K. Versammlungsfreiheit – Art. 8 GG
Die Möglichkeit der freien Versammlung dient einerseits der
Persönlichkeitsentfaltung, andererseits aber auch der Einflußnahme
auf die politische Willensbildung und bildet daher ein „wesentliches
Element demokratischer Offenheit“ [1]. Die
Versammlungsfreiheit gewährleistet „ein Stück
ursprünglicher ungebändigter unmittelbarer
Demokratie“ [2]. Daher besitzt sie einen
hohen verfassungsrechtlichen Rang, der bei der Abwägung mit kollidierendem
Verfassungsrecht (insbesondere Grundrechte Dritter) stets zu beachten ist. Vgl.
dazu unten S. 234 f.. Es empfiehlt sich folgendes Prüfungsschema:
I. Schutzbereich der
Versammlungsfreiheit
Der Begriff der Versammlung wird uneinheitlich
definiert. Um eine Versammlung annehmen zu können, muß nach allen
Auffassungen wenigstens ein gemeinsamer Zweck verfolgt werden. Überwiegend
wird zusätzlich gefordert, daß dieser in einer gemeinsamen
Meinungsbildung und –äußerung liegen muß. Eine
noch engere Auffassung verlangt, daß die Meinung öffentliche
Angelegenheiten betreffen muß. Die Frage kann jedoch
regelmäßig offenbleiben, da es zumeist um Veranstaltungen oder
Aufzüge geht, die alle Kriterien erfüllen. Was die Teilnehmerzahl
betrifft, so dürften im Hinblick auf den Schutzbereich des Art. 8 GG
bereits 2 Personen genügen.
Planung und Organisation sind keine
begriffsnotwendigen Elemente einer Versammlung. Daher fällt auch eine sog.
Spontanversammlung unter Art. 8 GG. Dies ist eine Versammlung, die ohne
Einladung und Vorbereitung, ausgelöst durch einen akuten Anlaß,
stattfindet. Auch die Wahl des Versammlungsortes sowie die An- und
Abreise zum und vom Versammlungsort fallen in den
Schutzbereich.
Der Schutzbereich des Art. 8 GG ist sowohl in sachlicher als
auch in persönlicher Hinsicht begrenzt. In sachlicher Hinsicht ist der
Schutzbereich auf friedliche Versammlungen ohne Waffen begrenzt, in
persönlicher Hinsicht auf Deutsche. Der Begriff der
„friedlichen Versammlung“ wird von Rechtsprechung und
Literatur in Anlehnung an die Legaldefinition der §§ 5 Nr. 3, 13 I Nr.
2 VersG negativ bestimmt.
II. Eingriff in den Schutzbereich
Eingriffe in die Versammlungsfreiheit liegen zunächst
bei Maßnahmen vor, die das geschützte Verhalten regeln, wie z.B.
Anmeldungs- und Erlaubnispflichten. Das geht schon aus der
Formulierung des Art. 8 I GG „ohne Anmeldung oder Erlaubnis“ hervor.
Eindeutige Eingriffe sind auch Verbote und Auflösungen von
Versammlungen. Auch die Behinderung von Anfahrten und schleppende
vorbeugende Kontrollen beeinträchtigen das Grundrecht. Das Grundrecht wird
auch durch faktische Maßnahmen beeinträchtigt, wenn sie in
ihrer Intensität imperativen Maßnahmen gleichstehen. So können
staatliche Überwachungsmaßnahmen dazu führen, daß die
innere Entschlußfreiheit, an einer Versammlung teilzunehmen,
beeinträchtigt wird. Führt daher eine Überwachungsmaßnahme
dazu, daß der Betroffene lieber auf die Grundrechtsausübung
verzichtet, ist von einem Eingriff auszugehen. Das BVerfG hat von daher in
seiner Brokdorf-Entscheidung einen Eingriff bei „exzessive(n)
Observationen und Registrierungen“ angenommen. Schließlich seien
beidseitige Begleitungen von Demonstrationen durch voll ausgerüstete
Polizeibeamte genannt.
III. Verfassungsrechtliche
Rechtfertigung
Art. 8 II GG stellt nur Versammlungen unter freiem
Himmel unter einem Gesetzesvorbehalt. Versammlungen in geschlossen
Räumen sind demnach vorbehaltlos gewährleistet. Die Differenzierung
hat den Hintergrund, daß der Grundgesetzgeber offenbar davon ausging,
daß von Versammlungen in geschlossenen Räumen weniger Gefahren
ausgehen als von Versammlungen unter freiem Himmel.
Daher dürfte es für die Abgrenzung – entgegen dem Wortlaut des
Art. 8 II GG – weniger darauf ankommen, ob der Raum überdacht ist,
sondern vielmehr, ob der Raum zur Seite hin überall umschlossen und nur
durch Eingänge zugänglich sind.
Versammlungen unter freiem Himmel können durch
oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Aufgrund der Bedeutung
der Versammlungsfreiheit und des Parlamentsvorbehaltes ist für einen
gezielten Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 I GG ein förmliches
Gesetz zu fordern. Der Bundesgesetzgeber ist diesem Erfordernis vor allem durch
den Erlaß des Versammlungsgesetzes nachgekommen. In bestimmten
Fällen kann es auch erforderlich sein, auf das allgemeine Polizei- und
Ordnungsrecht zurückzugreifen. Die damit verbundenen Probleme sollen im
folgenden erläutert werden.
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I. Schutzbereich
1. Der Begriff der Versammlung wird uneinheitlich
definiert. Einigkeit besteht noch insoweit, als nicht jedes Zusammenkommen
mehrerer Personen ausreichen kann. Vielmehr ist eine innere Verbindung durch
gemeinsame Zweckverfolgung
erforderlich. [3]
Keine Versammlungen sind daher bloße
Ansammlungen, etwa ein Menschenauflauf nach einem Verkehrsunfall oder die
Zuhörerschaft eines Konzerts. Hier verfolgen zwar alle den gleichen, nicht
aber einen gemeinsamen
Zweck.[4] Gleiches gilt
für kommerzielle Veranstaltungen wie etwa Sportveranstaltungen. Sogar das
Zusammentreffen mehrerer Personen am Informationsstand einer politischen Partei
ist eine nicht von Art. 8 GG geschützte
Ansammlung.[5] Für
alle diese Fallgruppen gilt aber, daß sie zu Versammlungen i.S.d. Art. 8 I
GG werden können, wenn sich die anfangs fehlende Verbindung
einstellt.
Des weiteren wird eine körperliche Anwesenheit am
Versammlungsort vorausgesetzt. So genießen etwa Internetnutzer im
(virtuellen) Chatroom keinen Schutz aus Art. 8 I
GG.[6]
Über den gemeinsamen Zweck hinaus wird überwiegend gefordert,
daß dieser in gemeinsamer Meinungsbildung und
-äußerung liegen muß. [7]
Diese Auffassung stützt sich auf die Komplementärfunktion der
Versammlungsfreiheit zu den (anderen) Kommunikationsgrundrechten, insbesondere
zur Meinungsfreiheit. Eine noch engere Auffassung verlangt, daß die
Meinung öffentliche Angelegenheiten betreffen
muß. [8] Sie begründet dies damit,
daß sich der Kampf um die Versammlungsfreiheit historisch gesehen
vorwiegend an politischen Zusammenkünften entzündet hat.
Stellungnahme: Eine Beschränkung auf
öffentliche Angelegenheiten ist weder dem Wortlaut noch der systematischen
Stellung des Art. 8 GG zu entnehmen. Auch der historische Befund vermag nicht
auszuschließen, daß andere Zusammenkünfte ebenfalls als
schützenswert anzusehen sind. Die Auffassung, die verlangt, daß die
Meinung öffentliche Angelegenheiten betreffen muß, ist daher nicht
mehr mit dem heutigen Verständnis der Versammlungsfreiheit vereinbar. Folgt
man dagegen dem weiten Verständnis des Versammlungsbegriffs, so verwischen
die Konturen zu bloßen, nicht von Art. 8 GG geschützten Ansammlungen.
Aber auch das Erfordernis der gemeinsamen Meinungsbildung und
-äußerung leidet an dem Begriffsverständnis der Versammlung,
denn die behauptete Komplementärfunktion zur Meinungsfreiheit
läßt sich ebenfalls weder dem Wortlaut noch der systematischen
Stellung des Art. 8 GG entnehmen. Vielmehr soll durch Art. 8 GG (und Art. 9 GG)
die drohende Isolierung des einzelnen verhindert und die
Persönlichkeitsentfaltung in Gruppenform gewährleistet
werden.[9] Auch nach der
Rechtsprechung des BVerfG ist Art. 8 GG nicht auf Versammlungen beschränkt,
bei denen argumentiert und gestritten
wird.[10] Vielmehr
umfasse Art. 8 GG vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu
nicht verbalen Ausdrucksformen. Gleichwohl sieht es „Versammlungen und
Aufzüge ... als Ausdruck gemeinsamer, auf Kommunikation angelegter
Entfaltung“[11].
Damit scheint das BVerfG sich der Auffassung anzuschließen, die eine
gemeinsame Meinungsbildung oder -äußerung
fordert.[12] Diese
Auffassung überzeugt, wenn man die ratio des Art. 8 GG so versteht,
daß das Grundrecht auch der Einflußnahme auf die politische
Willensbildung dient und daher ein wesentliches Element demokratischer Offenheit
bildet und ein Stück ursprünglicher ungebändigter unmittelbarer
Demokratie
gewährleistet.[13]
Nach der hier vertretenen Auffassung ist eine Versammlung demnach das
ungehinderte friedliche Zusammenkommen mehrerer Personen zu einem gemeinsamen
Zweck. Der gemeinsame Zweck liegt in der Meinungsbildung und/oder
Meinungsäußerung.
Beispiele: Folgt man der hier vertretenen Auffassung,
so ist z.B. die Love-Parade in Berlin eine Versammlung i.S.d. Art. 8 I
GG.[14] Bei einer
Love-Parade kann die dort stattfindende Inszenierung eines Lebensgefühls
durchaus als kollektive Meinungskundgabe verstanden
werden.[15] Gleiches gilt
für eine Techno-Parade oder für die Chaostage. Etwas
anderes gilt jedoch hinsichtlich einer „Fete mit Musik“, auch wenn
sie von einer politischen Partei veranstaltet wird und dabei auch ein
„Infotisch“ dieser Partei aufgestellt
wird.[16]
Klausurhinweis: Soweit es um politische
Diskussionsveranstaltungen, Zusammenkünfte, Demonstrationen oder
Protestmärsche geht, kann die Streitentscheidung dahin stehen, da diese
Veranstaltungen allesamt unstreitig (d.h. nach allen Auffassungen) Versammlungen
darstellen.[17]
Demgegenüber fallen nach der engsten Auffassung wissenschaftliche
Kongresse, Betriebs- oder Gesellschafterversammlungen aus dem Schutzbereich des
Art. 8 GG heraus, wodurch eine Streitentscheidung erforderlich
wird.
Fraglich ist auch, ob für die Annahme einer Versammlung eine bestimmte
Teilnehmerzahl erforderlich ist. Überwiegend werden zwei Personen
als ausreichend erachtet [18], teilweise werden
aber auch drei Personen gefordert [19]. Eine
dritte Auffassung differenziert zwischen dem Begriff der Versammlung i.S.d. Art.
8 GG und dem des Versammlungsgesetzes, wonach für Art. 8 GG zwei Personen
genügen, für das Versammlungsgesetz aber drei Personen erforderlich
sind. [20] Wenn man bedenkt, daß Art. 8 GG
die Freiheit des einzelnen Bürgers, seine Meinung gemeinsam mit anderen zu
äußern, um damit seine politische Isolierung zu verhindern,
schützen will, scheint es angebracht, zumindest bei Art. 8 GG bereits zwei
Personen genügen zu lassen. Zudem folgt aus dem Wortlaut des Art. 8 GG
„sich versammeln“ nicht notwendigerweise, daß es sich dabei um
drei oder mehr Personen handeln muß.
Zusammenfassung: Um eine Versammlung annehmen zu können,
muß nach allen Auffassungen wenigstens ein gemeinsamer Zweck verfolgt
werden. Überwiegend wird zusätzlich gefordert, daß dieser in
einer gemeinsamen Meinungsbildung und -äußerung liegen
muß. Eine noch engere Auffassung verlangt, daß die Meinung
öffentliche Angelegenheiten betreffen muß. Die Frage kann
jedoch regelmäßig offenbleiben, da es zumeist um Veranstaltungen oder
Aufzüge geht, die alle Kriterien erfüllen. Was die Teilnehmerzahl
betrifft, so dürften im Hinblick auf den Schutzbereich des Art. 8 GG
bereits 2 Personen genügen.
2. Planung und Organisation sind keine
begriffsnotwendigen Elemente einer Versammlung (siehe unten, 4.). Daher fallen
auch die sog. Eil- und Spontanversammlungen unter Art. 8 GG. Zur
Definition diese Begriffe vgl. unten S. 233 f..
3. Zum geschützten Verhalten zählt die Freiheit,
über Ort, Zeit, Art und Inhalt der Versammlung zu
entscheiden. [21] Zu dieser sog.
Gestaltungsfreiheit gehört auch das Verwenden von Fahnenstangen und
Trommeln, ja sogar das Mitführen der Reichskriegsflagge. Eine andere Frage
ist die Möglichkeit eines entsprechendes
Verbotes. [22] Geschützt sind auch
vorbereitende Maßnahmen, insbesondere hat der Veranstalter in
Ausübung der aus Art. 8 I GG fließenden Veranstalterfreiheit das
Recht auf Darstellung seiner Intention in der Öffentlichkeit.
Klausurrelevant ist insbesondere das Recht der Bestimmung der
Örtlichkeit für eine Versammlung bzw. Demonstration. Dieses Recht
bezieht sich zunächst unzweifelhaft auf den öffentlichen Raum und
garantiert die Benutzung öffentlicher Straßen und
Plätze. [23] Hierbei handelt es sich weder
um einen (zulassungsfreien) Gemeingebrauch noch um eine (zulassungspflichtige)
Sondernutzung, sondern schlicht um die Ausübung des Grundrechts der
Versammlungsfreiheit. [24] Von der freien
Ortswahl grundsätzlich nicht umfaßt sind im Privateigentum stehende
Örtlichkeiten bzw. Flächen. Hiervon sind wiederum zwei Ausnahmen
möglich: Stellt der private Eigentümer die betreffende
Örtlichkeit bzw. Fläche regelmäßig der Öffentlichkeit
als Flanier- und Konsummeile bzw. zu Demonstrationszwecken zur Verfügung,
kann ihn Art. 8 I GG über die Figur der mittelbaren Drittwirkung der
Grundrechte zur Überlassung der Örtlichkeit bzw. Fläche
verpflichten. Ein entsprechender Anspruch wäre dann über den
Zivilrechtsweg mit der Leistungsklage zu verfolgen. Auch ist es möglich,
daß die betreffende Örtlichkeit bzw. Fläche im Eigentum einer
Kapitalgesellschaft (AG oder GmbH) steht, die Anteile dieser Gesellschaft aber
ausschließlich oder überwiegend von einem Träger
öffentlicher Gewalt gehalten werden (Beispiele: Flughafen GmbH oder
Marktplatz GmbH, die von einem Land oder einer Gemeinde betrieben werden). In
diesem Fall ist der Träger öffentlicher Gewalt verpflichtet, über
seine Mehrheitsanteile Einfluß auf die Gesellschaft auszuüben.
Prozessual wäre hier nicht nur der Zivilrechtsweg möglich, sondern
auch der Verwaltungsrechtsweg. Schlägt der Kläger den
Verwaltungsrechtsweg ein, so ist die allgemeine Leistungsklage statthaft. Es
besteht für den aufgrund der Fiskalgeltung der Grundrechte Kläger ein
Einwirkungs- oder Verschaffungsanspruch (vgl. dazu ausführlich im
Verwaltungsprozeßrecht S. 134 f.).
4. Auch das sog. Vorfeld von Versammlungen und
Demonstrationen fällt in den Schutzbereich des Art. 8 I GG. Zum Vorfeld von
Versammlungen und Demonstrationen gehören insbesondere die Planung des
Veranstalters und die Anreise der Teilnehmer. Typische Maßnahmen im
Vorfeld von Versammlungen und Demonstrationen sind etwa Personenkontrollen
(Identitätsfeststellungen, Durchsuchungen) an Zufahrtswegen sowie der sog.
Rückführungsgewahrsam als Sonderfall des Verbringungsgewahrsams: Die
betroffenen Personen werden angehalten und in Polizeibegleitung zum Ausgangsort
zurückbeordert. Die besondere Problematik hierin besteht darin, daß
das Versammlungsgesetz dafür keine Rechtsgrundlage
enthält [25], die Maßnahme aber in
Art. 8 I GG eingreift. Hier wird der Rückgriff auf das allgemeine Polizei-
und Ordnungsrecht diskutiert, vgl. dazu ausführlich im Besonderen
Verwaltungsrecht S. 215.
5. Der Schutzbereich des Art. 8 GG ist sowohl in sachlicher als
auch in persönlicher Hinsicht begrenzt. In sachlicher Hinsicht ist der
Schutzbereich auf friedliche Versammlungen ohne Waffen begrenzt, in
persönlicher Hinsicht auf Deutsche.
a. Der Begriff der „friedlichen Versammlung“
wird von Rechtsprechung und Literatur in Anlehnung an die Legaldefinition der
§§ 5 Nr. 3, 13 I Nr. 2 VersG negativ bestimmt. Danach ist eine
Versammlung unfriedlich, wenn ein „gewalttätiger und
aufrührerischer Verlauf“ angestrebt ist oder eintritt. Um eine
Gewalttätigkeit annehmen zu können, muß eine aktive
körperliche Einwirkung des Täters auf Personen oder Sachen
stattfinden. Überwiegend wird verlangt, daß die körperliche
Einwirkung aggressiv und von einiger Erheblichkeit ist. Damit ist der
Gewaltbegriff i.S.d. Art. 8 GG enger als derjenige, der im Strafrecht (§
240 StGB) verwendet wird.
So ist eine Versammlung als gewalttätig angesehen
worden, bei der körperliche Handlungen von einiger Gefährlichkeit
auftraten wie Gewaltausübung mittels gefährlicher Werkzeuge oder
aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder
Sachen.[26] Eine
Mindermeinung läßt demgegenüber für die Unfriedlichkeit
bereits jede oder zumindest jede straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche
Rechtsverletzung
genügen.[27] Demnach
wäre eine Versammlung unfriedlich, wenn die Veranstalter gegen die
Anmeldepflicht (§ 14 VersG) verstoßen haben, da ein solcher
Verstoß eine Straftat darstellt (§ 26 Nr. 2 VersG). Nach der hier
vertretenen Auffassung kann aber nicht jeder Rechtsverstoß die Versammlung
gewalttätig machen, anderenfalls wäre der Gesetzesvorbehalt in Art. 8
II GG
überflüssig.[28]
Außerdem stünde sonst das Grundrecht zur Disposition des einfachen
Gesetzgebers. So stellt auch eine Sitzblockade, bei der sich die
Teilnehmer auf passive Resistenz beschränken und insoweit friedlich
bleiben, eine friedliche Versammlung
dar.[29]
Verhalten sich nur einige Versammlungsteilnehmer
unfriedlich, die anderen dagegen friedlich, so ist nur den unfriedlichen
Teilnehmern der Schutz des Art. 8 GG
verwehrt.[30] Es ist
also, dem Wortlaut entsprechend, auf den einzelnen Teilnehmer abzustellen, nicht
auf die Versammlung insgesamt. Nur wenn ein Einschreiten gegen die einzelnen
gewalttätigen Teilnehmer nicht möglich ist oder keinen Erfolg
verspricht, kann unter dem Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG und unter
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegen die ganze
Versammlung vorgegangen werden (Verbot, Auflösung etc.). Eine
Gegendemonstration genießt ebenfalls den Schutz des Art. 8 GG, sofern sie
friedlich ist. Bezweckt sie, die Versammlung zu stören, kann je nach
Sachverhalt entweder bereits der Schutzbereich begrenzt oder jedenfalls aufgrund
des Gesetzesvorbehalts des Art. 8 II GG eingeschritten werden.
Ein aufrührerischer Verlauf besteht oder wird angestrebt, wenn
das Ziel der Versammlung in einem Umsturz liegt oder aktiver Widerstand gegen
rechtmäßig handelnde Vollstreckungsbeamte geleistet wird bzw.
geleistet werden soll.
b. Waffen sind zunächst Waffen i.S.d. § 1 WaffG (z.B.
Pistole, Dolch, Schlagring). Der Zweck, zu dem sie mitgeführt werden, ist
unerheblich. Weiterhin werden dem Waffenbegriff auch gefährliche Werkzeuge
(i.S.d. § 224 StGB) wie Baseballschläger, Eisenketten oder chemische
Kampfstoffe zugeordnet, sofern sie nicht nur zur Verletzung von Personen
geeignet sind, sondern vor allem zu diesem Zweck mitgeführt
werden. [31]
Beispiel: So sind auch Fahnen, genauer gesagt
Fahnenstangen für sich genommen gefährliche Werkzeuge. Werden sie aber
nicht zum Zweck des Einsatzes als Schlaginstrumente mitgeführt, ist die
Versammlung zumindest diesbezüglich nicht unfriedlich.
Keine Waffen sind reine Schutzgegenstände wie Schutzhelme, Gasmasken,
Schutzbrillen etc.. [32]
c. Unfriedlich ist eine Versammlung schließlich auch dann,
wenn eine Unfriedlichkeit droht, also unmittelbar bevorsteht. So ist der
Aufruf zu verbrecherischen Handlungen ebensowenig von Art. 8 I GG gedeckt wie
die Behinderung einer Versammlung durch Gegendemonstrationen.
d. In persönlicher Hinsicht ist der Schutzbereich des Art. 8
I GG auf Deutsche begrenzt. Der Begriff des Deutschen ist in Art. 116 GG
legaldefiniert. Ausländer können sich demnach nicht auf das Grundrecht
der Versammlungsfreiheit berufen. Für Ausländer gilt die
Versammlungsfreiheit nur eingeschränkt über Art. 2 I GG. Denn dieses
Grundrecht wird als Auffangtatbestand verstanden, der die Freiheit allgemein und
also stets dann schützt, wenn kein spezielles Freiheitsgrundrecht
einschlägig ist. [33] Dies gilt zumindest
im Hinblick auf Ausländer, die keine EG-Bürger sind. Ob
EG-Bürgern ein intensiverer Schutz gewährt werden muß (etwa
durch die Anwendbarkeit des Art. 8 GG oder durch eine Erhöhung des
Schutzniveaus des Art. 2 I GG), ist noch nicht entschieden. Vgl. dazu die
Parallelproblematik bei Art. 12 I GG (unten S. 280) sowie die allgemeinen
Ausführungen (oben S. 102 f.). Vom persönlichen Schutzbereich
umfaßt sind auch juristische Personen des Privatrechts und sonstige
Personenmehrheiten. Zur Problematik, inwieweit sich eine inländische
juristische Person bzw. Personenmehrheit auf Deutschengrundrechte berufen kann,
wenn sie von Ausländern beherrscht ist, vgl. S. 29. Die Versammlung selbst
ist jedenfalls kein Grundrechtsträger.
Unter Zugrundelegung der bisherigen Ausführungen ergibt sich folgende
Subsumtionsgrundlage:
Versammlungen sind das ungehinderte friedliche Zusammenkommen
mehrerer Personen (streitig, ob mindestens 2 oder 3), die einen gemeinsamen
Zweck verfolgen. Der gemeinsame Zweck liegt in der Meinungsbildung und/oder
Meinungsäußerung.
II. Eingriffe in den Schutzbereich
Eingriffe in die Versammlungsfreiheit liegen zunächst vor bei
Maßnahmen, die das geschützte Verhalten regeln, wie z.B.
Anmeldungs- und Erlaubnispflichten. Das geht schon aus der Formulierung
des Art. 8 I GG „ohne Anmeldung oder Erlaubnis“ hervor. Eindeutige
Eingriffe sind auch Verbote und Auflösungen von Versammlungen
sowie die sie bestätigenden
Gerichtsentscheidungen. [34] Auch die
Behinderung von Anfahrten und schleppende vorbeugende Kontrollen
beeinträchtigen das Grundrecht. [35] Das
Grundrecht wird auch durch (andere) faktische Maßnahmen
beeinträchtigt, wenn sie in ihrer Intensität imperativen
Maßnahmen gleichstehen. So können staatliche
Überwachungsmaßnahmen dazu führen, daß die innere
Entschlußfreiheit, an einer Versammlung teilzunehmen, beeinträchtigt
wird. Führt daher eine Überwachungsmaßnahme dazu, daß der
Betroffene lieber auf die Grundrechtsausübung verzichtet, ist von einem
Eingriff auszugehen. [36] Das
Bundesverfassungsgericht hat daher in seiner Brokdorf-Entscheidung einen
Eingriff bei „exzessive(n) Observationen und Registrierungen“
angenommen. [37] Schließlich seien
beidseitige Begleitungen von Demonstrationen durch voll ausgerüstete
Polizeibeamte [38] genannt.
III. Verfassungsrechtliche
Rechtfertigung
1. Der Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG
a. Zunächst muß klargestellt werden, daß der
Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG nur für versammlungsspezifische
Eingriffe gilt. Wird durch eine Maßnahme auch in eines der Grundrechte
aus Art. 5 I GG eingegriffen, so bestimmt sich die verfassungsrechtliche
Rechtfertigung des Eingriffs – da die Art. 8 I GG und 5 I GG
grundsätzlich gleichrangig nebeneinander stehen – nicht nur nach dem
Schrankenvorbehalt des Art. 8 II GG, sondern auch nach dem des Art. 5 II GG
(Fall der echten
Grundrechtskonkurrenz). [39]
Klausurhinweis: Die in der Fallbearbeitung zu
untersuchende Maßnahme greift regelmäßig nicht nur in die
Versammlungsfreiheit, sondern auch in eines der Grundrechte aus Art. 5 I GG
(etwa die Meinungsfreiheit) ein. Hier die Maßnahme in einer getrennten
Prüfung sowohl auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 8 I GG als auch mit Art.
5 I GG zu untersuchen. Gerechtfertigt ist die Maßnahme nur dann, wenn sie
den Schrankenvorbehalten beider Grundrechte entspricht.
b. Kommt eine Rechtfertigung des Eingriffs nach Art. 8 II GG in
Betracht, so ist zu beachten, daß diese Bestimmung nur Versammlungen unter
freiem Himmel unter einen Gesetzesvorbehalt stellt. Versammlungen in
geschlossenen Räumen sind demnach scheinbar vorbehaltlos
gewährleistet. Die Differenzierung hat den Hintergrund, daß der
Grundgesetzgeber offenbar davon ausging, daß von Versammlungen in
geschlossenen Räumen weniger Gefahren ausgehen als von Versammlungen unter
freiem Himmel. [40] Daher dürfte es
für die Abgrenzung – entgegen dem Wortlaut des Art. 8 II GG –
weniger darauf ankommen, ob der Raum überdacht ist, sondern vielmehr, ob
der Raum zur Seite hin überall umschlossen und nur durch Eingänge
zugänglich ist. [41]
c. Versammlungen unter freiem Himmel können
durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.
Aufgrund der Bedeutung der Versammlungsfreiheit und des Parlamentsvorbehaltes
ist für einen gezielten Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 I GG ein
förmliches Gesetz zu fordern. Der Bundesgesetzgeber ist diesem Erfordernis
vor allem durch den Erlaß des Versammlungsgesetzes (VersG, insb.
dessen § 15) nachgekommen (des weiteren kommen die allgemeinen Polizei- und
Ordnungsgesetze, Bannmeilengesetze, Sonn- und Feiertagsgesetze, Straßen-
und Wegegesetze und das Straßenverkehrsrecht als Eingriffsgrundlagen in
Betracht). Im Anwendungsbereich des VersG ist ein Rückgriff auf das
allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht grundsätzlich ausgeschlossen (sog.
Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts). [42]
Gleichwohl kann es in bestimmten Fällen (etwa bei nichtöffentlichen
Versammlungen, da das VersG nur auf öffentliche Versammlungen anwendbar
ist) erforderlich sein, auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht
zurückzugreifen. Die damit verbundenen Probleme sollen im folgenden
erläutert werden.
d. Versammlungen in geschlossenen Räumen sind
demgegenüber gem. Art. 8 I GG vorbehaltlos gewährleistet. Gleichwohl
ist eine Einschränkung möglich, wenn dies zum Schutz der Grundrechte
Dritter oder anderer Güter mit Verfassungsrang zwingend geboten
ist. [43]
2. Das Versammlungsgesetz
Wie bereits erwähnt, stellen die Vorschriften des VersG die
wichtigsten Rechtsgrundlagen für Eingriffe in die Versammlungsfreiheit dar.
Dabei entstehen regelmäßig Abgrenzungsprobleme zu den Vorschriften
des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts.
- Art. 8 GG:
Versammlungsfreiheit (Versammlungen sind das ungehinderte Zusammenkommen
mehrerer Personen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Der gemeinsame Zweck
liegt in der Meinungsbildung und/oder Meinungsäußerung). Nicht vom
Schutzbereich umfaßt ist gewalttätiges Verhalten einzelner Teilnehmer
oder der Versammlung insgesamt.
- § 5 VersG:
Verbot von öffentlichen Versammlungen in geschlossenen
Räumen
- § 13 VersG:
Polizeiliche Auflösung von öffentlichen Versammlungen in geschlossenen
Räumen
- § 15 I VersG:
Verbot von öffentlichen Versammlungen im Freien, Auflagen
- § 15 II
VersG: Auflösung von öffentlichen Versammlungen im Freien, wenn
mindestens eine der in § 15 II VersG genannten Voraussetzungen erfüllt
ist. Relevant ist insbesondere die Auflösung einer nicht angemeldeten (vgl.
§ 14 I VersG) oder verbotenen (vgl. § 15 I VersG)
Versammlung[44]
- § 14 I VersG:
Anzeigepflicht von öffentlichen Versammlungen (eine öffentliche
Versammlung bzw. Demonstration ist spätestens 48 Stunden vor der
Bekanntgabe der zuständigen Behörde
anzuzeigen[45]
a. Öffentliche
Versammlungen
aa. Begriff der öffentlichen Versammlung
Wie die obigen Ausführungen zeigen, schützt Art. 8 I GG sowohl
öffentliche als auch nichtöffentliche Versammlungen. Das
VersG ist demgegenüber gem. § 1 VersG lediglich auf
öffentliche Versammlungen anwendbar. Öffentlich ist eine
Versammlung, wenn sie für jedermann zugänglich ist. Die
Öffentlichkeit einer Versammlung ist demnach davon abhängig, ob sie
einen geschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis
umfaßt.
Beispiele: Mitgliederversammlungen von
Verbänden, Gewerkschaften oder Parteien sind demnach
nichtöffentliche Versammlungen. Gleiches gilt für einen
Parteitag mit entsandten Delegierten und geladenen
Gästen.[46] Werden
die Einladungen aber kopiert und frei weitergegeben und findet auch keine
Kontrolle durch den Veranstalter statt, ist von einer öffentlichen
Versammlung
auszugehen.[47] Zu den
nichtöffentlichen Versammlungen vgl. unten b.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß eine Versammlung
öffentlich ist, wenn die Teilnahme jedermann offensteht, dies
insbesondere unabhängig von einer persönlichen Einladung.
bb. Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel
a.) Steht fest, daß es sich bei der betreffenden
Versammlung um eine öffentliche Versammlung handelt, ist des weiteren zu
klären, ob es sich bei der Versammlung um eine Versammlung unter freiem
Himmel oder um eine Versammlung in geschlossenen Räumen handelt, denn der
Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG beschränkt sich – wie bereits
erwähnt – auf Versammlungen unter freiem Himmel. Besteht eine
öffentliche Versammlung unter freiem Himmel, so stellen die Vorschriften
des VersG eine abschließende gesetzliche Grundlage für Eingriffe in
das Versammlungsgrundrecht dar. Ein Rückgriff auf das allgemeine Polizei-
und Ordnungsrecht ist den Behörden verwehrt (sog. Polizeifestigkeit von
öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel).
b.) Besonders problematisch ist der Vorfeldbereich von
öffentlichen Versammlungen. Die Frage geht dahin, ob auch hier das
allgemeine Polizeirecht ausgeschlossen ist. Zunächst ist festzuhalten,
daß der Versammlungsbegriff des Art. 8 I GG auch das Vorfeld von
Versammlungen, namentlich den Zugang einer sich bildenden Versammlung,
umfaßt. [48] Des weiteren steht fest,
daß der Versammlungsbegriff des Art. 8 GG und der des VersG nicht
identisch sind (sonst gäbe es die Problematik der nichtöffentlichen
Versammlung sowie der Maßnahmen unterhalb der Schwelle der Auflösung
nicht). Nun wird in der Literatur vertreten, daß auch in dieser Phase die
Normen des VersG so weit wie möglich anzuwenden und die
Tatbestandsvoraussetzungen für alle präventiven Maßnahmen etwa
den §§ 5, 13, 15 oder 12 a VersG zu entnehmen
sind [49], wodurch sich etwa eine
Personenfeststellung oder Durchsuchung als sog. Minusmaßnahme zu diesen
Normen darstellt, und das Polizeigesetz nur für die Rechtsfolge gilt. Es
ist aber auch möglich, eine räumlich/zeitliche Abgrenzung vorzunehmen,
indem entweder auf den Wirkungsbereich oder auf den Zeitraum der eigentlichen
Durchführung der Versammlung abgestellt wird. Eine solche Abgrenzung nimmt
der VGH Mannheim vor. [50] Außerhalb des
stärksten Schutzes der Versammlungsfreiheit, nämlich außerhalb
der Versammlung selbst, seien polizeiliche Eingriffe nicht ausschließlich
am VersG zu messen, sondern könnten sich auch auf das Polizeigesetz
stützen, natürlich unter Beachtung des Art. 8 I GG. Daraus folgt,
daß polizeiliche Maßnahmen, die gezielt in die Versammlungsfreiheit
eingreifen, schon deshalb unzulässig sind, weil Art. 8 I GG in den
Polizeigesetzen nicht als eingeschränkt zitiert wird. Polizeirechtlich sind
also nur solche Maßnahmen möglich, die entweder gar keine Eingriffe
in Art. 8 I GG darstellen oder bei denen eventuelle Eingriffe in Art. 8 I GG nur
Nebenfolge der polizeilichen Maßnahme
sind. [51]
Zulässig sind demnach die Aussonderung von Personen mit
Verhinderungsabsicht, von Gewalttätern und Bewaffneten. Zulässig sind
auch räumlich vom Versammlungsort abgesetzte Kontrollen, um anreisende
Straftäter (z.B. Vermummte) zu entdecken und die Versammlung vor solchen
Personen zu schützen.
Problematisch sind aber weiterhin diejenigen Vorkontrollen, die zum Zweck
der Identitätsfeststellung der Teilnehmer durchgeführt werden.
Darin liegt nicht nur ein gezielter Eingriff in das fundamentale Recht auf
informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I GG), sondern auch in die innere
Versammlungsfreiheit des Art. 8 I GG, weil Personen durch die Vorkontrollen
abgeschreckt werden könnten, die konkrete Versammlung und auch weitere zu
besuchen. Das legt die Verneinung der Zulässigkeit von auf das allgemeine
Polizeirecht gestützte Vorkontrollen (Personenfeststellung)
nahe. [52]
c.) Die Phase nach Beendigung der öffentlichen
Versammlung ist mit Blick auf die Anwendbarkeit des allgemeinen
Polizeirechts unproblematischer, da das VersG hierzu kaum Regelungen
enthält. Ausnahmen sind die §§ 12 a und 13 II VersG. Aus §
13 II VersG ergibt sich eine Entfernungspflicht aller Teilnehmer bei einer
Auflösung der Versammlung durch die Polizei. Dennoch dürfen nach
Beendigung nicht sofort polizeiliche Maßnahmen nach den Polizeigesetzen
durchgeführt werden, weil auch für diesen Bereich das
Versammlungsrecht des Art. 8 I GG Nachwirkung zeigt und das allgemeine
Polizeirecht nicht den Art. 8 I GG einschränken darf (es fehlt wie bereits
festgestellt die Zitierung der Einschränkung des Art. 8 I GG, vgl. Art. 19
I S. 2 GG). Maßnahmen nach dem allgemeinen Polizeirecht sind demnach nur
nach einer angemessenen Wartezeit zulässig. Etwas anderes gilt aber
für Gewalttäter und bewaffnete Personen, da für diese das
Versammlungsrecht aus Art. 8 I GG keine Schutzwirkung entfaltet. Solche Personen
können also unverzüglich nach den Polizeigesetzen z.B. in Gewahrsam
genommen werden, wenn im übrigen die polizeirechtlichen Voraussetzungen
(Gefahrenlage, Störereigenschaft, Verhältnismäßigkeit)
vorliegen.
d.) Zu den öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel
zählen auch Versammlungen innerhalb der befriedeten Gebiete (=
Bannkreise) der Gesetzgebungsorgane des Bundes oder der Länder sowie
des BVerfG. Das Bannmeilengesetz (BannmG) vom 6.8.1955 sah ein
grundsätzliches Verbot von Versammlungen innerhalb der Bannkreise vor.
Versammlungen durften nur durch behördliche Ermessensentscheidung (§ 4
BannmG) ausnahmsweise erlaubt werden. Das behördliche Ermessen konnte aber
in diesem Fall auf Null reduziert sein, mit der Folge, daß nur eine
einzige Entscheidung ermessensfehlerfrei war - die Zulassung der Versammlung -
wenn diese dem Schutzbereich des BannmG nicht zuwiderlief. Durch das Gesetz zur
Neuregelung des Schutzes von Verfassungsorganen des Bundes vom 11.8.1999 (BGBl
I, S. 1818) hat der Deutsche Bundestag das BannmG aufgehoben und durch das
Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes
(BefBezG [53])
ersetzt. [54] In § 5 BefBezG ist dem
Bürger nunmehr ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung
vom abstrakten Verbot des § 16 I VersG eingeräumt worden (vgl. dazu
§ 16 II VersG). Voraussetzung ist nur, daß keine
Beeinträchtigung der Tätigkeit des Deutschen Bundestages und seiner
Fraktionen, des Bundesrates und des BVerfG sowie ihrer Organe und Gremien und
eine Behinderung des freien Zugangs zu ihnen in dem befriedeten Bezirk gelegenen
Gebäuden zu befürchten ist (vgl. § 5 I S. 1 BefBezG: „sind
zuzulassen“). [55] Fraglich ist, unter
welchen Umständen eine Beeinträchtigung der Tätigkeit der
genannten Verfassungsorgane bzw. eine Behinderung des freien Zugangs vorliegt
bzw. zu befürchten ist. Jedenfalls ist eine Beeinträchtigung gem.
§ 5 I S. 2 BefBezG regelmäßig nicht anzunehmen, wenn die
Versammlung an einem Tag durchgeführt werden soll, an dem keine Sitzungen
des Bundestages oder Bundesrates stattfinden.
Außerhalb dieser gesetzlichen Fallgruppe haben Rechtsprechung und
Literatur bereits zur alten Rechtslage Fallgruppen entwickelt, bei denen eine
Beeinträchtigung der Tätigkeit der betroffenen Verfassungsorgane nicht
zu befürchten ist. So ist von einem Vorliegen einer Beeinträchtigung
nicht auszugehen, wenn die konkret geplante Versammlung sich nicht gegen das
geschützte Organ, sondern gegen andere Adressaten wendet, die ihren Sitz
ebenfalls im Bannkreis haben. [56]
Auch fehlt es an der erforderlichen Gefährdungslage, wenn sich die
geplante Versammlung mit Themen befaßt, die nicht im Kompetenzbereich des
fraglichen Verfassungsorgans liegen. Soweit keine anderen Anhaltspunkte für
eine Störereigenschaft der Versammlungsteilnehmer vorliegen, ist von einer
Ungefährlichkeit der betroffenen Versammlung
auszugehen. [57] Jedenfalls besteht eine
Vermutung für eine Ungefährlichkeit der Versammlung, wenn das Thema
der Versammlung nicht zur selben Zeit parlamentarisch bzw. verfassungsrechtlich
beraten wird. [58]
Klausurhinweis: In der Fallbearbeitung sollten zwar
die von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Fallgruppen bei der
Argumentation herangezogen werden. Entscheidend ist aber, daß sich der
Bearbeiter mit dem Sinn und Zweck der Regelung auseinander setzt. Ratio der
Regelung ist die Abwehr von Gefahren für die Funktionsfähigkeit der in
§ 16 I VersG genannten Verfassungsorgane und die Entscheidungsfreiheit
ihrer Mitglieder. Wegen der herausragenden Bedeutung des Art. 8 I GG kann aber
nicht jede Gefahrenabwehr ein Versammlungsverbot rechtfertigen. Vielmehr
muß ein Schutzgut in Gefahr sein, das im konkreten Fall das Grundrecht auf
Versammlungsfreiheit überwiegt. Ob das der Fall ist, muß durch
Abwägung der im Sachverhalt beschriebenen Schutzgüter
erfolgen.[59]
cc. Öffentliche Versammlungen in geschlossenen Räumen
Aufgrund der Beschränkung des Art. 8 II GG auf Versammlungen unter
freiem Himmel kann es Versammlungen geben, die zwar vom Schutzbereich des Art. 8
I GG, nicht aber vom ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG
erfaßt sind. Hierbei handelt es sich um Versammlungen in geschlossenen
Räumen, die scheinbar vorbehaltlos gewährt sind. Aber auch bei sog.
vorbehaltlos gewährten Grundrechten ist eine
Einschränkungsmöglichkeit anerkannt, wenn die Einschränkung zum
Schutze eines kollidierenden Verfassungsguts (etwa Gefahr für Leben und
Gesundheit der Teilnehmer oder Dritter) zwingend geboten ist. Aufgrund des
Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes ist aber auch hier stets ein
förmliches Gesetz zu fordern, das die Voraussetzungen eines Einschreitens
regelt. Ein solches förmliches Gesetz ist das VersG. So stellen etwa die
§§ 5 und 13 VersG eine zulässige Schrankenregelung dar, soweit
sie sich auf Friedlichkeit und Waffenlosigkeit beziehen und die
Einschränkung zum Schutze eines kollidierenden Verfassungsguts zwingend
geboten ist. Vor diesem Hintergrund bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken
hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 12 a VersG (insbesondere das
Videographieren) auf öffentliche Versammlungen in geschlossenen
Räumen. [60] Das gilt insbesondere dann,
wenn die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 13 VersG
vorliegen. [61]
Beispiel:[62]
Die rechtsradikale Gruppe R hält ein öffentliches Treffen in dem
Saal einer Gaststätte ab, um rechtsradikales Gedankengut auszutauschen und
eventuell eine neue Organisationen zu gründen. Die Polizei, die davon
gehört hat, betritt mit starken Kräften den Raum, stellt die
Personalien aller Anwesenden fest, durchsucht diese und deren Sachen
einschließlich der Pkw und findet dabei zahlreiches rechtsextremistisches
Material, u.a. einige Nachdrucke des Buches „Mein Kampf“ von Adolf
Hitler. Weitere Maßnahmen schließen sich an, vor allem die Festnahme
von Gewalttätern bzw. der Platzverweis aus dem Stadtgebiet. Des weiteren
fertigte die Polizei zwecks Dokumentation Videoaufnahmen von der Razzia im
Versammlungsraum an. Auf welche Rechtsgrundlagen lassen sich die Maßnahmen
stützen?
Lösungsgesichtspunkte:
Die Zusammenkunft der R ist eine öffentliche
Versammlung. Das VersG ist somit grundsätzlich anwendbar. Die Versammlung
kann jetzt also nur noch durch eine bestimmte, ausdrücklich bekanntgegebene
Verfügung aufgrund der §§ 5, 13 VersG aufgelöst
werden. Da aber Versammlungen in geschlossenen Räumen nicht von dem
Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG erfaßt sind, müssen die o.g.
Vorschriften (insbesondere § 13 VersG) verfassungskonform ausgelegt und
angewendet werden. Versammlungen in geschlossenen Räumen können also
nur Einschränkungsmöglichkeiten aus der Verfassung selbst
entgegengesetzt werden, d.h. bedrohte Grundrechte Dritter oder sonstige wichtige
Rechtsgüter von Verfassungsrang. (sog. verfassungsimmanente
Auslegung).[63]
Demzufolge kommt eine auf § 13 VersG gestützte Auflösung der
Versammlung etwa in Betracht, wenn von der Versammlung Gewalttätigkeiten
ausgehen oder sie durch Verstöße gegen Strafvorschriften oder Aufruf
von Straftaten (§§ 86, 86 a, 130 StGB) geprägt ist, wodurch eine
Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik
Deutschland hervorgerufen wird. Dies war vorliegend zum einen nicht der Fall und
die Polizei hat die Versammlung zum anderen auch nicht aufgelöst, sondern
lediglich Personenfeststellungen und Durchsuchungen durchgeführt.
Allerdings sind die Maßnahmen Personenfeststellung und
Durchsuchung im VersG nicht ausdrücklich vorgesehen. Innerhalb einer
Versammlung sind sie also rechtlich nur konstruierbar als sog.
„Minusmaßnahmen“ nach den §§ 5, 12a, 13 oder 15, 19a
VersG. Das war bei Versammlungen im Freien schon bisher h.M. und wurde vom VGH
Mannheim nun auch auf Versammlungen in geschlossenen Räumen angewandt.
Für die Maßnahmen Personenfeststellung und Durchsuchung
boten §§ 5, 12a, 13 oder 15, 19a VersG somit eine hinreichende
Rechtsgrundlage. Ein Rückgriff auf das allgemeine Polizei- und
Ordnungsrecht ist somit nicht erforderlich (und auch nicht zulässig, soweit
man der hier vertreten Auffassung folgt). Eine andere Frage ist es, ob auch die
Voraussetzungen der o.g. Vorschriften (Schutz eines kollidierenden
Verfassungsguts, etwa Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer oder
Dritter) erfüllt sind. Der VGH Mannheim hat diese Frage (entgegen der
Vorinstanz) verneint.
Fraglich ist, ob auch die Videoaufnahmen
rechtmäßig waren. Für Videoaufnahmen kommt § 12a VersG als
Rechtsgrundlage in Betracht. Für Versammlungen in geschlossenen Räumen
wird allerdings dessen Verfassungsmäßigkeit angezweifelt, weil diese
Versammlungen nicht unter den Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG fallen. Es
kommt aber eine mit § 13 VersG vergleichbare verfassungskonforme Auslegung,
d.h. Einschränkung auf Friedlichkeit und Waffenlosigkeit, in Betracht. Die
h.M.[64] hält §
12 a VersG daher dann für verfassungskonform, wenn er durch Auslegung auf
die Fälle des § 13 VersG reduziert wird. Das führt dazu,
daß die Vorschrift bei Versammlungen in geschlossenen Räumen kaum
anwendbar ist.[65] Das
muß auch für den vorliegenden Fall angenommen werden. Im übrigen
teilen die Bild- und Tonaufnahmen das Schicksal der Maßnahmen, die sie
dokumentieren. Geht man mit dem VGH Mannheim von der Rechtswidrigkeit der o.g.
polizeilichen Maßnahmen aus, so sind die Bild- und Tonaufnahmen
ebensowenig wie diese durch eine spezielle Ermächtigung des VersG
gedeckt.
Zum Zwecke der Dokumentation dürfen
Videoaufnahmen demgegenüber schon im Ansatz nicht angefertigt werden. Denn
eine derartige Maßnahme ist weder in § 12 a noch in § 13 VersG
vorgesehen und stellt einen Eingriff in die innere Versammlungsfreiheit dar.
b. Nichtöffentliche Versammlungen
aa. Wie bereits erläutert, ist das VersG seinem Wortlaut
nach grundsätzlich nur auf öffentliche Versammlungen anwendbar
(§ 1 VersG). [66] Daher ist fraglich,
welche Grundrechtsschranke für nichtöffentliche Versammlungen
in Frage kommt, ob also wegen der beschränkten Anwendbarkeit des VersG auf
öffentliche Versammlungen die Anwendbarkeit des allgemeinen Polizei-
und Ordnungsrechts (Standardmaßnahmen bzw. Befugnisgeneralklausel) auf
nichtöffentliche Versammlungen greifen kann. Auf Vorschriften des
allgemeinen Polizeirechts gestützte Gefahrenabwehrmaßnahmen gegen
eine private ( nichtöffentliche) Versammlung könnten
nämlich zum einen gegen die Vorschriften des Grundgesetzes über die
Gesetzgebungskompetenzen verstoßen und zum anderen einen
Wertungswiderspruch darstellen, da das allgemeine Polizei- und
Ordnungsrecht (insbesondere die Befugnisgeneralklausel) weniger stringente
Voraussetzung für einen Grundrechtseingriff normiert, als dies bei
spezialgesetzlichen Eingriffsermächtigungen der Fall ist.
bb. Die Vorschriften des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts
bei nichtöffentlichen Versammlungen (insbesondere in geschlossenen
Räumen) heranzuziehen, begegnet nach Ansicht des
BVerwG [67] keinen kompetenzrechtlichen
Bedenken. Unter die konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 74 I Nr. 3 GG fielen
alle öffentlich-rechtlichen Regelungen für Versammlungen i.S.d. Art. 8
GG, mithin auch die für eine nichtöffentliche
Versammlungen. [68] Der Bund habe mit dem VersG
von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht; die wenigen auf nichtöffentliche
Versammlungen anwendbaren Vorschriften hätten aber keinen
abschließenden Charakter. Es könne nicht angenommen werden, daß
der Gesetzgeber Eingriffe in nichtöffentliche Versammlungen auf
landesrechtlicher Grundlage habe ausschließen wollen; die
Gesetzgebungskompetenz der Länder sei mithin nach Art. 72 I GG
unberührt geblieben. Demzufolge stehen dem allgemeinen Polizei- und
Ordnungsrecht keine kompetenzrechtlichen Vorschriften entgegen.
cc. Des weiteren könnten auf Vorschriften des allgemeinen
Polizeirechts gestützte Gefahrenabwehrmaßnahmen gegen eine
nichtöffentliche Versammlung (insbesondere in geschlossenen
Räumen) gegen die im VersG gegebenen Eingriffsbefugnisse hinausgehen, und
so einen Wertungswiderspruch darstellen, da die Generalklausel weniger
stringente Eingriffs voraussetzungen normiert als bspw. die §§ 5
und 13 VersG. Um diesem (vermeintlichen) Wertungswiderspruch entgegenzutreten,
werden daher zum Teil die §§ 5 und 13 VersG analog herangezogen mit
dem Gedanken, daß diese Bestimmungen als Konkretisierung des Art. 8 I GG
ausgewiesen seien. [69] Es gäbe keinen
sachlichen Grund, ausgerechnet nichtöffentliche Versammlungen, von
denen der Allgemeinheit geringere Gefahren drohten als von öffentlichen,
dem VersG zu entziehen und dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht mit seinen
weitreichenden Eingriffsmöglichkeiten zu
unterstellen. [70]
Einer solchen analogen Anwendung ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:
Für eine Analogie besteht neben der Regelungslücke auch deren
Planwidrigkeit und eine vergleichbare Interessenlage zwischen dem geregelten und
dem ungeregelten Fall. [71]
Eine Regelungslücke besteht: Das VersG ist auf nichtöffentliche
Versammlungen unanwendbar (§ 1 VersG). Die Regelungslücke ist aber
nicht planwidrig, da der Gesetzgeber davon ausgeht, daß
nichtöffentliche Versammlungen in geschlossenen Räumen stattfinden und
von solchen Versammlungen eine geringere Gefahr ausgeht als von
öffentlichen Versammlungen. Daher wendet die
h.M. [72] das allgemeine Polizeirecht an.
Dennoch besteht der Schutz des Art. 8 I GG fort, jetzt sogar in einem besonderen
Maße, da der Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG nicht greift. Es ist also
nur eine verfassungsimmanente Einschränkung möglich. Aus diesem Grund
will eine weitere Auffassung [73] auch nur dann
Abwehrmaßnahmen auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht
stützen, wenn beachtet wird, daß in diesen Fällen nur solche
Maßnahmen getroffen werden, die dem Schutz der Grundrechte Dritter oder
sonstiger Verfassungsgüter dienen. Dem ist zuzustimmen. Wie auch sonst
müssen sich die Grenzen derjenigen Grundrechte, die schrankenlos
gewährt werden, aus dem Grundgesetz selbst ergeben. Daher ist ein auf die
polizeiliche Generalklausel gestützter Eingriff in eine
nichtöffentliche Versammlung in einer verfassungskonformen
Konkretisierung des allgemeinen Polizeirechts zulässig.
Da es dann um den Schutz von Rechtsgütern von Verfassungsrang geht
(Versammlungsfreiheit, Leben, Gesundheit), steht der Anwendbarkeit der
Generalklausel auch nicht das Zitiergebot des Art. 19 I S. 2 GG entgegen (vgl.
auch § 9 BremPolG).
c. Zusammenfassung
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Öffentliche Versammlungen
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Nichtöffentliche Versammlungen
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Unter freiem Himmel
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Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel sind vom
Schutzbereich des Art. 8 I GG umfaßt. Es greift aber der Gesetzesvorbehalt
des Art. 8 II GG. Das auf diesen Sachverhalt anwendbare VersG ist daher die
verfassungsrechtliche Schranke zur Abwehr versammlungstypischer Gefahren, die
von öffentlichen Versammlungen (§ 1 I VersG) unter freiem
Himmel ausgehen. Die polizeiliche Befugnisgeneralklausel ist daher als
Eingriffsermächtigung subsidiär gegenüber Maßnahmen zur
Abwehr versammlungstypischer Gefahren. § 15 VersG ist eine
spezialgesetzliche und abschließende Vorschrift. Eingriffe in das
Versammlungsgrundrecht aus Art. 8 I GG dürfen in diesem Zusammenhang also
nicht auf Befugnisnormen des allg. Polizei- und Ordnungsrechts
gestützt werden. Dasselbe gilt für Eingriffsmaßnahmen
gegenüber öffentlichen Versammlungen in geschlossenen
Räumen in bezug auf §§ 5, 13 VersG, wobei materiell die
bestimmten Restriktionen zu beachten sind (s.u.).
|
Nichtöffentliche Versammlungen unter freiem Himmel sind
vom Schutzbereich des Art. 8 I GG umfaßt. Es greift aber der
Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG. Das VersG ist allerdings auf
nichtöffentliche Versammlungen grundsätzlich nicht anwendbar
(§ 1 VersG), daher ist strittig, welche Rechtsgrundlage einschlägig
ist. Nach der hier vertretenen Auffassung ist das allg. Polizei- und
Ordnungsrecht in verfassungskonformer Konkretisierung des Versammlungsrechts
anwendbar.
|
In geschlossenen Räumen
|
Öffentliche Versammlungen in geschlossenen Räumen
sind vom Schutzbereich des Art. 8 I GG umfaßt. Art. 8 II GG stellt aber
nur Versammlungen unter freiem Himmel unter einen Gesetzesvorbehalt.
Versammlungen in geschlossenen Räumen sind danach
verfassungsrechtlich vorbehaltlos gewährleistet (vgl. aber die
verfassungsimmanente Einschränkbarkeit). Die §§ 5, 13 VersG
stellen nur eine zulässige Schrankenregelung dar, soweit sie sich auf
Friedlichkeit und Waffenlosigkeit beziehen.
|
Nichtöffentliche Versammlungen in geschlossenen
Räumen sind ebenfalls vom Schutzbereich des Art. 8 I GG umfaßt. Die
§§ 5, 13 VersG stellen keine Schrankenregelung dar und sind –
zumindest direkt – nicht anwendbar mit der strittigen Folge der
einschlägigen Rechtsgrundlage. Nach der hier vertretenen Auffassung ist
auch hier das allg. Polizei- und Ordnungsrecht in verfassungskonformer
Konkretisierung des Versammlungsrechts anwendbar.
|
3. Verhältnismäßigkeit der §§ 14 und 15
Versammlungsgesetz
a. Bei einer Beschränkung der Versammlungsfreiheit ist stets
die grundlegende Bedeutung des Art. 8 I GG zu
beachten. [74] Eine Beschränkung ist nur
zum Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
möglich. [75] Die
Grundrechtseinschränkung muß daher zunächst einen legitimen
Zweck verfolgen und zur Erreichung ihres Ziels geeignet sein. Des weiteren
muß sie erforderlich sein. Es darf also kein milderes Mittel zur Abwehr
der von der Veranstaltung unmittelbar ausgehenden Gefahren geben.
Schließlich verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
die Angemessenheit der Grundrechtseinschränkung. Es muß eine
praktische Konkordanz zwischen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und den
anderen betroffenen Verfassungsgütern hergestellt werden.
b. Fraglich ist, ob § 15 VersG diesen Anforderungen gerecht
wird, da dort (in Abs. 1) gleich von einem „ Verbot“ bzw. von
„ Auflagen“ [76] gesprochen
wird und mildere Maßnahmen, etwa eine demonstrationsfreundliche
Kooperation zwischen der Behörde und den Versammlungsteilnehmern, nicht
vorgesehen sind. Die h.M. legt die Vorschrift verfassungskonform dahin aus,
daß die Behörden, bevor sie ein Verbot verhängen oder die
Durchführung der Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen,
zunächst versuchen müssen, durch eine demonstrationsfreundliche
Kooperation mit den Versammlungsteilnehmern dem Grundrecht aus Art. 8 I GG
maximale Geltung zu verschaffen (sog.
Kooperationsmodell). [77] Ist jedoch
bezüglich einer geplanten Versammlung bzw. Demonstration aufgrund von
Erfahrungswerten und einer Prognose davon auszugehen, daß mit
hinreichender Wahrscheinlich von ihr Gefahren für Leib und Leben ausgehen
werden, bedarf es der einschränken Interpretation des § 15 VersG
nicht. [78]
c. Auch die Anmeldungspflicht (eine Versammlung ist nicht
genehmigungspflichtig!) nach § 14 VersG ist im Hinblick auf Eil- oder
Spontanversammlungen verfassungsrechtlich bedenklich. Denn käme §
14 VersG uneingeschränkt und pauschal zur Anwendung, bestünde die
Gefahr einer Entwertung bzw. Aushöhlung von Art. 8 I GG, weil es Fälle
gibt, in denen es a priori praktisch unmöglich ist, den Anforderungen des
§ 14 VersG gerecht zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hat dies
erkannt, und nimmt seit seiner Brokdorf-Entscheidung Spontanversammlungen
von der Anmeldepflicht aus, legt § 14 VersG also verfassungskonform
aus. [79] Spontanversammlungen sind
Versammlungen, die nicht geplant waren und keine Veranstalter vorhanden sind,
sondern sich „aus dem Augenblick heraus“ entwickeln, also
Entschluß und Durchführung unmittelbar
koinzidieren. [80] Demgegenüber handelt es
sich bei den Eilversammlungen (auch Blitzversammlungen genannt) um
Versammlungen, die im Unterschied zu Spontanversammlungen zwar geplant sind und
Veranstalter haben, aber ohne Gefährdung des Versammlungszwecks nicht unter
Einhaltung der Frist des § 14 VersG (48 Stunden) angemeldet werden
können. [81] Würde man hier strikt auf
die Einhaltung der Anmeldungsfrist beharren, hätte dies zur Folge,
daß auch Eilversammlungen von vornherein unzulässig wären. Im
Unterschied zu den Spontanversammlungen ist bei den Eilversammlungen aber nicht
die Anmeldung überhaupt, sondern lediglich die Fristwahrung unmöglich.
Daher ist § 14 VersG bezüglich Eilversammlungen in
verfassungskonformer Weise so auszulegen, daß Eilversammlungen anzumelden
sind, sobald dies möglich ist. Das wird spätestens mit dem
Beschluß, die Versammlung durchzuführen, der Fall
sein. [82]
4. Verhältnismäßigkeit der Einzelmaßnahme
Steht die Vereinbarkeit der Rechtsgrundlage (beispielsweise § 15
VersG) mit Art. 8 I GG fest, so ist des weiteren zu prüfen, ob auch die auf
ihr ergangene Einzelmaßnahme mit Art. 8 I GG vereinbar ist. So kommt ein
Verbot oder eine Auflösung einer Versammlung nur zum Schutz elementarer
Rechtsgüter (Leib und Leben) in Betracht. Dementsprechend kann ein
Verstoß allein gegen die Anmeldungspflicht kein Verbot bzw. keine
Auflösung rechtfertigen.
IV. Abschlußfall
Mit am 30.8.2000 bei der Stadt Göttingen eingegangenen
Schreiben meldeten die Veranstalter V des Landesverbandes Niedersachsen der NPD
in ihrem Namen und im Namen des Landesverbandes eine Versammlung unter freiem
Himmel an (vgl. § 14 VersG). Diese Versammlung sollte am 18.11.2000 (von
etwa 12 bis 17 Uhr) unter dem Motto „für Meinungsfreiheit und gegen
Versammlungsverbote“ aus einem Aufmarsch und einer
Abschlußkundgebung in der Innenstadt von Göttingen bestehen. Bei
diesem Aufmarsch sollten ein Lautsprecherwagen sowie mehrere Megaphone, Trommeln
und Fanfaren zum Einsatz gebracht werden. Ferner sollten Fahnen, Schilder und
Transparente getragen werden. Die erwartete Teilnehmerzahl wurde mit 100 bis 500
angegeben. Nach Bekanntgabe dieses Vorhabens meldete am 15.9.2000 eine Reihe von
Parteien und Gruppierungen eine Gegendemonstration an, die ebenfalls am
18.11.2000 in der Zeit zwischen 12 und 17 Uhr stattfinden sollte. Das Motto
für diese Versammlung lautete: „Gegen Nationalismus und
Fremdenhaß“. Die erwartete Teilnehmerzahl wurde mit 2000 angegeben.
Mit Bescheid vom 28.9.2000 verbot der Oberbürgermeister der Stadt
Göttingen die für den 18.11.2000 von den V angemeldete Versammlung und
ordnete die sofortige Vollziehung des Verbots an. Von der Versammlung des
Landesverbandes Niedersachsen der NPD werde eine Störung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung und damit eine Gefahr ausgehen. So
seien weder die Versammlungsleiter noch deren Stellvertreter willens, die von
den Versammlungsteilnehmern ausgehenden Verstöße gegen die
öffentliche Sicherheit weitgehend zu verhindern oder zu unterbinden. Mit
Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit sei auch deswegen zu
rechnen, weil in Göttingen und seiner näheren Umgebung jüngst
gehäuft Mitglieder rechtsextremer Gruppierungen Opfer gewalttätiger
Übergriffe geworden sind, die Anhängern linksextremer Gruppierungen
zugeschrieben würden. Ferner lasse die Absicht, auch Fahnen
mitzuführen, angesichts bisheriger Erfahrungen mit Versammlungen der NPD
darauf schließen, daß es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu
Verstößen gegen § 86a StGB kommen werde. Das Zeigen verbotener
Fahnen und Embleme würde die Polizeikräfte vor Ort aber dazu zwingen,
gegen die Träger der Fahnen und Embleme einzuschreiten. Dies wiederum
hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gewalttätige
Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizeikräften zur Folge.
Schließlich deute der geplante Einsatz von Trommeln und Fanfaren darauf
hin, daß seitens der Veranstalter darauf abgezielt werde,
Einschüchterungseffekte zu erzielen und ein Klima der Gewaltbereitschaft zu
erzeugen. Daher sei auch ein großes Aufgebot an Sicherheitskräften
nicht in der Lage, Gefahren für Leib und Leben zuverlässig
auszuschließen. Die V möchten wissen, ob das Versammlungsverbot
rechtmäßig ist.
Lösungsgesichtspunkte:
1. Schutzbereich des Art. 8 I GG
a. Eine Versammlung i.S.d. Art. 8 I GG ist das
ungehinderte friedliche Zusammenkommen mehrerer Personen, die einen gemeinsamen
Zweck verfolgen. Der gemeinsame Zweck liegt in der Meinungsbildung und/oder
Meinungsäußerung. Vorliegend wollen sich Personen treffen, um
für Meinungsfreiheit und gegen Versammlungsverbote zu demonstrieren. Damit
liegt eine Meinungsbildung und/oder Meinungsäußerung, mithin ein
gemeinsamer Zweck, vor. Beließe man es dabei, wäre der Schutzbereich
der Versammlungsfreiheit eröffnet.
b. Der Schutzbereich des Art. 8 I GG ist aber auf
Friedlichkeit und Waffenlosigkeit begrenzt. Daran könnte es vorliegend
fehlen, da u.a. Fahnen mitgeführt werden sollen. Fahnen, genauer gesagt
Fahnenstangen, sind für sich genommen gefährliche Werkzeuge,
determinieren somit den Begriff der Unfriedlichkeit und den Begriff der Waffe.
Werden sie aber nicht zum Zweck des Einsatzes als Schlaginstrumente
mitgeführt, sondern lediglich, um die Flaggentücher zu halten, ist die
Versammlung zumindest diesbezüglich nicht unfriedlich. Vorliegend kann in
Ermangelung von Sachverhaltsangaben nicht davon ausgegangen werden, daß
die Fahnen(-stangen) im Verlauf der Versammlung als Schlagwerkzeuge gebraucht
werden. Mithin ist von einer friedlichen Versammlung auszugehen. Der
Schutzbereich des Art. 8 I GG ist somit eröffnet.
2. Eingriff in den Schutzbereich
Durch das Versammlungsverbot ist auch in den Schutzbereich
eingegriffen worden.
3. Verfassungsrechtliche
Rechtfertigung
a. Art. 8 II GG stellt die Versammlungsfreiheit
unter einem (einfachen) Gesetzesvorbehalt. § 15 I VersG könnte zwar
Ausdruck dieser Grundrechtsschranke sein, dies jedoch nur, wenn er seinerseits
mit der Verfassung in Einklang steht. An der formellen Rechtmäßigkeit
des VersG bestehen keine Zweifel. Insbesondere ist von der Zuständigkeit
des Bundesgesetzgebers (vgl. Art. 72 i.V.m. 74 I Nr. 3 GG) und dem
ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren (vgl. Art. 76 ff. GG)
auszugehen. Allerdings kann die materielle Verfassungsmäßigkeit des
§ 15 I VersG nicht ohne weiteres unterstellt werden. Bedenken knüpfen
an den Umstand, daß die Versammlungsfreiheit einen sehr hohen
verfassungsrechtlichen Rang besitzt und dieser hohe Rang bei einer Abwägung
mit anderen Schutzgütern angemessene Bwerücksichtigung finden
muß.
Fraglich ist, ob § 15 I VersG diesen Anforderungen
gerecht wird, da dort gleich von einem „Verbot“ bzw. von
„Auflagen“ gesprochen wird und mildere Maßnahmen, etwa
eine demonstrationsfreundliche Kooperation zwischen der Behörde und den
Versammlungsteilnehmern, nicht vorgesehen sind. Die h.M. legt die Vorschrift
verfassungskonform dahin aus, daß die Behörden, bevor sie ein Verbot
verhängen oder die Durchführung der Versammlung von bestimmten
Auflagen abhängig machen, zunächst versuchen müssen, durch eine
demonstrationsfreundliche Kooperation mit den Versammlungsteilnehmern dem
Grundrecht aus Art. 8 I GG maximale Geltung zu verschaffen (sog.
Kooperationsmodell). Ist jedoch bezüglich einer geplanten Versammlung bzw.
Demonstration aufgrund von Erfahrungswerten und einer Prognose davon auszugehen,
daß mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von ihr Gefahren für Leib
und Leben ausgehen werden, bedarf es der einschränken Interpretation des
§ 15 VersG nicht.
Vorliegend sind aufgrund der einschlägigen Erfahrungen
die Schutzgüter Leib und Leben betroffen. Beschränkt man die Auslegung
der Begriffe öffentliche Sicherheit und Ordnung in § 15
I VersG auf solche Schutzgüter, ist § 15 I VersG mit Art. 8 I GG
vereinbar.
b. Fraglich ist, ob das Mittel des
Versammlungsverbots verhältnismäßig ist. Sicherlich ist ein
Versammlungsverbot geeignet, den vermuteten Gefahren für die
öffentliche Sicherheit entgegenzutreten. Fraglich ist aber die
Erforderlichkeit. Soweit der Oberbürgermeister darauf abstellt, daß
bei der Versammlung Trommeln und Fanfaren zum Einsatz gebracht sowie Fahnen
getragen werden sollen, ist jedenfalls nicht ersichtlich, weshalb entsprechende
Auflagen (die gegenüber dem Totalverbot ein milderes Mittel darstellen),
untauglich sein sollten, etwaige speziell aus ihnen resultierende
Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
auszuschließen. Deshalb muß untersucht werden, ob sich die
Erforderlichkeit des Totalverbots nicht aus anderen Gründen ergibt. Ein
solcher anderer Grund könnte die Größe der Versammlung sein und
damit zusammenhängend die besondere Gefährlichkeit, die von den
erwarteten Versammlungsteilnehmern zu dem vorgesehenen Thema ausgeht.
Insbesondere hat die Vergangenheit gezeigt, daß ein nicht unerheblicher
Teil der Demonstranten an der Versammlung in der Erwartung und Bereitschaft
teilnehmen würde, bei sich bietender Gelegenheit aus der Versammlung heraus
verbotene Fahnen und Embleme zu zeigen sowie in gewalttätige
Auseinandersetzungen mit Anhängern linksextremer Gruppierungen und
gegebenenfalls eingreifender Polizeikräfte zu treten. Daher ist auch ein
großes Aufgebot an Sicherheitskräften nicht in der Lage, Gefahren
für Leib und Leben zuverlässig auszuschließen.
Diese Umstände sind daher geeignet, die von der
Behörde angestellte Gefahrenprognose als Grundlage für ein Verbot zu
tragen. Aus den gleichen Gründen ist das Verbot auch nicht
unverhältnismäßig i.e.S.. Die von der Versammlung erwarteten
erheblichen Gefahren für Leib und Leben überwiegen somit das an sich
hohe Schutzgut der Versammlungsfreiheit.
4. Ergebnis
Das vom Oberbürgermeister der Stadt Göttingen
verhängte Versammlungsverbot ist damit mit Art. 8 I GG vereinbar.
[1] BVerfGE 69, 315,
344 f. (Brokdorf).
[2] BVerfG a.a.O., S. 347;
kritisch Kloepfer, HdbStR VI, S. 744 f..
[3] Vgl. Kniesel, NJW
2000, 2857; Kahl, JuS 2000, 1090, 1091; Deutelmoser,
NVwZ 1999, 240 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn
689.
[4] Pieroth/Schlink,
Grundrechte, Rn 689.
[5] BVerwGE 56, 63,
69. Etwas anderes kann aber im Hinblick auf die Betreiber des
Informationsstandes selbst gelten, vgl. dazu Kniesel, NJW 1996,
2606, 2611.
[6] Kniesel, NJW
2000, 2857, 2860.
[7] Vgl. VG Braunschweig NZV
2000, 142; VGH Mannheim NVwZ 1998, 761, 763; OVG Weimar NVwZ-RR
1998, 498; Deger, NVwZ 1999, 265, 266; Kunig, in:
von Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rn 14; Kannengießer, in:
Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 8 Rn 3; Hesse, Grundzüge des
Verfassungsrechts, Rn 405.
[8] Vgl. von
Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1957, Art. 8 Anm. III 2;
VGH Mannheim NVwZ 1998, 761, 763. Hiervon zu unterscheiden ist die
Definition der öffentlichen Versammlung nach dem Versammlungsgesetz,
vgl. hierzu unten S. 226 ff..
[9] Herzog, in:
Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn 13.
[10] Vgl. nur BVerfGE
69, 315, 343 (Brokdorf).
[11] BVerfGE 69,
315, 343 (Brokdorf); 87, 399, 406
(Versammlungsauflösung).
[12] Anders
Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn 693, die die Aussage des BVerfG im Sinne
ihrer weiten Auffassung verstehen wollen.
[13] Vgl. dazu
Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rn 2 f..
[14] So auch Kniesel
NJW 2000, 2857, 2858; Deutelmoser, NVwZ 1999, 240, 241.
Selbstverständlich wäre die Love-Parade auch als Versammlung
anzusehen, wenn man sich der weiten Interpretation des Versammlungsbegriffs
anschließt.
[15] Der
Polizeipräsident in Berlin hat in den vergangenen Jahren die Love-Parade in
ihrer Gesamtheit als Versammlung bewertet. Das OVG Berlin (NJW 1998, 1423
f.), hat dagegen die Frage, ob die Love-Parade eine Versammlung i.S.d. Art. 8 I
GG darstellt oder ob es sich bei ihr nur um ein von Art. 8 I GG nicht
geschütztes kommerzielles Musik- und Tanzfest handelt, als nicht
entscheidungserheblich dahin stehen lassen.
[16] VG Braunschweig NZV
2000, 142.
[17] Vgl. dazu jüngst
BVerfG NJW 2000, 3051 (Vorläufiger verfassungsgerichtlicher
Rechtsschutz bei Versammlungsverbot) und BVerfG NJW 2000, 3053 (Teilweise
Aufhebung eines Versammlungsverbots durch BVerfG) und Kahl, JuS
2000, 1090, 1091.
[18] Kniesel, NJW
2000, 2857; Kahl, JuS 2000, 1090, 1092;
Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn 9; Kloepfer, HdbStR VI, S.
747; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 8 Rn 3; Pieroth/Schlink,
Grundrechte, Rn 695; wohl auch Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art.
8 Rn 13.
[19] OLG Saarbrücken
NStZ-RR 1999, 119; Hoffmann-Riem, in: Alternativkommentar, Art. 8
Rn 12; Benda, in: Bonner Kommentar, Art. 8 Rn 21;
Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 8 Rn
3.
[20] Herzog, in:
Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn 47 f.; OLG Düsseldorf JR 1982, 299,
300.
[21] BVerfGE 69,
315, 343 (Brokdorf); 73, 206, 249 (Sitzblockade); OVG Weimar NVwZ-RR
2000, 154 L; Kniesel, NJW 2000, 2857,
2858.
[22] Vgl. dazu OVG Weimar
NVwZ-RR 2000, 154 L; sowie Beschl. v. 7.5.2000 – 3 ZEO
311/99, S. 3 f..
[23] BVerfGE 73,
206, 249 (Sitzblockade).
[24] Kniesel, NJW
2000, 2857, 2860.
[25] Die §§ 5 und
15 VersG enthalten zwar Rechtsgrundlagen, die vor Beginn einer Versammlung bzw.
Demonstration greifen, erlauben aber nur ein Vorgehen gegen die Veranstalter,
nicht jedoch gegen einzelne Teilnehmer. Diese können demnach nur mittelbar,
d.h. über entsprechende Maßnahmen gegen den Veranstalter (etwa durch
Auflagen oder gar ein Versammlungsverbot) getroffen werden.
[26] BVerfGE 73,
206, 248 f. (Sitzblockade); 87, 399, 406
(Versammlungsauflösung).
[27] So Badura,
StaatsR, 2. Aufl. 1996, C Rn 64; Kloepfer, in: HdbStR VI, S. 755
f..
[28] Vgl. auch Kahl,
JuS 2000, 1090, 1092.
[29] BVerfGE 73,
206, 249; 87, 399, 406; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn 716;
Kniesel, NJW 1996, 2606 ff.; einschränkend
Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 8 Rn 4a, wonach
eine Blockade von Ein- und Ausgängen eines Gebäudes, Grundstücks
oder einer Straße oder eines sonstiges Verbindungsweges keine friedliche
Versammlung sein kann.
[30] BVerfGE 69,
315, 261 (Brokdorf); Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG,
Art. 8 Rn 4 a.
[31] Kahl, JuS
2000, 1090, 1091; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn 66;
Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn 696; Jarass, in: Jarass/Pieroth,
GG, Art. 8 Rn 7. Anders Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rn
26, wonach gefährliche Werkzeuge i.S.v. § 224 StGB nicht zu den Waffen
i.S.d. Art. 8 I GG zählen.
[32] Kahl, JuS
2000, 1090, 1091; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn
68.
[33] Vgl. dazu oben S.
99.
[34] Vgl. dazu jüngst
BVerfG NJW 2000, 3051 (Vorläufiger verfassungsgerichtlicher
Rechtsschutz bei Versammlungsverbot) und BVerfG NJW 2000, 3053 (Teilweise
Aufhebung eines Versammlungsverbots durch BVerfG) sowie Kahl, JuS
2000, 1090, 1092.
[35] BVerfGE 69,
315, 349 (Brokdorf).
[36] BVerfGE 65, 1,
43 (Volkszählung).
[37] BVerfGE 69,
315, 359 (Brokdorf).
[38] OVG Bremen NVwZ
1990, 1188, 1189. Vgl. auch den Überblick bei Kniesel, NJW
1996, 2606 ff..
[39] Zur Konkurrenz
zwischen Art. 8 I und 5 I GG vgl. S. 52.
[40] Vgl. Leibholz/v.
Mangoldt, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Neue Folge
Band 1, 1951, S. 114 f.
[41] Jarass, in:
Jarass/Pieroth, GG, Art. 8 Rn 14; Ipsen, Grundrechte, Rn 536; vgl. auch
BVerfGE 69, 315, 348 (Brokdorf).
[42] Kahl, JuS
2000, 1090, 1092.
[43] BVerwG NVwZ
1999, 991 unter Berufung auf BVerwGE 90, 112, 122 (zu Art. 4 GG).
Vgl. dazu auch Brodersen, JuS 2000, 198, 199; Jarass, in:
Jarass/Pieroth, GG, Art. 8 Rn 21.
[44] Zur
Verfassungsmäßigkeit des § 15 VersG vgl. den
Abschlußfall.
[45] Die Anmeldepflicht
(eine Versammlung ist nicht genehmigungspflichtig!) ist im Hinblick auf Eil-
oder Spontanversammlungen verfassungsrechtlich bedenklich. Das BVerfG geht aber
von der Verfassungsmäßigkeit des § 14 VersG aus, indem es Eil-
oder Spontanversammlungen von der Anmeldepflicht ausnimmt, § 14 VersG also
verfassungskonform auslegt (vgl. BVerfGE 69, 315, 349 f.; 85, 69,
75). Für Verfassungsmäßigkeit des § 14 VersG auch
Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rn 33; für
Verfassungswidrigkeit Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 8 Rn 17;
Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn 58.
[46] BVerwG NVwZ
1999, 992; OVG Weimar NVwZ-RR 1998, 498 f.; Kniesel, NJW
2000, 2857, 2862.
[47] OVG Weimar NVwZ-RR
1999, 499.
[48] BVerfGE 69,
315, 348 (Brokdorf); 84, 203, 209 (Versammlung der Republikaner);
Kniesel, NJW 2000, 2857, 2862.
[49] Vgl.
Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, 12.
Auflage 2000, § 15 Rn 5; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn
710.
[50] VGH Mannheim NVwZ
1998, 761, 762 f..
[51] Deger, NVwZ
1999, 265, 267.
[52] Zur Kritik auch
Kniesel, NJW 2000, 2857, 2862 f..
[54] Vgl. aber die Regelung
des Art. 7 II des Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Verfassungsorganen
des Bundes vom 11.8.1999, wonach die neue Regelung vorerst nur bis zum 30.6.2003
gilt. Sollte der Gesetzgeber das neue Gesetz dann nicht verlängern, so ist
die „Tabuzone Bannmeile“ abgeschafft.
[55] Zur Kritik an dem
neuen Gesetz vgl. Kniesel, NJW 2000, 2857, 2866; Werner,
NVwZ 2000, 369 ff..
[56] OVG Münster NWVBl
1994, 305, 309; Ott/Wächtler, VersG, 6. Aufl. 1996, 16
Rn 2.
[57] VG Hamburg NVwZ
1985, 678; Breitbach, in: Ridder/Breitbach, Versammlungsrecht,
1992, § 16 Rn 41.
[58] OVG Münster NWVBl
1994, 305, 309; Breitbach, in: Ridder/Breitbach,
Versammlungsrecht, 1992, § 16 Rn 41.
[59] Vgl. dazu
ausführlich Werner, NVwZ 2000, 369 ff..
[60] Vgl. Kniesel,
NJW 2000, 2857, 2865; Guldi, VR 1999, 180.
[61] VGH Mannheim NVwZ
1998, 761, 764.
[62] Angelehnt an VGH
Mannheim NVwZ 1998, 761.
[63] Jarass/Pieroth,
GG, Art. 8 Rn 21; Deger, NVwZ 1999, 265, 266.
[64] VGH Mannheim NVwZ
1998, 761, 762 f.; Kniesel, NJW 2000, 2857, 2865;
Dietel/Gintzel/Kniesel, Demontrations- und Versammlungsfreiheit, 12.
Aufl. 2000, § 12a Rn 7.
[65] Deger, NVwZ
1999, 265, 267.
[66] Ausnahmen stellen die
§§ 3, 21, 23 und 28 VersG dar, deren Bestimmungen auch auf
nichtöffentliche Versammlungen anwendbar sind.
[67] BVerwG NVwZ
1999, 991, 992 f..
[68] Vgl. auch
Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74 Rn 26.
[69] So Kniesel, NJW
2000, 2857, 2865; Alberts, NVwZ 1992, 38, 40;
Rühl, NVwZ 1988, 577, 581; Ketteler, DÖV
1990, 954, 956; Krüger, DÖV 1993, 658,
660.
[71] Vgl. dazu im
Verwaltungsprozeßrecht S. 223 ff..
[72] BVerwG NJW
1999, 991, 992; OVG Lüneburg NVwZ 1988, 638; VGH Mannheim
NVwZ 1987, 237; OVG Münster NVwZ 1989, 885; VG Minden NVwZ
1988, 663; OVG Saarlouis E 13, 208, 211; Kunig, von
Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rn 30.
[73] Deger, NVwZ
1999, 265, 268; Schoch, JuS 1994, 479, 481;
Götz, POR, Rn 501 und 276.
[74] Vgl. BVerfGE
87, 399, 407 (Versammlungsauflösung bei Sitzblockade); BVerfG NJW
2000, 3051, 3052 f. (Vorläufiger verfassungsgerichtlicher
Rechtsschutz bei Versammlungsverbot); BVerfG NJW 2000, 3053, 3054 f.
(Teilweise Aufhebung eines Versammlungsverbots durch BVerfG).
[75] BVerfGE 69,
315, 348 f. (Brokdorf).
[76] Unter
„Auflagen“ i.S.d. § 15 I VersG sind keine Auflagen i.S.e.
Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt gemeint, da kein Grundverwaltungsakt
existiert, der mit einer Nebenbestimmung versehen werden könnte. Bei den
„Auflagen“ i.S.d. § 15 I VersG handelt es sich vielmehr um
eigenständige, in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit eingreifende
Verwaltungsakte. Auflagen in diesem Sinne wären etwa Verbote, Trommeln oder
Fanfaren zum Einsatz zu bringen oder bestimmte Fahnen nicht zu
tragen.
[77] Vgl. BVerfGE
69, 315, 350 (Brokdorf); 85, 69, 74 (Eilversammlung); Kahl,
JuS 2000, 1090, 1093.
[78] Vgl. dazu BVerfG NJW
2000, 3051, 3053 (Vorläufiger verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz
bei Versammlungsverbot).
[79] Vgl. BVerfGE
69, 315, 349 f. (Brokdorf); 85, 69, 75 (Eilversammlung). Für
Verfassungsmäßigkeit des § 14 VersG auch Kunig, in: von
Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rn 33; für Verfassungswidrigkeit
Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 8 Rn 17; Höfling, in:
Sachs, GG, Art. 8 Rn 58.
[80] Kahl, JuS
2000, 1090, 1093.
[81] Kahl, JuS
2000, 1090, 1093.
[82] So die h.M., vgl. nur
BVerfGE 85, 69, 75 (Eilversammlung); Kahl, JuS 2000, 1090,
1093; Gusy, JuS 1993, 555, 557; a.A. BVerfGE 85, 69,
77 f. (abw. Meinung); Höfling, in: Sachs, GG, Art. 8 Rn 58
f..
[83] In Anlehnung an BVerfG
NJW 2000, 3051 (Vorläufiger verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz
bei Versammlungsverbot).
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