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Zeiteinteilung für die Bewältigung des Examensstoffs
Zeiteinteilung für die Bewältigung des Examensstoffs

1. Grundsätzliches

Zunächst: In der Frage, wieviele Monate man für eine ausreichende Vorbereitung auf das Erste juristische Staatsexamen veranschlagen muß, gehen die Meinungen weit auseinander. Manche glauben, den gesamten Examensstoff in einem halben Jahr bewältigen zu können, andere planen 2 Jahre dafür ein. Wie bei so vielen Dingen im Jurastudium gilt aber auch hier: Ein Patentrezept gibt es nicht, vieles ist Geschmackssache.

Grundsätzlich müssen nämlich folgende Gegebenheiten berücksichtigt werden: Je länger Gelerntes zurückliegt, desto weniger gut erinnere ich mich daran - beginne ich also meine Examensvorbereitung im Zivilrecht mit dem BGB AT, werde ich in aller Regel knapp zwei Jahre später nur noch wenig zur Abgrenzung Gefälligkeitsverhältnis - Auftrag wissen. Andererseits zeigen die Examensklausuren, daß weniger konkretes Detailwissen, als vielmehr Zusammenhänge und Verständnis geprüft wird. Freilich hilft mir das beste Verständnis nichts, wenn ich von der Einzelrechtsnachfolge durch erbrechtliche Klauseln im Gesellschaftsvertrag noch nie etwas gehört habe.

Es gilt also, einen vernünftigen Kompromiß zwischen Stoffbewältigung sowie Erlernen von Strukturen und Zusammenhängen zu finden. Diesen gewiß nicht leichten Spagat sollte man aber innerhalb eines Jahres bis eineinhalb Jahre zustandebringen. Der folgende Zeitplan, der bereits erfolgreich durchgeführt wurde, orientiert sich deshalb an eine 18-monatige Vorbereitungszeit. Jedoch können je nach Geschmack und oft auch Druck, gerade bei näherrückendem Examenstermin, bei manchen Stoffgebieten bis zu zwei Wochen abgezogen werden. Auch ergibt sich eine andere Vorgehensweise, wenn bestimmte Rechtsgebiete im Examen vorgezogen werden können, wie das in manchen Bundesländern der Fall ist - dann bietet es sich an, das später geprüfte Fach zuletzt und intensiver vorzubereiten.

Wann und wie im übrigen die drei großen Rechtsgebiete Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht auf die Vorbereitungszeit verteilt werden, ist ebenfalls dem persönlichen Geschmack überlassen - der folgende Vorschlag ist in dieser Form selbstverständlich beliebig veränderbar! Schließlich muß noch unbedingt beachtet werden, daß neben den großen Gebieten auch das Wahlfach untergebracht werden muß. Nachdem jedoch die verschiedenen Wahlfächer unterschiedliche Vorbereitungszeiten brauchen und auch in manchen Bundesländern lediglich im Mündlichen abgefragt werden, muß jeder Examenskandidat selber für sich bestimmen, wann und wieviel er hierfür lernen will. (siehe auch die Wahlfachvorstellung von jurawelt.com!)

2. Beispiel eines Zeitplans

Zivilrecht Öffentliches Recht Strafrecht
01. Monat

BGB AT VwGO
02. Monat

BGB AT VwGO
03. Monat

BGB SR AT VerwR AT
04. Monat

BGB SR AT VerwR AT
05. Monat

BGB SR BT StGB AT
06. Monat

BGB SR BT StGB AT
07. Monat

Bereicherungsrecht Polizei- und Sicherheitsrecht StGB AT
08. Monat

Deliktsrecht Kommunalrecht
09. Monat

Mobiliarsachenrecht Baurecht
10. Monat

Immobiliarsachenrecht StGB BT
11. Monat

Familienrecht StGB BT
12. Monat

Erbrecht StGB BT
13. Monat

Arbeitsrecht Verfassungsrecht
14. Monat

Handels-und Ges.Recht StaatsorganisationsR
15. Monat

ZPO I StPO
16. Monat

ZPO II Europarecht
17. Monat

Wiederholung Wiederholung Wiederholung
18. Monat

und Vertiefung und Vertiefung und Vertiefung

3. Anmerkungen zum Zeitplan

Zunächst versucht dieser Zeitplan, nicht mehr als zwei der drei Hauptgebiete Zivil-, Straf- und Öffentliches Recht in einen Monat zu packen. Grundsätzlich kann man nämlich sagen, daß in jedem dieser Rechtsgebiete spezielle Denk- und Vorgehensweisen vorherrschen, so daß man leicht durcheinanderkommen kann. Außerdem zeigt die Erfahrung, daß man sich leichter tut, an einem Rechtssgebiet längere Zeit am Stück zu arbeiten, als immer wieder die Bearbeitung zu unterbrechen. Wem das aber nichts ausmacht und sich gerade auf die Kunst im Examen, in i.d.R. nur zwei Wochen (so z.B. in Bayern) incl. Wahlfach Klausuren aus vier Rechtsgebieten zu bestehen, vorbereiten will, kann dies auch gerne anders machen.

In den ersten vier Monaten konzentriert sich der Zeitplan auf die wichtigen Gebiete des BGB AT und SR AT, sowie in Ö-Recht auf die VwGO (also vor allem Klagearten) und VwVfG (also materielles Verwaltungsrecht, z.B. Widerruf und Rücknahme von VA etc.). Dies erscheint sinnvoll, denn auf die hier gelernten Grundsätze und Strukturen muß man in allen weiteren Fächern zurückgreifen (beispielsweise Fortsetzungsfeststellungsklage im Polizeirecht, oder Geschäftsfähigkeitsprobleme und Willensmängel in allen folgenden BGB-Bereichen). Deshalb sollte hier besonders viel Wert auf eine gute und ausführliche Bearbeitung gelegt werden!

Im 5. und 6. Monat der Examensvorbereitung bietet es sich an, das oftmals stiefmütterlich behandelte Strafrecht anzupacken. Eben gerade vorgetragene Argumentation zur Wichtigkeit von Grundlagen gilt in gleicher Weise für den AT des StGB, wobei man hier sicherlich noch am ehesten von seinen für die Unischeine erworbenen Kenntnissen profitieren kann. Angesichts der doch eher komplizierten Materie und der hinzukommenden Probleme wie Konkurrenzen oder Wahlfeststellung kalkuliert der Zeitplan drei Monate ein. Parallel dazu sollte der BGB SR BT angegangen werden. In diesem Gebiet kann man fast immer eine Klausur im Examen erwarten; zumindest der "Aufhänger" einer Klausur entstammt dem Besonderen Teil des Schuldrechts. Nachdem zentrale Bereiche wie das Deliktsrecht und das Bereicherungsrecht, herausgenommen sind, dürften zwei Monate zwar knapp bemessen, aber doch ausreichend sein. Im Zweifel kann man hier aber etwas längere Zeit einkalkulieren.

Danach (7. - 8. Monat) werden im Öffentlichen Recht die besonderen Rechtsgebiete wie Polizei- und Sicherheitsrecht sowie Kommunalrecht behandelt. Wie gesagt, auf die Grundlagen kann dann im Optimalfall schon zurückgegriffen werden, so daß "nur noch" die spezifischen Probleme in Angriff genommen werden müssen (z.B. kommunale Verfassungsstreitigkeit, Verbindung Polizeirecht - Versammlungsrecht usw.). Daneben ist je ein Monat für Delikts- und Bereicherungsrecht eingeplant, wobei doch recht diffizile Problematiken auftauchen (Schadensrecht, Saldotheorie, Dreipersonenverhältnisse), so daß eine besondere Behandlung angezeigt erscheint.

Im 9. und 10. Monat dann die recht komplizierte, aber höchst examensrelevante Materie des Sachenrechts, das in Mobiliar- und Immobiliarsachenrecht eingeteilt ist. Gerade für letzteres Gebiet ist viel neuer Stoff zu bewältigen, da Vormerkung, Grundschuld und Hypothek den Studenten erfahrungsgemäß einige Probleme bereiten. Wer hier aber inhaltssicher ist, kann sich mit Wahrscheinlichkeit gut von der Meute abheben und im Examen mit guten Punktzahlen rechnen - weil eben Klausuren aus diesem Gebiet tendenziell schlecht ausfallen. Ähnliches gilt für das Baurecht, das in der Regel für die großen Scheine nicht gelernt werden mußte, im Examen aber sehr häufig Gegenstand ist. Schließlich kann im 11. Monat auf dem Gebiet des Strafrechts mit der Bewältigung des BT angefangen werden. Ob man dann mit Vermögensdelikten oder mit Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit anfängt, ist dem persönlichen Geschmack überlassen.

Im 11. und 12. Monat wird dann mit Familien- und Erbrecht das BGB abgeschlossen. Diese beiden Rechtsgebiete sind zwar im Zweifel nicht allzu lernintensiv, eine Vernachlässigung kann sich aber im Examen bitter rächen. Zumal immer wieder aus diesen Gebieten Klausuren gestellt werden, worin speziellere Kenntnisse für eine gute Note notwendig sind. Parallel dazu kann man das Strafrecht mit den restlichen Straftatbeständen abschließen. Auch eher unscheinbare Gebiete wie Brandstifung, Verkehrsdelikte und Bestechung werden immer wieder Examensgegenstand.

Im Anschluß daran (also 13. und 14. Monat) müssen endlich Bereiche wie Arbeits- und Handels-/-Gesellschaftsrecht angegangen werden. Hierin werden sich viele Studenten zunächst eher wenig auskennen, so daß die Einarbeitung einige Mühen kosten kann - andererseits sind dies wirklich interessante Rechtsgebiete, und ein Lernerfolg stellt sich oft recht schnell ein. Daß diese beiden Gebiete eher gegen Ende der Examensvorbereitung anstehen, hat den Vorteil, daß sie dann im Ernstfall noch relativ frisch im Gedächtnis sind - gerade im Arbeitsrecht, wo häufig aktuelle BAG-Urteile geprüft werden, durchaus günstig! Im Öffentlichen Recht fehlen noch die Materien des Verfassungs- und Staatsorganisationsrecht. Von vielen Studenten ungeliebt, weil es hier i.d.R. weniger auf Gesetzesarbeit, als vielmehr auf gute Argumentation (polemisch: Laberei) ankommt, sollten sie doch nicht vernachlässigt werden. Wer nämlich Grundbegriffe und die Klagearten, die das BVerfGG bietet, beherrscht, kann in der Klausur umso schneller und intensiver die eigentlichen materiellen Probleme anpacken. Außerdem können viele Examenskandidaten noch auf ihre Kenntnisse aus dem Grundkurs zurückgreifen, als die Grundrechte ausführlich behandelt wurden.

Im 15. und 16. Monat schließt sich der prozessuale Teil im Zivil- und Strafrecht an. Wer meint, dies könne im Notfall nur am Rande behandelt werden, kann sein blaues Wunder im Examen erleben - wenn nämlich Begriffe wie notwendige Streitgenossenschaft, Nebenintervention, Veräußerung der streitbefangenen Sache, Vollstreckungsgegenklage oder Pfändungspfandrecht (Zwangsvollstreckungsrecht ist Examensstoff und bisweilen recht kompliziert!) auftauchen, ist schon so mancher um die Nasenspitze bleich geworden. Für den Klausurersteller dagegen bietet das Verfahrensrecht eine gute Gelegenheit, ohne weiteres zusätzliche Probleme in die Aufgabe einzuflechten - wovon in letzter Zeit zunehmend Gebrauch gemacht wurde. Gleiches gilt für die StPO; Zusatzfragen aus diesem Gebiet, sozusagen als "Zuckerl" der Klausur, sind sehr beliebt. Last but not least kann man im Referendariat von seinen bereits im Studium erworbenen prozeßrechtlichen Kenntnissen durchaus profitieren! Im Öffentlichen Recht ist als letztes Gebiet das Europarecht zu beackern. Auch hier zeigen die Examenstermine der letzten Jahre, daß sich auch im Studium bzw. Examen die zunehmende praktische Relevanz niederschlägt. Das Europarecht ist außerdem gut geeignet, als Aufhänger mit staatsrechtlichen Problemen benutzt zu werden. Doch Vorsicht! Es ist nicht undenkbar, daß auch im Rahmen zivilrechtlicher Klausuren Europarecht abgefragt wird (man denke nur an die Wirkung von zivilrechtlichen europäischen Richtlinien auf die nationale Rechtgebung und Rechtsprechung!)

Am Ende der Vorbereitungszeit sind nochmal zwei Monate (17. und 18. Monat) eingeplant, in denen nicht "fertiggelernte" Gebiete komplettiert, eigene Schwerpunkte gesetzt und Schwächen ausgebessert werden können. Zeit bleibt auch für das Wahlfach, für verstärktes Klausurenschreiben oder Kontrolle der neuesten möglicherweise examensrelevanten Rechtsprechung.


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