Herzlich willkommen auf jurawelt.com

Zur neuen Webseite: jurawelt.com

Zum Forum: forum.jurawelt.com


Wahlstation bei der Studio Hamburg Fernseh Allianz GmbH
Thomas Grave, Rechtsanwalt in Hamburg

Wahlstation bei der Studio Hamburg Fernseh Allianz GmbH


Meine Wahlstation am Ende des Referendariats habe ich bei der Studio Hamburg Fernseh Allianz GmbH (FA), einer Tochterfirma der Studio Hamburg GmbH, absolviert. Studio Hamburg ist eine Holding mit über vierzig Tochterunternehmen und selbst eine hundertprozentige Tochter der NDR Media, also eine Enkeltochter des NDR. Auf dem ziemlich großen Gelände in Hamburg Wandsbek/Jenfeld stehen eine Reihe von Produktionsstudios für Film- und Fernsehfilme, Talkshows etc. Das "Alphateam" wird dort ebenso hergestellt wie "Extra 3", Die "Johannes B. Kerner Show" oder "Beckmann". Die "Sesame Street" erfährt dort die uns bekannte Verwandlung in die "Sesamstrasse". Doch auch jenseits der Produktion von Film- und Fernsehshows oder –filmen gibt es interessante Bereiche. So werden Computerspiele entwickelt und auf CD-ROM vertrieben oder Dienstleistungen im Bereich der Satellitenübertragung übernommen. Grundsätzlich sind unterschiedliche Unternehmen für die jeweils anfallenden Aufgaben zuständig. Die FA allerdings gilt ein bisschen als "Gemischtwarenladen" von Studio Hamburg. Bei der FA werden nämlich unter einem Dach Programme eingekauft und verkauft, Internetinhalte erstellt und Naturfilme (Wildlife) produziert. Schließlich ist eine Abteilung für das wichtige ARD-Video-Label zuständig.

Als alter Westfale (Studium in Münster, Referendariat am LG Bochum) sagte mir die Firma "Studio Hamburg" nicht viel. Ich hatte allerdings am ITM in Münster bei Thomas Hoeren und Bernd Holznagel das viel versprechende (und dieses Versprechen tatsächlich auch einhaltende) Zertifikat in einer Zusatzausbildung zum Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht erworben und wollte dann auch unbedingt etwas im Bereich des (privaten) Medienrechts machen. So kam ich über den NDR (die große Welt des Fernsehens) an Studio Hamburg. Irgendwie landete ich mit meinem doch recht förmlichen Bewerbungsschreiben (in zweifacher Ausfertigung an beide Geschäftsführer) bei der FA. Vorstellungsgespräch mit Mittagessen in der Kantine war natürlich Pflicht. Einen Unterschied zu einer regulären Bewerbung um einen Arbeitsplatz gab es nicht. Es wurde dann auch schnell klar, zweimal im Büro auftauchen und Bescheinigung mitnehmen wird es nicht geben. Ich musste jeden Tag mindestens acht Stunden anwesend sein. Wir konnten uns aber darauf einigen, dass ich ca. zwei Wochen früher gehen dürfe, um für die mündliche Prüfung zu lernen. Das war akzeptabel. Viel interessanter natürlich ist die Vergütungsfrage gewesen. Dabei hatte ich keine Vorstellung, ob die FA überhaupt etwas zahlen würde. Da diese Frage schon beim Vorstellungsgespräch geklärt werden musste, war ich etwas unsicher, wie ich das Thema zur Sprache bringen sollte, ohne mir sogleich eine Absage einzuhandeln. Es ging dann aber doch erstaunlich einfach. Um den Verhandlungsrahmen darzustellen: Den Betrag, den ich nachher monatlich erhielt, hat mein Vorgänger für alle vier Monate zusammen bekommen. Ich will mir damit nicht auf die Schulter klopfen, sondern nur deutlich machen, dass über extrem unterschiedliche Summen verhandelt werden kann. Dies sollte auch so früh wie möglich geübt werden. Immer wieder höre ich den Satz "Ich verhandle nicht so gern". Dies ist aber für jeden Rechtsanwalt unabdingbare Voraussetzung, um einen guten Job zu machen (das gilt natürlich auch für jeden Richter, dann allerdings mit anderer Bedeutung). Übrigens verflog der Stolz auf mein Verhandlungsgeschick recht schnell, als ich erfuhr, dass ein Kollege bei einer Lawfirm (ohne das überhaupt thematisieren zu müssen!) eine erhebliche höhere Summe einstreichen konnte.

Einige Zeit später bekam ich dann schriftlich die Zusage. Ich hatte noch ausreichend Zeit, um den Umzug etc. zu koordinieren, um dann meinen ersten Tag bei der FA anzutreten. Der begann so: Ich stand morgens, noch im Mantel, im Büro des Managing Directors (MD), ein Volljurist. Ich wollte ihn nur kurz begrüßen, da fragte er mich, ob ich der JASRAC in Japan nicht klarmachen könne, dass das BGH Urteil "Videozweitauswertung II" bzw. die dort aufgestellten Grundsätze ja sinngemäß auch für die Lizenzierung von Videogrammen in Japan gelten müssten. Dies müsse dann (natürlich!) die Folge haben, dass das "Synch-Recht" nicht noch einmal zu erwerben sei. Ich habe nicht ein Wort verstanden (was ich natürlich nicht zugab). Ich erwähne diese Geschichte, weil sie typisch für die Tätigkeit bei der FA ist. Es treten plötzlich komplexe Rechtsprobleme mit internationalem Bezug auf, von denen man vorher nicht gehört hat. Die erste Frage, die sich stellt, ist dann aber nicht die nach der richtigen Anspruchsgrundlage bzw. nach dem anzuwendenden Recht. Man überlegt vielmehr, wie man das Problem kaufmännisch am sinnvollsten und am schnellsten aus dem Weg schaffen kann. Letzteres gilt sicherlich für die meisten Betriebe. Der Unterschied ist aber die große Differenz zwischen der Komplexität des Problems und der Simplizität bzw. Simplifizierung der Lösung. Also fast schon schmerzhafter Pragmatismus: Altes Denken über Bord (freilich nur bis zur Mündlichen!) und Flexibilität beweisen, wobei es urplötzlich dann doch wieder auf althergebrachte Juristerei ankommen kann. Dieses Wechselspiel ist doch verwirrend, wenn man mit den Regeln nicht vertraut ist. Nicht das man mich missversteht: Selbstverständlich gibt es einen regelmäßigen und anspruchsvollen juristischen Betrieb, der überwiegend durch eine Rechtsanwältin und in einigen wenigen Fällen durch auswärtige Kanzleien organisiert und geregelt wird. Dieser betrifft im Wesentlichen die Gestaltung von umfangreichen (Co-)Produktions- und Lizenzverträgen, das Inkasso, die Vorbereitung und Durchführung von Rechtsstreitigkeiten im In- und Ausland. Ich war aber nicht diesem Bereich zugeordnet, sondern fand mich – in einem eigenen Büro! – im Vertrieb wieder. Vertrieb bedeutet Verkauf von Programmen: das Lizenzgeschäft. Der Vertrieb wiederum unterteilt sich in verschiedene Sparten (z. B. Kinderprogramme, Wildlife/Naturdokumentationen, Musik etc.). Ich war in der Sparte Musik tätig. Die FA ist Vertriebspartner diverser öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, so auch von Radio Bremen und dem WDR. Damit bietet die FA u. a. sämtliche Titel des legendären Beatclubs und des Musikladens sowie die Rockpalast-Konzerte weltweit zur Lizenzierung und Kauf an. Weltweit heißt: Englisch schreiben und sprechen, früh ins Büro kommen (um mit Japanern telefonieren zu können. Übrigens sehr amüsant, wenn diese das Wort "Synchronizationright" aussprechen müssen.) und lange im Büro bleiben (um mit Amerikanern zu sprechen). Überhaupt ergaben sich relativ intensive Arbeitszeiten, die durch langes Aktenstudium sowie lesen und verstehen englischsprachiger Verträge bedingt waren. Mir erschien das zwar nicht zwingend notwendig, will sagen, man hätte bestimmt auch eine relativ "ruhige Kugel schieben" können. Dann bleibt man jedoch außen vor und versteht kaum etwas von dem, was da vor sich geht. Interessanterweise nehmen sämtliche Mitarbeiter an, man wäre der absolute Experte, was Urheberrecht bzw. Film- und Musikrecht angeht. Wie selbstverständlich werden Fragen gestellt und mit großen Augen einfache und vor allem prompte Antworten erwartet. Das beschleunigt zwar jedes Mal den Puls ganz gehörig (schon im ersten Examen wusste man: niemals zugeben, wenn man etwas nicht weiß), trainiert aber wunderbar für die mündliche Prüfung im zweiten Examen. Ich nachhinein bestätigt sich wieder mal: wer sich auf seinen gesunden Menschenverstand verlässt, liegt meist richtig. Wieso man überhaupt Jura studiert hat, ist mir - ex post gesehen - ein kleines Rätsel.

Nun endlich zu meiner Kerntätigkeit. Wie bereits angesprochen, befand ich mich im Herzen des internationalen Musikvertriebs. Das bedeutet, dass zuvor geklärte Rechte an Sublizenznehmer abgegeben werden. Ohne jetzt ein Seminar zum Lizenzgeschäft halten zu wollen, kurz zum Verständnis: Der Lizenzhändler (FA) sammelt einen Bündel Rechte (Rechte an der Produktion ("Bildrechte"), Rechte der auftretenden Künstler, ggf. Mitabeiterrechte des Produzenten, teilweise auch Tonträgerherstellungsrechte etc. und gibt diese dann an Dritte für bestimmte Zwecke (TV, DVD etc.), für einen bestimmten Zeitraum sowie für ein bestimmtes Gebiet weiter (streng genommen werden nur Nutzungsrechte eingeräumt). Für einige Produktionen lagen die Rechte der Künstler noch nicht vor. Meine Aufgabe war es nun, diese zu klären, also entsprechende Nutzungsrechte zu erwerben. Man muss sich klarmachen, dass es um hunderte Konzerte und tausende Clips geht. Deshalb wird nicht wahllos drauflos geklärt, sondern es besteht entweder eine konkrete Anfrage eines Kunden oder man schaut sich besonders attraktive Auftritte an, um diese – nach Klärung – auf Messen etc. zum Verkauf anbieten zu können. Weiß man nun, welche Rechte man grundsätzlich. zu klären hat, gehen die Schwierigkeiten erst los. Zunächst muss herausgefunden werden, wer Rechteinhaber ist. Geht es um die Künstlerrechte, dann wendet man sich an den Künstler. Es sei denn, er hat einen Vertrag bei einem Tonträgerhersteller ("Plattenlabel") unterzeichnet, der diesem sämtliche Rechte einräumt. Zuerst sollte also recherchiert werden, wer der Manager des Künstlers ist, um mit diesem alles weitere zu verhandeln. Dies erfordert eine extreme Hartnäckigkeit. Denn hat man endlich (nach mitunter tagelangen Nachforschungen bei Plattenlabeln oder im Internet und Branchenbüchern) den richtigen Agenten ausgemacht, muss man diesen erstmal für seine Anfrage interessieren. Das ist bei Gruppen wie den Red Hot Chili Peppers, Garbage, Moby oder Lenny Kravitz nicht besonders leicht. Kommt es endlich zu ernsthaften Verhandlungen (natürlich auf Englisch, was für mich anfangs enorm schwierig war; ich hätte an der Uni doch einen entsprechenden Kurs belegen sollen), stellt sich schnell heraus, dass die Vorstellungen der Manager von der Beteiligung und Vorauszahlungen ("Advances") relativ stark vom unterbreiteten Angebot abweichen. Erschwerend kommt hinzu, dass von der Geschäftsleitung schnelle und kostengünstige Klärung erwartet wird, was den Druck doch merklich erhöht. Diese Kerntätigkeit erfordert neben Recherche und Verhandlung eine gute Organisation und Administration, also die Bedienung und Pflege von Datenbanken und Aktenbeständen. Außerdem sollte man einige technische Grundbegriffe kennen (wenn es um Materialkosten geht, muss klar sein, dass eine DigiBeta erheblich teurer als eine VHS ist. Auch sollte man Amerikanern prinzipiell das Ansichtsband als NTSC und nicht im PAL Format schicken). Über diese Kerntätigkeit hinaus bekam ich Gelegenheit, in ganz andere Bereiche von Studio Hamburg Einblick zu bekommen. So konnte ich an einer Besprechung zur Ausarbeitung einer Vermarktungsstrategie von Filminhalten an Tankstellen teilnehmen oder den Justitiar der Holding zu einer mündlichen Verhandlung begleiten, bei der es um die angebliche Verletzung durch die FA an Rechten einer ziemlich bekannten Musikgruppe ging (Ich hätte zwar gerne um Autogramme gebeten; das kam mir aber dann doch irgendwie nicht richtig vor). Die besondere Hervorhebung des Rechtstreits zeigt aber schon: mit gerichtlichen Verfahren hat man sehr wenig zu tun. Es gilt die Devise: lieber einen (außergerichtlichen) Vergleich als ungünstige Rechtsprechung. Das gilt nicht nur, wenn die FA in Anspruch genommen wird, sondern auch dann, wenn die FA eine Verletzung ihrer Rechte unterstellt. Besser man verhandelt mit einem Unternehmen in Japan über die Zahlung einer bestimmte Summe, als sich auf einen ungewissen und teuren Rechtsstreit in Fernost einzulassen. Es gab weitaus mehr Gelegenheiten, sich über den Tellerrand der FA bei Studio Hamburg umzusehen. Dies schien mir aber aufgrund des mir von der FA gezahlten Entgelts als unangemessen; zudem hatte ich mit der Rechteklärung genug zu tun.

Abschließend ein paar allgemeine Bemerkungen. Als Rechtsreferendar wird man ausgesprochen freundlich und relativ schnell als Mitglied des Teams behandelt. Ich hatte allerdings schon den Eindruck, dass die Mitarbeiter erst einmal das Auftreten und Engagement abwarten. Das unter Juristen leider nicht seltene arrogante Benehmen gegenüber Nichtjuristen war dort schon bekannt und sollte man sich gleich schenken, zumal man als Rechtsreferendar noch ein ziemlicher Niemand ist, es also doppelt lächerlich wirkt. Auffallend ist bei der FA eine seltsame Symbiose aus teilweise etwas bürokratisch anmutender Organisation und flexiblem kaufmännischen Verhalten. Ein Anzug wird nicht erwartet, ohne Probleme können Turnschuhe getragen werden. Trotzdem sollte man professionell und zurückhaltend auftreten, sobald es "ums Geschäft" geht. Ich hatte eine wunderbare Zeit bei der FA und bin dort nicht umsonst noch zeitweise – jetzt allerdings als Rechtsanwalt - tätig. Außerdem verdanke ich "dem Laden" die Idee zu meiner Promotion: Die Zweitverwertung musikalischer Auftritte in den USA und England.

Kontakt-Daten:

Studio Hamburg GmbH
Jenfelder Allee 80
22039 Hamburg
Telefon: 040/6688 0
Fax: 040/6688 1133

http://www.studio-hamburg.de
http://www.fernsehallianz.de

Impressum | Datenschutz