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Wahlstation in Toronto, Kanada
12.09.2006

Kanada: Ein Gefühl von Heimat in der Fremde - Verwaltungsstation beim deutschen Generalkonsulat in Toronto, Ontario

Die Wyandot-Indianer nannten den Ort Tarantua , was soviel bedeutet wie Treffpunkt oder Sammelplatz, an dem sie Zusammenkünfte abhielten. Auch heute noch charakterisiert diese Übersetzung Torontos Charakter knapp und zutreffend. Man trifft hier auf über 100 verschiedene ethnische Gruppen, die Toronto zu einer der multikulturellsten Städte weltweit machen.
Mit ca. 5,2 Millionen Einwohnern ist es zwar die größte Stadt Kanadas (wenn auch nicht die Hauptstadt). Dennoch besticht es durch seine Sauberkeit und Sicherheit, was Sir Peter Ustinov einmal zu der Aussage führte Toronto sei "ein New York wie von Schweizern geführt".
Das Stadtbild entspricht wohl weitgehend der gängigen Vorstellung einer nordamerikanischen Großstadt. Ein Stadtzentrum im klassischen Sinne existiert in Toronto nicht, sondern es gibt es zahlreiche Stadtviertel, die sich durch ihre individuelle, von ihren jeweiligen Einwanderern geprägte, Atmosphäre auszeichnen (Greektown, Little Italy, Chinatown).

Das deutsche Generalkonsulat in Toronto
Die Räumlichkeiten des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland sind auf einer der geschäftigsten Straßen Torontos gelegen - der Bloor Street. Neben zahlreichen Firmengebäuden, finden sich hier in unmittelbarer Nachbarschaft auf der Yonge Street (der angeblich längsten Straße der Welt) viele nette Restaurants und gute Shoppingmöglichkeiten.
Das Konsulat hat ca. 20 Mitarbeiter. Die Arbeit beginnt montags bis freitags um 8.00 Uhr und endet von Montag bis Donnerstag um 17.00 Uhr. Freitags wird bis 15.30 Uhr gearbeitet. Die ansonsten 45-minütige Mittagspause ist dann auf 30 Minuten verkürzt. Jeden Montag findet um 8.15 Uhr die so genannte "Morgenrunde" aller Mitarbeiter statt, in der aktuelle Themen besprochen werden.

Die Arbeit als Rechtsreferendarin im Generalkonsulat
Das Generalkonsulat ist in verschiedene Referate unterteilt. Der Schwerpunkt meiner Tätigkeit als Rechtsreferendarin lag im Bereich des Rechts- und Konsularwesens (RK). In erster Linie widmete ich mich dem konsularischen Beurkundungswesen und bereitete vorrangig die Beurkundung von Erbscheinsanträgen vor (ein IPR-Skript ist nach meiner Auffassung dabei eine gute Hilfe und sollte möglichst schon vor Antritt der Station einmal durchgelesen werden).
Das Arbeitsaufkommen ist dabei im Generalkonsulat Toronto recht hoch, was an der großen Zahl deutscher Einwanderer in Ontario liegt. So sind beispielsweise rund 80% der Einwohner des ca. 100 km entfernten Ortes Kitchener deutscher Herkunft. Stolz wird dort die (bisweilen etwas altertümlich anmutende) deutsche Kultur aufrecht erhalten. Es gibt einen Christkindl-Markt, das angeblich größte Oktoberfest außerhalb Deutschlands und zahlreiche deutsche Kultur- und Heimatvereine. Nie hätte ich gedacht, dass mich in der kanadischen Ferne so heimatliche Gefühle beschleichen könnten...
Aufgrund der deutschen Wurzeln entstehen natürlich auch diverse rechtliche Schnittstellen zu Deutschland - beispielsweise beim Anfall einer Erbschaft.
Neben der Vorbereitung von Erbscheinsanträgen beschäftigte ich mich auch mit namensrechtlichen Fragestellungen, der Beurkundung einer nachträglichen Änderung eines Kaufvertrages und bearbeitete diverse Rechts- und Amtshilfeersuchen in Zivil- und Sozialgerichtssachen. Dazu gehörte u.a. die Vorbereitung einer Anhörung des Antragsgegners in einer Scheidungssache, einer Zeugenvernehmung oder eines Zustellungsgesuchs. Vereinzelt kam ich mit Fragen der Aufenthaltsermittlung in Berührung. Außerdem beantwortete ich verschiedene Anfragen zum deutschen oder kanadischen Recht, meistens ging es um erbrechtliche Sachverhalte, ich hatte aber auch mit allgemeinen Anfragen zur deutschen Rechtslage wie z.B. zum Thema Kampfhunde-VO oder den arbeitsrechtlichen Bestimmungen zum Mutterschutz zu tun.
Da Fragen zum kanadischen Recht eigentlich nicht zum Aufgabenbereich des deutschen Generalkonsulats gehören, habe ich entsprechende Auskünfte, wenn überhaupt, nur unter dem Vorbehalt gegeben, dass sie weder einen Anspruch auf Richtigkeit, noch auf Vollständigkeit erheben. Schließlich habe ich diverse Berichte für das Auswärtige Amt zu politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen, die in Bezug zur Stadt Toronto stehen, verfasst.
Die Kollegen im Konsulat waren ausnahmslos sehr nett und halfen mir während der gesamten vier Monate geduldig bei all meinen Fragen weiter. Aufgrund der angenehmen Arbeitsatmosphäre, fühlte ich mich so vom ersten Tag an gut aufgenommen und voll integriert.
Zur Mittagspause (ab 12.30 Uhr) kann man in unmittelbarer Nähe in eines der Restaurants gehen, in denen es recht günstige Lunch-Menüs gibt; ich selbst war meistens im "Food-Court", einer Art großen Cafeteria, die verschiedene schnelle Gerichte anbietet (z.B. Sushi, Pasta, Bagels). Im Konsulat gibt es auch eine Mikrowelle, so dass man sich etwas von zu Hause mitbringen kann.

Ausstattung des Arbeitsplatzes
Als Referendarin habe ich über ein eigenes Büro und einen eigenen PC, der mit dienstlicher E-mail Adresse ausgerüstet ist, verfügt. Zwar hatte ich von meinem Arbeitsplatz selbst keinen Zugriff auf das Internet, aber ein entsprechend ausgestatteter Rechner stand - zugänglich für alle Mitarbeiter - jederzeit zur Verfügung. Dafür hat man aber die Möglichkeit vom eigenen PC das Intranet des Auswärtigen Amtes zu nutzen, welches neben zahlreichen Onlinezeitschriften mit den juristischen Datenbanken beck-online und juris hervorragende Möglichkeiten zur juristischen Recherche bietet.
Im Konsulat sind diverse Kommentare, etwa zum Staatsangehörigkeitsrecht, zum Erbrecht und Internationalen Ehe- und Kindschaftsrecht und auch der Palandt vorhanden. Die Literatur ist zum Großteil aber eher älteren Datums, so dass man gut beraten ist, die erwähnten Onlinedienste zu benutzen. Zwar habe ich meinen eigenen Sartorius und Schönfelder mit nach Kanada gebracht, darauf kann man aber getrost verzichten, da die entsprechenden Gesetzestexte im Konsulat in (nahezu) aktueller Fassung vorhanden sind. Ansonsten kann man auf die Online-Datenbanken zurückgreifen.

Unterkunft in Toronto
Die Wohnungssuche in Toronto erwies sich als unproblematisch. Über das Konsulat (mail@germanconsulatetoronto.ca) oder die deutsch-kanadische Außenhandelskammer (info.toronto@germanchamber.ca) erhält man eine umfangreiche Liste mit Unterkünften. Dabei variieren die Angebote zwischen Single-Apartments, WGs oder Zimmern zur Untermiete. Preislich liegen die günstigsten Unterkünfte bei ca. 400,00 CAD im Monat.
Man sollte bei der Auswahl unbedingt auf eine günstige Anbindung an das öffentliche Verkehrssystem (TTC) achten. Ich habe in unmittelbarer Nähe einer Subway-Station gewohnt und war daher nicht auf Streetcars oder Busse angewiesen, was meine Mobilität in Toronto, insbesondere auch im Hinblick auf abendliche Aktivitäten, sehr erhöht hat. Mein sehr gut ausgestattetes Zimmer lag in einem Stadthaus in netter Wohngegend; das Badezimmer habe ich mir mit einer Mitbewohnerin geteilt. Ansonsten konnten wir den Rest des Hauses meiner Vermieterin (Küche, Wohnzimmer, Waschmaschine, etc.) mitbenutzen. Besuch aus Deutschland war kein Problem. Von Tür zu Tür war ich bis zum Konsulat ca. 20 Minuten unterwegs.

Sehenswürdigkeiten und Freizeitaktivitäten in Toronto
Ein absolutes "Muss" sind die bereits erwähnte Yonge Street mit ihren endlosen Geschäften und Restaurants, der 553 m hohe CN Tower (das Wahrzeichen Torontos), das Royal Ontario Museum und die Toronto Islands.
Im Hinblick auf abendliche Aktivitäten ist die Auswahl an Kneipen, Bars und Restaurants in Toronto enorm. Viele Pubs bieten, v.a. am Wochenende, Live-Musik und Konzerte. Neben den großen Kinokomplexen wie z.B. Silvercity, Paramount, etc. gibt es auch viele kleine (Independent-) Kinos (z.B. Carlton und Fairview), die günstiger sind und auch Filme abseits des Mainstreams zeigen. Dienstags ist "discount movie day", je nach Kino kann man hier bis zu 50% pro Ticket sparen. Interessant für alle unter 29-Jährigen ist auch das Programm der Roy Thomson Hall. Mit der sog. "Tsoundcheck" - Karte und der entsprechenden Mitglieds-Nr. kann man nach vorheriger Anmeldung per Internet nahezu alle Konzerte zum Preis von 10,00 CAD besuchen. Angesichts der qualitativ hochwertigen Veranstaltungen (Klassik, Musical) und der hervorragenden Akustik der frisch renovierten Roy Thomson Hall, ist das ein unschlagbares Preis-Leistungsverhältnis. Für Klassik-Fans ein absolutes Muss!
Über aktuelle Veranstaltungen, Ausstellungen und Konzerte kann man sich neben den kostenlosen und überall erhältlichen Broschüren auch per Internet unter www.toronto.com auf dem Laufenden halten.
Typisch nordamerikanisch und auf jeden Fall eine Erfahrung wert, ist der Besuch eines Football-, Basketball- oder Eishockeyspiels. Wer Lust und Ausdauer zum shoppen hat, sollte das Eaton Center (zentral gelegen an der U-Bahn Dundas und Queen) oder das Yorkdale Center besuchen. In diesen riesigen Malls kann man locker einen ganzen Tag verbringen.
Um Kontakt zu anderen Referendaren oder Praktikanten zu bekommen, empfehle ich die deutsch-kanadische Außenhandelskammer anzuschreiben (E-Mail Adresse s.o.).

Ausflüge von Toronto aus
Als Ausflugsziel sind die Niagarafälle zu empfehlen. Für Outdoorfreunde ist (am besten im Sommer und Herbst) der Algonquin Park sehenswert, der ca. 300 km nördlich von Toronto entfernt liegt und der größte und bekannteste Park Ontarios ist.
Auch Québec City und Montréal sind per Auto, Zug, Greyhound (jeweils ca. 7-10 Stunden Fahrzeit) oder Flugzeug von Toronto gut erreichbar. Mit den kanadischen "Billigfliegern" Westjet, Jetwing oder Jetsgo, aber auch mit den "Tango"-Tarifen von Air Canada kann man Flüge innerhalb Kanadas und in die USA zu sehr günstigen Preisen buchen (z.B. hat mein Flug von Toronto nach New York über Weihnachten knapp 200,00 CAD gekostet).

Sonstige Tipps
Ein deutsches Handy kann auch in Kanada genutzt werden, vorausgesetzt es handelt sich um ein Triband Handy. Eine kanadische Prepaid-Karte kostet etwa 25,00 CAD (plus Tax) und wird z.B. von FIDO oder Rogers angeboten. Aufladevouchers sind nahezu überall erhältlich, je nachdem wie viel man investiert, variieren die Minutenpreise zwischen 15 und 40 Cent. Etwas gewöhnungsbedürftig ist, dass man sowohl eingehende, als auch ausgehende Gespräche bezahlt (sog. Airtime). Man sollte unbedingt beachten, dass man die Gültigkeitsdauer des Guthabens nicht überschreitet (in der Regel 30 Tage), ansonsten verfällt es restlos.
Der öffentliche Personennahverkehr (TTC) in Toronto ist gut organisiert und leicht zu benutzen. Es gibt nur zwei "Haupt"- Subwaylinien (eine Nord-Süd und eine Ost-West Verbindung), die die wesentlichen Punkte schnell erreichbar machen. Für einen "Metropass" (= Monatskarte zur Benutzung aller Verkehrsmittel, d.h. Subway, Straßenbahn und Bus) zahlt man ca. 100 CAD. Man kann als Alternative auch sog. Tokens (= kleine Münzen) kaufen. Pro Fahrt kostet ein Token 2,25 CAD, im Zehnerpack 1,90 CAD (inkl. Anschlusstransfer). Meiner Ansicht nach lohnt sich der Metropass aber in jedem Falle dann, wenn man den ganzen Monat über vor Ort ist und das Verkehrssystem durchschnittlich für ca. 2-3 Fahrten pro Tag nutzt. Die kleinen Tokens sind eher umständlich zu benutzen, v.a. muss man im Transfersystem immer genau darauf achten einen Transfer slip (=kleine Zettel, die einen zur Weiterfahrt berechtigen) zu bekommen, um nicht doppelt zu zahlen.
Mit einem internationalen Studentenausweis bekommt man zahlreiche Vergünstigungen, z.B. in Museen, in Sportclubs, lohnenswert ist er aber besonders bei Greyhound- oder Zugfahrten.
Als Referendar braucht man kein Visum für Kanada. Um eine problemlose Einreise zu gewährleisten, sollte man sich an das Generalkonsulat wenden und um eine Bestätigung bitten, dass man dort nur als sog. "Intern" tätig sein wird und keine Bezahlung bekommt. Eine Kopie dieser Bestätigung schickt man an die kanadische Botschaft in Berlin. Letztere stellt einem dann eine weitere Bescheinigung darüber aus, dass man ohne Visum bzw. Arbeitserlaubnis einreisen darf. Diese Schreiben können bei der Einreise nach Kanada sehr hilfreich sein, nichtsdestotrotz wurde ich knapp 20 Minuten zu den Gründen meines Aufenthalts "interviewt". Gut ist es, wenn man sein Rückflugticket und einen Nachweis über ausreichende finanzielle Mittel vorlegen kann.

Mein persönlicher Tipp
Toronto bietet hervorragendes Essen aus aller Welt zu moderaten Preisen. Wer schon immer mal authentisches japanisches Sushi, indisches Chicken Masala oder chinesisches Dim Sum probieren wollte, ist hier genau an der richtigen Adresse. Die einzelnen Stadtviertel wie etwa Little India, Chinatown oder Greektown bieten mit ihren zahlreichen Restaurants die Möglichkeit zu einer kulinarischen Weltreise.

Fazit
Mein Aufenthalt in Toronto war - trotz eisiger Temperaturen, die nicht selten bei minus 30 Grad Celsius lagen, - in jeder Hinsicht ein einzigartiges Erlebnis. Wer seine Wahl- oder Verwaltungsstation an einem spannenden "Treffpunkt" der Kulturen verbringen und auf diese Weise mehr als nur "ein" Land besser kennen lernen will, ist in Toronto an der richtigen Adresse. Keine andere Stadt vermag den nordamerikanischen "Way of life" und die Bewahrung des kulturellen Ursprung ihrer Einwohner so erfolgreich zu verbinden.

Stefanie Tauchert, LL.M.
Die Autorin verbrachte ihre viermonatige Verwaltungsstation von Dezember 2004 bis April 2005 am deutschen Generalkonsulat in Toronto/ Kanada

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