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Ferrara
ERASMUS / SOKRATES

- Name der Uni in Deutschland sowie der Gastuniversität

LMU München / Universitá degli Studi di Ferrara

- Austauschzeitraum

September / Oktober bis Mai / Juli

- Studienort

Ferrara liegt südlich der Po-Mündung in der Emilia, ca. 50 km nordöstlich von Bologna und ca. 100 km südlich von Venedig. Zur Adria sind es nach Osten ca. 40 km. Die Po-Ebene ist flach und von der Vegetation her nicht sehr üppig. Ferrara wurde lange Zeit von dem Herrschergeschlecht "Este" beherrscht, das im Mittelalter eine echte Konkurrenz zu den Florentiner Medici war. Zeugnis der Macht ist das Castello Estense im Stadtzentrum, das wirklich imposant ist. Besonders erwähnenswert ist die noch völlig intakte Stadtmauer ("le mura"), die den Stadtkern vollständig umgibt, der schöne "Palazzo dei Diamanti" (wechselnde Bilderausstellungen) sowie das "Ghetto" im Südwesten, eine sehr anregende Atmosphäre mit vielen kleinen Gassen, Pflasterstraßen und gemütlichen Cafes.
Ferrara ist die Heimatstadt des berühmten Bußpredigers Girolamo Savonarola, der in Florenz die Macht der Medici bekämpfte. Sehr schön auch der Dom San Giorgio. Unbedingt sehenswert ist der Palio von Ferrara, das Pferderennen zwischen den einzelnen "Contrade" (Stadtbezirke), das jedes Jahr Ende Mai an der Piazza Ariostea stattfindet (natürlich nicht so spektakulär wie der weltberühmte Palio von Siena, aber trotzdem wegen seines reichhaltigen Rahmenprogramms - Eselrennen, Kostüm-, Fahnenschwing- und Trommelwettbewerbe - ein Ereignis!).

Im Winter wirkt die Stadt gelegentlich sehr düster, was an dem wirklich unglaublich dicken Nebel liegt, den der Po in die Stadt treibt. Schnee gibt es einmal in zwei Jahren für ein, zwei Tage. Dafür aber ist es klamm und feucht, v.a. im November und Dezember. Das schöne Wetter fängt dafür schon im Februar / März an. Die schönste Zeit ist wohl der Frühling, wo Ferrara im wahrsten Sinne des Wortes aufblüht. Am Mai / Juni wirds dann richtig heiß und schwül, da dort eine hohe Luftfeuchtigkeit herrscht.

Um sich ein Bild von der Stadt zu machen, empfiehlt es sich auch, den bekannten Roman "Il giardino dei Finzi-Contini" von Giorgio Bassani zu lesen. Er beschreibt sehr gut die Stadt und seine Bewohner; inhaltlich geht es um die unglückliche Liebe des Autors zu einem Mädchen aus reichem jüdischen Hause, das im faschistischen Italien umkommt. Die beschriebenen Gärten der Familie (nach dem Krieg zerstört und bebaut) lagen übrigens am gleichen Corso Ercole d`Este, an dem auch die juristische Fakultät anzutreffen ist. Auf dem jüdischen Friedhof von Ferrara sieht man auch viele Gräber von Finzis und Continis, die Romanfiguren habe ich aber nicht gefunden...

- Name der Uni

Universitá degli Studi di Ferrara

- Homepage der juristischen Fakultaet

http://www.unife.it


Organisatorisches

- Anmeldefristen für das Programm, zuständige Stellen in Deutschland

Das akademische Auslandsamt München ist zuständig für die Bewerbung, die bis März eingereicht werden muß.
Voraussetzung ist das erfolgreiche Belegen des italienischen fachspezifischen Sprachkurses, den Frau Dr. Alessandra Pedriali gibt. Insgesamt bietet München 3 Plätze, wobei erfahrungsgemäß nur fünf Leute sich pro Jahr bewerben.

- Ich bin da - der erste Bürokram im Ausland

Erster Schritt ist der Besuch in der Univerwaltung "ADSU" im Verwaltungsgebäude in der Via Savonarola, wo man sich seinen Studentenausweis ausstellen lassen muß. Dann muß man noch in die Questura (Kreisverwaltungsreferat), um sich die Aufenthaltsgenehmigung zu holen. Aber eine große Hilfe sind die Tutoren, die einem gleich zu Beginn in Empfang nehmen und bei allem Bürokram helfen. Zudem helfen sich die ERASMUS-Studenten untereinander (aus Deutschland Köln, Konstanz, Freiburg, Trier, Münster, sonst Holland, Belgien, Spanien, Schweden und England).


Studium

- Besonderheiten des jeweiligen Landes

Das italienische Jurastudium ist komplett theoretisch ausgerichtet. Das heißt, man lernt für die einzelnen Fächer am besten das angegebene Lehrbuch auswendig. Das sind nicht selten 1000 Seiten, und je besser man den Inhalt kennt, desto besser schneidet man in der Regel bei den Prüfungen ab. Diese sind fast immer mündlich und dauern ca. eine halbe Stunde. Die Situation ist für Deutsche höchst ungewohnt: In dem Prüfungsraum sitzen ca. 40 Studenten (je nach Fach), die sich für die Prüfung angemeldet haben, während vorne am Pult der Professor mit ein oder zwei Assistenten sitzt. Es werden dann die Studenten der Reihe nach aufgerufen und auf diese drei Prüfer verteilt, während die anderen Prüflinge dasitzen und zuhören, bevor sie an der Reihe sind (oder noch lernen). Man ist sehr von der Laune der Prüfer abhängig oder vom Glück oder Pech, zu bestimmten Assistenten zu kommen. Abgefragt werden nicht konkrete Fälle, sondern theoretisches Einzelwissen (also zB "Erklären sie die Natur des dinglichen Vorkaufsrechts und seine Stellung im Gesetz"; der Student hält dann einen ca. zehnminütigen Monolog, der immer wieder vom Professor mit weiteren Fragen unterbrochen wird). Am Ende gibt dann der Professor eine Note zwischen 18 und 30 (ggf. "e lode"), oder er sagt dem Kandidaten, daß er noch einmal kommen müsse, seine Performance würde nicht zum Bestehen reichen. Diese sogenannten "appelli" (Prüfungstermine) finden ca. alle zwei Monate für alle Fächer statt. Insgesamt sind um die zwanzig Scheine zu machen, von den Hauptfächern diritto civile, pubblico und penale bis zu Nebenfächern wie diritto romano, di lavoro, internazionale etc.. Hat man einmal alle notwendigen Scheine geschafft, was ca. fünf bis sechs Jahre dauert, muß man noch seine "tesi", eine Art Diplomarbeit, schreiben. Danach ist man fertig, hat seine sog. "Laurea" und ist "Dott.". Eine witzige Sache ist die Sitte, daß die Freunde des Absolventen ihn auf einem Plakat karikieren (meist sehr freie und anzügliche Bilder) und mit mehr oder weniger fiesen Kommentaren versehen, und dann diese Plakate in der Umgebung der Fakultät aufhängen. Solche Plakate findet man dann zuhauf an den Mauern rundherum...

- Erfahrungen mit Fächern und Dozenten

Die ERASMUS-Studenten belegen in der Regel drei bis vier Fächer, die mit dem Austauschprogramm zu tun haben, also Europa-, Völker- oder internationales Privatrecht. Ob der Dozent kooperativ ist, hängt stark von der jeweiligen Person ab. Meistens wissen die jeweiligen Dozenten dieser Fächer um die Sprachprobleme der ausländischen Studenten und nehmen bei der mündlichen Prüfung, die Gottseidank getrennt für ERASMUS-Leute stattfindet, darauf Rücksicht. Trotzdem ist es sehr ungewohnt, in freier Rede dem Professor etwas über die Europäische Kommission und ihre Zusammensetzung und ihre Aufgaben zu erzählen... Die Prüfungen hat aber bisher noch jeder bestanden, in aller Regel lassen einen die Prüfer nicht durchfallen. Zu beachten ist, daß manche Professoren zu Beginn der Stunde eine Anwesenheitskontrolle machen oder zu Ende der Vorlesung (die übrigens stets nur eine dreiviertel Stunde dauert, dafür dreimal die Woche) eine Liste rumgehen lassen. Wer zu oft fehlt, bekommt die Belegungsbescheinigung nicht.
Alles in allem ist das Studium für den ERASMUS-Studenten überhaupt nicht anstrengend, man kann vielmehr viele Freiheiten genießen und sich vor allem Sprache, Kultur und Menschen widmen. Es kommt vor allem auf die persönliche Einteilung und das Engagement an.

- Anerkennung in Deutschland

In München kann man sich für die in Ferrara gemachten Scheine lediglich einen Grundlagenschein anerkennen lassen. Es besteht nicht die Möglichkeit, sich z.B. den großen Ö-Rechtsschein anzuerkennen lassen. Leider heißt das nicht, daß man deshalb in Italien überhaupt keine Prüfungen zu machen bräuchte: Will man nämlich in Bayern den Freischuß machen, muß man für jedes der beiden Urlaubssemester (die die LMU problemlos genehmigt) eine Prüfung nachweisen, sonst anerkennt das Bayerische Landesjustizprüfungsamt nicht das Semester als Freisemester, und schon ist der Freischuß flöten gegangen...


Leben im Ausland

- Finanzen

Bevor man sich den Streß antut, sich ein eigenes Konto bei einer italienischen Bank einzurichten, empfiehlt es sich fast, mit der eurocheque-Karte Geld abzuheben und die 5 DM Gebühr pro Abhebungsvorgang in Kauf zu nehmen. Wohnt man in einem Wohnheim, kann man die Monatsmieten im voraus an die Verwaltung überweisen, bei privaten Vermietern ist die Zahlungshäufigkeit (monatlich, vierteljährlich etc.) individuell zu vereinbaren. Kaution ist üblich, ca. 2 Monatsmieten.

- Lebenshaltung

Es gibt ca. 3-4 Wohnheime (San Benedetto, Santo Spirito, Giovecca, Sant`Antonio), die von der Univerwaltung (ADSU) geführt werden, und bei der man sich für einen Wohnheimplatz bewerben kann. Für ERASMUS-Studenten sind immer wieder einige Plätze reserviert, wobei der Ort je nach Renovierungsbedürftigkeit (die Wohnheime sind ständig im Umbau bzw. in Renovierung begriffen) wechselt. Gang und gäbe ist es aber, sich mit Einheimischen zusammen zu tun und eine WG zu machen. Kontakte knüpft man schnell auf den Einführungsparties. Für ein Zimmer zahlt man in der Regel zwischen 200 und 400 Mark. Essen ist nicht so teuer, wer allerdings keine Nudeln mag, hat ein Problem... Die Mensa in Corso Giovecca ist reichhaltig, viel und billig (2000 bis 4000 Lire), und hat auch abends offen.
Bei einigermaßen sparsamer Haushaltsführung sollte man mit 600 - 800 DM pro Monat über die Runden kommen.

- Verkehrsanbindung

Mit dem Zug gelangt man in der Regel nach Ferrara, indem man entweder nach Bologna fährt und dann den Anschlußzug nach Ferrara, der ca. jede Stunde fährt. etwas schneller dürfte es gehen, den Venedigzug zu nehmen, und in Padua auszusteigen, um dann den Zug nach Ferrara zu nehmen. Mit dem Auto fährt man über den Brenner bis nach Verona. Dort dann die Superstrada finden (kein leichtes Unterfangen, Ausfahrt Verona Sud, dann bis Ca`di David, an der Kirche links abbiegen, nach ca. 2 km rechts auf die SS), die direkt vor Ferrara führt. Fahrtzeit von München bis Ferrara: ca. 5 - 6 Std. je nach Geschwindigkeit ... (Rekord: 4,5 Std) In Ferrara selber kommt man sich vor wie in Holland, wirklich jeder fährt mit dem Fahrrad. Die Entfernungen sind aber so kurz und die Gassen so eng und das Einbahnstraßensystem so verzwickt, daß radeln auch am schnellsten geht ... Fahrräder kann man an vielen Geschäften oder von privat für ca. 50 - 100 DM kaufen und danach wieder verkaufen. Ansonsten kann man mit dem Bus fahren, oder man treibt Leute auf, die mit dem Auto da sind.

- Freizeitmöglichkeiten

Man kann beim Unisport ("CUS") mitmachen und dort Rudern, Volleyball, Fitneßstudio etc. machen. Die örtliche Fußballmannschaft "Spal" spielt in der dritten Liga. Die Football-Mannschaft "Aquile" kickt das Leder in der zweiten Liga.
Es gibt ca. fünf Kinos in der Stadt. Geheimtip: San Benedetto, wo am Freitag abend Filme für lediglich 5000 Lire kommen (Nebeninfo: Die Ferrareser Kinos haben zum Großteil die Angwohnheit, für den Filmrollenwechsel eine Pause mitten im Film zu machen...). Ansonsten trifft man sich in den typischen Studentenkneipen oder geht auf Parties, die praktisch jedes WE stattfinden. Ansonsten hat man genügend Zeit, im Laufe der neun Monate nach Bologna, Padova, Vicenza, Venezia, Ravenna, Mantova usw. zu fahren und diese sehr schönen Städte zu besichtigen. Die Zugtickets sind in Italien extrem billig! (Wenn nicht gerade wieder einmal die Bahn streikt...)

- Autor / Ansprechpartner

Giorgio, giorgio.decker@jurawelt.com

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