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Lüttich
David-Alexander Busch


Ein Sokratessemester in Liège (Lüttich) / Belgien
7. Januar - 1. Juli 2001


I. Vorwort

Wenn Ihr Euch gerade die Frage stellt: "Soll ich während meines Studiums ins Ausland gehen oder nicht?", dann kann ich nur sagen, dass sich genau diese Frage eigentlich nicht stellt! Die Frage kann, ob der unglaublich wertvollen Erfahrungen, eigentlich nur lauten: "Wann und wohin?" Lasst die "Ja, aber-Sager" und "Du verlierst doch ein Semester/Jahr-Propangadisten" einfach zu Hause und macht Euch auf! Die Studienzeit ist (meiner Meinung nach) keine "Krankheit" die möglichst schnell hinter sich gebracht werden sollte, sondern Eure "finest-hour". Carpe diem et noctem!

II. Was ich erlebt habe und wovon ich Euch berichten kann

Am Ende meines 6. Semesters stand mein Entschluss fest: Ich wollte noch ins Ausland und dabei mein (Rechts-)französisch verbessern. Ein Blick in das Verzeichnis unserer frankophonen Partnerunis stellte mich, da ich Hamburg (Damals? Würde ich heute anders entscheiden?) nur für ein Semester den Rücken kehren wollte (Freundin, Freunde, Examen etc.), vor die Frage 1. Semester in Belgien oder lediglich 1. Trimester in Frankreich? Da ich ein Trimester für etwas kurz hielt, um wirklich etwas an meinen Sprachkenntnissen zu ändern, wählte ich Belgien. Hierfür sprach auch das Vorlesungsangebot, welches eine ideale Ergänzung meines Wahlschwerpunktes Information & Kommunikation darstellte.

So brach ich an einem Januarsonntag mit einem vollgestopften Auto in Richtung Lüttich auf und kam im Dunkeln an meinem schon vorab per Fax gebuchten Studentenwohnheim ("Home du Sart Tilman"), welches direkt auf dem Campus liegt, an. Der erste Blick aus dem Auto, überraschte mich positiv, schließlich hatte ich noch nie in einem Studentenwohnheim gelebt und kannte von Besuchen nur die horrorartigen Greifswalder Studikäfige.

Die Schlüsselübergabe verlief reibungslos, außer das die Frau an der Rezeption meinen Namen nicht von "Davis" auf "David" ändern wollte, weil ihr dazu die Berechtigung fehle. Als ich jedoch mein Zimmer betrat, war mein erster Gedanke: "Ich bin nicht rechtskräftig verurteilt! Warum soll ich jetzt in der JVA leben?" Beige lackierte Betonwände, ein dunkelroter PVC-Boden, blaue Holztüren und ein wegen der spärlichen Einrichtung enormer Halleffekt (der übrigens im ganzen Gebäude herrscht), verbreiten den Style einer Psychiatrie aus den 70ern. Die Toiletten sind auf dem Flur und man teilt sich eine Dusche mit seinem Nachbarn, welche von beiden Seiten zugänglich ist und so gleichzeitig eine Verbindung (auch für Geräusche aller Art - z.B. 18,3 x die selbe CD an einem Tag) der beiden "Suiten" bildet.

Rückschauend würde ich mich aber trotz des recht eingeschränkten Wohnkomforts auf jeden Fall wieder für das Studentenwohnheim (DM 13,00 per Tag) entscheiden, denn die langen, wunderschönen und diskussionsreichen Essen in der Küche mit Teilnehmern aus allen europäischen Ländern entschädigen einfach für alles.

Hierbei musste ich leider auch krasse Vorurteile gegen Deutschland und seine Insassen bekämpfen. Z.B. eine spanische Meinung: "Deutsche Frauen rasieren sich weder Beine noch Achseln noch sonstige interessante Körperregion, weil dieses eine Tradition der afrikanischen Frauen ist, mit denen die deutsche Frau aus rassistischen Motiven nichts zutun haben will". Auuuaaaahhh!!!!. Na ja, ich habe mein bestes gegeben, um diesem und anderen Schwachsinn entgegen zu wirken und sogar HH, Köln und Berlin vorgeführt. Nach diesem Ausflug war das Deutschlandbild wesentlich verbessert! Schlägt mich jetzt jemand für das Bundesverdienstkreuz vor?

Die ständige Präsenz von unternehmungswütigen Menschen aller Art war einfach Weltklasse und auch die dichte Lage zur Jurafakultät (3 Min. Fußweg) war natürlich ein echter Vorteil. Mit etwas technischem Wissen und Bastelerfahrung lässt sich über das interne Uni-Telefonnetz auch ein Internetzugang im Zimmer des Studentenwohnheims realisieren (zwar nur 28,8 kbps dafür aber kostenlos!). Wichtig: Bringt unbedingt Eure eigene Bettwäsche und Decke mit! Das gestellte Zeug ist schwer elektrisierend und einfach "Atze"!

Ohne Auto wäre die Lage des Heimes allerdings etwas störend gewesen, da der Campus weit außerhalb der Innenstadt liegt und es in unmittelbarer Nähe keine Geschäfte gibt. Es gibt noch ein zweites Wohnheim "Home Ruhl" in der Innenstadt, das vielleicht für alle Nicht-KFZ-Besitzer vorzuziehen ist.

Vorab hatte die Uni mir per Fax versichert, dass die Vorlesungen am 08.01. beginnen sollten. An meinem ersten Tag stellte sich aber heraus, dass dieses nicht der Fall sei, sondern vielmehr erst in 2 Wochen begonnen würde. Die Einschreibung verlief völlig reibungslos, da man bereits vorher von der Uni (in einem sehr nützlichen Heftchen - kommt per Post) darauf hingewiesen wird, was man alles an Unterlagen präsentieren muss.

Ob man sich seiner polizeilichen Meldepflicht stellen will, ich habe es als pflichtbewusster Jurist natürlich getan, sollte man sich sehr gut überlegen (das soll keine Anstiftung sein!). Die resolute Dame im Einwohnermeldeamt erklärte mir bei meinem ersten Besuch, den ich vorher für den einzigen gehalten hatte, dass ich mich jetzt alle 2 Wochen melden müsse, bis man mir meine permanente Aufenthaltsgenehmigung übergeben könne. Auf meine erstaunte Nachfrage, ob ich mich verhört hätte und den Hinweis, dass ich weder Mitglied der ETA noch der IRA, sondern lediglich deutscher EU-Bürger wäre, teilte sie mir mit, dass dieses immer so gehandhabt würde. Na, Moin! Herzlichen Glückwunsch, Belgien!

Meine "Attestation d´immatriculation", die meinen Aufenthalt in Belgien bis zum 30.06.01 absicherte, habe ich dann immerhin schon am 31.05. bekommen. Nicht schlecht!

Ich habe mich für einen Sprachkurs an der Uni (ISLV heißt der Laden) eingeschrieben, welcher recht gut und außerdem günstig (100 DM für 5 Monate) war. Man absolviert einen Test, wird danach einem Niveau (1-5) zugeordnet und hat dann 2 x 2 h pro Woche Unterricht. Am Ende gibt es einen Test und wer den besteht, bekommt ein optisch wirklich beeindruckendes Diplom.

An der Uni muss man als Sokrates-Student Vorlesungen im Werte von 20 ECTS belegen, wobei man sich den Sprachkurs anrechnen lassen kann. Ich habe folgende Vorlesungen besucht:
  • Droit de la propiété intellectuelle (Urheberecht, Patentrecht etc.)
  • Libertés et societé de l´information (Informationsfreiheit, Datenschutz etc.)
  • European company law (Europäisches Gesellschaftsrecht)
  • Analyse de textes juridiques en langue allemande (Übersetzen von deutschen Rechtstexten ins Französische)
  • Droit d´auteur & technologies nouvelles (Urheberrecht in den neuen Medien)
  • Introduction au droit belge (Einführung in das belgische Recht)
Da die Uni einem nur automatisch die Teilnahme an Vorlesungen bescheinigt, an deren Prüfungen man teilgenommen hat, sollte man sich von jedem Professor schriftlich bestätigen lassen, dass man "immer da war", damit es auch ja keine Probleme mit dem LJPA gibt. Das belgische Unisystem ist wesentlich verschulter als das deutsche. D.h. die Studenten schreiben brav fast jedes Wort wörtlich mit (!!!!!), was wohl auch darin liegt, dass es nicht allzu viele Lehrbücher gibt und Nachfragen oder gar Korrekturen seitens der Studenten werden als schwerer Affront betrachtet. Zwar erfolgt die Einteilung des Studiums auch nach Semestern, aber eigentlich ist es eine Jahreseinteilung. Viele Vorlesungen dauern zwei Semester und am Ende eines Semesters müssen alle Studenten in allen Fächern eine Prüfung ablegen. Bestanden hat, wer mehr als 12 von 20 Punkten erreicht. Wer in mehr als zwei Fächern durchfällt, muss, wie in der guten alten Schule, das ganze Jahr wiederholen! Achtung: Unbedingt Anzug bzw. Kostüm einpacken, denn so erscheint man hier zu mündlichen Prüfungen!

Ich konnte den Vorlesungen gut folgen (6 Jahre Schulfranzösisch - 1 Monat Sprachkurs in Paris) und am Ende sogar aktiv teilnehmen. Was mich enttäuscht hat, ist dass man mir seitens der Uni mitgeteilt hatte, die Vorlesungen würden bis Ende Mai bzw. Mitte Juni abgehalten werden, wobei in der Realität nach Ostern bzw. spätestens Mitte Mai der Vorlesungsbetrieb eingestellt wurde. Dieses ist jedoch lt. Uni keine offizielle Regelung, sondern ein traditionelles Entgegenkommen der Professoren, um den Studenten eine intensive Examensvorbereitung zu erlauben. Deshalb hat man mir auch nur die offizielle Regelung mitgeteilt. Na, super!

Ich habe dann ca. 3 Wochen an einer Hausarbeit gearbeitet, um so meine obligatorische Sokratesleistung, zur Erhaltung des Freischusses, zu erbringen und diese auch bestanden. Ferner habe ich die mündliche Prüfung zu "Introduction au droit belge" absolviert und nach 1 Woche intensivem Lernen auch bestanden.

Das Nachtleben in Liège konzentriert sich auf das Bar- und Kneipenviertel in der Innenstadt (hier treffen sich regelmäßig alle Erasmus-Studenten im "l´escalier" oder "soleil" und nehmen den ersten Bus um 5 Uhr gen Heimat) und eine neue, etwas prollige Großraumdisco (das "Millenium" immerhin in Fußwegdistanz vom Studentenwohnheim) à la Viva Wentorf. Im Kneipenviertel ("le carré") wird bis zur Besinnungslosigkeit Alkohol vernichtet und dazu überwiegend Musik aus den 80er gespielt. Überhaupt scheinen die Lütticher diesem Jahrzehnt in ihrem gesamten Style stark verbunden (o.k., das war gemein - aber wahr!). Aber das ist nicht weiter schlimm, denn 20 Autominuten entfernt liegt Maastricht, dessen Nightlife sich vor dem Hamburger nicht verstecken muss. Dort gibt es beste Bars, zwei klasse Clubs (das "Dekadans" und das "Nightlife", ein architektonisch einmaliger Club in einer alten Kirche), unglaublich hübsche Frauen (keine Sorge: lt. Aussage der Spanierinnen, die mit mir im Studentenwohnheim wohnten, auch hübsche Männer), zahllose Coffeeshops (die, wie ja die meisten wissen, keinerlei Heißgetränke ausschenken) und eine einfach klasse Atmosphäre. Außerdem ist die Stadt auch sonst sehr ansehnlich (à la Lüneburg).

Lüttich selber verfügt eigentlich auch über eine sehr hübsche Innenstadt. Allerdings fällt dieses (auf den ersten Blick) nicht so auf, da die Architektur leider an vielen Stellen etwas Farbe vertragen könnte und deshalb etwas grau wirkt. Große Sehenswürdigkeiten oder Museen gibt es nicht (oder ich habe sie nicht gefunden), allerdings kann man diese in Brüssel, Brügge, Antwerpen, Luxemburg etc. rasch und kostengünstig (Menschen unter 26 bekommen Bahnfahren quasi geschenkt - GO Pass heißt der Deal) erreichen. In Paris ist man in 3 ½ Stunden und mit dem Bus gibt es den Trip schon für DM 50 (hin und zurück).

Die Preise für Lebensmittel (wobei es echt perverse Produkte à la England gibt), Telefonate (man sollte Guthabenkarten, (z.B. XL-Call) in Verbindung mit seinem Mobiltelefon und einer belgischen Prepaidkarte (z.B. Mobistar nutzen) und Benzin sind leicht teurer als in Deutschland, die Preise in Bars und Kneipen dafür günstiger. Die Mensa ist teurer als in HH (Preise für ein Gericht zwischen 5 - 12 DM). Kosten für Bücher fallen nicht groß an. Ich habe mich auf den belgischen "Schönfelder" und einige Skripte beschränkt und bin damit gut gefahren. Im Grenzgebiet kann man fast immer mit Gulden, Frank oder DM zahlen, hier wurde der EURO quasi vorweggenommen. Die gelegentliche Heimfahrt in die große Stadt an der Elbe lässt sich mit dem Auto (ca. 5 h), mit der Bahn (1 x Umsteigen in Köln) oder mit den Bussen von EUROLINES (1 x Umsteigen in Brüssel / Fahrt über Nacht / günstig aber nervig) realisieren.

Ich habe die Belgier insgesamt als sehr freundliche Menschen erlebt, die ein nicht perfektes Französisch eher verzeihen als die Franzosen. Ich wurde von allen Studenten sehr freundlich aufgenommen und mir wurde spontan und bereitwillig geholfen, wenn ich Fragen hatte. Insgesamt wirken die Belgier manchmal, ähnlich den Amerikanern, etwas bigott, was ihre Moralvorstellungen angeht. Ich fand es z.B. immer etwas lächerlich, Menschen in Badehose und Badeanzug in der Sauna gegenüber zu sitzen.

Die Austauschstudenten in meinem Studentenwohnheim kamen aus Schweden, Spanien, Italien, Norwegen, Polen, Ungarn, England, Frankreich, Marokko, wobei Spanien und Italien die "Hauptmächte" bildeten. Erfreulicherweise war zu meiner Zeit nur eine Deutsche anwesend, so dass ich zu Französisch oder Englisch "gezwungen" war. Ich kann nur wiederholen, dass eine solche Nationenmischung einfach jeden Tag die Sonne scheinen lässt, auch wenn es regnet.

Die Uni hat auch ein sehr umfangreiches Sportangebot. Ich habe Hockey belegt, welches auf einem recht guten Niveau gespielt und trainiert wurde. Die Preise für Fitnessstudios, in unmittelbarer Campusnähe gibt es ein sehr nettes (Holiday Fitness Club, Boncelles), sind denen in HH vergleichbar. Ab Frühjahr wird auch fast jeden Tag (auf einem richtigen Platz!) vor dem Wohnheim Fußball gespielt. Dass Bayern die Champions-League gegen einen spanischen Verein gewann, machte es meinen Knochen nicht unbedingt leichter!

Das Wetter war noch schlimmer als in Hamburg. Es hat bis Anfang Mai eigentlich jeden Tag geregnet. Die Spanier und Italiener sind fast durchgedreht, während ich natürlich über eine gewisse Abhärtung verfügte. Von Zeit zu Zeit gibt es auch Parties im Studentenheim oder an der Uni, welche stets in extremen Alkoholexzessen endeten. So kann man z.B. auf einigen Parties nur Gutscheine für 20 und nicht etwa 1 Bier kaufen.

III. Mein Fazit

Zwar ist Lüttich nicht Paris, aber (vielleicht gerade deshalb?) zum Französischlernen und Spaßhaben trotzdem ein klasse Ort mit netten Menschen und vielen Möglichkeiten.

Insgesamt ist ein Auslandssemester ein Erfahrung, die ich nicht missen möchte, da ich viele interessante Einblicke in die Ansichten der anderen europäischen Völker und auch in ein anderes Rechtssystem gewonnen habe. Ich würde sofort wieder gehen!

Wer Fragen hat, kann mir gerne eine Email schreiben:
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Die Seite der Uni Liège findet Ihr unter:
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