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Wahlsystem des Bundeswahlgesetzes (Verlag Rolf Schmidt)
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Das Wahlsystem des Bundeswahlgesetzes
a. Personalisierte Verhältniswahl
aa. Wie bereits beschrieben, ist das Wahlsystem für die
Bundestagswahlen nicht im Grundgesetz niedergelegt. Der Gesetzgeber kann unter
Beachtung der Vorgaben des Art. 38 I GG das Wahlsystem frei wählen (vgl.
Art. 38 III GG, wonach das Nähere ein Bundesgesetz regelt). Insbesondere
kann er grundsätzlich zwischen einer Mehrheitswahl, einer
Verhältniswahl oder einer Verbindung zwischen beiden
wählen. [1] Das diesbezüglich vom
Bundesgesetzgeber geschaffene Wahlsystem beruht auf einer
Verhältniswahl (vgl. §§ 1 I und 6 I BWahlG). Um der Gefahr
einer Zersplitterung zu begegnen, und um die Funktionsfähigkeit des
Parlaments abzusichern, ist es mit einer Sperrklausel versehen (vgl. § 6 VI
BWahlG). Danach bleiben die Stimmen derjenigen Parteien unberücksichtigt,
die weniger als 5% der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen
erhalten (§ 6 VI S. 1 Alt. 1 BWahlG). Das Wahlsystem der Bundesrepublik
Deutschland enthält darüber hinaus die Besonderheit, daß die
Wähler mit der Erststimme eine personelle Auswahlentscheidung der über
die Verhältniswahl gewählten Parteien des Deutschen Bundestages
treffen können (vgl. §§ 1 II, 4, 5 und 6 I BWahlG). Man spricht
daher von einer Verbindung von Mehrheitswahl und Verhältniswahl, von einer
„ personalisierten
Verhältniswahl“ [2]. Im folgenden
soll das auf den ersten Blick als schwierig empfundene Wahlsystem des BWahlG
schrittweise erläutert werden. [3]
Ab der nächsten
Bundestagswahl[4] sind 598
Bundestagsmandate (§ 1 I BWahlG) aus insgesamt 299 Wahlkreisen zu vergeben.
Aus diesen Wahlkreisen wird mittels der Erststimme in relativer
Mehrheit je ein Abgeordneter direkt gewählt (§ 1 II
BWahlG). Gewählt ist also derjenige Wahlkreisbewerber, der die meisten
Stimmen auf sich vereinigen kann (§ 1 II i.V.m. § 5 BWahlG).
Wählbar sind dabei nicht nur Parteiangehörige, sondern auch Parteilose
(§ 18 I i.V.m. § 20 III BWahlG). Die auf diese Weise insgesamt
gewählten 299 Bewerber ziehen auf jeden Fall, d.h. ohne
Berücksichtigung der Mehrheitsverhältnisse der mit der Zweitstimme zu
wählenden Parteien, in den Bundestag ein. Die andere Hälfte der Sitze
wird nach dem Prinzip der Verhältniswahl über Landeslisten der
Parteien besetzt (§ 1 II BWahlG).
Für den Wahlausgang
letztlich entscheidend ist aber die Zweitstimme. Mit dieser bestimmt der
Wähler die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nach dem
Prinzip der Verhältniswahl (§ 1 I i.V.m. § 6 BWahlG): Die
politischen Parteien bewerben sich mittels Landeslisten für eine
Bundestagswahl (§ 6 i.V.m. § 27 I BWahlG). Die Aufstellung der
Kandidaten folgt bestimmten, im BWahlG festgelegten Regeln, insbesondere
müssen Delegiertenversammlungen über die Reihenfolge der Kandidaten
entscheiden (§ 21 BWahlG). Die Landeslisten sind starr, d.h. die
Reihenfolge der Kandidaten wird vor der Wahl festgelegt. Dadurch wird der
Grundsatz von der Unmittelbarkeit der Wahl gewahrt.
Landeslisten derselben Partei
gelten als verbunden, soweit eine derartige Listenverbindung nicht
ausdrücklich abgelehnt wird (§ 7 I BWahlG). Verbundene Listen gelten
also bei der Sitzverteilung im Verhältnis zu den übrigen Listen als
eine Liste (§ 7 II BWahlG). Das bedeutet, daß bei der
Verteilung der Bundestagsmandate nicht die einzelnen Landeslisten
Berücksichtigung finden, sondern die Listenverbindungen der
einzelnen Parteien. Die Bundestagsmandatsverteilung auf die Listenverbindungen
richtet sich aufgrund dieser gesetzlichen Fiktion unmittelbar nach § 6 II
BWahlG.
Die Wähler wählen
mittels ihrer Zweitstimme die in ihrem Land aufgestellte Landesliste einer
Partei (§ 4 BWahlG).
Bei der Verteilung der Sitze auf
die Landeslisten (d.h. Vergabe der Bundestagsmandate) bleiben diejenigen
Parteien, die weniger als 5% der abgegebenen gültigen Zweitstimmen
erhalten, unberücksichtigt (§ 6 VI S. 1 Alt. 1 BWahlG). Sofern sie
jedoch in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz (d.h. ein Direkt- bzw.
Grundmandat) errungen haben, nehmen sie gleichwohl an der Verteilung der
Bundestagsmandate teil (§ 6 VI S. 1 Alt. 2 BWahlG, sog.
Grundmandatsklausel). Damit soll ein Bewerber, der in einem Wahlkreis die
relative Mehrheit erhält, auch dann in den Bundestag einziehen können,
wenn die Partei, der er angehört, an der 5%-Hürde scheitert. Gleiches
gilt, wenn die Parteien eine nationale Minderheit vertreten (§ 6 VI S. 2
BWahlG). Diese beiden genannten Ausnahmen sind jedoch selten zu verzeichnen. So
hat in der jüngeren Vergangenheit lediglich die PDS in einigen Wahlkreisen
auf dem Gebiet der früheren DDR Direktmandate errungen. In der Regel kann
daher davon ausgegangen werden, daß bei der Verteilung der
Bundestagsmandate nur diejenigen Parteien Berücksichtigung finden, die
mindestens 5% der Zweitstimmen erhalten.
Für die Verteilung der 598
Mandate auf die Listenverbindungen („Bundesproporz“) ist eine
mathematische Operation notwendig: Bei dem in § 6 BWahlG zugrunde gelegten
Proportionalverfahren nach Hare/Niemeyer wird die zu verteilende Mandatszahl mit
den gültigen Zweitstimmen der Listenverbindung multipliziert und sodann
durch die Gesamtzahl der Zweitstimmen aller am Verteilungsverfahren
teilnehmenden Parteien dividiert.
598 x gültige Zweitstimmen der
jeweiligen Partei
Gesamtzahl der Zweitstimmen aller am
Verteilungsverfahren teilnehmenden Parteien
Da sich bei dem Proportionalverfahren auch Bruchzahlen
ergeben können, Mandate aber nicht teilbar sind, werden eventuell
verbleibende Sitze in der Reihenfolge der höchsten Zahlenbruchteile
vergeben (§ 6 II i.V.m. § 7 II BWahlG).
Beispiel: Es sollen 598 Sitze verteilt
werden:
Partei
|
W
|
X
|
Y
|
Z
|
erzielte Stimmen
ganze Zahlen
noch 2 Sitze nach höchstem
Zahlenbruchteil
|
320.357
= 44,64%
598 x 320.357
683.429
|
277.643
= 38,69%
598 x 277.643
683.429
|
85.429
= 11,90%
598 x 85.429
683.429
|
34.171
= 4,76%
Hier greift die gem.
§ 6 VI BWahlG geltende 5%-Hürde.
Danach bleiben die Stimmen der Z-Partei unberücksichtigt
|
Gesamtmandate
|
280
|
243
|
75
|
0
|
- 7.
Schritt
Sind nach dem
Proportionalverfahren nach Hare/Niemeyer die Mehrheitsverhältnisse
bezüglich der Listenverbindungen („Bundesproporz“) bestimmt,
ist fraglich, welchen Anteil die einzelnen Landeslisten an der auf die Partei
entfallenden Mandatszahlen haben („Landesproporz“). Hier wird
entsprechend dem Proportionalverfahren nach Hare/Niemeyer die (für die
Listenverbindung) errechnete Mandatszahl mit der für die jeweilige
Landesliste abgegebenen Zweitstimmenzahl multipliziert und durch die auf die
Partei im gesamten Wahlgebiet entfallene Zweitstimmenzahl
dividiert.
Mandatszahl der Listenverbindung x
gültige Zweitstimmen der jeweiligen Landesliste
alle Zweitstimmen der jeweiligen Partei auf
dem gesamten Wahlgebiet
Damit steht der Anteil der einzelnen Landeslisten an der
Mandatszahl der Partei („Landesproporz“) fest.
Von den auf die Landesliste
entfallenen Mandatszahlen (6. Schritt) werden die mit den Erststimmen errungen
Mandate (1. Schritt) abgezogen (§ 6 IV S. 1 BWahlG).
bb. Durch die Subtraktion der in direkter Wahl errungenen Mandate
(1. Schritt) von den auf die Landesliste entfallenen Mandatszahlen (6. Schritt)
bleiben die Mehrheitsverhältnisse, die sich aufgrund der Zweitstimmen
ergeben haben, grundsätzlich unberührt. Man kann daher sagen,
daß der Wähler durch die Erststimme nur die personelle
Zusammensetzung des Bundestages beeinflußt, nicht jedoch die Zahl der
Bundestagsmandate, die sich für die jeweilige Partei aus den für sie
abgegebenen Zweitstimmen ergibt. Es leuchtet daher ein, daß die
entscheidende Stimme die Zweitstimme ist.
cc. Da ein Splitten der Stimmen zwischen der Partei (Zweitstimme)
und dem Direktkandidaten (Erststimme) möglich ist, bleibt es dem
Wähler überlassen, mit seiner Zweitstimme z.B. die A-Partei und mit
seiner Erststimme einen der B-Partei angehörigen Kandidaten zu wählen.
Dadurch ist es denkbar, daß eine Partei mehr Direktmandate erzielt, als
ihr nach dem Verhältnis ihrer Zweitstimmen zustehen. Diese bleiben bei der
jeweiligen Partei, wodurch sich die gesetzliche Mitgliederzahl des Bundestages
erhöht (vgl. § 6 V BWahlG). [5] Solche
„ Überhangmandate“ sind der Entkoppelung von Erst- und
Zweitstimme immanent. Zur Vereinbarkeit der Zulässigkeit von
Überhangmandaten mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl siehe sogleich
unter d.
dd. Die Subtraktion der Direktmandate vom Mandatsteil einer
Partei (8. Schritt) erklärt auch die Vorschrift des § 6 I S. 2 BWahlG,
wonach die Zweitstimmen derjenigen Wähler
„unberücksichtigt“ bleiben, die ihre Erststimme einem
parteiunabhängigen Bewerber oder einem einer Partei ohne Landesliste
angehörigen Bewerber geben. Beließe man dem Wähler seine
(notwendigerweise) für eine andere Partei abgegebene Zweitstimme, so
hätte seine Stimmabgabe doppeltes Gewicht, da eine Subtraktion des
Direktmandats vom Mandatsteil einer Partei gerade nicht stattfinden
kann. [6] Durch die Regelung des § 6 I S. 2
BWahlG wird also ein doppelter Stimmerfolg bei Abgabe der Erststimme für
einen parteilosen Bewerber oder einen einer Partei ohne Landesliste
angehörigen Bewerber vermieden.
b. Entstehen und Verfassungsmäßigkeit von Überhangmandaten
Das bereits erwähnte Entstehen von Überhangmandaten
(§ 6 V BWahlG) ist mit Blick auf den Grundsatz der Gleichheit der Wahl
nicht ganz unproblematisch. Denn der Grundsatz der Gleichheit der Wahl bezieht
sich sowohl auf den Zählwert als auch auf den Erfolgswert der Wahl. Der
Erfolgswert kann bei einem Stimmensplitting aber höher sein, als das bei
einem Korrespondieren von Erst- und Zweitstimme der Fall wäre.
- Das
Bundesverfassungsgericht hat das Entstehen von Überhangmandaten
wegen der Beeinträchtigung des gleiches Erfolgswertes der Stimmen
zunächst nur in engen Grenzen als zulässig angesehen, dabei aber offen
gelassen, wo die Grenze zur Unzulässigkeit
liegt.[7] In einer
späteren Entscheidung hat das Gericht Überhangmandate jedenfalls dann
als unbedenklich angesehen, wenn sie sich im Rahmen der durch das
Sitzverteilungsverfahren ohnehin gegebenen Margen
halten.[8] Da sich bei der
Bundestagswahl von 1994 aber 16 Überhangmandate ergaben, stellte sich
erneut die Problematik der Vereinbarkeit von Überhangmandaten mit dem
Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Das Bundesverfassungsgericht hat die Zahl der
Überhangmandate bei der Bundestagswahl von 1994 (allerdings nur mit 4 zu 4
Richterstimmen) nicht für verfassungswidrig
erklärt.[9] Es sieht
die Rechtfertigung für Überhangmandate in den Besonderheiten einer
personalisierten Verhältniswahl. Hieraus folge, daß der Proporz nach
Zweitstimmen nicht alleiniges Kriterium für Anzahl und Verteilung der Sitze
sei. Die gesetzlich zugelassenen Überhangmandate seien Teil der dem
Gesetzgeber nach Art. 38 III GG überlassenen Entscheidung über das
Wahlsystem. Die Frage der Wahlgleichheit müsse damit innerhalb des Systems
der personalisierten Verhältniswahl beantwortet werden. Hierbei
könnten nicht einfach die Maßstäbe des reinen
Verhältniswahlrechts herangezogen werden. Die Gleichheit des Erfolgswertes
habe im Vergleich zur Gleichheit des Zählwerts nur eine untergeordnete
Bedeutung. Gewährleistet sei lediglich, daß jede Stimme die
gleiche rechtliche Erfolgschance habe. Diese werde auch dann nicht
verletzt, wenn Wähler einer Partei, die in einem Land Überhangmandate
erreicht hat, im Ergebnis mit ihrer Stimme einen größeren Erfolg
erzielen als Wähler anderer
Parteien.[10] Allerdings
muß sich die Zahl der Überhangmandate auch nach dieser neuen
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Grenzen halten. Als Anhalt
für diese Grenze nennt das Bundesverfassungsgericht das
Fünfprozentquorum, das auch für die Sperrklausel für
Bundestagsmandate einer Partei Anwendung
findet.[11]
- Die
Gegenansicht, insbesondere das Sondervotum, nimmt bei einer Vielzahl von
Überhangmandaten (wie das bei der Bundestagswahl von 1994 der Fall
war[12]) einen
Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl an. Zwar sei es
grundsätzlich nicht zu beanstanden, daß sich der Gesetzgeber für
eine personalisierte Verhältniswahl und die damit verbundene
Möglichkeit des Entstehens von Überhangmandaten entschieden habe. Er
hätte aber Vorkehrungen treffen müssen, daß der Erfolgswert der
Stimmen nicht unterschiedlich ausfällt. So könnte z.B. die
Beeinträchtigung der Wahlgleichheit dadurch ausgeglichen werden, daß
anderen Parteien entsprechende Ausgleichmandate zuerkannt werden (wie das
bei den Landtagswahlen üblich ist). Eine andere Möglichkeit
bestünde darin, die Überhangmandate nicht auf der Grundlage der
einzelnen Landeslisten zu ermitteln, sondern nach dem gesamten Listenkontingent,
so daß eine Partei erst dann Überhangmandate erziele, wenn sie
bundesweit mehr Direktmandate erlangt hätte, als ihr Parlamentssitze
nach dem Zweitstimmenanteil
zustünden.[13]
Stellungnahme: Für die Auffassung des
Bundesverfassungsgerichts spricht, daß das Entstehen von
Überhangmandaten dem personalisierten Verhältniswahlrecht immanent
ist, welches ja gerade der Gesetzgeber gemäß Art. 38 III GG bestimmen
durfte. Läßt das Grundgesetz dem Gesetzgeber einen
Ausgestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Wahlrechts, so muß die
Auslegung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl diesen Gestaltungsspielraum
berücksichtigen. Soweit die vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten
Grenzen beachtet werden, ist das Entstehen von Überhangmandaten
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
c. Gleichheit der Wahl und Wahlkreiszuschnitt
In bezug auf die gleiche rechtliche Erfolgschance fordert das
Bundesverfassungsgericht zusätzlich zu den Kriterien gleicher
Zählwert und gleicher Erfolgswert das Kriterium des
gleichen
Wahlkreiszuschnittes. [14] Denn es ist
einleuchtend, daß wenn die einzelnen Wahlkreise in ihrer Größe
(d.h. in bezug auf die Zahl der Wahlberechtigten) zu sehr voneinander abweichen,
eine unterschiedliche Zahl von Wählerstimmen erforderlich sind, um den
gleichen Erfolg herbeizuführen. Gleichwohl räumt das
Bundesverfassungsgericht ein, daß ein absolut gleicher Wahlkreiszuschnitt
aufgrund der politischen und geographischen Lage nicht möglich sei. Die in
§ 3 I Nr. 2 Ziffer 2 BWahlG a.F. genannte Unterschiedsmarge von 33,33% sei
jedenfalls deutlich zu hoch. Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung
inzwischen reagiert und den Wahlkreiszuschnitt im Rahmen der bereits
erwähnten Gesetzesänderung vom 15.11.1996 (BGBl I S. 1712)
modifiziert. Nunmehr sieht § 3 I Nr. 3 BWahlG vor, daß die
Bevölkerungszahl eines Wahlkreises von der durchschnittlichen
Bevölkerungszahl aller Wahlkreise nicht um mehr als 15% nach oben oder
unten abweichen soll. Bei einer Abweichung von mehr als 25% ist eine
Neueinteilung der Wahlkreise vorzunehmen. [15]
d. Nachrücken von Abgeordneten in den Bundestag
aa. Das Bestehen von Überhangmandaten hat auch Auswirkungen
auf das Nachrücken von Abgeordneten in den Bundestag. Scheidet ein
über die Erststimme in den Bundestag gekommener Abgeordneter aus, der
lediglich über ein Überhangmandat verfügte, so fällt das
Mandat ersatzlos weg. Ein Nachrücken von Abgeordneten der Partei, der der
Ausgeschiedene angehört, kommt nicht in Betracht. Dieses Ergebnis ist
konsequent, da das Überhangmandat nicht von den Mehrheitsverhältnissen
der Zweitstimmen getragen wird („ kein Nachrücken in den
Überhang“). [16]
bb. Auch der umgekehrte Fall, daß ein lediglich über
die Parteiliste (also mit Hilfe der Zweitstimme) in den Bundestag
gekommener Abgeordneter aus dem Bundestag ausscheidet, ist unproblematisch.
§ 48 I BWahlG sieht für diesen Fall vor, daß der frei gewordene
Sitz aus der Landesliste derjenigen Partei besetzt wird, für die der
Ausgeschiedene bei der Wahl aufgetreten ist, und zwar in der dort gegebenen
Reihenfolge.
cc. Fraglich ist indes, ob ein Nachrücken bei Ausscheiden
eines Abgeordneten, der über die Erststimme (die aber nicht
zu einem Überhangmandat geführt hat) in den Bundestag gekommen ist,
möglich ist. Es geht mithin um die Frage, ob das Nachrücken von
Ersatzleuten bei Ausscheiden von direkt gewählten Abgeordneten einer Partei
aus dem Bundestag mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl vereinbar ist, wenn
der ausgeschiedene Abgeordnete nicht lediglich ein Überhangmandat inne
hatte.
In Betracht kommt eine Legitimation des Nachrückens durch die
Zweitstimmen, denn in der vorliegenden Konstellation wird der einem
Wahlkreisabgeordneten zugefallene Sitz auch von dem Ergebnis der Zweitstimmen
getragen. Wenn beim Wegfall des in der Wahl persönlich gewählten
Wahlkreisabgeordneten die Anrechnung seines Direktmandates auf die Sitzzahl, die
der Landesliste nach dem Zweitstimmenergebnis zusteht, erfolgt, lebt ein
Listensitz, den ein Wahlkreisabgeordneter zunächst
„verdrängt“ hatte (vgl. § 6 IV BWahlG), gleichsam wieder
auf, so daß dieser Sitz nun in der Reihenfolge der Plätze der
Listenbewerber einem Nachfolger zufallen kann. Dadurch verliert der Wähler
allerdings den mit der Erststimme erzielten Erfolg einer Beeinflussung der
personellen Besetzung des Bundestages, was sich vermeiden ließe, wenn in
den Wahlkreisen zugleich mit den Kreiswahlvorschlägen jeweils
Ersatzkandidaten mitgewählt würden. Eine Wahl eines
„Ersatzkandidaten“ kennt das geltende Wahlrecht jedoch nicht.
Gleichwohl ist das Nachrücken in der hier behandelten Konstellation
verfassungsrechtlich unbedenklich, da es im Gestaltungsspielraum des
Gesetzgebers liegt, Elementen der Verhältniswahl gegenüber Elementen
der Personenwahl den Vorrang einzuräumen (vgl. Art. 38 III GG). Diesen
Vorrang hat der Gesetzgeber in § 48 I BWahlG statuiert. Daher hat das
Bundesverfassungsgericht die demokratische Legitimation von Listenbewerbern, die
Nachfolge eines (also über die Erststimme) direkt gewählten
Abgeordneten, anzutreten, bejaht, sofern dieser nicht lediglich über ein
Überhangmandat
verfügte. [17]
e. Problem der Grundmandatsklausel
Fraglich ist auch die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der sog.
Grundmandatsklausel (§ 6 VI S. 1 BWahlG). Das geltende
Bundeswahlrecht sieht vor, daß Parteien entsprechend dem Anteil ihrer
Stimmen bei den Listenplätzen trotz des Nichterreichens der Sperrklausel
(5%-Hürde) berücksichtigt werden, wenn sie mindestens drei
Direktmandate erringen. Das Problem besteht also darin, daß von der an
sich geltenden 5%-Hürde, die ja eine Zersplitterung des Bundestags
vermeiden soll, wieder abgewichen wird.
- Das
herrschende
Schrifttum[18]
hält die Grundmandatsklausel für verfassungswidrig. Es sei nicht
einzusehen, warum Schwerpunktparteien eher in den Bundestag kommen als
Splitterparteien. Darüber hinaus führe die Grundmandatsklausel zu
einer nicht zu tolerierenden systembedingten Ungleichbehandlung. Denn wenn
beispielsweise eine Partei, die lediglich über 1,5% der Wählerstimmen
verfügt, aber in mindestens drei Wahlkreisen ein Direktmandat errungen hat,
komme sie mit mindestens drei Sitzen in den Bundestag. Demgegenüber komme
eine Partei, die 4,9% der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte, aber
nur über zwei Direktmandate verfügt, nicht in den Bundestag. Die mit
der Personenwahl verbundene Verhältniswahl rechtfertige es allenfalls,
daß sämtliche aufgrund der Erstimmen errungen Direktmandate
erhalten blieben, auch wenn die betreffende Partei weniger als 5% der Stimmen
erhalte.
- Das
Bundesverfassungsgericht[19]
und ein Teil der
Literatur[20] haben
trotz der Bedenken die Verfassungsmäßigkeit der Grundmandatsklausel
bestätigt. Sie halten sie für eine Abmilderung der Sperrklausel, die
ihre Rechtfertigung darin findet, daß in der Erringung von drei
Direktmandaten ein besonderes Maß an Zustimmung zu der hinter den
Kandidaten stehenden Partei liegt. Es bestehe somit ein zwingender Grund
für den Eingriff in die Erfolgsgleichheit der Wahl.
f. Zusammenfassung und Bewertung
Das in der Bundesrepublik Deutschland bestehende personalisierte
Verhältniswahlrecht hat sich bewährt: Durch die Zweitstimme, die dem
Verhältniswahlrecht entspricht, bestimmen die Wähler die
Mehrheitsverhältnisse der Parteien im Bundestag. Dadurch werden die einer
reinen Mehrheitswahl immanenten Ungleichheiten vermieden.
Durch die Erststimme, die dem relativen Mehrheitswahlrecht entspricht, wird
eine personelle Auswahlentscheidung getroffen; es wird bestimmt, welche Personen
aus dem der gewählten Partei zur Verfügung stehenden Sitzkontingent in
den Bundestag kommen. Dadurch haben es die Wähler in der Hand, bestimmte,
regionale politische Persönlichkeiten direkt in den Bundestag zu
wählen.
Gleichwohl stößt das personalisierte Verhältniswahlrecht
auch auf Kritik. Denn dadurch, daß es den Wählern ein
Stimmensplitting ermöglicht, kann es vorkommen, daß mehr Abgeordnete
einer Partei in den Bundestag kommen, als der betreffenden Partei über die
Liste zustehen (sog. Überhangmandate, s.o.). Damit ist die Gleichheit der
Wahl in Frage gestellt. Das gilt insbesondere dann, wenn in Wahlkämpfen
für die Abgabe der Zweitstimme zugunsten einer kleineren Partei und
für die Abgabe der Erststimme zugunsten einer größeren Partei
geworben wird. Bei diesem sog. „Huckepackverfahren“ wird
einkalkuliert, daß der Wähler die Bedeutung von Erst- und Zweitstimme
verkennt. Zwar wurde in der Bundesrepublik Deutschland bislang ein solcher
systematischer Mißbrauch noch nicht festgestellt, allein aber die
Möglichkeit eines solchen Mißbrauchs deutet auf die Schwäche des
personalisierten Verhältniswahlrechts hin. Das bestehende Wahlrecht
würde daher vereinfacht, wenn der Wähler mit nur einer Stimme sowohl
den Wahlkreiskandidaten als auch die Partei, der dieser angehört,
wählen würde. Dies entspräche auch dem Verständnis einer
repräsentativen Demokratie, denn Parlamentswahlen sind in erster Linie
Parteien- und Kanzlerwahlen, nicht Wahlen bestimmter
Abgeordneten-Persönlichkeiten. [21]
g. Wahlrecht und Ausländer
aa. Diskutiert wird auch die Frage, ob für
Bundestagswahlen die Beteiligung von Ausländern möglich
wäre. Ausgangspunkt der Diskussion ist Art. 20 II S. 2 GG, wonach alle
Staatsgewalt vom „Volke“ insbesondere durch Wahlen ausgeübt
wird. Versteht man unter „Volk“ lediglich das deutsche Staatsvolk
(also die deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG), kommt eine
Beteiligung von Ausländern an Parlamentswahlen nicht in Betracht. Versteht
man indes unter „Volk“ sämtliche in der Bundesrepublik
Deutschland lebenden Personen, so erstreckt sich der Begriff des Volkes auch auf
die in der Bundesrepublik lebenden Ausländer.
- Nach der
h.M.[22] sind
wahlberechtigt in diesem Sinn nur die Deutschen i.S.d. Art. 116 GG.
Begründet wird dies damit, daß das Grundgesetz auch im übrigen
nur an das deutsche Staatsvolk anknüpft, wenn es von
„Volk“ spricht (vgl. Präambel und Art. 146 GG).
- Nach der
Gegenauffassung[23]
ist der Begriff des „Volkes“ aufgrund des zunehmenden
Ausländeranteils an der Bevölkerung umfassend zu verstehen. Deshalb
müßten zum „Volk“ i.S.d. Art. 20 II S. 2 GG nunmehr auch
Ausländer gehören, die ihren ständigen Wohnsitz in der
Bundesrepublik Deutschland hätten und somit gleichermaßen der
deutschen Staatsgewalt unterworfen seien. Die Einführung eines
Ausländerwahlrechts wäre daher durch einfache Gesetzesänderung
möglich, namentlich durch eine Änderung des BWahlG.
Stellungnahme: Nach allgemeinem Verständnis des
Staatsrechts, wonach unter Staatsvolk die Staatsbürger, d.h. die
Staatsangehörigen zu verstehen sind, wird man davon ausgehen müssen,
daß auch das Grundgesetz den Begriff des „Volkes“ einheitlich
i.S.d. deutschen Staatsvolkes gebraucht. Daher scheint es
ausschließlich vertretbar, Ausländer vom Bundeswahlrecht
auszuschließen. Eine Beteiligung von Ausländern am Bundeswahlrecht
wäre folglich nur durch eine Verfassungsänderung möglich. Es darf
aber bezweifelt werden, ob wegen der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG,
wonach u.a. eine Änderung der in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze
ausgeschlossen ist, eine Modifizierung des Staatsvolkbegriffes möglich ist.
Der veränderten Bevölkerungszusammensetzung dürfte eher durch
eine Erleichterung der Einbürgerung, wie das bereits durch die
Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts nach dem StAG vollzogen worden
ist, Rechnung getragen werden.
bb. Folgt man der h.M., so ist eine Beteiligung von
Ausländern auch bei Landtagswahlen ausgeschlossen. Zur
Begründung kann man die Homogenitätsklausel (Art. 28 I S. 1 GG)
heranziehen, oder das Argument, daß der Begriff des Volkes in Art. 28 I S.
2 GG ebenso wie in Art. 20 II S. 2 GG als deutsches Staatsvolk auszulegen
ist. Darüber hinaus ist der Umstand zu beachten, daß die
Landesangehörigen – mittelbar über die Landesparlamente und
Landesregierungen – über den Bundesrat auch bei der
Bundesgesetzgebung und Bundesverwaltung mitwirken, so daß sich parallel
zur Bundesebene auch auf Landesebene eine Beteiligung von Ausländern an den
Parlamentswahlen verbietet.
cc. Auch auf Kommunalebene ist die Frage nach dem
Ausländerwahlrecht differenziert zu beantworten.
- Nach einer
Auffassung[24] ist
die Beteiligung von Ausländern an Kommunalwahlen ohne weiteres
möglich. Der Volksbegriff des Art. 20 II S. 2 GG stehe einer Beteiligung
von Ausländern an Kommunalwahlen nicht entgegen, da Art. 28 I S. 2 GG ein
abweichendes Verständnis zulasse. Art. 28 I S. 2 GG verlange nur ein
Mindestmaß an Homogenität, nicht eine Uniformität. Die Kommunen
seien selbstverwaltende, nichtstaatliche Körperschaften des
öffentlichen Rechts. Ihnen sei verfassungsrechtlich garantiert,
sämtliche Belange der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich zu
regeln (Universalitätsprinzip). Daher obliege es den Gemeinden, auch
Ausländer an der politischen Willensbildung teilhaben zu lassen.
- Die
h.M.[25] vertritt
die gegenteilige Auffassung. Der Begriff des Volkes sei in Art. 28 I S. 2 GG
genauso zu verstehen wie in Art. 20 II GG, nämlich als deutsches
Staatsvolk. Der Grundsatz der Volkssouveränität verlange,
daß lediglich die Staatsbürger die politische Willensbildung
innehaben. Zudem seien die Kommunen, auch wenn sie nichtstaatliche, also
autonome Körperschaften darstellten, keine staatsfremden Gebilde. Auch sie
übten bei der Ausführung von Bundes- und Landesrecht Staatsgewalt aus.
Die Ausübung von Staatsgewalt sei aber eine Abgelegenheit des deutschen
Staatsvolkes.
Für die Bürger der Europäischen Union gilt
jedenfalls, daß sie das aktive und passive Wahlrecht in den Kreisen und
Gemeinden nach Maßgabe des EG-Rechts haben (vgl. Art. 19 EG, Art. 28 I S.
3 GG sowie die entsprechenden Regelungen in den Kommunalwahlgesetzen der
Länder).
Durch diese Regelung wird im Umkehrschluß
klargestellt, daß auch auf Kommunalebene ein Wahlrecht für
Ausländer, die keinem Mitgliedstaat der EG angehören, nicht in
Betracht kommt.[26]
4. Wahlprüfung
Das Grundgesetz beschränkt sich bei der Wahlprüfung darauf, diese
zur Sache des Bundestages zu erklären (Art. 41 I GG), gegen die
Entscheidung des Bundestages die Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht
zuzulassen (Art. 41 II GG) und das Nähere bundesgesetzlicher Regelung zu
unterwerfen (Art. 41 III GG). Eine solche Regelung stellt das WahlprüfG
dar. Allerdings beschränkt dieses sich im wesentlichen auf prozedurale
Vorschriften über die Wahlprüfung, so daß materielle
Wahlprüfvorschriften nicht geregelt
sind. [27] Das bedeutet, daß der Bundestag
nur prüft, ob das geltende Wahlrecht (in formeller Hinsicht) richtig
angewendet wurde. Die Frage, ob das Wahlrecht auch verfassungsgemäß
ist, wird erst vom Bundesverfassungsgericht im nachfolgenden Beschwerdeverfahren
entschieden. [28]
- Das Wahlprüfverfahren
beginnt mit dem Rechtsbehelf Einspruch, den jeder Wahlberechtigte, jede
Gruppe von Wahlberechtigten und in amtlicher Eigenschaft jeder Landeswahlleiter,
der Bundeswahlleiter und der Präsident des Bundestages schriftlich
innerhalb von zwei Monaten nach dem Wahltag erheben kann (§ 2
WahlprüfG). Der Einspruch muß an den Bundestag adressiert sein (Art.
41 I S. 1 GG, § 1 I WahlprüfG). Die Entscheidung des Bundestages
(§ 13 WahlprüfG) wird durch den Wahlprüfungsausschuß
vorbereitet (§ 3 WahlprüfG). Der Bundestag entscheidet mit einfacher
Mehrheit (§ 13 I S. 1 WahlprüfG).
- Ist der Einspruchsführer
mit der Entscheidung des Bundestages nicht einverstanden, kann er binnen einer
Frist von zwei Monaten Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht erheben
(Art. 41 II GG i.V.m. § 18 WahlprüfG i.V.m. §§ 13 Nr. 3, 48
BVerfGG). Die (übrigen) Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde
sind § 48 BVerfGG zu entnehmen.
Bei der Begründetheit
der Wahlbeschwerde prüft das Bundesverfassungsgericht in formeller
Hinsicht, ob die Entscheidung des Bundestages bezüglich des Einspruchs
formelle Fehler aufweist. In materieller Hinsicht prüft es insbesondere die
Einhaltung der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 GG und der Vorschriften des
BWahlG. Auch die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der eben
genannten Gesetze kann – anders als beim Einspruch –
Prüfungsgegenstand sein.
Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst festgestellt,
daß Wahlfehler nicht nur von amtlichen Wahlorganen, sondern auch von
Dritten begangen werden können, soweit sie unter Bindung an wahlgesetzliche
Anforderungen kraft Gesetzes Aufgaben bei der Organisation einer Wahl
erfüllen.[29] Das
bedeutet, daß auch Maßnahmen bei der innerparteilichen
Kandidatenaufstellung nach §§ 21 und 27 BWahlG durch die Wahlorgane
auf Gesetzesverstöße hin überprüft werden können. Im
Wahlbeschwerdeverfahren festgestellte Verstöße führen aber nur
dann zur Ungültigkeit der Wahl, wenn sie sich auch auf die Sitzverteilung
ausgewirkt haben
könnten.[30]
Unbeachtlich sind Wahlfehler also lediglich dann, wenn eine Beeinflussung auf
die Sitzverteilung völlig fern liegt.
- Fraglich ist, ob auch eine
Verfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90
ff. BVerfGG) in Betracht kommt. Geht es um die Überprüfung von
Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das
Wahlverfahren beziehen, stellt das Wahlprüfverfahren (Art. 41 GG i.V.m.
§ 18 WahlprüfG i.V.m. §§ 13 Nr. 3, 48 BVerfGG) eine
abschließende Regelung dar.[31] Eine
Verfassungsbeschwerde wäre hier unstatthaft.
Beispiele: Eine Verfassungsbeschwerde wäre
unzulässig, wenn es um die Überprüfung von einer Wahl
vorgeschalteten Einzelmaßnahmen geht (etwa die Nichtzulassung eines
Wahlvorschlags oder die Festlegung eines Wahltermins) oder um Maßnahmen im
Zusammenhang mit der Wahlhandlung als solche (etwa die Verletzung des
Wahlgeheimnisses). Auch die Überprüfung von Entscheidungen der
Wahlorgane nach der Wahl (etwa die Ermittlung des Wahlergebnisses oder der
Sitzverteilung) ist ausschließlich mit der Wahlbeschwerde
herbeizuführen.
Etwas anderes gilt aber, wenn etwa das BWahlG oder die
BWahlO direkt bezüglich ihrer Verfassungsmäßigkeit in Frage
gestellt werden. Hier handelt es sich nicht um Akte staatlicher Gewalt, sie sich
unmittelbar auf eine Wahl beziehen, sondern um Gesetze, die ohne weiteres
Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein können. Allerdings ist die
Frist des § 93 III BVerfGG zu
beachten.[32]
Handelt es sich um eine Überprüfung von Wahlhandlungen in den
Ländern, so kommt eine Verfassungsbeschwerde vor dem
Bundesverfassungsgericht nicht (mehr) in Betracht. Damit sind
Verstöße gegen Wahlrechtsgrundsätze auf Landesebene vor den
Landesgerichten (ggf. auch vor den Landesverfassungsgerichten) geltend zu
machen. [33]
5. Abstimmungen
Gem. Art. 20 II S. 2 GG finden nicht nur Wahlen, sondern auch Abstimmungen
statt. Derartige Abstimmungen können in unterschiedlicher Weise vorgenommen
werden. So werden die Volksbefragung, das Volksbegehren und der Volksentscheid
voneinander unterschieden.
- Bei der
Volksbefragung findet eine Erkundung der Meinung des Volkes oder eines
Volks-teiles bezüglich eines Gegenstandes von allgemeinem Interesse
statt.[34] Dabei wird dem
Volk oder dem Volksteil in einem formalisierten Verfahren eine bestimmte
formulierte Frage vorgelegt. Das Ergebnis der Volksbefragung ist für die
Staatsorgane nicht bindend; die Volksbefragung dient vielmehr der
Vorbereitung einer staatlichen Maßnahme. Man spricht daher von
einer „konsultativen
Volksbefragung“.
- Volksbegehren
ist die vom Volk ausgehende Initiative zur Erreichung eines Volksentscheids.
Für die Annahme eines Volksbegehrens wird die Mitwirkung einer bestimmten
Mindestanzahl von Abstimmungsberechtigten gefordert (Quorum).
- Volksentscheid
ist eine unmittelbare Entscheidung des Volkes über ein Gesetz oder sonstige
staatliche Maßnahme. Der Volksentscheid wird häufig durch ein
Volksbegehren eingeleitet und ist anders als die Volksbefragung für die
staatlichen Organe bindend.
Alle drei Abstimmungsformen sieht Art. 29 GG vor. Gem. Art. 29 I S. 1 GG
kann das Bundesgebiet neu gegliedert werden, um zu gewährleisten, daß
die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen
obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. Die Neugliederung ist
nur durch Bundesgesetz zulässig, das der Bestätigung durch
Volksentscheid bedarf (Art. 29 II S. 1 GG). Der Volksentscheid findet in
den Ländern statt, die von der Neugliederung betroffen sind (Art. 29 III
GG).
Aber auch durch ein Volksbegehren können unter bestimmten
Voraussetzungen Neugliederungsmaßnahmen gefordert werden, die entweder zu
einem Bundesgesetz, das wiederum der Bestätigung durch
Volksentscheid bedarf, führen oder eine Volksbefragung zur
Folge haben (Art. 29 IV GG).
Art. 29 GG hat in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland keine praktische Bedeutung erlangt. Zahlreiche
Neugliederungspläne haben – obwohl sich die Länder in bezug auf
ihre Größe und Leistungsfähigkeit deutlich voneinander
unterscheiden – keinerlei Aussicht auf Erfolg gehabt. Das mag daran
gelegen haben, daß sich eingesessene politische und wirtschaftliche
Machtverhältnisse als resistent gegenüber territorialen
Veränderungen erwiesen
haben.[35] Auch
lokalpatriotische Stimmen („kein Aufgehen Bremens und Hamburgs in einem
Nordweststaat“) mögen dazu beigetragen haben.
Neugliederungspläne für den Raum Berlin/Brandenburg können durch
diese Länder vereinbart werden, ohne daß es des Verfahrens nach Art.
29 GG bedarf (vgl. Art. 5 EinigungsV).
Fraglich ist, ob sich Abstimmungen auf den Komplex des Art. 29 GG
beschränken, oder ob Abstimmungen (auf
Bundesebene [36]) auch darüber hinaus in
Betracht kommen. Art. 20 II S. 2 GG spricht von Abstimmung en. Es
könnte daher angenommen werden, daß das Grundgesetz Abstimmungen in
gleicher Weise zuläßt bzw. fordert, wie das bei Wahlen der Fall ist.
Es besteht jedoch Einigkeit darüber, daß diese Formulierung nur ein
Hinweis auf die im Grundgesetz an anderer Stelle ausdrücklich vorgesehenen
Volksabstimmungen ist. Das ist nur in Art. 29 II GG (Neugliederung des
Bundesgebietes) und Art. 146 GG (neue Verfassung) der Fall. Im übrigen ist
eine unmittelbare und für die Staatsorgane bindende Beteiligung des
Staatsvolkes (also Volksentscheid und Volksbegehren) auf
Bundesebene nach h.M. unzulässig. [37]
Für die weitere Zulässigkeit von Volksbegehren und Volksentscheid
bedürfte es einer
Verfassungsänderung. [38] Etwas anderes
gilt lediglich für die konsultative Volksbefragung, da diese keine Bindung
der Staatsorgane mit sich bringt. Volksbefragungen können daher im
Rahmen der Gesetzgebungskompetenz durch Parlamentsgesetz durchgeführt
werden. [39]
Dieser Befund wird durch die Erfahrungen, die man mit den
Plebisziten in der Weimarer Republik gemacht hat, unterstrichen. Art. 73
I WRV räumte dem Reichspräsidenten das Recht ein, jedes vom Reichstag
beschlossene Gesetz „zum Volksentscheid“ zu bringen. Eines
Volksentscheids über ein Gesetz bedurfte es auch, wenn ein bestimmtes
Quorum der Stimmberechtigten es beantragte (Art. 73 II WRV). Schließlich
konnte durch Volksbegehren auch ein eigener Gesetzesentwurf zum Volksentscheid
gebracht werden (Art. 73 III
WRV).[40] Durch
zahlreiche Plebiszite wurde das Parlament in seiner Funktion stark beschnitten
und Gesetze verabschiedet, die vom Parlament nicht gebilligt wurden. Ob die
Zurückhaltung des Grundgesetzes gegenüber Plebisziten angesichts der
geänderten Rahmenbedingungen und den positiven Erfahrungen in den
Ländern, in denen größtenteils Plebiszite vorgesehen sind, heute
noch zeitgemäß ist, wird unterschiedlich
betrachtet.[41] Die
Entscheidung des Grundgesetzes für eine repräsentative Demokratie
dürfte aber gegen die generelle Einführung von Plebisziten sprechen.
IV. Wahlen und Abstimmungen auf Länder- und Kommunalebene
In den Landesverfassungen [42] sind
häufiger Plebiszite über Fragen der Landesgesetzgebung vorgesehen.
Gleiches gilt auf Gemeindeebene [43]
bezüglich Abstimmungen über lokale Vorhaben. Diese vom Grundgesetz
abweichenden Regelungen werden allgemein für mit dem
Homogenitätsprinzip des Art. 28 I GG vereinbar gehalten, da die
Durchführung von Volksabstimmungen – wie die Art. 20 II S. 2, 29 und
146 GG zeigen – nicht schlechthin mit der repräsentativen Demokratie
unvereinbar sind. [44] Es gelten aber folgende
Voraussetzungen:
- Die Volksabstimmung muß
sich im Rahmen der Gesetzgebungszuständigkeit des jeweiligen
Verbandes bewegen.
So ist eine Volksabstimmung auf Landes- oder Kommunalebene
bezüglich des Verteidigungswesens unzulässig, da das
Verteidigungswesen der ausschließlichen
Bundesgesetzgebungszuständigkeit (Art. 73 Nr. 1 GG) unterfällt.
Gleiches gilt hinsichtlich der Atomenergie (Art. 74 I Nr. 11a
GG).[45]
- Die Volksabstimmung muß
in materieller Hinsicht mit höherrangigem Recht (Bundesverfassung,
einfaches Bundesrecht, Landesverfassung) vereinbar sein.
So ist eine Volksabstimmung materiell rechtswidrig und
unzulässig, wenn sie die Verpflichtung der Landesregierung enthält,
ein bestimmtes Gesetz zu erlassen. Da der Erlaß eines Gesetzes Aufgabe des
Gesetzgebers und nicht der Regierung ist, liegt eine Unvereinbarkeit mit dem
Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 II S. 2, III GG) vor.
Zu den thematischen Grenzen von Bürgerbegehren und
Bürgerentscheid auf Kommunalebene vgl. Ritgen, JuS 2000, 129
ff., VGH München NVwZ 2000, 219 f., NVwZ-RR 2000, 454 und VGH Kassel
NVwZ-RR 2000, 451.
[1] BVerfGE 97, 317,
323; BVerfGE 95, 335, 349; a.A. Dreier, Jura 1997,
249, 254, wonach die relative Mehrheitswahl nicht mit dem GG vereinbar ist;
offen Nicolaus, ZRP 1997, 185, 190. Eine Darstellung der
unterschiedlichen Wahlsysteme findet sich bei Langheid, ZRP 1995,
94, 95 ff..
[2] BVerfGE 16, 130,
140 (Überhangmandate).
[3] Vgl. Ipsen,
Staatsorganisationsrecht, Rn 74 ff..
[4] Die ab der nächsten
Bundestagswahl geltende Zahl von 598 Bundestagsmandaten beruht auf der
Gesetzänderung vom 15.11.1996 (BGBl I S. 1712). Der gegenwärtige 14.
Bundestag besteht noch aus 656 Abgeordneten plus 13 Überhangmandate.
[5] Vgl. dazu BVerfGE
95, 335, 356 (Verfassungsmäßigkeit von
Überhangmandaten)
[6] Vgl. BVerfGE 79,
161, 166 ff. (Zweitstimmenabzug; Stimmensplitting).
[7] BVerfGE 7, 63, 74
f.; 16, 130, 140.
[8] Vgl. BVerfGE 79,
169, 172.
[9] BVerfGE 95, 335
ff. mit abw. Votum S. 367 ff.; vgl. dazu auch Lenz, NJW 1997, 1534
ff..
[10] BVerfGE 95,
335, 357 ff.. Im Ergebnis ebenso Schreiber, Kommentar zum BWahlG, §
6 Rn 12 u. § 7 Rn 5 Fn. 4; Mager/Uerpmann, DVBl. 1995, 273,
277; Papier, JZ 1996, 265, 270 f.; Badura, JZ 1997,
681, 683; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 38 Rn
22.
[11] Vgl.
Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 38 Rn
10a.
[12] Auch beim
gegenwärtigen Bundestag gibt es 13 Überhangmandate, diesmal für
die SPD.
[13] Vgl. BVerfGE
95, 335, 367 ff. (Sondervotum); Meyer, in: HdbStR II, § 38 Rn
31 ff.; Lege, Jura 1998, 462, 457 f.; Lenz, NJW
1997, 1534, 1536; Backhaus, DVBl. 1997, 737, 7411;
Nicolaus, NJW 1995, 1001, 1002.
[14] BVerfGE 95,
335, 363 f.. So auch NdsStGH NVwZ 2000, 670 ff..
[15] Kritisch dazu Lenz,
NJW 1997, 1534, 1537, der Abweichungen von maximal 10-15%
zuläßt. Zu Einzelheiten der Wahlkreiseinteilung vgl. Lenz, ZRP
1996, 345, 347 ff.; Schreiber, ZRP 1997, 105
ff..
[16] Freilich steht dem der
Wortlaut des § 48 I BWahlG entgegen, der undifferenziert von einem
Nachrücken ausgeht, auf die eben genannte Konstellation also nicht eingeht.
Damit aber der in Art. 38 I S. 1 GG statuierte Grundsatz von der Gleichheit der
Wahl eingehalten werden kann, ist der Wortlaut des § 48 I BWahlG insoweit
zu modifizieren, als bei Ausscheiden eines Abgeordneten, der lediglich über
ein Überhangmandat verfügt, das Mandat ersatzlos wegfällt. Vgl.
dazu BVerfGE 97, 317, 328 ff., das den § 48 I BWahlG in diesem Fall
für nicht anwendbar erklärt; kritisch Lenz, NJW 1998,
2878, 2879; a.A. Lege, Jura 1998, 462,
470.
[17] BVerfGE 97,
317, 328 ff.; grundsätzlich zustimmend Lenz, NJW 1998, 2878;
kritisch Heintzen, DVBl. 1997, 744 ff.; ablehnend Nicolaus,
JuS 2000, 436, 440.
[18] Pieroth, in:
Jarass/Pieroth, GG, Art. 38 Rn 22; Meyer, in: HdbStR II, § 38 Rn 30;
Hobe, JA 1998, 50, 51; Erichsen, Jura 1984, 22, 32;
Frowein, AöR 99 (1974), 72, 92 f.; Linck, Jura
1986, 460, 464; Wahl, NJW 1990, 2585, 2590; Roth,
NJW 1994, 3269; 3271; Hoppe, DVBl. 1995, 265, 268 ff.;
Heintzen, DVBl. 1997, 744, 748.
[19] BVerfGE 95,
335, 337; 95, 408, 420 ff.; 97, 317, 322 ff.; 6, 84, 95
f..
[20] Schneider, in:
Alternativkommentar, Art. 38 Rn 50; Badura, JZ 1997, 681, 684;
Lenz, NJW 1998, 2878, 2879; NJW 1997, 1534, 1535;
Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn 19.
[21] Vgl. Ipsen,
Staatsorganisationsrecht, Rn 87; Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn
19a.
[22] Badura, in:
Bonner Kommentar, Art. 38 Rn 25; Böckenförde, in: HdbStR I,
§ 22 Rn 27 f.; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 38
Rn 5; Ipsen, Staatsorganisationsrecht, Rn 50; Degenhart,
Staatsorganisationsrecht, Rn 21.
[23] Zuleeg, JZ
1980, 425; ZAR 1988, 13, 14; Rittstieg, KritVJ 1987,
315, 317; Roth, ZRP 1990, 82, 85. Gegen einen Verfassungswandel
ausdrücklich BVerfG DVBl. 1990, 1397, 1399.
[24] OVG Lüneburg
DÖV 1985, 1067, 1068; Rittstieg, NJW 1989, 1018, 1019;
Bryde, JZ 1989, 257; Zuleeg, Ausländerrecht und
Ausländerpolitik, 1987, S. 153 ff..
[25] BVerfG DVBl.
1990, 1397 u. 1401; BremStGH DVBl. 1991, 1074; v. Mutius,
Jura 1991, 410; Karpen, NJW 1989, 1012, 1015;
Erichsen, Jura 1988, 550.
[26] Kunig, Jura
1994, 554, 555 m.w.N.; ablehnend Meyer-Teschendorf/Hofmann, ZRP
1995, 290, 291; offengelassen von BVerfG NVwZ 1998, 52,
53.
[27] Vgl. Ipsen,
Staatsorganisationsrecht, Rn 89; Kretschmer, in: H.-P. Schneider/W. Zeh
(Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 13 Rn
51.
[28] Kritisch dazu
Hoppe, DVBl. 1996, 344, 347.
[29] Vgl. BVerfGE
89, 243, 251.
[30] BVerfGE 85,
148, 158 f..
[31] Vgl. Magiera,
in: Sachs, GG, Art. 38 Rn 105; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 41
Rn 5; Robbers, JuS 1996, 116, 119; Roth, DVBl. 1998,
214 ff..
[32] Vgl. dazu Roth,
DVBl. 1998, 214, 214 f..
[33] Vgl. BVerfG NJW
1999, 43; Roth, DVBl. 1998, 214, 216; kritisch Lenz,
NJW 1999, 34 f..
[34] Im vorliegenden
Zusammenhang nicht von Interesse sind die von privaten Institutionen
durchgeführten unverbindlichen Meinungsumfragen. So war die geplante
Unterschriftensammlung der CDU/CSU zum neuen Staatsangehörigkeitsrecht
verfassungsrechtlich unproblematisch.
[35] Ipsen,
Staatsorganisationsrecht, Rn 93.
[36] Bezüglich
plebiszitärer Elemente auf landesrechtlicher und kommunaler Ebene ist das
Grundgesetz prinzipiell offen (vgl. dazu BVerfGE 91, 228, 239;
Dreier, in: Dreier, GG, Art. 28 Rn 71; Ritgen, NVwZ 2000,
129 ff.).
[37] Sachs, in:
Sachs, GG Art. 20 Rn 31 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 II
Rn 44; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 38 Rn 22b;
a.A. Frotscher/Faber, JuS 1998, 820, 822
f..
[38] Ipsen,
Staatsorganisationsrecht, Rn 95.
[39] BVerfGE 8, 104,
115; Frotscher/Faber, JuS 1998, 820, 822 f.; Pieroth, in:
Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn 5; Ipsen, Staatsorganisationsrecht, Rn 96;
a.A. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 38 Rdnr 22b
und Stern, Staatsrecht II, § 25 II 1b, S. 16 der auch eine
Volksbefragung nach dem gegenwärtigen Verfassungstext für
verfassungswidrig hält. Zur Begründung führt er an, daß
selbst eine unverbindliche Volksbefragung einen derart starken faktischen
politischen Druck ausübe, daß die Staatsorgane davon kaum werden
abweichen können.
[40] Vgl. Ipsen,
Staatsorganisationsrecht, Rn 94.
[41] Vgl. dazu
Pestalozza, Der Popularvorbehalt (1981), Schnurr,
Möglichkeiten der Einführung von Volksbegehren, Volksentscheid und
Volksbefragung auf Bundesebene ohne Änderung des Grundgesetzes (1987) sowie
Bugiel, Volkswille und repräsentative Entscheidung
(1991).
[42] Vgl. die
entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen: BW: Art. 49, 59-64;
Bay: Art. 72 I, 74; Berl: 61, 62; Bran: 76 ff.;
Brem: 69 ff. (dazu BremStGH NVwZ 1998, 388); Hess: Art. 116;
MeckVor: 59 f.; Nds: 48 f.; NRW: Art. 68 (ggf. i.V.m. Art.
35); RhlPfl: 109, 114 f.; Saarl: Art. 99; Sachs: Art. 70
ff.; SachsAnh: 80 ff.; SchlHolst: 41 f.; Thür: 82 f..
Eine Wiedergabe der diesbezüglichen Verfassungstexte findet sich bei
Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn 29 ff..
[43] Vgl. die
entsprechenden Vorschriften der Gemeindeordnungen: BW: § 21 GO;
Bay: Art. 18 a GO; Bran: § 20 GO; Hess: § 8 b GO;
MeckVor: § 20 GO; Nds: § 22 b GO; NRW: § 26
GO; RhlPfl: § 17 a GO; Saarl: § 21 a GO; Sachs:
§§ 24 f. GO; SachsAnh: §§ 25 f. GO; SchlHolst:
§ 16 f GO; Thür: § 17 KO. Zu den thematischen Grenzen von
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid vgl. Ritgen, NVwZ
2000, 129 ff..
[44] Vgl.
Pestalozza, Jura 1994, 561, 576; Karpen, JA 1993,
110 ff.; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 20 Rn
31.
[45] Vgl. dazu BVerfGE
8, 104, 117 f.; StGH BW NVwZ 1987, 574, 575; VerfGH NRW NWVBl
1987, 13, 14; VerfGH Bay BayVBl 1987, 652, 654; Grawert,
NWVBl 1987, 2 ff..
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