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Arbeiten mit privaten Arbeitsgemeinschaften
Arbeiten mit privaten Arbeitsgemeinschaften

Ein gutes und erprobtes Mittel, um die Examensvorbereitung ohne Repetitor erfolgreich zu bewältigen, ist die Arbeit im Rahmen einer privaten Arbeits- oder Lerngemeinschaft. Die AG soll aber nicht vornehmlich das Lernen abnehmen - den konkreten Stoff erarbeitet man sich idealerweise bereits vor der Stunde. Ziel und Zweck der AG ist vielmehr, Argumentationslinien einzuüben, Verständniskontrolle zu betreiben, verschiedene Sichtweisen von Problemen kennenzulernen und auf einen Nenner zu bringen sowie auch die mündliche Prüfung zu simulieren.

Ein weiterer Vorteil der AG ist, daß man auf diese Weise einen gewissen Druck auf sich selber ausübt - mangelnde Vorbereitung des Programms schadet nicht nur einem selber, sondern vor allem auch den AG-Partnern, die sich aufeinander verlassen müssen! Außerdem bietet die AG Gelegenheit, eine gewisse Orientierung für den in Angriff genommenen Zeitplan zu bieten ("Bis Donnerstag muß ich das Widerspruchsverfahren vorbereitet haben ...").

Allerdings muß eine solche Gruppe, um diese Ziele zu erreichen, auch wirklich diszipliniert zusammenar-beiten, wobei folgende Überlegungen zu beachten sind:

1. Zusammensetzung der AG

Zu viele Leute in einer AG schaden dem Ziel, gemeinsam Fälle zu bearbeiten und Argumentationsschulung zu betreiben. Viele verschiedene Meinungen, Arbeitsstile und auch persönliche Charaktere bringen Unruhe in die AG und lassen oftmals zu große Verzögerungen und Unstimmigkeiten entstehen. Deshalb erscheint es am günstigten, wenn sich 2 - 4 Gleichgesinnte treffen. Ganz wichtig ist dabei aber, daß diese Leute auch zueinander passen - persönliche Ressentiments schaden auf Dauer und mindern den Spaß, der bei der Arbeit nicht fehlen soll. Andererseits sollten auch nicht unbedingt die besten Freunde eine AG bilden. Dies kann nämlich zur Folge haben, daß vor der AG zwei Stunden Kaffee getrunken wird und die wichtigsten und unwichtigsten Neuigkeiten besprochen werden, um dann nur noch eine Stunde Zeit für das vorgenommene Programm bleibt ...

Achten sollte man schließlich auch darauf, daß die AG-Teilnehmer den gleichen Examenstermin ins Auge fassen. Ist dies nämlich nicht der Fall, wird in aller Regel auch der jeweilige persönliche Lernplan differieren, was das Erstellen eines gemeinsamen AG-Stoffplans erschwert (s.u.).

Fazit: Bei der Wahl der AG-Kommilitonen sollte genau überlegt werden, ob man gewillt und geeignet ist, gemeinsam über eine lange Zeit hinweg den Juraweg zu gehen. Nachträgliche Trennungen und Umstrukturierungen sind unangenehm und kosten viel Zeit und Nerven!

2. Häufigkeit und Dauer der Treffen

Man kann alles übertreiben. Es gibt Fälle, wo sich private AGs drei- bis viermal die Woche gesehen und ihr Programm durchgezogen haben. Und sich dann nach einem halben Jahr nicht mehr sehen konnten. Deshalb sollte man sich höchstens zweimal die Woche treffen, besser sogar nur einmal. Denn schließlich hat man noch genügend andere Sachen zu tun, und Freizeit will man ja auch noch haben, oder? Dies leuchtet auch ein, wenn man den Hauptzweck der AG beachtet, der gerade nicht im Lernen des Stoffes besteht, sondern in der gemeinsamen Lernkontrolle und Argumentationsschulung (s.o.).

Wohl überlegt will auch Dauer und Zeitpunkt der Treffen sein. Terminiert man nämlich die AG zu spät oder legt man im Anschluß an die AG noch andere Termine, kann schnell ein Zeitdruck entstehen, der der Effiktivität abträglich ist. Außerdem kann eine zu lange Dauer die Konzentration kaputtmachen, was den gleichen negativen Effekt erzeugt. Idealerweise trifft man sich also einmal die Woche, am besten immer am gleichen Wochentag, und zwar am frühen Nachmittag, um dann ca. 2 - 4 Stunden gemeinsam konzentriert zu arbeiten. So kann man am Vormittag nochmal kurz das vorzubereitende Programm wiederholen, schon zu Mittag essen, und gegebenenfalls, quasi als Belohnung, im Anschluß an die AG noch etwas Jurafremdes unternehmen.

Worauf schließlich geachtet werden sollte, ist, die grundsätzlich begrüßenswerte vorherige "Unterhaltungs- und Kaffeephase" nicht zu lang werden zu lassen. Zwar dient sie zur Schaffung einer guten Arbeitsatmosphäre, jedoch verliert man nach eineinhalb Stunden und drei Tassen Kaffee auch schnell die Lust am Arbeiten ...

3. Stoffauswahl

Grundsätzlich kann man mit seiner Privat-AG den gesamten Examensstoff nacheinander abhaken. Es bietet sich aber auch an, nur ein bestimmtes Rechtsgebiet, z.B. nur Zivilrecht, abzuhandeln. Letzteres hat den Vorteil, daß man das Rechtsgebiet tiefergehend behandeln kann, während eine Bearbeitung des gesamten Lernstoffes in ca. ein bis zwei Jahren doch eher als schwer erscheint. Eine dritte Möglichkeit wäre, alternierend z.B. Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht zu behandeln. Auf welches System sich die AG letztendlich einigt, ist zweitrangig, betrachtet man eben den Zweck solcher Ags (s.o.).

Vorsicht ist aber deshalb geboten, weil die verschiedenen AG-Mitglieder auch verschiedene Lerngeschwindigkeiten haben; deshalb kann es für so manchen unangenehm sein, wenn in der AG ein Gebiet behandelt wird, daß schon lange zurückliegt im persönlichen Lernplan, oder aber man noch gar nicht selber so weit ist. Man sollte also darauf achten, daß die jeweiligen AG-"Themen" in etwa mit dem jeweiligen aktuellen Lernstand der Teilnehmer übereinstimmen; gegebenfalls muß der ursprünglich angesetzte AG-Plan nachträglich überarbeitet werden.

Außerdem ist es nicht erforderlich, daß in dem ausgewählten Rechtsgebiet wirklich alle examensrelevante Schwerpunkte behandelt werden - dazu ist die Zeit zu kurz. Denkbar ist also, nur die schwierigsten oder "heißen" Themen zu behandeln. Um dies zu erreichen, sollte vorher das jeweilige Stoffgebiet genau betrachtet werden (z.B. Bereicherungsrecht), um dann gemeinsam zu entscheiden, welche Schwerpunkte behandelt werden sollen (z.B. Dreipersonenverhältnisse, Saldotheorie, § 816).

Je näher der Examenstermin rückt und je eher man den Examensstoff bereits gelernt hat, bietet es sich auch an, Examensklausurensammlungen zu bearbeiten, die oft von den Fachschaften angeboten werden und auch in vielen Fach- und Ausbildungszeitschriften veröffentlicht werden. Nach der gemeinsamen Arbeit am Fall kann dann anhand der Lösungsskizze überprüft werden, wieviele Probleme man gesehen hat und wie gut man diese gelöst hätte.

Im übrigen enthalten sowohl die Fachschaftsbroschüren "Examen ohne Rep" als auch das gleichnamige Buch im Nomos-Verlag Stoffpläne von erfolgreichen Arbeitsgemeinschaften. Diese sollten aber nicht einfach kritiklos übernommen werden, sondern auf die jeweiligen persönlichen Bedürfnisse der eigenen AG angepaßt werden!

4. Vorgehensweise

Auch hier bieten sich mehrere Möglichkeiten. Häufige Vorgehensweise ist, daß eine Person einen bestimmten Schwerpunkt eines Rechtsgebiets übernimmt (z.B. die reformatio in peius) und diesen für die Arbeitsgemeinschaft vorbereitet. Dies kann dann so ausschauen, daß der Vorbereitende ein kleines Referat hält und gegebenfalls ein Paper dazu austeilt; im Anschluß daran werden Unklarheiten oder besondere Schwierigkeiten besprochen. Mit welchen Unterlagen sich der Vortragende vorbereitet, bleibt ihm überlassen: Lehrbuch, Skript, Karteikarten, Aufsätze in Ausbildungszeitschriften, oder z.B. in Zivilrecht einfach nur der Medicus. Vorteil ist, daß dadurch der Vorbereitende gezwungen ist, das Rechtsgebiet gut zu beherrschen, um möglichst viele mögliche Fragen beantworten zu können. Allerdings besteht die Gefahr, daß sich bei schlechter Vorbereitung der Vortragende verzettelt und die Behandlung des Themas ineffektiv wird. Auch kann schnell ein Monolog entstehen, wenn die anderen AG-Mitglieder nicht aktiv teilnehmen, weil sie z.B. zu wenig Ahnung von diesem Gebiet haben.

Fast vorzugswürdiger ist es, die jeweiligen Schwerpunkte anhand konkreter Fälle zu behandeln. So wird nicht nur der Klausurfall, wie er im Examen besteht, geübt, sondern auch vermehrt eine Diskussion über die verschiedenen Probleme des Falles durchgeführt. Es bietet sich an, daß eine Person die Klausur bereits vorher durcharbeitet und die Lösung präsent hat, während die anderen Teilnehmer eine eigene Klausurlösung (in Stichpunkten oder durch Gliederung) anfertigen, was auch schon vor der AG passieren kann, wenn der Sachverhalt in der AG davor ausgeteilt wird. Im Anschluß daran wird gemeinsam versucht, unter Anleitung des Vorbereitenden sich die Lösung zu erarbeiten, wobei jeder seine vorher gefundene Lösung verteidigt. Auf diese Weise werden verschiedene Ansätze und Sichtweisen diskutiert und Fehler aufgedeckt. Im Idealfall macht die betreffende Person diesen Fehler im Ernstfall nicht mehr! Die Klausuren können den gängigen Fallsammlungen oder Ausbildungszeitschriften entnommen werden. Freilich bleibt es die nicht ganz leichte Augabe des Vorbereitenden, eine geeignete Klausur zum Thema zu finden und auch für die vorherige Verteilung des Sachverhalts zu sorgen.

Eine dritte Möglickeit wäre es, sich kommerzieller Karteikarten zu bedienen und dann den darin enthaltenen Stoff im Frage-Antwort-Spiel zu bearbeiten. Eine Aufteilung des Stoffes fällt dabei leichter (z.B. jede Person zehn Karteikarten), jedoch verleitet diese Vorgehensweise schnell zu Passivität durch bloßes Vorlesen.

Auch hier kann insgesamt nur geraten werden, den besten Weg für die eigene AG selbst herauszufinden, indem z.B. die verschiedenen Möglichkeiten gemeinsam ausprobiert werden. Aber gerade darin liegt der große Vorteil einer privaten AG: Man kann ganz konkret auf die eigenen Bedürfnisse eingehen und den für sich persönlich besten Weg mit der persönlich vorzugswürdigen Geschwindigkeit, Reihenfolge und Stoffauswahl einschlagen, ohne von außen in eine bestimmte Richtung gewiesen zu werden.

Welche Wege Examensabsolventen mit ihrer privaten Lerngruppe gegangen sind, wird auch in einigen Aufsätzen, Broschüren und Büchern gezeigt, die auf der Literaturseite aufgeführt sind.


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