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Wahlstation in Mexiko-Stadt
RRef. Florian Woertz, Heilbronn

Erfahrungsbericht einer Wahlstation in der Kanzlei von Wobeser y Sierra, S.C. in Mexiko-Stadt
Dezember 2003 bis März 2004


Nach früheren Aufenthalten in Mexiko reizte es mich, meine Wahlstation in dieser so facettenreichen Metropole zu verbringen.

Die Kanzlei

Von Wobeser y Sierra (http://www.vonwobeserysierra.com) ist mit insgesamt über 100 Angestellten eine der größten Kanzleien in Mexiko. Neben 50 Anwälten und einer großen Buchhaltungsabteilung sind auch für deutsche Kanzleiverhältnisse recht exotische Berufsgruppen wie Kellner oder Chauffeure angestellt. Die Kanzlei belegt die vier oberen Stockwerke eines Hochhauses im modernen Stadtteil Santa Fé am südwestlichen Stadtrand von Mexiko-Stadt gelegen. Santa Fé mutet mit all seinen Wolkenkratzern fast etwas futuristisch an. Nachdem dieses Gebiet zunächst als Steingrube ausgebeutet wurde, nutzte man es als eine Müllhalde. Als jedoch die Stadt stetig wuchs und sich in allmählich in die entlegenen Außenbezirke ausweitete, begann man hier mit dem Bau eines modernen Büro- und Geschäftszentrums. Heute erinnert in Santa Fé wenig an eine Steingrube und schon gar nichts an eine Müllhalde. Der Stadtteil ist noch so neu, dass er mit öffentlichen Verkehrsmitteln kaum erschlossen wurde. Die Endstation der nächstgelegenen Metrolinie ist einige Kilometer entfernt, und die Anfahrt mit den kleinen Microbussen ist umständlich und dauert lang. Für diejenigen Angestellten, die nicht motorisiert sind, bietet die Kanzlei daher einen Shuttle-Service zur Metrostation Auditorio Nacional an.

Zu den Mandanten der Kanzlei gehören fast ausschließlich deutsche oder amerikanische Unternehmen, die Niederlassungen in Mexiko gründen wollen. Die Kanzlei ist daher sehr international ausgerichtet. Über die Aktivitäten des Kanzleipatrons in der Deutsch-Mexikanischen Juristenvereinigung brachte ich schließlich die Adresse in Erfahrung und bewarb mich für die Wahlstation. Man sollte sich am besten mit etwas Vorlaufzeit (Dreivierteljahr vorher) bewerben; Lebenslauf mit Passfoto und aussagekräftigem Anschreiben reichen aus. Das Visum für Mexiko beantragt man direkt bei der Ankunft bei den Immigrationsbehörden im Flughafen von Mexiko-Stadt. Unbedingt beachtet werden sollte ein ausreichender Versicherungsschutz im Ausland. In der Kanzlei herrscht außerdem ein Kleidungscode: Anzug und Krawatte werden auch von den Referendaren erwartet (Anzüge kann man übrigens in Mexiko – auch in guter Qualität – zu sagenhaft günstigen Preisen erwerben). Ansonsten ist der Umgang in der Kanzlei jedoch sehr locker und angenehm, das Duzen ist auch mit den Partnern der Kanzlei üblich.

Ablauf

In der Kanzlei bekommt man einen eigenen Arbeitsplatz mit Computer und Internetanschluss zugewiesen. Ich habe vor allem mit dem aus Österreich stammenden Anwalt Rupert Hüttler zusammengearbeitet. Es fielen dabei hauptsächlich deutschstämmige Mandate aus unterschiedlichsten Rechtsgebieten an. Zu den Tätigkeiten gehörten das Anfertigen von Memos oder Kurzgutachten, Übersetzungen von Schriftsätzen und Verträgen vom Spanischen ins Deutsche, Anwälte zu Ortsterminen (Gericht, Behörden) zu begleiten, sowie die Beantwortungen von Anfragen von den mexikanischen Anwälten über deutsches Recht. Die täglich Arbeitszeit ist zwischen 9 und 18/19 Uhr mit einer Mittagspause zwischen 14 und 16 Uhr. Jeden Montagmorgen um 8 Uhr findet eine Versammlung aller Anwälte statt, in der über die anstehenden Mandate und Aufgaben in der Woche beraten wird. Jeden ersten Freitag im Monat gibt es ferner ein gemütliches gemeinsames Mittagessen der Anwälte.

Die Atmosphäre unter den Anwälten und der Belegschaft ist angenehm und kollegial. Besonders kollegial fand ich ein kleines finanzielles Zubrot, das mir die Kanzlei zahlte. Fast alle Anwälte sind Mexikaner, einige von ihnen sprechen auch deutsch und alle fließend Englisch. Zumindest ausreichende Spanischkenntnisse sind jedoch von Vorteil, da ein Großteil der Korrespondenz auch in Spanisch geführt wird. Daneben sind auch Englischkenntnisse nicht schädlich.

Die Stadt

Die Wurzeln der Stadt reichen weit in die präkolumbische Zeit hinein: auf dem Gebiet des heutigen Mexiko-Stadt befand sich die um 1345 auf einer Insel im Texcoco-See errichtete Aztekenhauptstadt Tenochtitlán. 1521 erobert Hernan Cortés die Stadt, lässt sie zerstören und die Steine für die eigenen spanischen Bauten verwenden.

Heute ist Mexiko-Stadt eine architektonische Mischung: Kolonialgebäude, Überreste aztekischer Bauten, Barock, Jugendstil und moderne Wolkenkratzer. Sie ist eine riesige, hektische und vielgestaltige Metropole. Mit über 20 Millionen Bewohnern ist sie die bevölkerungsreichste Stadt der Welt und Handels- und Verwaltungszentrum Mexikos.

Alltägliches

Bei der Größe der Stadt und der möglichen Entfernung zur Kanzlei ist die Auswahl der Unterkunft nicht unwichtig. Empfehlenswert sind die Stadtteile Polanco, Chapultepec, Condesa oder Roma. Der Vorteil hierbei ist, dass man es auch nicht weit ins Zentrum und zu gemütlichen Kneipen hat. Viele Anwälte wohnen im Süden der Stadt. Die Kanzlei ist bei der Suche nach einer Bleibe behilflich und schickt einem Adressen von Vermietern. Ansonsten kann man es auch an Aushängen an den verschiedenen Universitäten versuchen. Im Hinblick auf Kriminalität stellen einige Viertel soziale Brennpunkte dar. Man sollte daher tunlichst darauf achten, in welchen Stadtteil man zieht. Für ein kleines Appartment kann man mit einer monatlichen Miete um 2.500 Pesos rechnen. Sollte man vom teilweise recht wilden Fahrstil, der hektischen Rush-hour und dem Straßen-Labyrinth nicht abgeschreckt sein, kann man sich für ca. 20.000 Pesos etwa einen gebrauchten Käfer (die übrigens noch bis vor kurzem in Mexiko produziert wurden) kaufen. Der deutsche Führerschein gilt auch in Mexiko. Für geringes Geld kann man sich in Deutschland aber auch einen internationalen Führerschein besorgen. Ansonsten bewegt man sich in Mexiko-Stadt recht einfach mit der Metro oder den Microbussen. Taxis kosten nicht viel Geld, manche Taxifahrer wollen einen jedoch über den Tisch ziehen, wenn sie eine Unerfahrenheit des Ausländers mit Land und Leuten bemerken.

In Mexiko-Stadt gibt es unzählige Straßenstände mit allerlei kulinarischen Spezialitäten. Hier sollte man jedoch genau auf die hygienischen Zustände achten. Es gibt außerdem viele Restaurants aus allen möglichen Ländern und einfache Essensbuden. Die langen Ladenöffnungszeiten erleichtern einem den Einkauf von alltäglichen Lebensmitteln.

In Santa Fé bei der Arbeit zu Mittag zu essen ist jedoch leider ein kleines Problem, da relativ teuer bei manchmal auch noch schlechtem Service. Das nahegelegene Einkaufszentren mit zahlreichen Fast-Food-Ketten ist auch keine tolle Alternative. Das Büffet im Centro Alemán hat das beste Preis-Leistungs-Verhältnis aller Essensmöglichkeiten.

Mit einer Kreditkarte von Visa oder American Express kann man ohne Probleme bezahlen oder Geld abheben. Andere Kreditkarten, wie zum Beispiel Mastercard, sind in Mexiko nicht besonders üblich.

Freizeit

Mexiko-Stadt bietet vielfältige Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Es gibt unzählige Museen, Parks und Veranstaltungen. Egal ob Kultur, Musik oder Sport (v.a. Fußball), hier gibt es für jeden Geschmack reichlich Angebote. Ein beliebtes Vergnügungsviertel ist insbesondere die Zona Rosa (die Farbe bezieht sich übrigens nicht auf die sexuelle Orientierung). Beim nächtlichen Ausflug durch Kneipen, Salsa-Bars oder Clubs sollte man jedoch bedenken, dass es in Mexiko-Stadt ein Problem hinsichtlich der Kriminalität gibt. Ein gewisses Maß an Sorgfalt sollte man daher auch im angetrunkenen Zustand nicht außer Acht lassen.

Für einen geruhsamen Sonntagsausflug bietet sich vor allem der südliche Stadtteil Xochimilco an. Dort kann man sich mit Stak-Booten durch Kanäle fahren lassen.

Sollte man in seiner Freizeitgestaltung nicht nur Lust auf die mexikanische Kultur verspüren, sondern das Bedürfnis nach Vertautem haben, ist dies in Mexiko-Stadt auch kein Problem. Es gibt zahlreiche Angebote der deutschsprachigen Gemeinde: einen Ruderverein in Xochimilco volkeradam@terra.com.mx oder oplettner@hotmail.com) sowie Stammtische im German Centre oder im Hexencafé (Calle Jalapa 104, Colonia Roma, México D.F.; Nähe Metrostation Insurgentes), eine deutschsprachige katholische (http://www.sankt-thomus-morus.org) und evangelische Kirche (Botticelli 74, Colonia Mixcoac, México D.F.) sowie eine deutsche Buchhandlung an der Universität UNAM (Kontakt: copilco@libinter.com.mx).

Reisen

Mexiko hat auf ca. 2.000.000 qkm Fläche mit verschiedenen Klimazonen und großen Indígena-Kulturen (Azteken, Mayas) eine ganze Reihe an Sehenswürdigkeiten zu bieten. Es empfiehlt sich daher einen Reiseführer (z.B. Dorling/Kindersley Mexiko Vis-à-vis) mitzunehmen. Beliebte Reiseziele in der unmittelbaren Umgebung von Mexiko-Stadt sind vor allem Teotihuacán, Tepoztlán, Taxco, Tula oder Cuernavaca. Lohnenswerte Ziele in etwas weiterer Umgebung sind aber auch die Küste (Acapulco, Veracruz), der Bundesstaat Michoacán oder das koloniale Universitätsstädtchen Guanajuato. Beliebte Tourismusgegenden, für die man etwas mehr Reisezeit einplanen sollte, sind die Pyramiden- und Strandtouren auf der Halbinsel Yucatán, die herrliche Landschaft des Bundesstaats Chiapas oder die antiken Ruinen in der Umgebung von Oaxaca. Durch die Kupfer-Schlucht (Barranca del Cobre) im Norden des Landes kann man eine spektakuläre Eisenbahnfahrt durch die Sierra Madre Occidental unternehmen.

Übliches Reisemittel ist der Bus. Bei weiteren Strecken empfiehlt sich auf Grund der Fahrtdauer das Flugzeug (inländische Fluggesellschaften sind Aero Mexico und Mexicana). In Mexiko gibt es ferner zahlreiche Mietwagenverleiher wie etwa Hertz, Avis und Europcar.

Fazit

Aufgrund des netten Umgangs und der interessanten Arbeit in der Kanzlei kann einem die Wahlstation bei von Wobeser y Sierra ohne jegliche Vorbehalte empfohlen werden. Das Land Mexiko und Mexiko-Stadt bieten einem außerdem ein attraktives Reiseziel, das einem eine erlebnisreiche Wahlstation garantiert.

Informationen, Adressen

Literatur
  • Herbert J.Becher: Wörterbuch der spanischen Rechts- und Wirtschaftssprache, 2 Bände; C.H. Beck-Verlag 1999 (zwar teuer, aber trotzdem sehr empfehlenswert!)
  • Gerhard Köbler: Rechtsspanisch (etwas dünnes Wörterbuch, hilft einem oftmals nicht weiter); Verlag Vahlen 1997
  • Ulrich Daum / María José Blanco Ledesma: Einführung in die spanische Rechtssprache; C.H. Beck-Verlag 1998
  • Octavio Paz: Das Labyrinth der Einsamkeit (analysiert den Komplex verschiedener Kulturen in Lateinamerikas); Essay
  • Carlos Fuentes: Die gläserne Grenze (beschreibt den tiefgreifenden Unterschied zwischen USA und Mexiko); Roman
  • Deutsche Literatur über mexikanisches Recht selbst gibt es nicht; das mexikanische Recht stammt vom französischen Recht ab, sodass einem Werke wie Adomeit/Frübeck "Einführung in das spanische Recht" für Mexico nichts bringen würden

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