Die Anfechtung von rechtswidrigen Verwaltungsakten ist in verschiedenen
Gesetzen geregelt. Die wichtigsten und klausurrelevantesten Vorschriften sind
§§ 68 ff. und § 40 I VwGO. Darauf beschränken sich die
nachfolgenden Ausführungen.
Weitere, in ihren Regelungsbereichen speziellere
Vorschriften sind §§ 347 ff. AO 1977, §§ 33 ff. FGO für
den Bereich der Finanzverwaltung, §§ 78 ff., §§ 51 ff. SGG
für den Bereich der Sozialversicherung und die §§ 23 ff. EGGVG
für die sog.
Justizverwaltungsakte.
2. Der Widerspruch
a. Allgemeines
Die Erhebung der Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt setzt
grundsätzlich voraus, daß vor Anrufung des Verwaltungsgerichts
Rechtmäßigkeit und
Zweckmäßigkeit des
Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachgeprüft worden sind, § 68 I
S. 1, II
VwGO.
[1] Dieses
Verfahren wird nach dem vom betroffenen Bürger einzulegenden Rechtsbehelf
„Widerspruch“ als
Widerspruchsverfahren bezeichnet. Die
Einlegung des Widerspruchs muß binnen Monatsfrist (bei fehlender
Rechtsbehelfsbelehrung binnen Jahresfrist) nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts
erfolgen, vgl. § 70 I, II i.V.m. § 58 II VwGO.
Nach seiner Rechtsnatur ist das Widerspruchsverfahren ein
Verwaltungsverfahren. Bei seiner Durchführung handelt es sich indes
um eine besondere Sachentscheidungsvoraussetzung für die
Verwaltungsakt-Klagen.[2]
Daher befindet sich im Bereich des Widerspruchsverfahrens auch der eigentliche
Schnittpunkt zwischen der VwGO und dem VwVfG. Die Vorschriften des VwVfG
dürfen nur ergänzend, also nur insofern herangezogen werden, als die
VwGO (§§ 68 ff.) keine abschließenden Regelungen trifft (vgl.
§ 79 VwVfG). Nicht zuletzt wegen der komplizierten
Subsidiaritätsklausel des VwVfG (vor allem dessen §§ 1 und 2) ist
die Harmonisierung der beiden Gesetze zum Teil mit großen Schwierigkeiten
verbunden (siehe Schmidt/Seidel, VerwProzR S.
334 f.).
Hat der betroffene Bürger Widerspruch eingelegt, verläuft die
Überprüfung der Rechtmäßigkeit und
Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in der Regel in zwei
Phasen:
Zunächst muß die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen
hat (sog. Erlaß- oder Ausgangsbehörde) diesen selbst
überprüfen. Hilft sie der Beschwer ab, so erläßt sie einen
Abhilfebescheid, durch den der ursprüngliche Verwaltungsakt aufgehoben oder
abgeändert wird (§ 72 VwGO). Hilft sie der Beschwer nicht ab,
übergibt sie den ganzen Vorgang an die nächsthöhere Behörde
(die sog. Widerspruchsbehörde, vgl. § 73 VwGO), damit diese
entscheidet.
Die Widerspruchsbehörde hat nun den Ausgangsverwaltungsakt unter
denselben Gesichtspunkten zu prüfen wie die Ausgangsbehörde. Auch sie
kann den ursprünglichen Verwaltungsakt aufheben oder abändern. Sie
kann ihn aber auch bestätigen. In beiden Fällen ergeht ein
Widerspruchsbescheid. Bestätigt dieser Widerspruchsbescheid den
ursprünglichen Verwaltungsakt oder vergrößert gar die Beschwer
(sog. Verböserung), kann der Rechtsschutzsuchende entweder den
ursprünglichen Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den
Widerspruchsbescheid gefunden hat anfechten (§ 79 I Nr. 1 VwGO), oder sein
Anfechtungsbegehren richtet sich auf die isolierte Aufhebung des
Widerspruchsbescheids (§ 79 II S. 1 VwGO).
b. Aufbau einer Widerspruchsklausur
Die Prüfung eines Widerspruchs kann in zwei Konstellationen auftreten.
In der ersten ist noch kein Widerpruchsbescheid ergangen, sei es, daß der
Bürger noch keinen Widerspruch eingelegt hat, oder sei es, daß
über einen eingelegten Widerspruch noch nicht entschieden ist. In diesem
Fall handelt es sich bei der Fallgestaltung um die Prüfung eines
Widerspruchsverfahrens in der Gestalt eines
Verwaltungsverfahrens, bei
dem sowohl Rechtmäßigkeit als auch Zweckmäßigkeit des
Verwaltungsaktes zu prüfen sind.
In der zweiten Konstellation ist bereits ein Widerspruchsbescheid ergangen,
der gerichtlich (lediglich) auf seine Rechtmäßigkeit hin
überprüft werden kann. Die Zweckmäßigkeitsprüfung
entfällt deshalb, weil das Gericht aufgrund des der Verwaltung
eingeräumten Ermessens, in einer vom Zweck der gesetzlichen
Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch zu machen, nur eine
Überprüfung der Nichteinhaltung der Ermessensgrenzen, also eine
Überprüfung in rechtlicher Hinsicht, vornehmen darf (vgl. § 114
S. 1 VwGO). Handelt es sich um eine gebundene Verwaltungsentscheidung,
entfällt schon aus diesem Grund die Zweckmäßigkeitsprüfung.
Steht fest, daß der Widerspruch in der ersten Konstellationen zu
prüfen ist, geht es ausschließlich darum, Zulässigkeit und
Begründetheit eines Widerspruchs zu prüfen. Allerdings kann die
Fallgestaltung auch Veranlassung dazu geben, zuvor noch die Eingabe des
Bürgers überhaupt als Widerspruch zu qualifizieren und ihn von den
formlosen Rechtsbehelfen, insbesondere von der Fachaufsichtsbeschwerde,
abzugrenzen.[3] Für
die Prüfung der allgemeinen und besonderen
Zulässigkeitsvoraussetzungen, die vorliegen müssen, damit
überhaupt ein Widerpruchsbescheid ergehen kann, sowie die der
Begründetheit wird folgende Prüfungsfolge vorgeschlagen, wobei sich
die angegebenen Seitenverweise auf den Band
Verwaltungsprozeßrecht
beziehen :
Obersatz: „Als förmlicher außergerichtlicher
Rechtsbehelf ist der Widerspruch erfolgreich, wenn er zulässig und
begründet ist.“
I. Zulässigkeit
1. Verwaltungsrechtsweg, § 40 VwGO analog
2. Statthaftigkeit des Widerspruchs, § 68 VwGO
a. Anfechtungswiderspruch, § 68 I VwGO
b. Verpflichtungswiderspruch, § 68 II VwGO
c. Statthaftigkeit in sonstigen gesetzlich angeordneten
Fällen
d. Ausnahmen von der Statthaftigkeit
aa. Gesetzliche Bestimmungen, § 68 I S. 2, 1. Alt.
VwGO
- § 74 I S. 2 VwVfG i.V.m. § 70 VwVfG
- § 75 S. 1, 1.Alt. VwGO
- Die Erlaßbehörde des Ausgangsverwaltungsakts ist
eine oberste Bundes- oder Landesbehörde, § 68 I S. 2, 2. Alt. Nr. 1
VwGO
- Erstmalige Beschwer durch den Abhilfebescheid oder
Widerspruchsbescheid, § 68 I S. 2, 2. Alt. Nr. 2 VwGO
bb. Ungeregelte Fälle der
Entbehrlichkeit
3. Widerspruchsbefugnis, § 42 II VwGO analog
4. Form- und Fristerfordernisse, §§ 70 ff. VwGO
a. Form und notwendiger Inhalt
b. Fristberechnung
c. Bekanntgabe
d. Fehlende oder unrichtige
Rechtsbehelfsbelehrung
e. Zustellung eines Verwaltungsaktes
f. Mangelhafte Bezeichnung des Adressaten
5. Beteiligungs- und Handlungsfähigkeit, § 79 i.V.m. §§
11, 12 VwVfG
6. Widerspruchsinteresse (Rechtsschutzbedürfnis)
II. Begründetheit
„Der Widerspruch ist begründet, wenn der ...
(Verwaltungsakt) rechtswidrig ist und den ...
(Widerspruchsführer) dadurch in seinen Rechten
verletzt bzw. wenn der ... (Verwaltungsakt)
unzweckmäßig ist und den ...
(Widerspruchsführer) dadurch in seinen rechtlich
geschützten Interessen beeinträchtigt, §§ 68 ff. i.V.m. 113
I S. 1 VwGO analog.“[4]
1. Rechtsgrundlage / Anspruchsgrundlage
2. Formelle Rechtmäßigkeit
3. Materielle Rechtmäßigkeit
4. Maßgeblicher Zeitpunkt
5. Rechtsverletzung beim Widerspruchsführer
6. Prüfungsmaßstab Zweckmäßigkeit
7. Unbeachtlichkeitsregelung des § 46 VwVfG
|
3. Die Anfechtungsklage
Wird der Widerspruch zurückgewiesen – oder war die
Durchführung des Widerspruchsverfahrens entbehrlich bzw. unstatthaft
– kann der Betroffene binnen Monatsfrist (bei fehlender
Rechtsbehelfsbelehrung binnen Jahresfrist, vgl. § 74, 58 VwGO)
Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht erheben. Im Gegensatz zur
Widerspruchsbehörde darf das Verwaltungsgericht lediglich die
Rechtmäßigkeit, nicht auch die Zweckmäßigkeit des
Verwaltungsakts überprüfen. Kommt es zu dem Ergebnis, daß der
Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt,
so hebt es diesen auf, § 113 I S. 1 VwGO.
Die Sachentscheidungsvoraussetzungen und die Voraussetzungen für die
Durchführung des Gerichtsverfahrens sind in der VwGO geregelt. Auf
Einzelheiten kann im Rahmen dieser Darstellung nicht eingegangen werden.
Insoweit sei auf die ausführlichen Erläuterungen bei Schmidt/Seidel,
VerwProzR,
S. 5 ff. verwiesen. Zur besseren
Orientierung soll jedoch ein Aufbauschema für die
Sachentscheidungsvoraussetzungen und die Begründetheit vorgestellt werden:
Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich – wenn nicht anderes angegeben
– auf die vorliegende Bearbeitung.
A. Sachentscheidungsvoraussetzungen
- Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 I
VwGO
- Statthaftigkeit der Klageart (zulässige
Verfahrensart)
- Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen der
Anfechtungsklage
- Klagebefugnis, § 42 II VwGO
- Vorverfahren, §§ 68 ff. VwGO
- Klagefrist, § 74 VwGO
- Klagegegner, § 78
VwGO[5]
- Allgemeine, für alle Klage- und
Verfahrensarten gleichermaßen zu prüfenden
Sachentscheidungsvoraussetzungen.
- Beteiligungsfähigkeit, § 61 VwGO
- Prozeßfähigkeit, § 62 VwGO
- Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung, §§
81, 82 VwGO
- Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, §§ 45,
52 VwGO
- Fehlen einer anderen Rechtshängigkeit, § 17 GVG,
und einer rechtskräftigen Entscheidung in derselben Sache, § 121
VwGO
- Allgemeines
Rechtsschutzbedürfnis
B. Begründetheit
- Rechtsgrundlage für den Erlaß eines
Verwaltungsaktes
- Formelle Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsaktes
1. Zuständigkeit der
handelnden Behörde
2. Ordnungsgemäßes Verfahren
3. Einhaltung der Formvorschriften
III. Materielle Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsaktes
1. Rechtmäßigkeit der
Rechtsgrundlage
a. Vereinbarkeit des Gesetzes mit Europäischem
Gemeinschaftsrecht (VerwProzR S. 103)
b. Vereinbarkeit des Gesetzes mit nationalem
Verfassungsrecht
aa. Vereinbarkeit mit Grundrechten
bb. Einhaltung der Bestimmtheitstrias des Art. 80 I S. 2 GG
bei
Zwischenschaltung von
Rechtsverordnungen
2. Vereinbarkeit des Verwaltungsaktes mit der
Rechtsgrundlage
a. Unbestimmte Rechtsbegriffe
b. Beurteilungsspielräume
c. Planerische Abwägungsentscheidungen
3. Ermessen
4. Kein Verstoß gegen sonstiges Recht
IV. Maßgeblicher Zeitpunkt
1. Noch nicht vollzogener Verwaltungsakt
2. Dauerverwaltungsakte
3. Nachschieben von Gründen
V. Rechtsverletzung beim Kläger
|
VI. Die Nichtigkeit von Verwaltungsakten
1. Nichtigkeitsgründe
Nach der Legaldefinition des § 44 I VwVfG ist ein Verwaltungsakt
nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei
verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände
offensichtlich ist (sog. Evidenztheorie). Maßstab für die Beurteilung
der Nichtigkeit ist die Betrachtung eines aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsmenschen. Da durchaus Zweifel bestehen können, ob ein
Verwaltungsakt im konkreten Fall an einem zur Nichtigkeit führenden Fehler
leidet, nennt § 44 II VwVfG einige Rechtsverstöße, die stets zur
Nichtigkeit des Verwaltungsakts führen (absolute Nichtigkeitsgründe)
und § 44 III VwVfG einige Rechtsverstöße, die nie die
Nichtigkeit auslösen.
Ein absoluter Nichtigkeitsgrund liegt demnach vor, wenn der
Verwaltungsakt
- schriftlich erlassen worden ist, die erlassende
Behörde aber nicht erkennen läßt.
Der Grund für diesen absoluten Nichtigkeitsgrund liegt
darin, daß der betroffene Bürger nicht weiß, von welcher
Behörde der Verwaltungsakt stammt und ihn daher auch nicht anfechten
kann
- nach einer Rechtsvorschrift nur durch die
Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht
genügt.
So ist dem zum Beamten ernannten Bewerber die
Ernennungsurkunde auszuhändigen. Fehlt die Aushändigung dieser
Urkunde, so ist die Ernennung nichtig (§ 6 II S. 1-3 BBG, § 5 II, III
BRRG). Entsprechendes gilt für die Einbürgerung eines Ausländers
(§ 16 I StAG).
- von einer örtlich unzuständigen
Behörde (vgl. § 3 I Nr. 1 VwVfG) erlassen worden ist, und keine
anderweitige Ermächtigung vorliegt.
So ist eine Baugenehmigung, die von einer Gemeinde erteilt
wird, wegen Verstoßes gegen die örtliche Zuständigkeit nichtig,
wenn sie ein Bauvorhaben betrifft, das sich auf einem Grundstück der
Nachbargemeinde befindet.
- aus tatsächlichen Gründen von niemandem
ausgeführt werden kann.
So kann eine Bauabrißverfügung, die ein bereits
abgerissenes Bauwerk betrifft, von niemandem ausgeführt werden.
- die Begehung einer Straftat oder
Ordnungswidrigkeit verlangt.
So führt das Befolgen der Aufforderung eines
Verkehrspolizisten, entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung zu fahren, zum
Tatbestand des § 49 I Nr. 1 i.V.m. § 1 II StVO (=
Ordnungswidrigkeit).
- gegen die guten Sitten
verstößt.
So ist die Erlaubnis zum Betreiben einer Live-Peep-Show nach
der Rechtsprechung des BVerwG (E 84, 314) nichtig.
Für die Prüfung des § 44 VwVfG bietet sich folgendes Schema
an:
- Positivkatalog des § 44 II VwVfG
- Negativkatalog des § 44 III VwVfG
- Nur wenn diese Absätze keine Klärung bringen, werden die
allgemeinen Voraussetzungen des § 44 I VwVfG geprüft:
a) Liegt ein Fehler vor?
b) Ist er schwerwiegend?
c) Ist er offensichtlich (d.h. auch für Laien
erkennbar)?
= nur dann ist der Verwaltungsakt nichtig
|
Bei der Überprüfung im Rahmen des § 44 I VwVfG bietet sich
die Vergleichsfalltechnik an: Der gefundene Fehler wird mit den in § 44 II
und III aufgelisteten Fehlern verglichen und abgewogen, ob er die erforderliche
Schwere aufweist. Wenn dies nicht angenommen werden kann, ist er schon nicht
offensichtlich und die Schwere des Fehlers kann auch offengelassen
werden.
2. Nichtigkeitsfeststellungsklage
Der nichtige Verwaltungsakt ist – wie bereits gesagt –
unwirksam. Er entfaltet keinerlei Rechtswirkungen und braucht von niemandem
beachtet zu werden. Die Behörde darf ihn nicht vollstrecken, der betroffene
Bürger braucht ihn nicht anzufechten. Allerdings ist zu beachten, daß
speziell im Fall des § 44 I VwVfG divergierende Auffassungen über die
Nichtigkeit eines Verwaltungsakts bestehen können. So muß ein
Bürger, der entgegen der Behörde der Auffassung ist, daß der ihn
belastende Verwaltungsakt nichtig ist, Nichtigkeitsfeststellungsklage beim
Verwaltungsgericht erheben (vgl. § 43 I Alt. 2 VwGO). Die
Nichtigkeitsfeststellungsklage hat aber zum einen den Nachteil, daß mit
ihr keine aufschiebende Wirkung verbunden ist. Die Behörde kann also den
nach ihrer Meinung rechtmäßigen Verwaltungsakt nach wie vor
vollziehen bzw. vollstrecken. Einstweiligen Rechtsschutz bietet daher nur die
Erhebung der Anfechtungsklage, die gem. § 80 I VwGO aufschiebende Wirkung
entfaltet. Zum anderen ist bei der Nichtigkeitsfeststellungsklage – anders
als bei der Anfechtungsklage – keine Frist einzuhalten. Erhebt nun ein
Bürger nach Ablauf der Anfechtungsfrist eine Nichtigkeitsfeststellungsklage
und kommt das Gericht zu dem Ergebnis, daß der Verwaltungsakt zwar
rechtswidrig, aber nicht nichtig ist, so ist der Verwaltungsakt zur (formellen)
Bestandskraft erwachsen und unterliegt keiner Anfechtung mehr. Daher ist es
zweckmäßig, daß der betroffene Bürger den Verwaltungsakt
vorsorglich fristgemäß anficht.
[1] Zu den Fällen, in
denen die Einlegung des Widerspruchs entbehrlich ist bzw. nicht statthaft ist,
vgl. ausführlich Schmidt/Seidel, VerwProzR S. 57
ff..
[2] Insoweit ist es ungenau,
von einem „Doppelcharakter“ des Widerspruchsverfahrens zu sprechen,
denn nur seine Durchführung, nicht das Verfahren selbst, ist
Sachentscheidungsvoraussetzung. In seiner Funktion als
Sachentscheidungsvoraussetzung einer Klage wird der Widerspruch von
Schmidt/Seidel, VerwProzR S. 54 ff., als Verwaltungsverfahren dort auf S.
334 ff. besprochen.
[3] Zur Erinnerung sei auf
die Möglichkeit hingewiesen, daß wenn die Widerspruchsfrist
verstrichen ist und auch keine Fiktion greift, die Klausur nach der hier
vertretenen Auffassung nicht etwa in Form eines Hilfsgutachtens
fortzuführen, sondern die Eingabe des Bürgers als
Fachaufsichtsbeschwerde zu prüfen ist. Auf die
Begründetheitsprüfung hat diese Einordnung freilich keine
Auswirkungen. Zu beachten ist aber, daß diese Konstellation von derjenigen
zu unterscheiden ist, bei der die Behörde trotz verfristet eingelegtem
Widerspruch eine Sachentscheidung herbeiführt. Vgl.
dazu Schmidt/Seidel, VerwProzR S.
70.
[4] Für den
Verpflichtungswiderspruch gilt mit den entsprechenden Änderungen
dasselbe.
[5] Nach der hier vertretenen
Auffassung wird § 78 VwGO als Prüfungspunkt „Klagegegner“
im Rahmen der Sachentscheidungsvoraussetzungen behandelt. Die Gegenauffassung
prüft § 78 VwGO als „Passivlegitimation“ bei der
Begründetheit. Vgl. dazu im einzelnen die Ausführungen im
Verwaltungsprozeßrecht auf S. 76 f.