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Sachverhalt zum Fall "Unliebsamer Gemeinderat"
Unliebsamer Gemeinderat

Problemkreise des Falles:

Ausschluß eines Gemeinderatsmitglieds; kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit; Ausschluß eines Zuhörers;

In einer öffentlichen Sitzung des Stadtrats der bayerischen kreisfreien Stadt Blaiburg (44500 Einwohner), in der alle Mitglieder des Stadtrats anwesend waren, wurde eine Empfehlung einer Bürgerversammlung erörtert, entgegen der Absicht der Stadtverwaltung kein neues Rathaus zu bauen. Während der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes äußerte einer der anwesenden Zuhörer lautstark, auch er sei gegen dieses "Prestigeobjekt auf Kosten des Steuerzahlers". Da jedoch nach der Geschäftsordnung für den Stadtrat von Blaiburg Meinungsäußerungen aus dem Publikum allein im Rahmen des Tagesordnungspunktes "Sonstiges" statthaft sind, hatte Oberbürgermeister Franz Hart den "Störer" nach einem heftigen Wortgefecht des Saales verwiesen; dieser war der Aufforderung hierzu auch nach einigem Zögern gefolgt.

Unmittelbar anschließend meldete sich Stadtratsmitglied Alois Maier zu Wort und bezeichnete das Vorgehen des Oberbürgermeisters als "juristischen Trick" sowie als "beschämend" und "undemokratisch". Darauf erklärte Hart, solche Vokabeln überstiegen bei weitem das Maß zulässiger Kritik und ließ alsbald über einen Ausschluß Maiers von der laufenden Ratssitzung abstimmen. Maier ließ er, weil dieser ja "befangen" sei, hieran nicht teilnehmen.

Bis auf Maiers drei Parteifreunde sprachen sich alle Mitglieder des Stadtrats für Harts Antrag aus; Hart erklärte daraufhin Maiers Ausschluß von der Sitzung. Maier begab sich in der Folge in den Zuhörerraum, bestand jedoch darauf, zumindest für die Dauer der öffentlichen Sitzung dort bleiben zu dürfen. Demgegenüber berief sich Oberbürgermeister Hart auf sein "Hausrecht" und drohte, er werde Maier zwangsweise "vor die Tür setzen lassen", wenn sich dieser nicht alsbald entferne. Mit den Worten "Der Klügere gibt nach. Aber Sie werden noch von mir hören." verließ Maier den Sitzungssaal.

Oberbürgermeister Hart setzte daher den Punkt "Ordnungsmaßnahme nach Art. 53 Abs. 2 GO" auf die Tagesordnung der drei Wochen später stattfindenden nächsten ordentlichen Stadtratssitzung. Dort trug er den Wunsch der Stadtverwaltung vor, Maier möge von den nächsten beiden Sitzungen des Bau- und Umweltausschusses, einem beschließenden Ausschuß, dem Maier als ordentliches Mitglied angehört, ausgeschlossen werden. Zur Begründung trug Hart vor, Maier sei in der vorangegangenen Stadtratssitzung derart negativ aufgefallen, daß nicht zuletzt im Interesse einer effizienten Ratstätigkeit und zur Vermeidung eines ungünstigen Eindrucks auf die Bevölkerung ein Exempel statuiert werden müsse. Es sei zulässig und geboten, Maier vorübergehend von der Mitarbeit nur in einem Ausschuß, nicht aber (auch) im Rat selbst auszuschließen, weil allein auf diese Weise nachhaltig auf Maiers künftiges Wohlverhalten hingewirkt werden könne. Immerhin habe Maier zu Befürchtungen Anlaß gegeben, er werde nach Möglichkeit auch als Zuhörer "stören".

Maier durfte nach einem entsprechenden Mehrheitsbeschluß des Stadtrats auch bei dieser neuerlichen Ausschluß-Abstimmung nicht mitwirken. Zu Beginn der Beratung, bevor er den Sitzungstisch verließ, hatte er freilich versichert, er werde sich - wie bisher - stets gemäß den Anforderungen seines Amtes verhalten. Offensichtlich wollten jetzt Oberbürgermeister und Stadtratsmehrheit "einen unbequemen Vertreter der Opposition mit unlauteren Mitteln mundtot machen". Er meine nach wie vor, auch und gerade innerhalb des Stadtrats könne sich eine Diskussion nur dann als fruchtbar erweisen, wenn alle Positionen zur Sprache gebracht würden; diese Strukturen der Willensbildung seien überdies durch das Demokratiegebot und das Grundrecht der Meinungsfreiheit verfassungskräftig gewährleistet.

Bei der anschließenden Abstimmung folgte der Stadtrat mit einem mit 37 zu 3 Stimmen gefaßten Beschluß dem Antrag des Oberbürgermeisters.

Vermerk für den Bearbeiter:

In einem Gutachten ist die Rechtmäßigkeit der verschiedenen gegen Maier getroffenen Maßnahmen zu untersuchen und zu prüfen, welche Rechtsbehelfe Maier hiergegen ergreifen könnte.

Vertiefungshinweise:

  • Graf, Bayerisches Kommunalrecht (Kursbegleitendes Skriptum) S. 22 - 24

  • Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht Rdn 222 - 228

  • Ehlers NVwZ 1990, 105 ff (Die Klagearten und besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen im Kommunalverfassungsstreitverfahren)

  • Geis BayVBl 1992, 41 ff. (Gemeinderatsmitglied und Art. 5 GG)

  • Rothe NVwZ 1992, 529 (Die Rechte und Pflichten des Vorsitzenden des Gemeinderates)

  • OVG Koblenz NVwZ-RR 1996, 52 (Ordnungsruf gegen Ratsmitglied wegen 'grober Ungebühr')

  • VG Würzburg NVwZ-RR 1997, 487 (Erstattung der Kosten eines Kommunalverfassungsstreits)

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