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FAQ zur mündlichen Prüfung im juristischen Staatsexam von Prof. Dr. Ulrich Noack
Frequently Asked Questions (FAQ)
zur mündlichen Prüfung im juristischen Staatsexamen

von Prof. Dr. Ulrich Noack, Düsseldorf, www.jura.uni-duesseldorf.de/lehre/studium/faq/

Um einen Erfahrungsaustausch über diesen wichtigen, aber kaum transparenten Prüfungsabschnitt in Gang zu setzen, hat Prof. Noack und die Universität Düsseldorf ein Diskussionsforum eingerichtet: www.jura.uni-duesseldorf.de/diskussionen/faq/

Die folgenden FAQ sollen in loser Zusammenstellung einige Hinweise zur mündlichen Prüfung im ersten juristischen Staatsexamen geben, orientiert an der Praxis beim JPA des OLG Düsseldorf.


1. Was wissen die Prüfer über mich?

Dem Vorsitzenden liegen vorher alle Prüfungsakten vor (Ihre Anmeldung, Lebenslauf, Klausuren, Hausarbeiten). Am Prüfungstag nehmen die übrigen Mitprüfer Einsicht. Ihnen sind bereits die Vornoten der Kandidaten mitgeteilt worden. Außerdem führt der Vorsitzende vor Beginn der Prüfung ein Gespräch mit jedem einzelnen Kandidaten, dessen Ergebnis er den Mitprüfern später mitteilt.


2. Was ist das für ein Gespräch, das der Prüfungsvorsitzende vorher mit jedem Kandidaten führt?

Es geht darum, ohne die Belastung der kommenden Frage-Antwort-Prozedur einen ersten Eindruck von dem Prüfling zu erhalten. Dabei besteht Gelegenheit, auf Besonderheiten des Studien- und schriftlichen Prüfungsverlaufs sowie auf gegenwärtige Befindlichkeiten einzugehen. Eine direkte Auswirkung auf die Notenvergabe hat dieses Gespräch nicht, doch wird man sich bei einer notwendigen Feinabstimmung an die mitgeteilten Besonderheiten wohl erinnern.


3. Kann man das Prüferverhalten antizipieren, wenn man Person und beruflichen Schwerpunkt berücksichtigt?

Nach meinem Eindruck: eher nein. Es ist weder so, dass ein Professor "Literaturmeinungen" abfragt, noch verlangt ein Richter einen "Rechtsprechungsreport". Bei einem Professor als Prüfer sollte man sich darum kümmern, wie dessen Lehrstuhlbezeichnung lautet, was er in jüngerer Zeit veröffentlicht hat und welche Lehrveranstaltungen er hält. Die Wahrscheinlichkeit (mehr nicht) ist größer, dass eine Frage aus offenkundigen Interessengebieten des Professors herrührt als aus anderen Gebieten. Andererseits ist zu bedenken, dass es in der mündlichen Prüfung nie um Spezialitäten geht; das setzt sowohl der Fragelust des Prüfers auf "seinem" Felde, aber eben auch der Vorbereitungstaktik des Prüflings Grenzen.


4. Wie ist das mit den Protokollen?

Es ist durchaus plausibel, wenn aus vergangenen Prüfungen auf das Frageverhalten in künftigen Prüfungen geschlossen wird. Wenn ein Prüfer schon lange Jahre aktiv ist, so zeigen sich gewisse Grundmuster immer wieder. Man findet fast völlig protokollfeste Prüfer, die immer dasselbe abfragen. Die Mehrheit der Prüfer allerdings variiert die Fälle und Fragen. Manche haben sogar den Ehrgeiz, immer etwas Neues zu bringen (auch das merkt man, wenn man die Protokolle liest).


5. Kann der mir benannte Prüfer kurzfristig ausgewechselt werden?

Ja. Wenn ein an sich vorgesehener Prüfer kurzfristig (etwa wegen Krankheit) verhindert ist, sorgt das Prüfungsamt sich um einen Ersatzprüfer. Der Kandidat hat keinen Anspruch darauf, von einer bestimmten Person geprüft zu werden.


6. Wie soll ich mich kleiden? Ist es nachteilig, ohne Anzug/Kostüm zu erscheinen?

Ich rate, den sicheren Weg konservativer Kleidung zu gehen. Das Examen eignet sich schlecht als Spielwiese für Selbstbehauptungsübungen. Mit Duckmäusertum hat dies rein gar nichts zu tun. Niemand kann wissen, ob nicht doch in der Prüfungskommission das Stirnrunzeln über den salopp-individuellen Auftritt zu Lasten des Kandidaten ausschlägt, wenn es um die ganz enge Entscheidung zwischen zwei Notenstufen geht. Natürlich weiß ich, das so etwas "eigentlich" nicht sein darf – doch nützt das was? Ich kann auf den Anblick von Krawattenträgern auch verzichten, doch für meine Mitprüfer kann ich das natürlich nicht generell sagen.

Anekdote: Bei einem Bekannten hat in dessen Examen sich ein Prüfer (Verfasser eines gut eingeführten Lehrbuchs zum Europarecht, zur Zeit in 2. Aufl.) geweigert, Fragen zu stellen, solange ihm dieser ohne Krawatte gegenübersitzt. Nach einigem Hin und Her hat man bei der Aufsichtsperson in der Fachbibliothek im Schrank eine speckige, alte Krawatte aufgetan, die hierzulande nicht einmal für den Altweiberdonnerstag brauchbar gewesen wäre. Damit verunstaltet, hat mein Bekannter wieder Platz genommen – und die Prüfung konnte mit einem insgesamt erfreulichen Verlauf über die Bühne gehen.


7. Welche Prüfungsstile gibt es?

Der klassische Stil: Der Prüfer gibt einen umfänglicheren Sachverhalt vor, der dann in der Prüfungszeit abgearbeitet wird. Dabei herrscht die Praxis vor, Kandidat für Kandidat hintereinander zu dem jeweils erreichten Abschnitt zu befragen, so dass jeder einmal oder mehrmals dran war. Nachteil für die Kandidaten: Vielleicht sind sie gerade nicht am Zuge, wenn der ihnen vertraute Abschnitt verhandelt wird.

Ein anderer Prüfungsstil ist, kleinere Fälle und Fragen zu bringen, mit denen die Kandidaten konfrontiert werden. Dabei wird oft nicht eine strikte Reihenfolge eingehalten, sondern je nach dem Ermessen des Prüfers wird bei dem einen oder anderen Kandidaten "nachgebohrt". Nachteil für die Kandidaten: Daueranspannung, denn jederzeit kann man zu allem gefragt werden.


8. Ich habe den vom Prüfer vorgetragenen Sachverhalt nicht verstanden. Was tun?

Mir ist es (als Mitprüfer) schon einige Male passiert, dass ich nicht auf Anhieb einen längeren Sachverhalt tatsächlich erfasst habe. Das kann an der Akustik des Raumes liegen, an einer momentanen Unaufmerksamkeit, an der Kompliziertheit des geschilderten Falles oder auch an einem ungeschickten Stil des Prüfers beim Vortrag des Sachverhaltes. Nachfragen sind erlaubt und geboten. Erste Juristenpflicht ist, dass man auf einer geklärten tatsächlichen Grundlage in die rechtlichen Verhandlungen einsteigt. Dieses Fundament muss auch in der Spezialsituation des mündlichen Examens geschaffen werden. Daher mein entschiedener Rat, hier nicht zu passen und zu hoffen, dass es schon gutgeht, sondern ruhig nachfragen. Die Gefahr, den Prüfer zu verärgern, ist nicht gross, da auch dieser sehr daran interessiert ist, seinen Prüfungsabschnitt auf einer gesicherten Grundlage aufzubauen.


9. Soll ich mich melden, wenn mir eine Antwort einfällt, aber ein anderer dran ist?

Wenn überhaupt – dann sehr dezent (das können in der Aufregung nur wenige). Auf keinen Fall mit den Armen fuchteln und mit den Fingern schnalzen. Normalerweise gilt es als störend und als unfair, wenn sich der Nebensitzer dazwischendrängt. Manche Prüfer können da auch sehr ärgerlich werden, da sie es vielleicht gerade darauf abgesehen haben, sich mit einem Kandidaten eine Zeitlang zu beschäftigen. Also: Blickkontakt suchen, die auf dem Tisch liegende Hand (nicht den Arm!) leicht signalisierend anheben – das geht. Und Vorsicht! Es ist blamabel, wenn man drankommt und die Antwort ist völlig daneben.


10. Meine Rechtsansicht wird vom Prüfer als irrig abgetan. Soll ich diskutieren?

Die mündliche Prüfung ist kein wissenschaftliches Symposion unter Gleichen, was der freien Diskussion naturgemäß Grenzen setzt. Allerdings sehen es die Prüfer sehr gerne, wenn jemand zu argumentieren versteht (und nicht nur Halbsätze oder Schlagworte murmelt). Wer den Zweck, die Systematik oder die Historie der gerade angesprochenen Norm anführen kann, wird tüchtig "punkten". Andererseits ist trotzige Rechthaberei, die keine neuen Argumente für sich hat, nicht gern gesehen.


11. Wie kommen die mündlichen Prüfungsnoten zustande?

Die Punkte für den mündlichen Prüfungsabschnitt werden –entgegen manchen Mutmaßungen- nicht allein von dem fragenden Fachprüfer, sondern von dem Prüfungskollegium erteilt. Nachdem der Prüfungsabschnitt vorbei ist, werden die Kandidaten "in Abstand verwiesen" (Juristendeutsch: bitte draussen warten). Die Prüfungskommission berät über die Leistungen jedes einzelnen Kandidaten. Grundlage dafür ist das soeben Gehörte, unterstützt von kurzen Notizen, die jeder Prüfer während der Prüfung fertigt. Neben diesem rein individuellen Moment wird oft eine Einordnung (ranking) in die Reihe der Kandidaten vorgenommen (wer war der Stärkste; wer war am schwächsten?).


12. Kann ich eine Begründung für die mündliche Prüfungsnote erhalten?

Die Gründe für die jeweilige Notenvergabe können nach Verkündung des Prüfungsergebnisses von dem Vorsitzenden erfragt werden. Besonders detaillierte Antworten wird man allerdings nach einem langen Prüfungstag und nach vielen Prüfungsabschnitten nicht erwarten dürfen.


13. Welche Rolle spielen die Vornoten (aus dem schriftlichen Teil) für die Bewertung des mündlichen Abschnitts?

Die Vornoten spielen grundsätzlich keine Rolle; jeder Prüfling startet frisch. Aber wenn ein Jurist "grundsätzlich" sagt, dann folgt die Relativierung auf dem Fuße. Ich werde bei der Auswahl der Fragen natürlich darauf achten, dass ich jemand, der um das Bestehen kämpft, mit anderen Problemen konfrontiere, als denjenigen, der ein "vb" schon in der Tasche hat. Wenn sich allerdings herausstellt, dass unser "ausreichend"-Kandidat mit den schlichteren Fragen gut zurechtkommt, dann sollte man das Niveau anheben, so dass auch weit höhere Punkteränge in Reichweite kommen. Freilich ist das für den Prüfer keine leichte Übung, sei es, weil er nur einen beschränkten Fundus an Fragen zur Verfügung hat, sei es, weil bei sechs Kandidaten einer individuellen Betreuung ersichtlich Grenzen gesetzt sind.


14. Wie bereite ich mich auf die mündliche Prüfung vor?

Am besten durch eine Simulation in der privaten Arbeitsgruppe. Einer bereitet einen Problemkomplex als "Prüfer" intensiv vor (zB: sog ruinöse Bürgschaften), die anderen ringen um Antworten.- Des weiteren durch Teilnahme an der mündlichen Probeprüfung, die als Service der hiesigen Fakultät angeboten wird. - Und schliesslich durch mehrmaliges Zuhören in realen Prüfungen, die am OLG Düsseldorf stattfinden.

PS: Wer allerdings erst kurz vor dem Examen beginnt, sich vor (kleinem) Publikum in juristischer Fachsprache auszudrücken, ist spät dran. Besser also schon vorher in Vorlesungen, Seminare, Kolloquien mutig durch Wortbeiträge aktiv werden.


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