Stand: 24.07.2005
Liebe JurastudentInnen und alle, die es werden wollen!
Das Folgende soll Euch einen kurzen Überblick über die Möglichkeiten des Jurastudiums, seinen
voraussichtlichen Ablauf und die anschließenden Möglichkeiten
im Beruf geben. Da Einzelheiten zwischen den Bundesländern sehr unterschiedlich
ausfallen können, ist es an dieser Stelle nicht möglich, mehr
als einen groben Überblick zu vermitteln. Für Detailfragen hilft
Euch aber sicher eine kurze Anfrage auf unserer
Jurawelt Studenten-Mailingliste,
auf der Ihr hoffentlich schon eingetragen seid! :-)
1. Allgemeines
Jurastudenten werden in Deutschland
zum sogenannten Einheitsjuristen ausgebildet. Er gilt als "zum Richteramt
befähigt" und sollte im Idealfall in allen nur denkbaren rechtlichen
Bereichen einsatzfähig sein. In der Praxis ist eine Spezialisierung
im Anschluss an das Studium unumgänglich, wenngleich nicht vergessen
werden darf, dass einen wirklich guten Juristen nicht zuletzt seine
Vielfältigkeit ausmacht. Der Nachteil am System des Einheitsjuristen
liegt zum einen darin, dass man eben primär zum Richter ausgebildet
wird und zum anderen, besonders für Studenten, vor allem darin, dass
im Jurastudium im Vergleich zu vielen anderen Fächern der Großteil des Stoffs nicht
"abgearbeitet" wird, sondern sich in immer größeren
Bergen vor einem auftürmt, die im staatlichen Teil der Ersten Juristischen
Prüfung dann vollständig abgefragt werden. Dies macht den größten Schrecken des Examens
aus (siehe auch
unten 5.).
Seit der jüngsten
Reform
der Ausbildung bieten alle Universitäten im Hauptstudium
Schwerpunkte
an, die studienbegleitend abgeprüft werden und 30% der Endnote ausmachen.
2. Bewerbung
Das Jurastudium ist kein ZVS-Fach mehr, damit gibt es keinen
deutschlandweiten Numerus Clausus mehr. Wer Jura studieren möchte, muss sich bei der Universität
seiner Wahl direkt bewerben. Die Chancen, genommen zu werden, können
dabei je nach Beliebtheit der Uni sehr unterschiedlich sein. Für die
Einzelheiten, nach denen Bewerber jeweils ausgesucht werden, ist es
empfehlenswert, beim Dekanat der juristischen Fakultät oder bei der
Zentralverwaltung der Uni nachzufragen bzw. die
Homepage
der jeweiligen Universität zu konsultieren.
3. Studienablauf
Das Jurastudium gliedert sich in das Grundstudium (drei bis vier Semester),
das mit der
Zwischenprüfung
abgeschlossen wird, sowie das Hauptstudium und das Schwerpunktbereichsstudium, die
beide parallel stattfinden können. Die mittlere Studiendauer
liegt seit der flächendeckenden Einführung des Freischusses (siehe
dazu
unten 7.) bei ca. 9 Semestern.
Der Stoff des Studiums wird unterteilt in die Gebiete Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht. Alle drei Rechtsgebiete sind Pflichtstoff im Examen. Dazu können (je nach Uni) die Fächer Rechtsgeschichte,
Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie
und andere kommen. Diese sind an einigen Unis Pflichtbestandteil mindestens
eines der o.g. Studienabschnitte, an anderen für die Prüfungen völlig
unwichtig, werden aber natürlich auch dort zum Besuch empfohlen.
Nach der Zwischenprüfung müssen normalerweise in allen drei Rechtsgebieten
sog. "Große Übungen" (siehe 4.) oder "Große Scheine"
geschrieben werden, bevor mit dem Schwerpunktstudium begonnen werden kann. Weiterhin sind
insgesamt drei Monate Praktikum vorgeschrieben; die genauen
Regelungen
hierzu sind von Bundesland zu Bundesland verschieden. Jetzt gehört auch eine
fachspezifische Sprachenausbildung und ein Besuch von Kursen zu sog.
"Schlüsselqualifikationen" (Rhetorik, Mediation,
Verhandlungstechnik, Vertragsgestaltung u.ä.) zu den Voraussetzungen für die
Anmeldung zur Ersten Juristischen Prüfung.
4. Übungen
Die Voraussetzungen für das Bestehen
einer Übung regeln die Unis jeweils selbständig. In den meisten
Fällen sind eine bestandene Hausarbeit und mindestens eine bestandene
Klausur Voraussetzung für das Bestehen. Allerdings nimmt die Experimentierfreude
langsam zu, so dass an manchen Unis neue Konzepte erprobt
werden, so z. B. Semesterabschlussklausuren in jedem zu belegendem
Fach, aber dafür keine Hausarbeit. Anders als die Zwischenprüfung können die
Übungen beliebig oft wiederholt werden.
5. Erste Juristische Prüfung (EJP oder "Referendarexamen")
Alle Informationen zum universitären Teil der EJP findet ihr in unserer
Rubrik
Schwerpunkte.
Der staatliche Teil der EJP besteht aus sechs fünfstündigen Klausuren sowie
einer mündlichen Prüfung. Es gilt als große nervliche Belastung,
da an nacheinander folgenden Tagen jeweils sehr umfangreiche Klausuren geschrieben werden müssen, in
dem der ganze gelernte (oder auch nicht gelernte...) Stoff des Studiums
abgefragt wird. Wer durch die Prüfung gefallen ist und nicht den Freischuss (siehe
unten
7.)§ in Anspruch genommen hat, kann die Prüfung einmal wiederholen.
Alle Bundesländer kennen auch einen Versuch zur Notenverbesserung (also nach
bestandenem ersten Anlauf), die Voraussetzungen sind jedoch unterschiedlich.
Das 2. Staatsexamen (auch "Assessorexamen")
schließt die an die EJP anschließende achtzehnmonatige Referendarszeit ab.
6. Notengebung
Die Notenabstufung in juristischen
Prüfungen bewegt sich zwischen 0 und 18 Punkten; mit 4 Punkten ist eine
Arbeit bestanden. Für diese 4 Punkte braucht man aber 50%, die Notengebung
ist also nicht linear! Im Studium sind 4 - 6 Punkte "ausreichend", 7
- 9 "befriedigend", 10 - 12 "vollbefriedigend", 13 - 15
"gut" und 16 - 18 "sehr gut". Nun mag der einschlägig
Interessierte bereits wissen, dass in vielen Unifächern die Noten
"gut" und "sehr gut" außerordentlich häufig vorkommen und ein
"befriedigend" nicht nur als mittlere Beleidigung gilt, sondern vor allem
auch die meisten Jobchancen zunichte machen kann. Diese Sicht sollte man
im Jurastudium tunlichst vergessen, da man sonst innerhalb kürzester
Zeit mit gravierenden Minderwertigkeitskomplexen zu kämpfen haben wird - es
gelten die Sprüche "4 gewinnt" und "9 is magic".
Durchfallquoten von 30% sind in Klausuren normal und 50% auch noch nicht
ungewöhnlich, der Durchschnitt bewegt sich meist zwischen 4 und 6 Punkten.
Viele Studenten erreichen den Bereich von "gut" und "sehr
gut" in ihrem ganzen Studium höchstens einmal!
Die "normale" EJP endet gemeinhin mit einer Durchfallquote von ca. 30%, ein weiteres
Drittel der Teilnehmer erzielt ein "Ausreichend" und der Rest füllt den weiten
Bereich darüber, wobei ein zweistelliges Ergebnis als Erfüllung
aller Träume gilt. Die Zwangsanpassung an die veränderte Notengebung
beginnt bereits bei der Zwischenprüfung, wo so mancher erfolgsverwöhnte
Abiturient mit staunendem Blick die vermeintliche Kreuzigung seines Talents
erleben muss. Hier erwirbt man jedoch rasch ein dickes Fell und eine
gewisse Selbständigkeit in der Einschätzung der eigenen Leistung,
was auch die manch sarkastische Bemerkung eines Korrekturassistenten verkraftbar
macht. Korrekturassistenten, also Leute mit erstem Staatsexamen bzw. EJP, sind
übrigens die Menschen, die die Klausuren korrigieren, das tun nicht die
Professoren selbst! Entsprechend gemischt ist auch die Qualität dieser
Korrektur, aber - wenn immer nur schlechte Ergebnisse rauskommen, liegt es
nicht am Korrekturassistenten.
7. Freischuss
Der extrem umfangreiche Stoff und die
Examensangst ließen die Studiendauer des Durchschnittsstudenten einige
Zeit lang auf erschreckende 15 und mehr Semester ansteigen. Dies wurde
(offensichtlich erfolgreich) durch den sog. "Freischuss" bekämpft.
Dieser besagt, dass jeder, der nach dem 8. Semester (und nicht später) in
den staatlichen Teil der EJP geht, einen "Durchfaller" nicht angerechnet erhält,
also zwei Wiederholungschancen hat. über Sinn und Unsinn des Freischusses
wurde und wird viel gestritten, hier muss jeder Student selbst wissen,
ob er der kaum zu vermeidenden Stromlinienform des 8-semestrigen Studiums
nicht eine gewisse Vertiefung vorzieht. Die Zusatzchance im Staatsexamen
sollte aber keinesfalls den Ausschlag geben, da man grundsätzlich
mit der Haltung ins Examen gehen sollte, dass man nicht einmal einen
zweiten Versuch braucht, schon allein des damit verbundenen Stresses wegen.
8. Berufsmöglichkeiten
Zwecklos hier alles aufzuzählen,
das endete nie. Primär, wie schon oben gesagt, wird man zum Richter
ausgebildet. Allerdings werden nur die wenigsten Juristen auch solche.
Weiter wäre da noch der Staatsanwalt.
Oder man geht in die öffentliche Verwaltung als Beamter. Oder man
geht in die Wirtschaft als Mitarbeiter einer Rechtsabteilung z.B. Oder
man macht sich als Anwalt selbstständig oder geht als Angestellter in
eine größere Kanzlei, mit welchem persönlichem Schwerpunkt
auch immer. Eigentlich steht einem alles offen. Das ist ja
auch gerade einer der reizvollen Aspekte des Jurastudiums, die vielseitigen
Einsatzmöglichkeiten. Ehrlicherweise muss man aber hinzufügen, dass nur
Absolventen mit mindestens 9 Punkten (dem "Vollbefriedigend", kurz
"VB") eine einigermaßen freie Auswahl haben, für alle anderen
steht unter den juristischen Berufen meist nur der des Anwalts offen, den denn
auch mehr als 80% aller fertigen Juristen ergreifen, mit oft geringem
wirtschaftlichen Erfolg.