlauf
des Revisionsverfahrens
stattfinden kann. Wenn man berücksichtigt,
daß in der Revision nur
eine Rechtskontrolle stattfindet, und das
Revisionsgericht an Tatsachenfragen
gebunden ist, kann sich dementsprechend eine Heilung
während des
Revisionsverfahren nur auf rechtliche, nicht auf
tatsächliche Aspekte
beziehen. Vgl. hierzu näher Hufen, JuS 1999,
313, 317
f..
[19]
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998,
§ 21 Rdnr.
10.
[20]
Schmitz/Wessendorf, NVwZ 1996, 955,
958.
[21]
Danach sind
Mängel erheblich, wenn „sie offensichtlich
und auf das
Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen
sind“.
[22]
Hufen,
VerwProzR, § 25 Rdnr. 13; teilweise a.A.
Papier, Direkte
Wirkung von Richtlinien der EG im Umwelt- und
Technikrecht, in: DVBl.
1993, 809, 814, wonach § 46 VwVfG den
EG-Richtlinien vorgeht. Diese
Auffassung scheint aber mit Blick auf die neue
Rechtsprechung des EuGH (NVwZ
1998, 45 ff.) nunmehr fraglich.
[23]
Vgl. BaWü:
§§ 58 f. LBO; Bay: Art. 72 LBO;
Berl: § 62 LBO;
Bbg: § 74 LBO; Hamb: §§ 69
f. LBO; Hess:
§ 70 LBO; MV: § 72 LBO; Nds:
§§ 75, 78 LBO;
NRW: § 75 LBO; RhlPf: §§
68, 74 LBO; Saar:
§ 70 LBO; Sachs: § 70 LBO; LSA:
§ 74 LBO;
SchHolst: § 78 LBO; Thür: §
70
LBO.
[24] VG
Gera NVwZ
1999, 100, 101.
[25]
BVerwGE 41,
305, 306.
[26]
Für die Rechts-
bzw. Anspruchsgrundlage bei den Leistungsklagen gilt
entsprechendes.
[27]
Vgl. Bund:
§ 14 BGSG; Bay: Art. 11 I PAG; Berl:
§ 17 I ASOG;
Bran: § 3 VGPolG; Brem: § 10 I
PolG; Hamb: §
3 I SOG; Hess: § 11 SOG; MeckVor:
§ 13 SOG; Nds:
§ 11 GefAG; NW: § 8 I PolG;
RhlPfl: § 9 I POG;
Saarl: § 8 I PolG; Sachs: § 3 I
PolG; SachsAnh:
§ 13 SOG; SchlHolst: §§ 174, 176
LVwG; Thür:
§ 12 I PAG.
[28]
Vgl. näher im
Besonderen Verwaltungsrecht S. 199 ff.
[29] Die
insoweit die
allgemeineren §§ 48 ff. VwVfG
ausschließen (§ 15 II, III
GastG: Widerruf), bzw. nur modifizieren (§ 15 I
GastG:
Rücknahme).
[30]
Vgl. näher im
Besonderen Verwaltungsrecht S. 12 f. und 27.
[31]
Vgl. näher im
Besonderen Verwaltungsrecht S. 3 und 23.
[32] In
diesem Fall werden
die §§ 48 ff. VwVfG nur in Bereichen
ausgeschlossen, in denen die
§§ 11, 12 BBG eine abschließende
Regelung darstellen. Im
übrigen bleibt es bei der Anwendung der
§§ 48 ff.
VwVfG.
[33] Zur
Wiederholung sei
darauf hingewiesen, daß nach der herrschenden
Nichtigkeitstheorie
Rechtssätze nichtig sind, wenn sie rechtswidrig
sind. Rechtswidrige (nicht
nichtige, vgl. § 44 VwVfG) Verwaltungsakte sind
jedoch nur anfechtbar und
aufhebbar; darüber hinaus genießen sie nach
Ablauf der
Rechtsbehelfsfristen Bestandsschutz.
[34] Zu
den
Auslegungsmethoden vgl. S. 257 ff..
[35]
Verwaltungsvorschriften genügen dem
Gesetzesvorbehalt nicht, weil sie -
streng der Rechtsquellenlehre folgend –
grundsätzlich nur Innenrecht
darstellen und sich im Grundsatz ausschließlich an
nachgeordnete
Behörden und Beamte richten. Im Bereich des
eingeschränkten
Gesetzesvorbehalts (Leistungsverwaltung) können sie
jedoch bei der
Subventionsvergabe eine Rolle spielen.
[36]
Nach BVerfG NJW
1992, 1875 ff. (Vereinbarkeit von Fangschaltungen
mit dem
Fernmeldegeheimnis).
[37]
BVerfGE 67,
157, 172 (Überwachung des Brief- und
Telefonverkehrs).
[38]
Vgl. dazu BVerfGE
33, 1, 12 (Strafgefangener).
[39]
Vgl. BVerfG a.a.O., S.
13.
[40]
Vgl. BVerwGE
79, 208, 213; Maurer, AllgVerwR, § 7
Rdnrn. 31 ff.;
Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht,
§ 33 II
1.
[41]
Vgl. Bachof, JZ
1955, 97 (100 f.); Ule, Unbestimmte
Rechtsbegriffe, in:
Gedächtnisschrift für W. Jellinek,
1955, S. 309 ff.;
ders., VerwProzR, § 2 (S. 10 u. 23 f.);
Wolff/Bachof/Stober,
Verwaltungsrecht I, § 31 Rdnrn. 14 ff.; BVerwGE
62, 330, 340;
Tettinger, DVBl. 1982, 421 ff.;
Stober, Allgemeines
Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 33 II 1;
ders., Handbuch, § 55
II (S. 727 ff.).
[42]
Vgl. dazu
Maurer, AllgVerwR, § 7 Rdnrn. 31 u.
33.
[43]
BVerfGE 84, 34,
45 f.; BVerwGE 8, 272, 273 ff.; 79, 208,
213 ff.; 82, 295,
299 ff.; 72, 300, 316 f.; 81, 185, 190
ff.; BVerwG NVwZ
1998, 738; vgl. auch ausführlich
Maurer, AllgVerwR, § 7
Rdnrn. 37-44; Ossenbühl, Richterliche
Kontrolle von
Prognoseentscheidungen, in: Menger-FS, S. 731
(745).
[44]
BVerwGE 64,
238, 242; Gramlich, Begründetheit
wirtschaftsverwaltungsrechtlicher-
und umweltrechtlicher Klagen, in: Stober, Rechtsschutz,
§ 6 II;
Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht,
§ 33 II
1.
[45]
BVerfGE 19,
343, 348; 69, 135.
[46]
Eine
Gefahrenabwehrmaßnahme ist nur dann
erforderlich, wenn sie von
mehreren möglichen und gleich geeigneten Mitteln
dasjenige ist, das den
einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten
beeinträchtigt. Dieses Prinzip
des sog. Interventionsminimums fragt danach, ob im
konkreten Fall nicht eine zur
Gefahrenabwehr gleich wirksame Maßnahme in
Betracht kommt, die weniger
belastend wirkt.
[47] Es
muß eine
Abwägung stattfinden zwischen der Intensität
des Eingriffs in das
grundrechtlich geschützte Rechtsgut und der
Wertigkeit des verfolgten
Zwecks der Maßnahme.
[48]
Bund: § 3
II MEPolG; Bay: Art. 5 II PAG; BW: §
3 II PolG; Berl:
§ 12 II ASOG; Bran: § 5 II PolG, §
16 II OBG; Brem:
§ 4 II PolG; Hamb: § 4 III SOG;
Hess: § 5 II SOG;
MeckVor: §§ 13, 14 II SOG; NRW:
§ 3 II PolG, §
3 II OBG; Nds: 5 II GefAG; RhlPfl: §
3 II PolG; Saarl:
§ 3 II PolG; Sachs: § 3 II PolG;
Sachs-Anh: § 6 II
SOG; SchlHolst: § 174 II LVwG;
Thür: § 5 II
OBG.
[49]
Teilweise wird auch
vertreten, den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit aufbautechnisch
nach dem Ermessen zu prüfen. Diese
Vorgehensweise ist abzulehnen,
denn überschreitet die Verwaltung das ihr
eingeräumte Ermessen, so
verstößt sie zugleich gegen Grundrechte,
gegen allgemeine
Grundsätze des Verwaltungsrechts und/oder gegen den
Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Für eine
separate Prüfung der
Verhältnismäßigkeit ist somit kein Raum
mehr. Insbesondere ist
eine „freischwebende“
Verhältnismäßigkeitsprüfung
abzulehnen.
[50]
BVerwGE 82,
260, 261; Hufen, VerwProzR, § 34 Rdnrn. 8
ff.;
Schnapp/Henkenötter, JuS 1998, 624,
625; a.A.
neuerdings BVerwGE 97, 79, 81 f. wonach stets
die zum Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung geltenden Rechtsvorschriften
maßgeblich
seien.
[51] Im
Gegensatz dazu
steht die Verpflichtungsklage, bei der nach einer
Faustformel des BVerwG auf den
Zeitpunkt der letzten mündlichen
Prozeßverhandlung abzustellen ist.
Das gilt auch dann, wenn der geltend gemachte Anspruch
im Zeitpunkt der letzten
Behördenentscheidung noch durchsetzbar gewesen war,
im Zeitpunkt der
letzten mündlichen Gerichtsverhandlung eine
Erfüllung durch die
Behörde aber ausscheidet, weil sie aus rechtlichen
oder tatsächlichen
Gründen nicht mehr in der Lage ist, dem Begehren
nachzukommen. Dem
Kläger bleibt dann nur noch ein
Schadenersatzanspruch (z.B. aus § 839
BGB i.V.m. Art. 34 GG oder aus enteignungsgleichem
Eingriff) bzw. die
Klageumstellung auf eine (Verpflichtungs-)
Fortsetzungsfeststellungsklage analog
§ 113 I S. 4 VwGO. Von diesem Grundsatz ist eine
Ausnahme zu machen, wenn
eine behördliche Ermessensentscheidung
überprüft wird. Hier ist
Beurteilungszeitpunkt die letzte
Behördenentscheidung.
[52]
Etwas anderes gilt
nur, wenn die Durchführung eines
Widerspruchsverfahrens gem. § 68 I S.
2 VwGO entbehrlich war. Dann ist die letzte
Behördenentscheidung der
Grundverwaltungsakt.
[53]
BVerwGE 49,
197, 198.
[54]
Angelehnt an VGH
Mannheim NVwZ 1997, 405 f..
[55]
BVerwG DÖV
1970, 136, 137; DVBl. 1978,
614.
[56]
Hufen,
VerwProzR, § 7 Rdnr. 12.
[57] Zu
beachten ist,
daß dies nicht im Immissionsschutzrecht gilt, vgl.
§ 17
BImSchG.
[58]
Vgl. BaWü:
§ 65 LBO; Bay: Art. 82 LBO; Berl:
§ 70 LBO; Bbg:
§ 82 LBO; Brem: § 82 LBO; Hamb:
§ 76 LBO;
Hess: § 78 LBO; MV: § 80 LBO;
Nds: § 89 LBO;
NRW: § 61 LBO, § 14 OBG; RhlPf:
§§ 78, 78 a
LBO; Saar: § 88 LBO; Sachs:
§§ 77, 77 a LBO;
LSA: § 81 LBO; SchHolst: § 86
LBO; Thür:
§ 77 LBO.
[59]
Vgl. dazu
Maurer, AllgVerwR, § 10 Rdnr. 3.