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Von Januar bis März leistete ich mein Pflichtwahlpraktikum bei John R., Barrister at law in Melbourne in Australien ab.
John R. ist seit mehreren Jahren als Barrister tätig und hat sein Büro im Geschäftsviertel von Melbourne. Die meisten Gerichte sind in fünf Minuten zu Fuß erreichbar, da sie sich um die Ecke in der William St. befinden. John belegt eines von mehreren Zimmern, chambers genannt, welche von einem clerk verwaltet werden. Dieser nimmt die Fälle entgegen und verteilt sie je nach Rechtsgebiet an die einzelnen Barrister. Diese teilen sich sonstige Büroeinrichtung und Schreibhilfen. Aber jeder arbeitet für sich allein.
Meine Arbeit war dadurch gekennzeichnet, dass ich neben meiner Ausbildung, dem Studium von Akten und Recherchen und Schreibtätigkeit sehr häufig (vier Mal) John zu Gericht begleiten konnte, denn die Hauptarbeit eines Barristers ist das Auftreten vor Gericht. Ich hatte aber auch die Gelegenheit, mich mit Mandanten zu unterhalten oder Angebote von Kollegen zum Lunch anzunehmen. Die Australier sind sehr offen und gastfreundlich und des öfteren zieht sich ein Lunch bis in den Nachmittag. Ein paar Mal habe ich ihn auch zum Magistrates´ Court in Bairnsdale begleitet. Dieses liegt vier Autostunden westlich von Melbourne auf dem Land und Verhandlungen vor dem Richter sind ein Erlebnis.
Außerdem hatte ich die Gelegenheit, bei einem Ortstermin anwesend zu sein. Stadtplaner, Architekt und Anwalt waren zugegen, um für ein Bauvorhaben eine Baugenehmigung zu erlangen. Dabei wurden die Unterschiede zum deutschen Baurecht besonders deutlich: Das einzige Ziel war es, sich darauf zu verständigen, wie man den entscheidenden Richter in der Verhandlung überzeugen könne. (Es handelte sich um eine Versagung, gegen welche geklagt wurde.)
Mein Verhältnis zu John war auch sehr persönlicher Natur. Ich konnte am Anfang sogar bei ihm wohnen, d.h. ich wurde in der Familie – eine Frau und zwei Kinder - aufgenommen. Er verkörpert den australischen way of life, eine Lockerheit, welche meines Erachtens nicht nur an seinem noch jungen Alter von 39 Jahren lag.
Ich hatte auch Zeit ein paar Tage (drei Wochen) in sein Ferienhaus am Meer zu fahren, welches sich in einem kleinen Ort vier Autostunden außerhalb von Melbourne befindet. Es liegt am größten Seenkomplex Australiens, welcher unweit einen künstlichen Eingang ins Meer hat. Dort gibt es nur ein au-stralisches Hotel (Pub), welches er letztes Jahr gekauft hat und ihn mehr und mehr in Anspruch nimmt, weswegen er seine Tätigkeit als Anwalt mehr und mehr aufgeben wird. Zur Zeit ist er nur noch ein bis zwei Mal in der Woche in seiner Kanzlei, sonst kümmert er sich vorwiegend um sein Hotel, aus diesem Grund fährt er auch oft dorthin.
Es war ein tolles Erlebnis und neben meiner beruflichen Erfahrung habe ich auch persönlich eine Freundlichkeit gegenüber einem Quasifremden, wie ich es war, erlebt, wie man es sich besser nicht wünschen kann. Ich habe sogar auf den zahlreichen Ausflügen auf den See Garnelen gefangen und gegessen, ein Ausflug mit einem Fischer zum Haiangeln ist leider aus Zeitgründen gescheitert.
Abschließend möchte ich zu Bedenken geben, dass dies nichts für fleißige Bürohengste ist, das Land ist so weit entfernt und aufregend, dass man diese Eindrücke nur sammeln kann, wenn man nicht jeden Tag arbeiten will. Außerdem sollte man sich doch mehrere Tage Zeit nehmen in Australien zu reisen, was sogar mit dem Flugzeug viel billiger als bei uns ist.
Thimo Sölzer
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