Herzlich willkommen auf jurawelt.com

Zur neuen Webseite: jurawelt.com

Zum Forum: forum.jurawelt.com


Lösungsskizze zum Fall "Lounge808"
Lösungsskizze zum Fall "Lounge 808"


Zum Sachverhalt.

Hinweis für Studenten aus anderen Bundesländern als Bayern: Das hier anzuwendende BayVwVfG entspricht in den relevanten Artikeln exakt dem VwVfG des Bundes.

I. Sachverhalt lesen

- Fallfrage erkennen
- Hinweise im Sachverhalt
- Problemerkennung (Unterstreichen und später Abhaken!)
- Ggf. Zeitschiene, Skizze, etc.

II. Lösungsskizze

A. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges

Generalklausel ist § 40 I S.1 VwGO: Standardeinstieg, da hier die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (eben die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges) geregelt wird. Auch hier ist eine reguläre Prüfung (Normenanalyse, Subsumtion unter die einzelnen Tatbestandsmerkmale) vorzunehmen.

1. Aufdrängende Sonderzuweisung? (-)

Hiervon steht zwar nichts im Tatbestand des § 40 I S.1 VwGO, diese Frage ist aber eine grundsätzliche Anwendungsvoraussetzung für § 40 I S.1 VwGO: Es wird wie bei jeder Norm geprüft, ob vielleicht ein lex specialis existiert!
Anmerkung: Auf- und abdrängende Sonderzuweisungen können in einem Punkt zusammengefaßt werden. Die Erwähnung in einer Klausur ist – sofern sie nicht gerade vorliegen, was dann jedoch bemerkbar sein wird – grundsätzlich nicht notwendig.

2. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit?

Abgrenzungslehren:
  • Interessentheorie: Dient die streitentscheidende Norm dem Individualinteresse (dann privatrechtliche Streitigkeit) oder dem Allgemeininteresse (dann öffentlich-rechtliche Streitigkeit)? § 15 II GastG dient wohl dem Allgemeininteresse, da Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren durch unzuverlässige Führung von Gaststätten bezweckt ist.

  • Modifizierte Subjektslehre / Sonderrechtslehre: Richtet sich die streitentscheidende Norm an einen Träger öffentlicher Gewalt und handelt dieser öffentlich-rechtlich? Ist ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt berechtigt bzw. verpflichtet? Zu der in § 15 II GastG genannten Maßnahme ist alleine die zuständige Behörde berechtigt bzw. verpflichtet (vgl. § 30 GastG) à (+).

  • Subordinationslehre: Stehen die Parteien in einem Über-/ Unterordnungsverhältnis? Subordinationslehre wird teilweise als antiquiert angesehen, teilweise wird auch der Ansatz selbst als fehlerhaft angesehen, da es in einer freiheitlichen Demokratie kein eigentliches Über-/ Unterordnungsverhältnis gibt. Die Anwendbarkeit dieser Lehre kann aber offenbleiben, da im Ergebnis ein Subordinationsverhältnis jedenfalls gegeben wäre: Das Gewerbeaufsichtsamt ist laut Sachverhalt zuständig und kann so einseitig dem Herrn Cornetto die Erlaubnis entziehen.

  • Strenge Subjektslehre: Ablehnung der Fiskuslehre, d.h. privates Handeln des Staates ist grundsätzlich nicht möglich. Folge: Immer wenn Staat an einem Rechtsverhältnis beteiligt ist, ist die Regelung öffentlich-rechtlich. Hier also ebenso öffentlich-rechtliches Handeln der Behörde.


  • Ergebnis: Öffentlich-rechtliche Streitigkeit (+).

    3. Nicht verfassungsrechtlicher Art:

    Zwei Organe der Verfassung streiten über die Auslegung der Verfassung?
    Falls nein, liegt keine „doppelte Verfassungsunmittelbarkeit“ vor, also keine verfassungsrechtliche Streitigkeit.
    Nach neuerer Ansicht ist nur relevant, ob die Streitigkeit im GG dem BVerfG zugewiesen ist.
    Da weder Herr Cornetto noch die Behörde Organe des Verfassungslebens (stehen sie im GG?) sind, hier (+).

    4. Abdrängende Sonderzuweisung (-)

    Beachte 173 S. 1 VwGO i.V.m. 17a II S.1 GVG: Falls Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet wäre, wird die Klage nicht als unzulässig abgewiesen, sondern durch Verweisungsbeschluß an das zuständige Gericht überwiesen.

    Formulierungsvorschlag mittlerer Länge (beachte die jeweils zur Verfügung stehende Zeit!) für die Klausur (1- 4.), falls erkennbar ist, daß nähere Ausführungen zur Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges verlangt sind:
    „Fraglich ist, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 I S.1 VwGO gegeben ist.
    Streitgegenstand ist die Frage, ob die Erlaubnis widerrufen werden durfte. Streitentscheidende Norm hierfür ist § 15 II GastG.
    Wie sich aus § 30 GastG ergibt, ist zu einer solchen Maßnahme alleine die zuständige Behörde berechtigt bzw. verpflichtet; die Norm richtet sich also an einen Träger öffentlicher Gewalt, so daß nach der modifizierten Subjektslehre eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt.
    Zu diesem Ergebnis gelangen auch die Vertreter der strengen Subjektslehre, welche die Fiskuslehre ablehnen: Da hiernach jedes staatliche Handeln öffentlich-rechtlicher Natur ist, kann eine Streitentscheidung offen bleiben.
    Die Parteien stehen weiterhin in einem Über-/Unterordnungsverhältnis (C muß dieser einseitig verbindlichen Anordnung unabhängig von seinem Willen nachkommen, sobald sie rechtskräftig ist), womit auch nach der antiquierten Subordinationslehre eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt.
    Weiterhin streiten nicht zwei Organe des Verfassungslebens miteinander über die Auslegung der Verfassung, auch ist der Streit nicht durch Gesetz dem BVerfG zugewiesen, so daß eine Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art vorliegt. Da im übrigen auf- und abdrängende Sonderzuweisung nicht ersichtlich sind, ist der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 I S.1 VwGO eröffnet.“

    B. Zulässigkeit

    1. Statthafte Klageart

    Diese richtet sich nach dem klägerischen Begehren!
    - VA gem. § 35 S.1 BayVwVfG ?
    - Anfechtungs-, Verpflichtungs-, Nichtigkeitsfeststellungsklage?
    - Da VA möglicherweise „nur“ rechtswidrig und nicht auch nichtig: § 42 I S.1 Alt.1 VwGO: Anfechtungsklage

    2. Klagebefugnis, § 42 II VwGO

    Hiermit sollen Popularklagen (vgl. Art. 98 S.4 BV) vermieden werden.
  • Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts? Definition (nach Maurer, allg. Verwaltungsrecht): Subjektiv-öffentliches Recht ist die dem Einzelnen kraft öffentlichen Rechts verliehene Rechtsmacht, vom Staat zur Verfolgung eigener Interessen ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können. Zwei Voraussetzungen: Rechtsnorm, die dem Schutz einzelner Bürger dienen (subjektiv) und die der Verwaltung eine bestimmte Verhaltenspflicht auferlegen (öffentlich). Beachte hierzu die neueren Ansichten der Literatur und die Ausführungen in der Vorlesung. Bei Ermessensentscheidungen (-), aber Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidungen.

  • Adressatenlehre

  • Möglichkeitslehre: Art. 12 I GG; jedenfalls Art. 2 I i.V.m. 1 I GG (allgemeine Handlungsfreiheit)


  • 3. Passivlegitimation

    Der Prüfungsstandort ist umstritten: Fast alle Bundesländer prüfen sie in der Zulässigkeit als Gegenstück zur „Aktivlegitimation“, also der Klagebefugnis. Herrschende Meinung in Bayern ist die Prüfung in der Begründetheit. Die Wahl bleibt dem Studenten überlassen, nur darf er sie nicht in der Klausur begründen.
    In Bayern existiert keine landesrechtliche Bestimmung i.S.d. § 78 I Nr.2 VwGO, deshalb ist immer § 78 I Nr.1 VwGO anzuwenden, sog. Rechtsträgerprinzip.
    Hier handelt die Gemeinde / Stadt „selbst“, also mittels einer ihr zugehörigen Behörde – passivlegitimiert ist daher die Stadt München.
    Im übrigen beachte § 80 VwGO: Klagegegenstand ist der ursprüngliche VA, so daß es nicht darauf ankommt, wer Träger der Widerspruchsbehörde ist.

    4. Widerspruchsverfahren

    Laut Sachverhalt i.O.

    5. Klagefrist

    Hier als Sachurteilsvoraussetzung der Klage gem. §§ 74 I S.1, 58 II VwGO i.V.m. § 222 I ZPO i.V.m. §§ 187 I, 188 II BGB: Beginn 12.04.2001, 0:00 Uhr, Ende 11.05.2001, 24:00 Uhr.
    § 58 II VwGO (-)

    6. Partei- und Prozeßfähigkeit

    Für den Kläger aus §§ 61 Nr.1 Alt.1, 62 I Nr.1 VwGO, für die Beklagte aus §§ 61 Nr.1 Alt.2 i.V.m. Art.1 BayGO, 62 III Alt.1 i.V.m. Art. 38 I, 34 I S.1 BayGO.

    7. Zuständiges Gericht

    Nach §§ 45, 52 Nr. 3 S.1 VwGO ist das VG München zuständig.

    C. Beiladung

    D. Begründetheit

    I. Obersatz

    Der Obersatz zeigt dem Korrektor, daß der Autor „weiß, worum es geht“, deshalb sollte er keinesfalls vergessen werden. Er ergibt sich direkt aus dem Wortlaut des § 113 I S.1 VwGO („Soweit“ in § 113 I S.1 VwGO unterstreichen!): Die Klage ist begründet, soweit der Widerruf der Stellvertretungserlaubnis rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 I S.1 VwGO).

    II. Rechtmäßigkeit der Ablehnung

    1. Ermächtigungsgrundlage:

    - § 49 BayVwVfG? Existiert ein lex specialis?
    - § 35 I GewO?
    - Ein lex specialis liegt vor, wenn in einer Norm alle Tatbestandsmerkmale einer anderen und zusätzliche mindestens ein weiteres Merkmal entweder begrifflich oder sinngemäß enthalten sind.
    - § 15 I, II GastG ist daher lex specialis zu § 35 GewO und hier die richtige Ermächtigungsgrundlage.

    2. Formelle Rechtmäßigkeit

    Laut Bearbeitervermerk i.O.!

    a) Zuständigkeit:
    Die sachliche und örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 30 Hs. 1 GastG i.V.m. Art. 1 GastVO, 9 I S.1 BayGO.
    b) Verfahren:
    Anhörung nach § 28 BayVwVfG? Nachholung nach § 45 I Nr. 3, II BayVwVfG jedenfalls möglich.
    c) Form: §§ 59 VwGO, 39 BayVwVfG (+)
    V.a. Begründung („die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte“) und Rechtsbehelfsbelehrung (+)

    daher: Formelle Rechtmäßigkeit (+) (sonst vgl. §§ 44 ff. BayVwVfG)

    3. Materielle Rechtmäßigkeit

    Es geht um die sachliche Rechtmäßigkeit, den eigentlichen Inhalt des VA; dieser muß als Rechtskonkretisierungsakt mit den Regeln, deren Vollzug er dient, übereinstimmen.

    Rechtmäßigkeitsprüfung eines VA generell:
    1. Tbvoraussetzungen
    2. Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen(Möglichkeit, Bestimmtheit, Adressat, Verhältnismäßigkeit)
    3. Ermessen

    Im Fall:

    a) Voraussetzungen der §§ 15 I, II, 4 I Nr. 1 GastG


    - § 15 I GastG: „Erlaubnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes“ lag vor (+)
    - „bei ihrer Erteilung“: Hierüber ist nichts bekannt; laut Sachverhalt beschwerten sich die Gäste nur in letzter Zeit, so daß mangels anderer Anhaltspunkte nicht angenommen werden kann, Herr Cornetto hätte schon bei Erteilung der Erlaubnis deren Kriterien nicht erfüllt (-)
    - § 15 II GastG: „Erlaubnis...“ s.o. (+)
    - „nachträgliche Tatsachen, die die Versagung nach § 4 I Nr.1 GastG rechtfertigen würden“ : Bei der Durchsuchung der Lounge wurde festgestellt, daß Herr Cornetto verbotene, weil gegen das Lebensmittelrecht verstoßende, Zusatzstoffe in seine Speisen mischt. Die Verwendung der Zusatzstoffe ist eine gegenwärtige Tatsache. Auch hinsichtlich der Aussage des Herrn Cornetto, nie wieder solche Zusatzstoffe zu verwenden, ist doch wegen des wiederholten Verstoßes (1988) zumindest zu befürchten, daß er auch in Zukunft die Vorschriften nicht einhalten wird. Da es sich im übrigen bei der Gesundheit der Bürger um ein hohes und besonders schützenswertes öffentliches Gut handelt, deren Gefährdung unbedingt verhindert werden muß, würde dies aber in jedem Fall eine Versagung der Erteilung einer Genehmigung rechtfertigen
    - Rechtsfolge ist daher, daß die Erlaubnis ohne Einräumung eines Ermessens zu widerrufen ist.

    b) Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

    - Möglichkeit, vgl. 44 II BayVwVfG: VA ist nicht rechtlich oder tatsächlich unmöglich zu erfüllen (+)
    - Bestimmt, vgl. 37 BayVwVfG (+)
    - Richtiger Adressat (+)
    - Verhältnismäßigkeit:

    Sofern notwendig bildet die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Rechtsfolge regelmäßig einen Schwerpunkt der Klausur!
    Insbesondere bei den Prüfungspunkten der Erforderlichkeit und der Angemessenheit / Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn sind möglichst Beispiele anzubringen (warum ist tatsächlich das relativ mildeste Mittel gewählt worden – welche anderen Mittel gibt es überhaupt?) und ist eine Abwägung nach gesundem Menschenverstand durchzuführen. Vorliegend ist kein Ermessen eingeräumt. Wäre die Rechtsfolge unverhältnismäßig, wäre das Gesetz verfassungswidrig. Dazu sogleich unter III.


    c) Ermessen

    Nicht eingeräumt.

    III. Verfassungsmäßigkeit von § 15 IV, II GastG:

    Die Rechtsnorm, auf der der VA beruht, darf nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen; Prüfungsstandort strittig, siehe Schema VA-Prüfung!
    Hier möglich Verstoß des § 15 GastG gegen Art. 12 I GG: Def.: „Beruf ist jede auf Dauer angelegte, wirtschaftlich sinnvolle selbständig oder unselbständig ausgeübte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage, die nicht sozial- oder gemeinschaftsschädlich ist.“
    Seit BVerfG im Apothekerurteil ist Art. 12 I GG ein einheitliches GR; es sind objektive und subjektive Zulassungsschranken sowie Berufsausübungsregelungen (drei Stufen) denkbar.
    Vorliegend ist ein Eingriff allenfalls auf zweiter Stufe zu sehen, der zulässig wäre, wenn die Ausübung des Berufes ohne Erfüllung der Voraussetzungen unmöglich oder unsachgemäß wäre und dies Schäden oder Gefahren für die Allgemeinheit mit sich brächte.
    Bei Verwendung von verbotenen Zusatzstoffen sind jedenfalls gesundheitliche Gefahren für die Allgemeinheit zu befürchten; diese können durch Entzug der Erlaubnis (=geeignet) verhindert werden, wobei ein einfacherer Weg (=erforderlich) nicht ersichtlich ist und auch die Abwägung der betroffenen Rechtsgüter (=Angemessenheit) „Gesundheit der Allgemeinheit“ gegenüber „Individualinteresse an einem bestimmten Beruf“ den Gastwirt nicht unangemessen beeinträchtigt.
    Das GastG verstößt diesbezüglich also nicht gegen Art. 12 I GG.

    Anmerkung: Da das GastG offensichtlich verfassungsgemäß ist und desweiteren hier mangels irgendwelcher Angaben im Sachverhalt offensichtlich auch kein Schwerpunkt liegt, ist dieser Punkt außerordentlich kurz abzuarbeiten! Die oben dargelegte Breite dient der didaktischen Erklärung, wäre in einer Klausur aber schlicht falsch, da der Verfasser offensichtlich das Wesentliche nicht erkannt hätte und problemlose Punkte prüft. Bei einer solch auf das Verwaltungsrecht ausgerichteten Klausur wie vorliegend würde wenn überhaupt, so wohl ein kurzer Hinweis ausreichen, daß an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes keine Bedenken hinsichtlich Art. 12 I GG bestehen.

    Im Ergebnis ist die Klage also unbegründet, da die Behörde den VA nicht nur widerrufen durfte, sondern dies sogar mußte.

    Somit wäre eine Klage nicht sinnvoll, da sie zwar zulässig, aber unbegründet wäre.

    Impressum | Datenschutz