Stand: 04.08.2005
Im Studentenleben lernt man nicht nur eine ganz eigene Sprache, man trifft
auch auf seltsame Abkürzungen und Sitten, deren Sinn sich nicht immer gleich
(und manchem niemals) erschließt. Wir haben für euch ein paar allgemeine
Klassiker und Besonderheiten des Jurastudiums zusammengestellt.
Das Personal
Hier sind zuerst die Professoren und Professorinnen zu nennen, kurz: die
Profs.
Eine spezielle Abkürzung für weibliche Profs hat sich noch nicht gebildet; man
kann natürlich "Prof-in" sagen, klingt aber doof.
Fast schon Prof sind die
PDs: Privatdozenten. Die haben sich schon habilitiert,
warten aber noch auf einen Ruf (= Ernennung zum Prof; stets an einer anderen
Universität als an der, an der sie ihre Habilitation geschrieben haben). Sie
arbeiten in der Regel am Lehrstuhl ihres Habilitationsvaters, dürfen aber schon
selbst Vorlesungen halten und auch prüfen.
Eine Stufe "darunter" stehen die wissenschaftlichen Mitarbeiter und
Assistenten - das sind Lehrstuhlmitarbeiter, die mindestens das erste
Staatsexamen erfolgreich hinter sich gebracht haben. Sie bilden den sogenannten
"
Mittelbau" und halten Arbeitsgemeinschaften ab, forschen für ihren
Professor und schreiben in der Regel nebenbei an einer Doktorarbeit ("Diss")
oder Habilitation ("Habil").
"
Hiwi" ist die gängige - wenngleich teilweise verpönte - Bezeichnung
für die studentischen Hilfskräfte an den Lehrstühlen und bei sonstigen
Universitätsstellen.
Die Veranstaltungen
"
Vorlesungen" werden von Profs und PDs gehalten; nur wer Pech hat,
erlebt dabei aber eine Vor"lesung" im wörtlichen Sinn, die meisten
Professoren gestalten ihre Vorlesungen durchaus interaktiv. Es wird zwar kaum
jemals jemand gezielt drangenommen, der sich nicht gemeldet hat, aber man sollte
die Chance nutzen und sich auf Fragen hin melden. Selbst sollte man in der
Vorlesung Fragen nur stellen, wenn man den Eindruck hat, nicht der einzige zu
sein, dem diese Frage gekommen ist, denn sonst hält man alle anderen auf. Die
meisten Profs stehen nach der Vorlesung kurz noch unten am Pult, wo man sie dann
gezielt ansprechen kann.
"Arbeitsgemeinschaften" (
AGs) sind die Lehrveranstaltungen der
wissenschaftlichen Mitarbeiter. Hier übst du Fälle und/oder bekommst den
Vorlesungsstoff noch einmal in verdaulicherer Form serviert; da die AG-Leiter
selbst den Studenten-Stand oft noch nicht lange hinter sich gelassen haben, sind
sie didaktisch meist recht gut. Du solltest dir aber, wenn möglich, mehrere AGs
ansehen und durchaus auch nach Sympathie entscheiden, in welche du gehen willst.
Die Teilnehmerzahl in einer AG kann durchaus die einer Vorlesung erreichen; dann
geht natürlich vom eigentlichen Sinn der AG viel verloren, da man sich in der
Masse verstecken kann und nicht genötigt ist, selbst über die Falllösung
wirklich nachzudenken. Sehr bequem, aber es rächt sich in der Klausur. Dass du
ein Problem kennst, heißt noch lange nicht, dass du auch weißt, wie und an
welcher Stelle eines Falles du es prüfen musst!
"
Tutorien" werden von Studenten gehalten; hier übst du überwiegend
das Lösen von Fällen. Meist ist die Teilnehmerzahl begrenzt.
"
Seminare" haben einen begrenzten Teilnehmerkreis und werden von
Professoren angeboten, die dazu schon am Ende des vorangehenden Semesters eine
Liste mit Themen aushängen oder eine Vorbesprechung veranstalten und eine
Anmeldung verlangen. Im Rahmen eines Seminars beschäftigst du dich vertieft mit
einem bestimmten, eng begrenzten Thema und schreibst dazu eine Seminararbeit,
die durchaus Kern einer späteren Doktorarbeit werden kann. Diese Seminararbeit
stellst du dann im Rahmen des Seminars den anderen Teilnehmern und dem Professor
vor und stellst dich ihren Fragen.
"
Repetitorien" und "Examinatorien" sind die
Alternativ-Angebote der Unis zu den privaten Repetitorien, werden in der Regel
von Professoren veranstaltet und sind vor allem in der Examensvorbereitung
interessant.
Die Abkürzungen
Klassiker sind "
s.t." und "
c.t." - sine und cum tempore. Cum
tempore (c.t.) heißt, dass die Veranstaltung 15 Minuten nach der angegebenen
Zeit beginnt und ist der Normalfall, steht also in der Regel nicht hinter der
Angabe der Uhrzeit. Sine tempore (s.t.) steht als Ausnahme normalerweise dabei,
aber man sollte immer auf die angegebene Dauer achten - Vorlesungen dauern meist
45 oder 90 Minuten, und wenn dort steht "12.00 bis 13.30", beginnt die
Vorlesung s.t. Woher die Tradition stammt? Angeblich wusste der Professor so
früher beim Glockengeläut zur vollen Stunde, dass er loslaufen muss, und dann
dauerte es bis zum Erreichen des Hörsaals eben ein akademisches
Viertelstündchen.
"
SWS": Semesterwochenstunde. 4 SWS heißt, dass eine Vorlesung pro
Woche mit vier Stunden stattfindet. Wenn man 8 SWS an nichtjuristischen
Vorlesungen besuchen muss, dann heißt das z.B. zwei solcher Vorlesungen je ein
Semester lang irgendwann während des Studiums (aber am besten während der
ersten Semester), und
nicht 8 Wochenstunden "Fremdfächer" pro
Semester.
Dass man
Paragraphen in besonderer Kurzform zitieren kann, habt ihr
wahrscheinlich schon gemerkt; man kann dies auch zu einer richtigen Kunst
entwickeln. Im schnellen Mitschreiben (aber NICHT in der Klausur) werden
"§" und "Art." natürlich weggelassen, und "Abs."
kann man auch in der Klausur mit römischen Ziffern ersetzen. Danach trennen
sich die Geister und Schreibweisen; insbesondere bei "Halbsatz" und
"Alternative" wird es kritisch. Die meisten Studenten schreiben etwa:
"812 I 1 1. Alt." Gut lesbar ist das nicht, und konsequent auch nicht,
sagt man doch "Paragraph 812, Absatz 1 Satz 1" - und warum jetzt
"1. Alternative" statt "Alternative 1"? In Kurzform:
"812 I 1 Alt. 1". Sehr penible Korrektoren bemängeln es übrigens,
wenn ein Satz mehr als zwei Varianten enthält, diese aber als "Alt. 1, 2,
3" zitiert werden - Alternativen gibt es nach dem Wortsinn immer nur zwei.
Für Nummerierungen ist eine übliche Abkürzung die Ziffer mit einem Punkt
davor, also z. B. für "Satz 1 Nummer 3 Buchstabe c": 1.3c oder 1.3.c.
Im Zweifel in der Klausur lieber etwas mehr hinschreiben!
Die Prüfung
Nur in extremen Ausnahmefällen bewerten Professoren deine während des Studiums
geschriebenen Klausuren oder Hausarbeiten selbst. Meist tun das sog.
Korrekturassistenten, die per Aushang unter den Leuten mit abgelegtem ersten
Staatsexamen gesucht werden. Diese Korrektoren erhalten für ihre Arbeit wenig
Geld und haben zwar oft die besten Vorsätze, selbst besser zu korrigieren als
sie früher korrigiert wurden - aber nach der zwanzigsten von hundert Klausuren
schwinden solche Vorsätze schon mal. Alle Korrektoren erhalten den Text der
Arbeit und eine Lösungsskizze an die Hand, und ob sie auch Lösungen
anerkennen, die neben der Lösungsskizze liegen, hängt von der (sprachlichen,
logischen und optischen) Darstellung dieser Lösung sowie natürlich ihrer
aktuellen Motivation ab.
Seminararbeiten wurden früher eher großzügig bewertet, als Anerkennung für
das am Thema gezeigte Interesse. Bei Seminararbeiten, die zur
Schwerpunktprüfung zählen, wird der Maßstab wohl etwas strenger werden, aber
das mag auch davon abhängen, wie exotisch der Schwerpunkt ist, den man sich
ausgesucht hat.