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Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Verlag Rolf Schmidt)

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist im Wesentlichen von der Rechtsprechung entwickelt worden. „Seine Aufgabe ist es, i.S. des obersten Konstitutionsprinzips der Würde des Menschen (Art. 1 I GG) die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten.“[1] Es lassen sich verschiedene Aspekte des Schutzbereichs ausmachen:

1. Schutzbereich

a. Zunächst schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht die enge persönliche Lebenssphäre. Es verleiht dem einzelnen die Befugnis, sich zurückzuziehen, abzuschirmen, für sich und allein zu bleiben. Dieses Recht ist nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit wäre erheblich behindert, wenn der einzelne nur im eigenen Haus der öffentlichen Neugier entgehen könnte.[2] Vielmehr ist der Rückzug und die Abschirmung i.S. dieses Rechts sozial zu verstehen.[3] Daher ist sind auch der vertrauliche Kontakt zwischen Arzt und Patient[4], sonstige Befunde über Gesundheitszustand, seelische Verfassung und Charakter[5] und die Vertraulichkeit des Tagebuchs[6] vom Schutzbereich erfaßt. In der Sache geht es also um den Schutz der privaten Sphäre.

b. Des weiteren ist das Recht auf Selbstbestimmung umfaßt. Damit ist das Recht gemeint, die eigene Abstammung zu kennen. Dem Betroffenen darf die Kenntnis der eigenen Abstammung nicht vorenthalten werden.[7] Auch darf ihm das Recht nicht verwehrt werden, seinen Namen zu behalten[8], seine Geschlechtsrolle[9], den entsprechenden Personenstand und die eigene Fortpflanzung[10] zu bestimmen. Auch gehört das Recht eines Straftäters auf Resozialisierung[11] hierher.[12]

c. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der einzelne soll grundsätzlich selbst entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Mit dem Volkszählungsurteil[13] hat das Bundesverfassungsgericht dieses Recht näher konkretisiert und Grundsätze für den Umgang mit persönlichen Daten aufgestellt. So setze der Zwang zur Abgabe personenbezogener Daten eine spezifische und präzise Rechtsgrundlage voraus. Diese spezielle Rechtsgrundlage müsse auch die Verwendung von Daten und deren Verarbeitung auf bestimmte Zwecke beschränken (sog. bereichsspezifische Befugnisnorm). Auch sei eine Sammlung nicht-anonymisierter Daten auf Vorrat oder ohne konkrete Zweckbindung unzulässig. Schließlich seien unabhängige Datenschutzbeauftragte zu beteiligen. In dem Volkszählungsurteil hat das Bundesverfassungsgericht auch Grundsätze bezüglich der Datenerhebung zu statistischen Zwecken aufgestellt. So dürfe keine enge und konkrete Zweckbindung vorliegen, da dies dem Wesen einer Statistik fremd sei. Eine Sammlung personenbezogener Daten sei nur dann zulässig, wenn die Geheimhaltung gesichert sei. Im übrigen seien statistische Daten frühzeitig zu anonymisieren. Schließlich seien die Verarbeitungsvoraussetzungen gesetzlich klar zu formulieren, es seien besondere Vorkehrungen zur Durchführung und Organisation der Datenverarbeitung und -erhebung zu treffen.

Weitere Beispiele aus der jüngeren Rechtsprechung:
  • Die Untersuchung einer gem. § 81a StPO oder auf freiwilliger Basis von einem Beschuldigten entnommenen Blutprobe im nicht-codierenden Bereich der DNA, die keine Informationen über erbliche Eigenschaften des Beschuldigten vermittelt, begegnet nach dem heutigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnis keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.[14]
  • § 55 BBG läßt in Ausprägung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, insbesondere der Treuepflicht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn, hinreichend deutlich erkennen, daß der Dienstherr von seinem Beamten die Angaben verlangen kann, die zur Verwirklichung des legitimen und dringenden Ziels, die Sicherheit im Bereich des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten, geeignet und erforderlich sind, und daß der Dienstherr diese Angaben im Sinne dieses Zweckes verwenden darf.[15]
  • Die Vorschriften des brandenburgischen Polizeigesetzes zur Datenerhebung durch den Einsatz technischer Mittel zu Ton- und Bildaufzeichnungen einschließlich der heimlichen Videoüberwachung sind mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (gem. der brandenburgischen Verfassung) vereinbar. Die Landesverfassung lasse einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse zu. Allerdings dürften unbeteiligte oder unverdächtige Personen, die durch Zufall in die Nähe mutmaßlicher Straftäter gerieten, nicht auf Dauer Beobachtungen ausgesetzt sein. Im Regelfall müßten sie später auch darüber informiert werden.[16]
  • Werden in der Hauptverhandlung eines Mordprozesses tagebuchähnliche Aufzeichnungen des Täters verlesen, so ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eröffnet.[17]
d. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfaßt auch die Befugnis, sich herabsetzender, fälschlicher und unerbetener öffentlicher Darstellungen, aber auch unerbetener heimlicher Wahrnehmungen seiner Person erwehren zu können.[18] Der einzelne soll selbst darüber befinden können, wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit darstellen will, was seinen sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll und ob oder inwieweit Dritte über seine Persönlichkeit verfügen können, indem sie diese zum Gegenstand öffentlicher Erörterungen machen.[19] Es gibt ein Recht am eigenen Bild.[20] Die ganz h.M. versteht darunter das Recht, die Darstellung der eigenen Person anderen gegenüber grundsätzlich selbst zu bestimmen.[21] Dem korrespondiert das Recht am eigenen Wort also Befugnis, selbst und allein zu bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und von wem seine auf einem Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf.[22] So hat der einzelne ein Recht darauf, daß ihm nicht die Mitgliedschaft in einer Organisation oder Vereinigung zugeschrieben wird, wenn diese Zuschreibung Bedeutung für die Persönlichkeit und deren Bild in der Öffentlichkeit hat.[23] Die Rechte am eigenen Bild und am eigenen Wort beinhalten das Recht auf Gegendarstellung.[24] So ist z.B. dem Betroffenen, über den in einer Fernsehsendung berichtet wird, das Recht zu gewähren, die Sendung einer Gegendarstellung in demselben Medium zu verlangen.[25] Bei dem Recht auf Gegendarstellung ist allerdings zu beachten, daß es der Presse nicht verwehrt ist, nach sorgfältiger Recherche auch über Vorgänge oder Umstände zu berichten, deren Wahrheit im Zeitpunkt der Veröffentlichungen nicht mit Sicherheit feststeht. Stellt sich aber im nachhinein heraus, daß die aufgestellten Tatsachenbehauptung nicht der Wahrheit entsprechen, entsteht die Pflicht zur Berichtigung. Die Pflicht, Tatsachenbehauptungen zu berichtigen, die sich als unwahr erwiesen haben und das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen fortwirkend beeinträchtigen, schränkt die Pressefreiheit nicht unangemessen ein.[26] Das Recht der Gegendarstellung ist einfachgesetzlich in den Landespressegesetzen normiert.

e. Schließlich umfaßt das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch den Schutz vor Fragen im Berufsleben (z.B. in einer Bewerbung oder in einem Kündigungsverfahren) über persönliche Lebensumstände (etwa nach einer bestehenden HIV-Infektion, einer Schwangerschaft oder nach bestimmter sexueller Vorlieben). Allerdings ist es mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der aus dem öffentlichen Dienst der DDR übernommenen Arbeitnehmer grundsätzlich vereinbar, daß die Arbeitgeber von ihnen vor der Entscheidung über eine Kündigung nach den Vorschriften des Einigungsvertrages verlangten, Fragen über frühere Parteifunktionen in der SED und Tätigkeiten für das Ministerium für Staatssicherheit zu beantworten. Fragen nach Vorgängen, die vor dem Jahre 1970 abgeschlossen waren, verletzen jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten. Wurden sie unzutreffend beantwortet, dürfen daraus keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen gezogen werden.[27]

2. Eingriff in den Schutzbereich

In das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird zumeist durch faktische Maßnahmen eingegriffen. Das können Erhebung, Speicherung und Weitergabe von personenbezogenen Daten, aber auch heimliche Sprachaufnahmen oder das Verlesen von tagebuchähnlichen Aufzeichnungen in der Hauptverhandlung eines Strafprozesses sein. Wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch private Dritte (etwa Zeitungsreporter) berührt, so ist zunächst der Zivilrechtsweg einzuschlagen. Das Zivilgericht nimmt dann eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und den Rechten des Dritten (etwa die Pressefreiheit) vor. Sollte das Zivilgericht dabei spezifisches Verfassungsrecht verletzen (etwa bei der Abwägung der gegenläufigen Belange die Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verkennen), kann (nach Erschöpfung des Rechtswegs) Verfassungsbeschwerde erhoben werden.

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

a. Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bedürften zunächst einer formellen gesetzlichen Grundlage.[28] Insoweit zieht die Rechtsprechung die Schrankentrias des Art. 2 I GG entsprechend heran.[29] Das Zitiergebot des Art. 19 I S. 2 GG gilt nicht.

b. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist wegen der Hochrangigkeit und Absolutheit des Würdeschutzes ein strengerer Maßstab anzulegen als bei der allgemeinen Handlungsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei eine Sphärentheorie entwickelt. Danach differenziert sich der Lebensbereich des einzelnen in drei Sphären:
  • Die Intimsphäre kennzeichnet den unantastbaren Bereich der Persönlichkeit. Dieser Bereich ist jeglicher öffentlicher Gewalt verschlossen.[30] Die Intimsphäre ist der Wesensgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Eine Abwägung mit den Interessen der Öffentlichkeit findet daher nicht statt.
  • Die Privatsphäre kennzeichnet den engeren persönlichen Lebensbereich, insbesondere innerhalb der Familie. Eingriffe in die Privatsphäre zugunsten der Öffentlichkeit sind unter strengen Voraussetzungen, die an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gestellt werden, zulässig. So ist z.B. dem Interesse an der Strafverfolgung und vollständiger Sachverhaltsermittlung ein höheres Gewicht beizumessen als den Geheimhaltungsbelangen im Bereich gewerblicher Betätigung. Andererseits erfährt der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Eltern oder Elternteilen eine Verstärkung durch Art. 6 I und II GG, soweit es um die Veröffentlichung von Abbildungen geht, die die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern zum Gegenstand haben.[31]
  • Schließlich ist die Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre zu nennen. Mit dieser Sphäre ist das Ansehen des einzelnen in der Gesellschaft gemeint. Wegen des Bezugs nach außen sind Eingriffe unter weniger strengen Voraussetzungen zulässig.
Neuerdings unterscheidet das Bundesverfassungsgericht[32] nicht mehr ausdrücklich zwischen den Sphären, sondern stellt vielmehr darauf ab, ob das staatliche Handeln in den unantastbaren Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreift oder dem Bereich des privaten Lebens zuzuordnen ist, bei dem ein Eingriff unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Dazu hat das Gericht folgende Kriterien aufgestellt:
  • Zunächst ist danach zu fragen, ob der Betroffene überhaupt einen Geheimhaltungswillen gebildet hat, denn willigt er in die Preisgabe des Kernbereichs seines Persönlichkeitsrechts ein, so ist eine Verletzung desselben ausgeschlossen.
  • Liegt eine Einwilligung nicht vor, ist in einem zweiten Schritt danach zu fragen, ob in den Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingegriffen worden ist.
  • Ist in den Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingriffen worden, so ist der Eingriff rechtswidrig.
  • Ist dagegen nicht in den Kernbereich eingegriffen worden, so findet eine Abwägung statt. Regelmäßig bedarf es einer praktischen Konkordanz zwischen den Grundrechten des Eingreifenden (insbesondere Art. 5 I S. 2 GG) und des Betroffenen.
c. Beispiele

(1) Der Schutz von Meinungsäußerungen, die sich als Schmähkritik Dritter darstellen, tritt regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsschutz des Betroffenen zurück. Im Einzelfall ist zivilrechtlich sogar die Gewährung eines Schmerzensgeldes möglich.[33]
(2) Weiterhin tritt der Schutz von Meinungsäußerungen hinter der persönlichen Ehre des Betroffenen und seinem Recht am eigenen Wort zurück. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den einzelnen davor, daß ihm Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht ausgesprochen hat und die seinem von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen.[34]
(3) Von besonderem Interesse ist das Recht am eigenen Bild. Die Problematik hat ihren Ursprung im letzten Jahrhundert, als Paparazzi den verstorbenen Otto von Bismarck fotografierten. Das Reichsgericht verbot die Verbreitung der Bilder, stütze seine Entscheidung aber nicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sondern auf den von den Journalisten begangenen Hausfriedensbruch.[35] Auch nach dieser Entscheidung wurde ein allgemeines Persönlichkeitsrecht vom Reichsgericht nicht anerkannt.[36] Heute ist der Bildnisschutz als spezielles Persönlichkeitsrecht einfachgesetzlich in den §§ 22 ff. Kunsturhebergesetz (KUG) geregelt. Die Auslegung und Anwendung des KUG hat aber stets vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Vorgaben zu erfolgen. So ist bei widerstreitenden Interessen (etwa das allgemeine Persönlichkeitsrecht auf der einen Seite, die Pressefreiheit auf der anderen Seite) stets eine Abwägung vorzunehmen. Der Konflikt ist dann über die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte und über der Figur der praktische Konkordanz zu lösen.
Zum Kunsturhebergesetz: Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Etwas anderes gilt für § 23 KUG. Dort werden Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis genannt. Den bedeutendsten Fall bilden die „Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ (§ 23 I Nr. 1 KUG).[37] Für diese vermutet das Gesetz ein das allgemeine Persönlichkeitsrecht überwiegendes Berichterstattungsinteresse, wenn das Bild zu Werbezwecken für ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Marke eingesetzt wird.[38] Dies gilt gem. § 23 II KUG jedoch nicht für eine Verbreitung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Mit diesem abgestuften Schutzkonzept trägt die Regelung sowohl dem Schutzbedürfnis des abgebildeten Person als auch den Informationswünschen der Öffentlichkeit und den Interessen der Medien, die diese Wünsche befriedigen, ausreichend Rechnung.[39]
Klausurhinweis: Wie bereits beschrieben, ist in der Fallbearbeitung regelmäßig (im Rahmen einer praktischen Konkordanz) eine Abwägung zwischen den Grundrechten des Eingreifenden (etwa Pressefreiheit, Art. 5 I S. 2 GG) und den Grundrechten des Betroffenen (etwa allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I i.V.m. 1 I GG) vorzunehmen. Ausschlaggebende Argumente sind auf Seiten des Eingreifenden das aufgrund der zunehmenden Visualisierung der öffentlichen Kommunikation bestehende Interesse an Bildinformationen sowie der Umstand, daß in der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeiten sich nicht in gleichem Maße auf den Bildnisschutz beruhen können wie andere Personen. Des weiteren besteht ein öffentliches Interesse an einer freien Bericht- und Bilderstattung. Für den Vorrang des allgemeinen Persönlichkeitsrechts seitens des Betroffenen streitet, daß auch er letztlich ein Recht auf eine Privatsphäre hat. Hierzu muß auf die o.g. Sphärentheorie eingegangen werden. Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfährt (auch bei Personen der Zeitgeschichte) jedenfalls eine Verstärkung dann, wenn es um die Veröffentlichung von Abbildungen geht, die die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern zum Gegenstand haben. In diesem Fall kann sich der Betroffene zusätzlich auf Art. 6 I und II GG berufen.[40]

4. Abschlußfall[41]:

Sachverhalt (stark vereinfacht):
Ein großer Zeitschriftenverlag veröffentlichte in einer von ihm verlegten Wochenzeitschrift Fotos, auf denen die Prinzessin Caroline von Monaco abgebildet ist. Eins der Fotos zeigt Caroline von Monaco zusammen mit dem Schauspieler Vincent Lindon und ihrem Sohn Pierre. Es handelt sich um eine Großaufnahme, die die genannten Personen von hinten oder von der Seite abbildet, wie sie sich dem Kind zuwenden. Der dazugehörige kleingedruckte Text lautet: „Carolines Jüngster, Pierre, 6, hat sich gestoßen. Vincent und Caroline trösten ihn“.
Caroline von Monaco fühlte sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte zivilrechtlich auf Unterlassung. Im gesamten Instanzenzug blieb sie bezüglich des o.g. Fotos erfolglos. Darauf hin erhob sie gegen die zivilgerichtlichen Entscheidungen Verfassungsbeschwerde. Ist diese begründet?

Lösungsgesichtspunkte:

Durch die zivilgerichtlichen Entscheidungen könnte Caroline von Monaco in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) verletzt sein.

1. Schutzbereich
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfaßt u.a. die Befugnis, sich herabsetzender, fälschlicher und unerbetener öffentlicher Darstellungen, aber auch unerbetener heimlicher Wahrnehmungen seiner Person erwehren zu können. Der einzelne soll selbst darüber befinden können, wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit darstellen will, was seinen sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll und ob oder inwieweit Dritte über seine Persönlichkeit verfügen können, indem sie diese zum Gegenstand öffentlicher Erörterungen machen. Dazu gehört auch das Recht am eigenen Bild. Darunter wird das Recht verstanden, die Darstellung der eigenen Person anderen gegenüber grundsätzlich selbst zu bestimmen. Ein derartiges Schutzbedürfnis besteht auch bei Personen, die aufgrund ihres Ranges oder Ansehens, ihres Amtes oder Einflusses, ihrer Fähigkeiten oder Taten besondere öffentliche Beachtung finden. Daher unterfällt auch Caroline von Monaco dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

2. Eingriff in den Schutzbereich
Durch die zivilgerichtlichen Entscheidungen wurde auch in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingegriffen.

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die zivilgerichtlichen Entscheidungen ist gerechtfertigt, wenn die Gerichte bei ihren Entscheidungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Caroline von Monaco ausreichend berücksichtigt haben. Dabei war eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Caroline von Monaco einerseits und der Pressefreiheit des Zeitschriftenverlages andererseits zu treffen. Die Zivilgerichte haben sich dabei auf die Vorschriften der §§ 22 und 23 KUG gestützt. Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Von diesem Grundsatz nimmt § 23 I KUG unter anderem Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte aus (Nr. 1). Für diese vermutet das Gesetz ein das allgemeine Persönlichkeitsrecht überwiegendes Berichterstattungsinteresse, wenn das Bild zu Werbezwecken für ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Marke eingesetzt wird. Dies gilt gem. § 23 II KUG wiederum nicht für eine Verbreitung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Mit diesem abgestuften Schutzkonzept trägt die Regelung sowohl dem Schutzbedürfnis des abgebildeten Person als auch den Informationswünschen der Öffentlichkeit und den Interessen der Medien, die diese Wünsche befriedigen, ausreichend Rechnung. §§ 22 und 23 KUG sind daher verfassungsgemäß.
Möglicherweise verletzt aber die Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Caroline von Monaco. Dazu ist eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen der Pressefreiheit des Zeitschriftenverlages und dem Persönlichkeitsrecht der Caroline von Monaco vorzunehmen.
Durch die Pressefreiheit geschützt sind alle wesensmäßig mit der Pressefreiheit zusammenhängenden Tätigkeiten „von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und Meinung“. Umfaßt sind auch unterhaltende Publikationen und Beiträge sowie deren Bebilderung (sog. „Infotainment“). Auf der anderen Seite ist die Privatsphäre der Caroline von Monaco zu berücksichtigen. Die Privatsphäre, die nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist, kennzeichnet den engeren persönlichen Lebensbereich, insbesondere innerhalb der Familie. Eingriffe in die Privatsphäre zugunsten der Öffentlichkeit sind unter strengen Voraussetzungen, die an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gestellt werden, zulässig. Das gilt um so mehr, als sich Eltern oder Elternteile ihren Kindern hinwenden. Hier wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Art. 6 I und II GG verstärkt und führt zum Überwiegen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

4. Ergebnis
Die zivilgerichtlichen Entscheidungen haben bei der Abwägung der Interessen die Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verkannt. Die Verfassungsbeschwerde ist daher begründet

5. Konkurrenz zu anderen Grundrechten

Im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre ist das Grundrecht neben den anderen Grundrechten parallel anwendbar. Lediglich das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung stellen abschließende Spezialregelungen dar. Im Hinblick auf die personale Entfaltung gehen die anderen Freiheitsgrundrechte als leges specialis vor.

[1] BVerfGE 54, 148, 153 (Eppler); 72, 155, 170 (Elterliche Vertretungsmacht); 101, 361, 383 (Caroline von Monaco).
[2] BVerfGE 101, 361, 383 (Caroline von Monaco).
[3] Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn 375.
[4] BVerfGE 32, 373, 379 (Krankenakte).
[5] BVerfGE 89, 69, 82 f. (Haschischkonsum).
[6] BVerfGE 80, 367, 373 ff. (Verwertung tagebuchähnlicher Aufzeichnungen).
[7] BVerfGE 90, 263, 270 f. (Anfechtung der Ehelichkeit); 96, 56, 63 (Recht auf Kenntnis des Vaters).
[8] BVerfGE 78, 38, 49 (Gemeinsamer Familienname).
[9] BVerfGE 47, 46, 73 (Sexualkundeunterricht).
[10] Zur Schwangerschaft vgl. BVerfGE 88, 203, 254 (Schwangerschaftsabbruch II); zur Sterilisation BGH NJW 1995, 2407, 2409.
[11] BVerfGE 35, 202, 235 f. (Lebach); vgl. auch BVerfGE 45, 187, 239 (lebenslange Freiheitsstrafe) und BVerfGE 64, 261, 276 f. (Hafturlaub bei lebenslanger Freiheitsstrafe).
[12] Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn 374.
[13] BVerfGE 61, 1 ff. (Volkszählung).
[14] BVerfG NJW 1996, 771, 772 (DNA-Analyse einer Blutprobe im Strafverfahren).
[15] Vgl. VG Stade NJW 1987, 3148 (Sicherheitsprüfung von Beamten).
[16] BbgVerfG FAZ vom 1.7.1999, S. 3.
[17] BVerfGE 80, 367 ff. (Verwertung tagebuchähnlicher Aufzeichnungen).
[18] Vgl. dazu jüngst BVerfGE 101, 361 ff. (Caroline von Monaco).
[19] BVerfGE 101, 361, 383 (Caroline von Monaco); 63, 131, 142 (Gegendarstellung); 35, 202, 220 (Lebach); 54, 148, 155 (Eppler).
[20] BVerfGE 35, 202, 224 (Lebach); 54, 148, 154 f. (Eppler); 101, 361, 380 f. (Caroline von Monaco).
[21] BVerfGE 101, 361, 381; 97, 228, 268 f.; BGH NJW 1995, 861, 852 f.; BGH NJW 1996, 1128, 1129; Jarass, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz, in: NJW 1989, 857, 858; Degenhart, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, in: JuS 1992, 361, 362; Ehmann, Zur Struktur des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, in: JuS 1997, 193, 193 f.; Grimm, in: VersR-Schriften 2 (1997), S. 3; Scholz/Konrad, AöR 123 (1998), 61, 64.
[22] BVerfGE 34, 238, 246 (heimliche Tonbandaufnahme); 54, 208, 217 (Fernsehkommentar Böll).
[23] BVerfGE 99, 185 ff. (angebliche Mitgliedschaft in der Scientology-Organisation).
[24] BVerfGE 97, 125 ff. (Berichtigung durch Gegendarstellung).
[25] BVerfGE 63, 131, 142 f. (Gegendarstellung).
[26] BVerfGE 97, 125 ff. (Berichtigung durch Gegendarstellung).
[27] BVerfGE 96, 171, 181 (Ordentliche Kündigung wegen Funktionen in SED und Tätigkeiten für Stasi).
[28] Vgl. Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn 42; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn 383; Manssen, Grundrechte, Rn 204.
[29] Vgl. BVerfGE 32, 373, 379; 34, 238, 246 (heimliche Tonbandaufnahme); 101, 361, 387 (Caroline von Monaco).
[30] BVerfGE 6, 32, 41 (Elfes); 35, 202, 220 (Lebach); 80, 367, 373 (Verwertung tagebuchähnlicher Aufzeichnungen).
[31] BVerfGE 101, 361, 386 (Caroline von Monaco).
[32] Vgl. BVerfGE 80, 367 ff. (Verwertung tagebuchähnlicher Aufzeichnungen); BVerfGE 101, 361 ff. (Caroline von Monaco).
[33] BGH NJW 1995, 861, 852 f. (Caroline von Monaco). Zum Begriff der Schmähkritik vgl. BVerfG NJW 1991, 95 ff. (Schmähkritik/Strauß) und NJW 1999, 204 (Verunglimpfung des Staates).
[34] BVerfGE 54, 208, 217 (Fernsehkommentar Böll); 54, 148, 154 (Eppler).
[35] Vgl. RGZ 45, 170, 173 (Bismarck).
[36] Vgl. RGZ 113, 413, 414 (Der Tor und der Tod); anerkannt aber von BGHZ 13, 334, 338 (Leserbrief).
[37] Ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, muß unter Bezug auf die dargestellte Person (ihren Bekanntheitsgrad, Stellung in der Gesellschaft etc.) und unter Berücksichtigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit nach dem Verständnis des Durchschnittspublikums geklärt beantwortet werden (BVerfG NJW 2000, 1026 - E. Wepper). So werden Personen als Personen der Zeitgeschichte angesehen, die aus der Masse der Mitmenschen herausragen und deswegen dauerhaft im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen. Die Rechtsprechung hat dies bei Politikern (Willy Brandt), Sportlern (Boris Becker, Franz Beckenbauer), Schauspielern (Joachim Fuchsberger, E. Wepper), Musikern (Bob Dylan) und Adeligen (Caroline von Monaco) angenommen. Vgl. in der genannten Reihenfolge BGH ZUM 1996, 240, 141 (Abschiedsmedaille); OLG Frankfurt AfP 1988, 62 (Bucheinband); BGH NJW 1979, 2203 (Fußballkalender); BGH NJW 1992, 2084 (Brillenwerbung); BVerfG NJW 2000, 1026 (E. Wepper); BGH NJW 1997, 1152 (Bob Dylan); BVerfGE 101, 361 (Caroline von Monaco).
[38] Zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 22, 23 KUG vgl. BVerfGE 101, 361, 387; BVerfG NJW 2000, 1026 (E. Wepper).
[39] BVerfGE 101, 361, 387 (Caroline von Monaco).
[40] Vgl. BVerfGE 101, 361, 386.
[41] Nach BVerfGE 101, 361 ff..

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