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"Online-Mediation" von Hendrik Brauns
Hendrik Brauns

Online-Mediation

Das bessere Verständis dieser Seminararbeit über Online-Mediation setzt einige Grundkenntnisse über das Thema "Mediation" voraus. Eine gute Einführung in die Materie bietet der Aufsatz über Mediation von Thilo Schulz.

I. Einleitung

Traditionell basiert Konfliktlösung auf persönlichem Umgang und Kommunikation zwischen Anwesenden. Nach wie vor werden Auseinandersetzungen und Kontroversen im Wege von Anhörungen oder mittels Konferenzen gelöst. Sitzungen werden durch neutrale Dritte geleitet, die den widerstreitenden Parteien die Möglichkeit geben, ihre Positionen und Ansichten mündlich zu äußern.

Im Konfliktlösungsprozeß verständigt man sich gerade im Vorfeld dieser persönlichen Treffen unter erheblichem Zeit- und Papieraufwand meist schriftlich. Auch die Verhandlungen selbst sind aufgrund ihrer Komplexität geprägt von Schriftstücken. Telephonischer Kontakt beschränkt sich in der Regel auf Absprachen von Terminen und Klarstellungen spezieller und eng umrissener Probleme. Anhörungen selbst oder Konferenzen werden durch das Telephon nicht ersetzt.

Konferenzen im Mediationsprozeß werden bestimmt durch Fragen des Mediators an die Parteien, damit der Mediator sich ein klareres Bild des Konfliktes machen kann, um ihre wahren Interessen herauszuarbeiten. Lösungsvorschläge werden zusammen mit den Parteien ausgearbeitet. Aus den Reaktionen der Teilnehmer versucht er, gemeinsame Interessen zur Lösung des Problems zu entnehmen. Die an der Konfliktlösung Beteiligten müssen notwendigerweise für diesen Prozeß zur gleichen Zeit am gleichen Ort sein und es müssen Konferenzräume für diesen Zweck zur Verfügung gestellt werden.

Dieses Verfahren kann möglicherweise durch den Einsatz eines noch relativ jungen Mediums wesentlich erleichtert werden. Das Internet, insbesondere das leicht zugängliche WorldWideWeb könnte einen Raum darstellen, welcher Nachteile der traditionellen Mediation umgeht und zur Lösung der Streitsache hilfreiche Werkzeuge zur Verfügung stellt, um den Mediationsprozeß insgesamt effektiver, d.h. kosten- und zeitsparender zu gestalten. Das Internet ermöglicht es jedem, große Mengen an Information über praktisch jede Distanz sofort und ohne Zeitverlust an eine Zielperson zu übertragen. Kommunikation zwischen Personen wird ermöglicht, ohne daß diese sich am gleichen Ort befinden müssen. Die Beteiligten können zeitgleich wie auch unabhängig voneinander mit dem Netz verbunden sein und miteinander kommunizieren oder ihre Beiträge in virtuellen Konferenzen ein-bringen. Zugriff, Gebrauch, Speicherung und Verwaltung von großen Datenmengen werden durch das Internet und die Computertechnologie wesentlich erleichtert.

In vielen Anwendungsbereichen wird diese noch junge Informationstechnologie eingesetzt und bildet mittlerweile einen festen Bestandteil der modernen Industriegesellschaft. E-mail und Transaktionen, interaktive Cyberwelten und Bibliotheken - die Möglichkeiten des Internet sind vielfältig. "Cyberspace provides us with a new marketplace of ideas and it also provides us with a new marketplace of conflict," wie Ethan Katsh anmerkt, "it is an environment that allows persons and groups to communicate, build relationships, and work together in novel ways" (Katsh). Daraus resultiert aber auch die Gelegenheit und Notwendigkeit, neue Wege in der Konfliktlösung zu gehen und sich nicht vor den neuartigen Möglichkeiten zu verschließen.

Es gilt, sich die Vorteile des Internet auch für die Mediation nutzbar zu machen, sowie für neue durch das Internet erzeugte Konfliktfelder die Mediation als Mittel zur alternativen Konfliktlösung zur Verfügung zu stellen.

Hauptsächlich in den USA gibt es seit drei, vier Jahren Projekte, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Seit Januar 1998 bietet ein kommerzieller Internetanbieter Online-Mediation an (www.internetneutral.com), universitäre Forschungsprojekte untersuchen, ob und wie die Mediation auf das Internet in den unterschiedlichsten Fallgestaltungen übertragbar ist, und entwickeln geeignete Softwareanwendungen für Online-Mediation.

Ziel meiner Arbeit ist es nun, Möglichkeiten des Einsatzes von Online-Mediation zu erörtern. Dabei ist auf potentielle Probleme in der Anwendung dieser Form der Mediation einzugehen und spezielle für die Online-Mediation möglicherweise besonders geeignete Konfliktfelder zu beleuchten. Darüber hinaus sollen Softwaretools vorgestellt werden, Werkzeuge, welche die Online-Mediation erleichtern und dadurch effektiver gestalten können. Auch soll ein Blick auf computergestützte Softwaresysteme geworfen werden, die in den Online-Prozeß integriert werden können und in komplexen Mehrpersonenverhältnissen zu einer besseren Lösungsfindung führen sollen.

II. Was ist Online-Mediation?

Während die traditionelle Mediation darauf basiert, daß die Konfliktparteien an einem Ort zusammenkommen und in körperlich faßbaren Konferenzräumen an Problemlösungen arbeiten, wird bei der Online-Mediation der reale Raum durch die virtuelle Welt des Internet ersetzt.

Die Teilnehmer können über große räumliche Distanzen auf dem Bildschirm verhandeln. Kommunikation findet via e-mail statt oder in virtuellen Konferenzräumen, die von Mediatoren verwaltet werden. Alle Beteiligten können sich in solch einem virtuellen Konferenzraum zusammenfinden, wobei für den Mediator die Möglichkeit besteht, sich in einem passwort-geschützten Konferenzraum ausschließlich mit einer Partei zu unterhalten, während die andere online in einem anderen Raum wartet. Welche Form der Kommunikation gewählt wird, ist dem Einzelfall und der jeweiligen Situation anzupassen. So können auch Videokonferenzen zur Erleichterung der Verständigung durchgeführt werden. Voraussetzung für die Kommunikation zwischen einzelnen Teilnehmern ist lediglich ein ausreichend leistungsfähiger Computer mit Internetzugang. Das Mediationssystem selbst befindet sich auf einem von unbefugten Zugriffen geschützten Server und wird von dem Mediator oder einer entsprechenden Organisation zur Verfügung gestellt.

Online-Mediation setzt sich aus den gleichen Stufen (Verweis auf Aufsatz zur Mediation von Thilo Schulz) zusammen wie die herkömmliche, traditionelle Mediation. Die erste Stufe beinhaltet neben der Vorstellung der Person des Mediators und dessen Aufgabe für die Mediation noch eine Einführung in den Mediationsprozeß im allgemeinen, so daß die Parteien über die einzelnen Stufen des Verfahrens informiert sind. Die für die Mediation geltenden Verfahrens- und Verhaltensregeln werden den Parteien erläutert. Diese Regeln können zusätzlich bei einem entsprechenden link auf der homepage der Mediations-organisation von den Beteiligten jederzeit eingesehen werden. Mediationssoftware und ihre Hilfsmittel werden vom Mediator vorgestellt. Die Parteien müssen über den Umgang mit der Software informiert sein und sowohl mit der Möglichkeit des Einsatzes der einzelnen Hilfsmittel als auch mit ihren Funktionsweisen bekannt sein. Die weiteren Stufen im Verlauf der Online-Mediation unterscheiden sich formal nicht von den üblichen Stufen im Mediationsprozeß. Die Besonderheit besteht einzig darin, daß statt der mündlichen Verhandlung unter Anwesenden andere Formen der Kommunikation eingesetzt werden. Oberflächlich betrachtet bestehen Abweichungen somit nur in den Rahmenbedinungen des Mediationsverlaufs.

III. Potentielle Probleme der Online-Mediation

Aus der körperlichen Abwesenheit der Teilnehmer und der Technisierung der Rahmenbedingungen erwachsen jedoch möglicherweise Probleme, welche sich auch inhaltlich in der Mediation auswirken können. Der Einsatz von Computern kann die Verhandlungen verändern, ohne daß dies den Parteien bewußt ist (Wheeler). Probleme müssen daher identifiziert werden, damit sie gegebenenfalls durch besonderes Einwirken des Mediators oder mittels spezieller technischer Hilfsmittel umgangen werden können.

1. Vertrauliche Behandlung aller Daten

Die Versicherung gegenüber den Konfliktparteien, daß sämtliche Informationen und Geschehnisse vertraulich behandelt werden, ist ein grundsätzliches Merkmal jeder alternativen Konfliktlösung. Diskretion ist Voraussetzung für die Parteien, um ihre Kenntnisse, Ansichten und Interessen offenzulegen (Katsh). Findet die Mediation in realen Konferenzen statt, wird die Vertraulichkeit meist schon durch die natürlichen Gegebenheiten gefördert. Gespräche unter Anwesenden oder über das Telefon werden für gewöhnlich nicht aufgezeichnet, Schriftstücke zirkulieren nur in begrenzter und überschaubarer Anzahl und können nach dem Ende der Mediation von dem Mediator auf Wunsch vernichtet werden.

Das Problem der Online-Kommunikation liegt darin, daß die Kommunikation über Netzwerke unausweichlich das Kopieren von Daten einschließt. Im realen Raum kann Vorsorge getroffen werden, daß nur eine Kopie hergestellt wird oder alle Kopien anschließend eingesammelt werden. In der Online-Umgebung kann man zwar verlangen, daß Kopien vernichtet werden oder zum Teil Programme so einstellen, daß keine weiteren Kopien hergestellt werden, jedoch ist es ungewiß, wieviele Kopien wo auf welchem Server auf dem Weg dorthin angefertigt wurden. Cyberspace ist eine Umgebung, in der die Kommunikation durch das Kopieren erfolgt. David Post hat geschrieben, daß "das Kopieren von Daten nicht nur billig ist im Cyberspace, es ist allgegenwärtig. Und es ist nicht nur allgegenwärtig, es ist unverzichtbar, eine notwendige Voraussetzung für die Existenz des Mediums" (Post).

Natürlich muß sich ein Mediator bewußt sein, daß das Kopieren der Online-Kommunikation innewohnt. Er muß alle erdenkbaren Schritte unternehmen, um die ungewollte Verbreitung von Informationen zu kontrollieren wie z.B. Sicherungskopien nur für eine begrenzte Zeit aufzubewahren oder auf dem eigenen Server automatisch hergestellte Kopien zu vernichten. In sensiblen Bereichen jedoch, in denen die Parteien höchste Vertraulichkeit erwünschen, ist dies kein ausreichender Schutz davor, daß Dritte kopierte Informationen zu ihrem Nachteil verwenden.

Einziger wirksamer Schutz und damit Garantie für vertraulichen Umgang mit übermittelten Informationen ist die Verschlüsselung (Encryption). Ohne den speziellen "Schlüssel" ist niemand in der Lage, die Nachricht zu lesen. Der Schlüssel wird unabhängig von der Nachricht an den Empfänger verschickt und erreicht diesen so über andere Wege. Die Verwendung solcher Verschlüsselungsmethoden ist somit unumgänglich, um auch für die Online-Mediation Vertraulichkeit garantieren zu können.

Das dem Internet immanente Kopieren hat jedoch auch den Vorteil, daß schnell eindeutige und vollständige Protokolle zur Verfügung stehen. Diese können jederzeit von den Berechtigten eingesehen werden, um sich ein Bild vom Stand der Verhandlung zu machen oder andere Fragen zu klären. Die Mediation wird auf diese Weise nicht durch Aufnahmegeräte oder durch Mitschreiben gestört. Ist die Vertraulichkeit durch Verschlüsselung gewährleistet, so kann dies eine große Arbeitserleichterung für den Mediator darstellen.

2. Vertrauen als Grundlage des Erfolges

Aber nicht nur Vertraulichkeit, auch Vertrauen ist eine unabdingbare Grundlage jeder erfolgreichen Mediation. Eine Schlüsselqualität eines guten und effektiven Mediators ist somit die Fähigkeit, zwischen den Konfliktparteien und sich selbst eine Vertrauensbasis zu schaffen (Granat). Vertrauen ermöglicht Offenheit und Ehrlichkeit in Diskussionen mit dem neutralen Dritten, die Parteien setzen sich ernsthafter mit Vorschlägen für alternative Übereinkünfte auseinander und legen leichter ihre wahren Interessen dar (Katsh). Fehlt das Vertrauen in den Mediator und in den Mediationsprozeß, kommt es leicht zum sog. Verhandlungsdilemma. Analysen dieses Dilemmas haben gezeigt, daß die offene und ehrliche Mitteilung eigener Interessen und ihrer Priorisierung eine entscheidende Voraussetzung für die Realisierung von Kooperationsgewinnen ist (Eidenmüller, S.52). Diese Mitteilung unterbleibt jedoch häufig aus Furcht, sich eine Blöße zu geben und ausgebeutet zu werden. Fehlt das Vertrauen in den Mediator, führt dies meist zum Scheitern der Mediation.

Eine wichtige Frage ist also, ob die körperliche Abwesenheit aller Beteiligten die Entwicklung von Vertrauen behindert und damit den Erfolg der Mediation gefährdet.

In der traditionellen Mediation stehen dem Mediator eine Vielzahl von Techniken zur Verfügung, mit denen er zwischen sich und den Parteien das nötige Vertrauen erreichen kann. Zu diesen Techniken gehört u.a., wie der Mediator die Diskussionen führt, ein ausgewogenes Kräfteverhältnis zwischen den Parteien ermöglicht oder die Einhaltung der Regeln zum respektvollen Umgang miteinander durchsetzt.

Wesentlich für die Errichtung von Vertrauen und damit für die Bewältigung des Verhandlungsdilemmas sind aber auch vertrauliche Einzelgespräche des Mediators mit den Parteien. Den Beteiligten wird in den Einzelgesprächen die Möglichkeit gegeben, in einer risikofreien Atmosphäre ihre jeweiligen Interessen und Alternativen offenzulegen (Eidenmüller, S.52). Häufig führt dies zu einer Art Shuttle-Diplomatie des Mediators, welcher als Kommunikationskanal für die Konfliktparteien fungiert. Im Verlauf der Diskussion und der Einzelgespräche kann der Mediator nicht nur versteckte Interessen der Parteien erkennen, sondern auch deren Bereitschaft für eine kooperative und gemeinsame Konfliktlösung. Wichtige Anhaltspunkte hierfür sind neben den verbalen Aussagen auch Körpersprache, Mimik und Gestik der Teilnehmer, wie auch tonale stimmliche Veränderungen und Sprechpausen.

Nonverbale Kommunikation fehlt naturgemäß in der Online-Mediation. Shell argumentiert, daß durch den Computer viel der Wärme von zwischenmenschlichem Kontakt genommen wird, es dadurch schwerer wird, Reaktionen auf vorgetragene Ideen und Lösungsvorschläge einzuschätzen und daraus Mißverständnisse erwachsen können (Shell). Eine weitere Quelle von Mißverständnissen kann auch sein, daß manche Menschen sich schriftlich weniger präzise ausdrücken können als mündlich. Solche Fehldeutungen und Irrtümer können natürlich den Kooperationsprozeß beeinträchtigen und das Vertrauen zwischen den Beteiligten empfindlich stören.

Der Mediator muß sich dieser Zusammenhänge bewußt sein, um darauf reagieren zu können. Mehr Sensibilität und Vorsicht bei der Wortwahl mag erforderlich sein, gerade die Einzelgespräche müssen dazu genutzt werden, Mißverständnisse zu erkennen und zu beseitigen, um Vertrauen aufzubauen. Es mag auch von Vorteil sein, zu Beginn der Mediation die Beteiligten besonders auf diese Problematik hinzuweisen, damit auch sie sensibilisiert für dieses Problemfeld sind und besser mit daraus auftretenden Irrtümern umgehen können. Aber wem wird das Vertrauen geschenkt?

Die Identität der anderen Partei ist in vielen Konfliktsituationen völlig unklar. Bevor man einer Person jedoch vertrauen kann, muß man sie kennen. Dies mag in einigen Konstellationen zwar völlig irrelevant sein, gerade wenn bereits eine nicht auf persönlichem Kontakt basierende Beziehung - beispielsweise über das Internet - bestand. Das Bedürfnis zu wissen, wer sein Gegenüber ist, kann in manchen Auseinandersetzungen jedoch sehr wichtig für den Aufbau von Vertrauen sein. Auftreten, Erscheinungsbild, Verhalten, soziale und ethnische Herkunft und ähnliche Anhaltspunkte der Person werden zum Teil bewußt, zum Teil unbewußt herangezogen, um sich von jemandem ein Bild zu machen und ihr Vertrauen entgegenzubringen (Granat). Zu diesem Zweck sollte in Erwägung gezogen werden, zu Beginn der Online-Mediation ein erstes persönliches Treffen zu arrangieren. Aber auch während des Mediationsprozesses kann ein persönliches Treffen hilfreich sein, um zum Beispiel Mißverständnisse aus dem Weg zu räumen oder die gute bisherige Zusammenarbeit zu bestärken (Cohen). Sollten die technischen Mittel zur Verfügung stehen, mag auch eine Videokonferenz angebracht sein.

Zu berücksichtigen ist aber ebenso, daß die Distanz zwischen den Parteien, das Verborgene hinter dem eigenen Bildschirm auch Sicherheit bietet. Ist ein gewisses Maß an Vertrauen zwischen Mediator und dem Teilnehmer erreicht, fühlt dieser sich durch diese relative Anonymität gegebenenfalls sogar mehr zur Wahrheit ermuntert, um seine eigenen Interessen offen darzulegen. Zwar wurde diese Beobachtung in Konflikten gemacht, die ihre Ursache im Internet selbst hatten und ein persönlicher Kontakt während oder nach der Mediation unwahrscheinlich war (DuVal Smith). Aber auch auf andere Konflikte, solche des "realen" Lebens, kann diese Beobachtung sicherlich übertragen werden (siehe Granat).

Ein weiteres Problem ist die Identität der Person im technischen Sinne. Wie ist sicherzustellen, daß die Nachricht tatsächlich von der als Absender bezeichneten Partei herstammt und nicht verfälscht wurde? Das Konzept der digitalen Signatur soll aus dem Dilemma der bislang fehlenden Beweiskraft elektronischer Dokumente führen. Die digitale Signatur ist in Deutschland in Artikel 3 des sogenannten Multimediagesetzes, das am 01.08.1997 in Kraft getreten ist, geregelt. Eine digitale Signatur im Sinne dieses Gesetzes ist ein mit einem privaten Signaturschlüssel erzeugtes Siegel zu digitalen Daten, das mit Hilfe eines zugehörigen öffentlichen Signaturschlüssels, der mit einem Signaturschlüssel-Zertifikat einer Zertifizierungsstelle versehen ist, den Inhaber des Signaturschlüssels und die Unverfälschtheit der Daten erkennen läßt (§ 2 Absatz 1 SigG). Somit kann der Empfänger einer mit einer digitalen Signatur versehenen elektronisch abgegebenen Erklärung nachweisen, daß eine bestimmte Nachricht von einem genau bestimmbaren Absender stammt.

3. Probleme im Kommunikationsfluß

Eine weitere negative Erfahrung, die von Mediatoren während erster Online-Verhandlungen gemacht worden ist, basiert auf dem offensichtlichen und scheinbar banalen Umstand, daß die Nachrichten getippt und gelesen und nicht gesprochen und gehört werden. Teilnehmer können unterschiedliche Fingerfertigkeit im Umgang mit der Computertastatur besitzen oder Schwierigkeiten haben, sich schriftlich sicher und zügig auszudrücken. Andere mögen schriftlich kommunikativere Fähigkeiten besitzen als mündlich. Dies kann sich insbesondere bei Online-Konferenzen mit mehreren Parteien, die über das Internet Relay Chat (IRC) zeitgleich kommunizieren, bemerkbar machen. Es kann zu zeitlichen Verzögerungen kommen, bis die Nachricht in gewünschter Form verfaßt ist, so daß die Diskussion bis zum Eintreffen der Nachricht bereits fortgeschritten ist. Um die Verzögerung zu kompensieren, wird möglicherweise daraufhin eine Nachricht verfrüht abgeschickt und scheint nun die Nachricht der anderen Partei zu ignorieren (DuVal Smith; schöne Beispiele bei Rifkin). Es ist somit vorstellbar, daß Diskussionsteilnehmer gänzlich von der laufenden Diskussion ausgeschlossen werden.

Erfahrungen aus einer simulierten Online-Mediation mit IRC während einer ADR-online Projektwoche im November 1998 an der Universität Massachusetts haben gezeigt, daß solche Überschneidungen den Ablauf des Prozesses empfindlich stören können (siehe dazu www.umass.edu/cyber/resolution1.html). Hinzu kommt, daß die Teilnehmer sich nicht unbedingt an die vorgeschlagene Reihenfolge der Beiträge halten und mit ihren Nachrichten z.B. die Befragung einer Partei durch den Mediator unterbrechen. Der gesamte Vorgang kann sich hierdurch verzögern.

Ähnliche Erkenntnisse wurden während mehrerer Online-Mediationen in einer virtuellen Cyberwelt gewonnen (DuVal Smith). Die Teilnehmer werden ungeduldig und aggressiv statt kooperativ nach Lösungswegen zu suchen, die Diskussion eskaliert. Während dies natürlich auch bei Diskussionen unter Anwesenden geschehen kann, ist beim IRC die Zeit eine wesentliche Ursache für die Frustration. Tippen dauert deutlich länger als Sprechen, nicht angesprochene Beteiligte müssen länger warten bis sie wieder aktiv Beiträge leisten können. Eventuell hat sich der Mediator sogar mit der anderen Partei in einen anderen virtuellen Konferenzraum zurückgezogen, so daß der Betroffene nicht einmal passiv an dem weiteren Verlauf der Diskussion teilnehmen kann, während er online vor seinem Computer wartet (Rifkin; DuVal Smith).

Derartige Ursachen für Verstimmungen der Teilnehmer untereinander und dem gesamten Online-Prozeß gegenüber müssen ebenfalls vom Mediator beim Gebrauch des IRC berücksichtigt werden. Eine strenge Kommunikationsdisziplin ist zur Vermeidung solcher Konflikte nötig (Rifkin). Gegebenenfalls ist zur Erleichterung und zum zügigeren Vorankommen eine telefonische Klärung eines problematischen Punktes anzustreben.

Wegen des Zeitfaktors scheinen Echtzeit-Konferenzen über IRC daher nur bedingt zur Mediation geeignet. Zu berücksichtigen ist schließlich auch, daß bei Teilnehmern, die in verschiedenen Erdteilen leben, nicht nur die Zeitverschiebung den Mediationsprozeß bei ausschließlicher Verwendung von IRC belasten kann. Eine technische Verzögerung der Datenübertragung, welche zum Teil aufgrund langer Leitungswege mehrere Sekunden beträgt, kann die bereits oben erwähnten Überschneidungen während der Kommunikation herbeiführen.

IRC mag jedoch in einigen Phasen der Mediation sinnvoll erscheinen, so insbesondere in der Vorstellungsphase, um den Konfliktparteien gemeinsam den Verlauf und die Regeln zu erläutern. Auch die Einzelgespräche zwischen Mediator und einer Partei können über IRC erfolgen, solange die andere Partei gar nicht online ist oder zumindest nicht längere Zeit auf eine Beteiligung warten muß.

Auf der anderen Seite hat eine Kommunikation über e-mail statt über IRC die Vorteile, daß man innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens frei ist zu entscheiden, wann man antworten will. Das Mediationsverfahren wird dadurch aufgelockert und die einzelnen Teilnehmer sind flexibler in ihrer Zeitgestaltung. So ist ihnen die Gelegenheit gegeben, zu überlegen, was sie konkret antworten möchten, was die Alternativen für eine Lösung und wie die eigenen Interessen sind, ohne daß sie sich unter Zeitdruck zu dem Thema äußern müssen.

IV. Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten

Tis true, There`s magic in the Web of it.
(William Shakespeare)


Trotz der Vorteile von e-mail Kommunikation gibt es auch die gravierenden Nachteile rein schriftlicher Interaktion. Fehlen nonverbaler Elemente, mangelndes schriftliches Ausdrucksvermögen, schlechte Strukturierung der Beiträge oder auch ein unsicherer Umgang mit der Tastatur können das Verfahren empfindlich beeinträchtigen und erschweren. Haynes Beobachtung "In mediation, language is almost all we have to work with" (Haynes) ist in der e-mail oder IRC beherrschten Online-Mediation noch treffender als im traditionellen Verfahren.

Bilder, Graphiken und Diagramme können bekanntlich mehr wert sein als tausend Worte. Um über den bloßen e-mail Einsatz hinaus zu gelangen, müssen daher dem Mediator Software-Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden, die sich die graphischen Verwendungs-möglichkeiten des Computers zu nutze machen und Nachteile der schriftlichen Verständigung umgehen.

1. The Third Party

Das Projekt "The Third Party" des Center for Information Technology and Dispute Resolution der Universität Massachusetts hat verschiedene derartige Programme entwickelt, welche zum Teil bereits einsatzfertig sind, andere noch fertiggestellt und erprobt werden müssen. Zu letzteren gehören die Dispute Map und die Heat Map. Dies sind beides Anwendungen, welche den Konfliktparteien ein graphisches Gerüst des Streitstandes präsentieren, Divergenzen und Gemeinsamkeiten farbig veranschaulichen und so versuchen, den Teilnehmern einen Gesamteindruck des Konfliktes zu vermitteln. Durch verändern von Variablen sollen die Parteien in die Lage versetzt werden, durch die graphischen Veränderungen leichter überschneidende Interessen zu entdecken und so zu Lösungen zu gelangen.

Bereits fertiggestellt ist der Gruppenkalender. Dieser dient den Beteiligten zur übersichtlichen Organisation und Einordnung von Informationen. Jeder der Teilnehmer kann von seinem Computer aus auf diesen Kalender Zugriff nehmen und Ereignisse und ähnliche In-formationen eintragen. Die Tatsachenfeststellung kann dadurch wesentlich erleichtert werden, ebenso können Tagesordnungen für die jeweiligen Phasen der Mediation den Teilnehmer zur Erörterung und Einsicht zur Verfügung gestellt werden. Auch besteht die Gele-genheit, die Teilnehmer an die Erfüllung übernommener Pflichten zu erinnern.

Ein weiteres Hilfsmittel ist Single Text Editing. Es ermöglicht allen an dem Konflikt Beteiligten, von ihrem Computer aus zur selben Zeit an dem gleichen Dokument zu arbeiten, statt e-mails mit Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen untereinander auszutauschen. Die unterschiedlichen Beiträge sind jeweils farbig voneinander getrennt und so den einzelnen Personen zuzuordnen. Ein Entwurf für ein Mediationsergebnis kann so problemlos gemeinsam erarbeitet werden.

Damit Online-Konferenzen und Diskussionen nicht über das IRC stattfinden müssen, ist das Prinzip der Newsgroups in das Conferencing Web Board übernommen worden. Die Orientierung erfolgt durch die sogenannten "threads" , welche die Beiträge nach Themen getrennt chronologisch ordnen. Die bereits erwähnten Probleme beim Gebrauch des IRC können durch dieses Web Board umgangen werden, die Beiträge müssen nicht an jeden Teilnehmer einzeln verschickt werden und sie sind übersichtlich angeordnet.

2. Decision trees

Decision trees sind ein weiteres von der Third Party entwickeltes und dem Online Ombuds Office, dem Mediationsservice der Universität Massachusetts, verwendetes Instrument zur Erleichterung der Entscheidungsfindung. Diese auch von anderer Seite (www.treeage.com) entwickelten "Entscheidungsbäume" modellieren die Wahlmöglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten, welche die Konfliktparteien für ihre Entscheidung berücksichtigen müssen.

Solche Entscheidungsanalysen können die unterschiedlichsten Barrieren für eine gemeinsame Lösung verdeutlichen und umgehen (Hoffer). Zum Beispiel können voneinander abweichende Vorstellungen über den Ausgang eines Gerichtsverfahrens und unterschiedliche Interpretationen von Tatsachen in Einklang gebracht werden. Emotionale Beeinflussungen können ausgeschaltet werden, indem die Entscheidungsanalysen den Konflikt über die emotionale Ebene erhebt und damit das Problem von den Personen trennt. Decision trees können durch nachvollziehbare Analysen das Wirken des psychologischen Mechanismus der "reactive devaluation" mindern, in welchem der Empfänger eines Zugeständnisses den Schluß folgert "es kann nicht gut für mich sein, wenn sie es mir freiwillig anbieten". Mehrere zwischen den Teilnehmern bestehende Konflikte können über die decision trees miteinander verknüpft werden und die unterschiedlichen Optionen und Unsicherheiten darstellen und dazu beitragen, daß ein Gesamtpaket an Lösungen für die einbezogenen Konflikte geschnürt wird. Der Gebrauch dieses Instruments kann entscheidend mit dazu beitragen, daß Konfliktparteien kooperativ und interessengerecht Lösungen finden und akzeptieren (Hoffer).

3. Zeno

Eine die meisten der zuvor genannten Hilfsmittel verbindende und damit deutlich komplexere Anwendung stellt "Zeno" dar. Zeno ist ein Mediationssystem im WWW, das "gemeinsame Arbeitsbereiche" zur Speicherung verschiedener Arten von Objekte wie Dokumente, Tabellen, Graphiken oder Verweisen auf andere Web-Seiten für eine definierte Gruppe von Benutzern zur Verfügung stellt. Es bietet Funktionen zur Verwaltung von Benutzern und Benutzergruppen, Zugriffsrechten, gemeinsamen Dokumenten und Ordnern, Agenden, Benachrichtigungsdiensten und themenorientierten Diskussionsforen.

Grundlage für Zeno ist ein formales Modell über Argumentation. Entwickelt wurde dieses Modell aus der von Horst Rittel Anfang der 70er entwickelten Methode des Issue-Based Information Systems (IBIS). Komplexe, durch eine Mehrzahl von Unbestimmten gekennzeichnete vielschichtige Probleme sollten statt durch die herkömmliche Methode der Diskussion computergestützt gelöst werden (Kunz/Rittel).

Diese Überlegungen sind in Zeno übernommen und weiterverarbeitet worden und werden in einem themenorientierten Diskussionsforum zur Unterstützung menschlicher Mediatoren praktisch umgesetzt. Die graphische Benutzeroberfläche Zenos in einem üblichen WWW-Browser macht es auch für Computerlaien einfach, die logischen Beziehungen zwischen den bislang eingebrachten Argumenten darstellen zu lassen, die Argumentation anderer Beteiligter im Detail anzuschauen und in eigenen Beiträgen ihre Themen, Argumente und Vorschläge einzubringen. Zeno arrangiert die Themen, Argumente, Vorschläge etc. zu einem Bild, das die Beziehungen zwischen Fragestellungen, Positionen, Argumenten und Entscheidungen übersichtlich darstellt. Die Darstellung erfolgt deutlich präziser als die bereits erwähnten thematischen threads in newsgroups beziehungsweise dem Conferencing Web Board. Das Auffinden wichtiger Beiträge kann damit außerordentlich erleichtert werden (http://ais.gmd.de/MS/zeno/zenoSystem.html).

4. One Accord

Eine weitere, für komplexe Mehrparteien-Probleme konzipierte Anwendung ist One Accord (http://www.oneaccordinc.com). Entwickelt von Ernest Thiessen, PhD von der Cornell Universität, arbeitet dieses kommerzielle Programm mit algorithmischen Verknüpfungen und hilft den Beteiligten, individuell ihre Präferenzen zur Lösung eines Interessenkonflikts über eine graphische Benutzeroberfläche einzugeben. Nach einer Auswertung aller von den Beteiligten eingegebenen Präferenzen erstellt das Programm mögliche Lösungen. Mit "what if"-Optionen wird den Konfliktparteien die Möglichkeit gegeben, unter Eingabe veränderter Voraussetzungen alternative Lösungen zu erkennen und in Betracht zu ziehen. Auch diese Anwendung ermöglicht es den Parteien, losgelöst von emotionalen Beeinflussungen problemorientiert an der Bewältigung des Konflikts gemeinsamen mit Unterstützung von Informationstechnologie zu arbeiten.

5. Juristische links

Ein weniger aufwendiges, aber auch Kosten und Zeit sparendes Hilfsmittel können links zu Seiten mit entsprechendem rechtlichen Inhalt darstellen. Zum Beispiel hat mediate-net, ein Online-Mediationsservice für Maryland, USA, speziell für Familienkonflikte links zu in Frage kommenden Gesetzessammlungen und gerichtlichen Urteilen (siehe www.mediate-net.org). Den Teilnehmern wird so die Gelegenheit gegeben, ihren Konflikt im rechtlichen Zusammenhang zu sehen und dies in ihre Überlegungen für eine Best Alternative To a Negotiated Agreement (BATNA) einzubeziehen.

V. Praktische Einsatzmöglichkeiten der Online-Mediation

Sind die Vorbedingungen für eine Anwendung der Mediationstechniken grundsätzlich gegeben, ist eine Übertragung des Mediationsprozesses in das Internet prinzipiell für alle Fälle möglich. Natürlich bieten sich einige Konfliktbereiche verstärkt für die Online-Mediation an. Insbesondere sind natürlich solche Konflikte dazu zu zählen, welche ihre Ursache im Internet selbst finden. Die Konfliktparteien können die technischen Voraussetzungen, Computer und Internetzugang, erfüllen, und sind mit dem Umgang des Computers und den Eigenarten des Internet vertraut. Zu solchen Konflikten gehören beispielsweise Auseinandersetzungen in Usenet newsgroups, Verletzungen des Urheberrechts oder Vertragsverletzungen aus Online-Transaktionen. Untersucht werden soll aber auch der Einsatz der Online-Mediation in Konflikten, welche außerhalb des Internet entstanden sind. Komplexe Planfeststellungsverfahren der Verwaltung, Konflikte aus dem Bereich der Wirtschaft, aber auch Familienkonflikten können für eine Online- Mediation in Betracht gezogen werden.

1. Conflicts in Cyberspace

The data highway of health or commerce or education can be the source of as much litigation as the paved highways of the physical world.
(Ethan Katsh in: Law in a Digital World)


Mit zunehmenden Aktivitäten im Internet, der Erledigung einer Reihe von alltäglichen Geschäften durch dieses Medium und eine stetig steigende Zahl an Benutzern wächst auch das Potential für Konflikte. Häufig ist das Internet der einzige Ort, in welchem sich die Konfliktparteien begegnet sind und Kommunikation stattgefunden hat. Daher bietet das Internet den natürlichen Raum für die Mediation derartiger Dispute.

a) Usenet newsgroups

Ein alltäglicher Konflikt im Internet ist eine Auseinandersetzung zwischen Teilnehmern einer Usenet newsgroup. Beleidigungen, Unterstellungen, Obszönitäten oder gar "spamming", das Überladen des anderen Benutzers mit sinnlosen e-mails, können Ergebnis solcher Auseinandersetzungen sein. Eine Anrufung des Gerichts geschieht meistens jedoch nicht in solchen Fällen. Nicht nur aus Kostengründen unterbleibt dies oft, sondern auch weil ADR-Techniken häufig unbewußt in solchen Konflikten eingesetzt werden. Der Moderator der Usenet newsgroup oder ein anderer Teilnehmer ist oft in der Lage, erfolgreich zwischen den Betroffenen zu vermitteln. Zudem kann der psychologische Druck der anderen Teilnehmer oder auch die Gefährdung des eigenen Ansehens in diesen öffentlichen Diskussionsforen ein Beenden des Konflikts erleichtern. Daß ADR-Techniken in solchen Fällen oft unbewußt verwendet werden, sollte nicht überraschen bedenkt man, daß derartige newsgroups gerade zum Zwecke der Kommunikation existieren.

Problematisch kann es werden, wenn sich der Konflikt auf das reale Leben ausdehnt. So wurde nach einer Auseinandersetzung in einer newsgroup der Arbeitgeber des einen Kontrahenten telephonisch darüber informiert, daß sein Angestellter während der Arbeitszeit über dieses Forum diskutiert (Katsh). Möglicherweise ist die Hilfe professioneller Mediatoren in solchen "ausgearteten" Fällen in der Lage, den Konflikt einvernehmlich zu lösen.

Es ist zu bedenken, daß die Konfliktparteien, durch das Internet möglicherweise über tausende von Kilometern miteinander verbunden, aus sehr unterschiedlichen sozialen, ethnischen und kulturellen Bereichen stammen können mit stark voneinander abweichenden Vorstellungen und Interessen.

Ebenfalls kann es zu Problemen führen, daß die Distanz und die Anonymität des Internet den Konfliktparteien nicht nur Intimität und Vertrauen ermöglicht, sondern auch das Ausleben von Aggressionen erleichtert (DuVal Smith). Die Auswirkungen des eigenen Verhaltens werden nicht erfahren, Sanktionen sind unwahrscheinlich und damit können Aggressionen und ähnliches Verhalten ohne negative Konsequenzen ausgelebt werden. Mediatoren können aber nur zwischen den Parteien vermitteln, sofern die Bereitschaft zu einer friedlichen Lösung besteht. Natürlich mag das Interesse dazu gering sein, wenn keine Konsequenzen zu befürchten sind. Der Gebrauch von wechselnden Pseudonymen zwecks Zugang in die newsgroup und das Verstecken hinter Anonymität kann einen Zugriff und eine entsprechende Einflußnahme auf den böswilligen Störer verhindern. Bei Auseinandersetzungen in einer solchen newsgroup bleibt dann nur der Einsatz technischer Möglichkeiten, um sich seiner zu wehren, z.B. durch Zugangskontrollen zur newsgroup durch den Moderator, oder letztlich das Zurückziehen aus der newsgroup.

b) Urheberrechte

Ein weiteres typisches Konfliktfeld ist die Verletzung von Urheberrechten. Das Internet ist eine äußerst kreative Umgebung und leicht kann es geschehen, daß die Verwendung von Texten, Bildern, Graphiken und anderen Objekten Urheberrechte verletzt. Meist geschieht das nicht in der Absicht, sich auf Kosten des anderen zu bereichern. Ursache ist vielmehr meistens Gedankenlosigkeit, Unkenntnis, ob das Kopieren in diesem Fall erlaubt war oder es sich überhaupt um Kopien handelt, oder das Gesetz ist nicht klar und eindeutig formuliert. Erfahrungen haben gezeigt, daß die Betroffenen meist gewillt waren, Unstimmigkeiten kooperativ mit Hilfe der Mediation zu lösen (vgl. Katsh).

c) Domain names, ISP und die Konkurrenz

Andere internetspezifische Konfliktbereiche sind Differenzen über sogenannte "domain names" oder Konflikte mit den Internet Service Providern (ISP) wie AOL, CompuServe, T-Online, der jeweiligen Universität oder anderen Anbietern eines Internetzuganges.

Online-Dienste und insbesondere das Internet gewinnen im allgemeinen Wirtschaftsverkehr mit steten Steigerungsraten größere Bedeutung. Neben der ursprünglichen Nutzungsart als Werbe- und Darstellungsplattform wird mittlerweile immer mehr unmittelbares Geschäft online abgewickelt. Für eine effektive Nutzung dieses Mediums durch Unternehmen ist die Wahl des Domain-Namen ein wesentlicher Faktor (Kloos). Nach wie vor entstehen nicht unerhebliche Probleme dadurch, daß sogenannte Domain-Grabber Namensbestandteile oder Marken bekannter Unternehmen für sich als Domain-Namen beantragen und damit die Nutzung der Domain durch den entsprechenden Namens- oder Markeninhaber sperren. Trotz einer Vielzahl von Entscheidungen auf nationaler Ebene gibt es nach wie vor eine Reihe von Problemfeldern, welche rechtlich nur schwer zu bewältigen sind und daher für die Mediation ein interessantes Einsatzfeld darstellen (vgl. z.B. die Entscheidungen LG Bochum vom 24.04.1997 - krupp.de; OLG Frankfurt WRP 1997, 341 - wirtschaft-online.de).

Verträge, ob über das Internet abgeschlossen oder auf traditionellem Wege, verlangen darüber hinaus in zunehmendem Maße den Einsatz von ADR, ehe der Weg vor das Gericht gesucht werden darf (vgl.http://www.internetneutral.com). Dies kann ein weiteres Betätigungsfeld der Online-Mediation werden. So bietet z.B. der Online-Mediationsservice Internet Neutral auf seiner Web-Seite vorformulierte Standardklauseln an, welche den Versuch einer Mediation mit Internet Neutral oder einem anderen Anbieter als Vorbedingung für den Gerichtsweg machen (siehe www.internetneutral.com). Das über das Internet agierende Auktionshaus www.Up4sale.com weist seine Kunden ausdrücklich auf den Einsatz einer Mediation hin, sollten zwischen den Kunden Konflikte wegen Sachmängeln bei erstandenen Waren entstehen. Up4sale erläutert nicht nur, welche Fälle sich für eine Mediation anbieten und in welchen entweder Up4sale kontaktiert oder der Rechtsweg eingeschlagen werden sollte, sondern präsentiert auch entsprechende links zu existierenden Mediationsservicen wie zum Beispiel Online Ombuds Office.

Die erste erfolgreiche Mediation von Online Ombuds Office war ein Konflikt zwischen zwei potentiellen direkten Konkurrenten im Internet. Die eine Partei präsentierte mehrmals wöchentlich kostenlos die lokalen Nachrichten auf ihrer Webseite und faßte dafür unter anderem auch Berichte der örtlichen Tageszeitung zusammen. Diese sahen sich ihrer harten Arbeit beraubt und drohten mit einer Klage. Erst nach einer Klärung der beiderseitigen Absichten und Interessen konnte der Konflikt einvernehmlich beigelegt werden.

Solche Konflikte zwischen (vermeintlichen) Konkurrenten können im Internet in vielen Gestalten auftauchen. Denkbar wäre die hypothetische Konstellation, daß Microsoft ein Paket mit Internetsoftware auf den Markt bringen will, welches mit Netscape-Anwendungen inkompatibel wäre und dies zu erheblicher Unzufriedenheit beider Kunden führt. Langwierige Gerichtsprozesse würden keiner Seite nützlich sein und könnten statt dessen mit Unterstützung der bereits oben genannten Anwendungen effektiv durch Online-Mediation ersetzt werden.

2. Konflikte außerhalb des Cyberspace

Außerhalb des Cyberspace gibt es ebenfalls eine Vielzahl von vorstellbaren Anwendungsszenarien für Online-Mediation, wobei hier nur ein paar herausgegriffen werden sollen. Das in seiner Funktionsweise bereits erläuterte Mediationssystem Zeno ist aufgrund seiner Unterstützung komplexer multipolarer Prozesse beispielsweise in der öffentlichen Verwaltung geeignet, in Bürgerbeteiligungsverfahren in der Stadt- oder Regionalplanung eingesetzt zu werden, in Umweltverträglichkeitsprüfungen, bei "Runden Tischen" für Umweltkonflikte oder in Verfahren zur Lokalen Agenda 21. Ähnliche Anwendungsbereiche bietet der private Sektor, z.B. die gemeinschaftliche Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen wie in einer ähnlichen mit dem hypothetischen Microsoft/Netscape-Konflikt vergleichbaren Konstellation.

a) GeoMed

In dem EU-geförderten Projekt GeoMed (Geographical Mediation) wird Zeno im Kontext von aktuell laufenden Projekten der Regional- und Stadtentwicklungsplanung erprobt und weiterentwickelt. Um einen geplanten Wohn- und Technologiepark in einem Gebiet anzusiedeln, welches nach dem Flächennutzungsplan für eine landwirtschaftliche Nutzung vorgesehenen war, wird Zeno gemeinsam mit den Verwaltungen der benachbarten Städte Bonn und Sankt Augustin eingesetzt. Mehr als 80 kommunale, Kreis- und Landesbehörden und Organisationen haben insgesamt bereits an diesem Verfahren mitgewirkt und mußten mit ihren Interessen berücksichtigt werden (Gordon/Karacapilidis/Voss/Zauke).

b) Familienkonflikte

Ein deutlich anders gelagerter Bereich ist die Mediation von Familienkonflikten online. Wesentliche Vorteile gegenüber der herkömmlichen Mediation liegen möglicherweise in dem Einsatz der Computertechnologie in Fällen von Ehescheidung, Sorgerechtsstreitigkeiten oder Unterhaltszahlungen. Seit Oktober 1996 wird in Familienkonflikten von der Universität Maryland mit dem Projekt mediate-net in on-line Mediationsverfahren vermittelt und die Ergebnisse ausgewertet und untersucht.

Eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Mediation ist ein ausgewogenes Kräfteverhältnis zwischen den Parteien. Es ist denkbar, daß der Einsatz der Computertechnologie dieses Kräfteverhältnis zu Ungunsten der Frau beeinflussen kann (Granat). Männer sind meist aufgrund ihres Berufs im Umgang mit Technik und Computern erfahrener als Frauen. Der Mediator muß diesen denkbaren Vorteil gegenüber der Frau bewußt auszugleichen versuchen. Beide Parteien sollten ähnlich sicher im Umgang mit der Software sein, welche entsprechend bedienungs-freundlich gestaltet sein muß. Online-Hilfen und eine Telephon-Hotline müssen den Teilnehmern zur Verfügung stehen, um technische Schwierigkeiten beheben und den Umgang mit dem Computer für beide Konfliktparteien gleich komfortabel gestalten zu können. Statistiken haben darüber hinaus gezeigt, daß mit 77 % die deutlich größte Gruppe der Internetbenutzer Männer sind und lediglich 23 % Frauen Zugang zum Internet haben (Granat). Eine Mediation eines Familienkonflikts kann daher nur online stattfinden, wenn auch beide Partner die technischen Voraussetzungen erfüllen.

Trotz einer Gefährdung des Kräfteverhältnisses aufgrund eventuell bestehender besserer technischer Kenntnisse eines Partners, kann das Medium Internet aber auch existierende Machtgefälle zwischen den Partnern abbauen helfen. Die Präsenz, der Anblick des Partners kann die alten Machtverhältnisse wieder aktivieren, die der Beziehung innewohnenden Dynamiken setzen sich im Mediationsraum fort und können dadurch das Ziel der Mediation, eine faire und gemeinsam erarbeitete Lösung zu erreichen, beeinträchtigen. Hinderliche Emotionen und psychischer Druck durch die Anwesenheit des Partners werden durch die vom Computer vermittelte Distanz abgeschwächt (Granat). Die Partner können sich leichter auf die zu klärenden wesentlichen Sachthemen konzentrieren, spontane Gefühle und starke emotionale Reaktionen bleiben dem Partner verborgen und müssen daher nicht unterdrückt werden (DuVal Smith). Zusätzlich ist die Zeit gegeben, eigene Standpunkte und Interessen exakter zu formulieren, ohne dem psychischem Druck des Partners und dem Einfluß eigener Emotionen ausgeliefert zu sein (Shell).

Bei der Mediation über das Telefon, welche der Online-Mediation zum Teil sehr ähnlich ist, konnte die Erfahrung gewonnen werden, daß die physische und psychologische Distanz die emotionalen Feindseligkeiten zwischen den Parteien stark reduziert hat (Granat). Ergebnis ist nicht nur, daß Übereinkünfte schneller und für die Beteiligten mit weniger emotionalem Streß erreicht werden, sondern auch, daß den Partnern ein neuer Weg der Kommunikation eröffnet wird. Dies kann größere Bedeutung für Konflikte haben, die anschließend fortgeführt werden müssen und weiterer Kontakt zwischen den Parteien notwendig ist, z.B. bei Unterhaltsansprüchen oder Sorgerechtsfällen. Die Online-Mediation bietet sich also durchaus auch für die Vermittlung in Familienkonflikten an.

Häufig ist es sehr sinnvoll, die Online-Mediation ergänzend zur traditionellen Methode einzusetzen. In Treffen können sicherlich einige Themen besser behandelt werden als über das Internet, andere wiederum können auf die Online-Kommunikation ausgelagert werden. Wichtig ist, daß der Einsatz der traditionellen, der Online- und der Telefonmediation flexibel gehandhabt wird, um effektiv an Lösungen zu arbeiten und Zeit und Kosten einzusparen.

VI. Zusammenfassung und Ausblicke

Die Online-Mediation befindet sich noch am Anfang ihrer Entwicklung. Erst in den letzten Jahren sind Mediatoren vornehmlich in den USA auf die Idee gekommen, daß Internet zu Zwecken der Mediation zu Nutzen. Noch liegen daher verhältnismäßig wenige Erfahrungen und Ergebnisse vor, auf die sich sichere Aussagen stützen ließen, in wie weit das Internet in der Mediation den persönlichen Kontakt ersetzen kann.

Jedoch geben von Universitäten unterstützte Forschungsprojekte erste Anhaltspunkte, welche trotz einiger auftretender Schwierigkeiten große Vorteile für die Mediation erwarten lassen. Neben zu meisternden Hürden im technischen Bereich wie z.B. der Gewährleistung der Vertraulichkeit gibt es vor allem psychologische Aspekte , welche für die Online-Mediation ein Problemfeld darstellen können. So wird es dem Mediator in einigen Fällen aufgrund der Distanz und der relativen Anonymität zwischen den Beteiligten und sich erschwert, eine Basis des Vertrauens zu errichten, auf welcher die Verhandlungen mit der nötigen Offenheit geführt werden können. Dies wird wahrscheinlich um so mehr der Fall bei Konfliktparteien sein, welche im Umgang mit dem Computer und dem Internet noch nicht sehr vertraut sind und für die dieses Medium an sich schon verhältnismäßig fremd und ungewohnt ist. Gerade in einer solchen Konstellation mag der Mediator auf größere Hemmnisse seitens der Beteiligten stoßen, welche mit dem nötigen Einfühlungsvermögen und entsprechender Geduld überwunden werden müssen. Den Parteien muß Gelegenheit geben werden, sich mit der Mediation an sich und dem neuen Medium speziell anzufreunden. Steht der Mediator den Parteien in dieser Phase zur Seite und unterstützt er sie, in einer kooperativen Atmosphäre an dem Konflikt zu arbeiten, dürfte aber auch dieses Hindernis gemeistert werden können.

Die großen Vorteile bietet das Internet natürlich im Bereich Kosten und Zeit, zwei sehr wesentliche Faktoren welche unter anderen die traditionelle Mediation einem Gerichtsprozeß gegenüber so attraktiv machen. Gegenüber der traditionellen Mediation entfallen nun bei der Online-Mediation zusätzlich noch Reise- und gegebenenfalls Unterkunftskosten als auch die dafür nötige Zeit. Die Computertechnologie ermöglicht darüber hinaus auch den Einsatz wertvoller Softwareanwendungen wie z.B. Zeno, welche auch in äußerst komplexen multipolaren Problemkonstellationen in der Lage sind, dem Mediator und den Beteiligten u.a. durch graphische Darstellungen und Verknüpfungen in dem Interessenausgleich zu dienen. Auch mag die bereits erwähnte Distanz und Anonymität unter psychologischen Gesichtspunkten nicht nur Nachteile bieten, sondern den Betroffenen auch Sicherheit und ein überlegteres Arbeiten gewähren.

Trotz aller Vorteile dürfte das größte Problem der Online-Mediation aber die Akzeptanz in der Bevölkerung darstellen. Ist die traditionelle Mediation zumindest in Deutschland noch nicht sehr weit verbreitet und auch die Zahl der Internetbenutzer gemessen an der Gesamtbevölkerung noch gering, so dürfte insbesondere eine Verbindung dieser zwei Bereiche vielfach noch auf Skepsis stoßen und damit den Anwendungsbereich vorerst begrenzen. Aber ebenso wie das Internet an zunehmender Bedeutung gewinnt, so erlangt auch die Mediation zunehmendes Interesse nicht nur von akademischer Seite, sondern ist in vereinzelten Projekten sogar bereits in den Alltag der allgemeinbildenden Schulen vorgedrungen. Gerade auch die Familienmediation, wie dargestellt für die Online-Mediation grundsätzlich geeignet, hat in Deutschland bereits Verbreitung gefunden.

Es wäre gerade wegen erheblicher Zeit- und Kostenersparnisse begrüßenswert, wenn die Online-Mediation näher untersucht und in der Praxis auch in Deutschland getestet wird, damit sie als ernstzunehmende Alternative zur herkömmlichen Mediation für die Betroffenen eine flexiblere und effektivere Methode der Konfliktlösung darstellen kann.


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