Dieser Führer hilft, sich als Referendar zurechtzufinden und sich qualifiziert auf das zweite Staatsexamen vorzubereiten. Zudem werden vernünftige Wege zur
Karriereplanung und dem späteren Berufseinstieg aufgezeigt - für Großkanzleien wie auch für diejenigen unter uns, deren Examen sich eher im Mittelfeld oder am
unteren Ende orientiert.
Da Zeit auch am Anfang des Referendariats knapp ist, wird Selbstverständliches bewußt weggelassen und versucht, die Hinweise auf ein vernünftiges Maß zu
reduzieren.
Kernpunkte sind insbesondere Tipps zu den Stationen vor und nach dem schriftlichen Teil, ein umfassender Lernplan zur Vorbereitung auf das Examen mit einer vollständigen
Zusammenstellung des Stoffes und ein Abschnitt zur erfolgreichen mündlichen Prüfung.
Zum Durchlesen des kompletten Führers muss man etwa eineinhalb Stunden Zeit einkalkulieren.
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I. Einleitung
Das Rechtsreferendariat hat eigentlich so gut wie keine Gemeinsamkeiten mit dem Referendariat für Lehramtskandidaten, mit denen die meisten von uns in der Schule schon in
Berührung gekommen sind. In aller Regel hat nämlich der Rechtsreferendar deutlich mehr Freiheiten während der Ausbildungszeit; er muss anders als die zukünftigen Lehrer
nicht einen Großteil seines Einsatzes in der Praxis alleine "schmeißen" und jeden Tag am Einsatzort erscheinen, sondern hat neben Praxisausbildung und
Arbeitsgemeinschaft durchaus ein bis drei Tage die Woche, die er frei gestalten kann. Was jedoch nicht gleichbedeutend mit "Freizeit" ist - am Ende des Referendariats wartet
nämlich mit dem zweiten Staatsexamen ein großer Brocken mit im Vergleich zum ersten Staatsexamen neuen Stoffgebieten und Schwerpunkten, deren Beherrschung unabdingbar
ist für das erfolgreiche Bestehen.
Zweck des Referendariats ist es, den zukünftigen Volljuristen im Rahmen der sog. "Stationen" mit seinen potentiellen zukünftigen Arbeitsgebieten bzw. seinem späteren
Beruf vertraut zu machen. Hier wird man Praktikern zugeteilt, die den Referendar für eine gewisse Zeit begleiten und ihn ausbilden. Nach wie vor läßt sich aber
feststellen, dass ein Schwerpunkt hin zur Richterausbildung stattfindet - was schon das Ausbildungsziel "Befähigung zum Richteramt" nahelegt. Dies wird schon lange
kritisiert angesichts der tatsächlichen Situation in der juristischen Berufswelt, in der nur ca. 10 - 15 % aller Absolventen in den Staatsdienst als Richter oder
Staatsanwälte eintreten und die Großzahl der Referendare später den Beruf des Rechtsanwalts ergreift. Dies ist auch der Grund, warum die Existenz und Form des
jetzigen Referendariats von vielen kritisiert und der Ruf nach Reform oder gar Abschaffung immer lauter wurde. Die Justizministerkonferenz konnte sich jedoch nicht auf eine
Reform einigen, so dass es auch in den nächsten Jahren die Juristenausbildung durch Referendariat geben wird (vgl. hierzu auch die Referendarswelt-Rubrik
"Reformbestrebungen").
Allerdings ist zu zuzugeben, dass mittlerweile in einigen Bundesländern die berufsspezifischen Belange des Rechtsanwalts im Rahmen des Referendariats größere
Berücksichtigung finden.
Parallel finden sog. Arbeitsgemeinschaften unter Leitung von haupt- und nebenamtlichen Ausbildern - meist Richtern - statt, in denen den Referendaren die Charakteristika der
Klausuren und neuen Ausbildungsinhalte des zweiten Staatsexamens beigebracht werden sollen. Diese Arbeitsgemeinschaften führen wieder zurück vom selbstbestimmten
Erscheinen und Lernen im Rahmen der Universitätsausbildung hin zum verschulten Unterricht in klassenähnlicher Form.
Mittlerweile werden die Rechtsreferendare in ein öffentlich-rechtliches Sonderausbildungsverhältnis übernommen (bis vor zwei Jahren erfolgte in den Bundesländern noch
eine Verbeamtung) und mit ca. EUR 900,-- brutto (netto etwa EUR 780,--) - abhängig vom jeweiligen Bundesland - vergütet. Die einzelnen Bedingungen in den deutschen
Bundesländern können in der Referendarswelt-Rubrik
"Ländersituation" eingesehen werden.
Für die gesamte Zeit des Referendariats gilt, dass der Einzelne sie in einem großen Maße individuell gestalten kann, von der Wahl des Ausbildungsortes und der
konkreten Ausbildungsstation bis hin zur eigenen Lerneinteilung und Schwerpunktsetzung hinsichtlich zukünftiger Berufswahl oder Vorbereitung des Examensstoffes.
II. Am Anfang des Referendariats
1. Grundsätzliche Überlegungen
Das erste Staatsexamen ist geschafft, und je nach Bundesland, in dem mit dem Referendariat begonnen wird, geht es entweder nach einer Wartezeit von ein bis zwei Jahren oder
unmittelbar mit dem Referendariat weiter. Die nächsten zwei Jahre werden sicherlich interessant, sie werden spannend, im ersten Halbjahr auch recht locker, danach aber
beginnt nochmals eine sehr harte Lernzeit auf das zweite Staatsexamen.
Hauptziel des Referendariats ist es, die Voraussetzung dafür zu schaffen, später nicht nur einen Beruf zu haben, sondern auch tatsächlich eine konkrete Stelle zu erhalten
und für diese adäquat vorbereitet zu sein. Man muss sich bewusst sein, dass die im Referendariat angestoßenen Überlegungen und die hier vollzogene fachliche
Spezifizierung sich unmittelbar auf das weitere Leben auswirkt: Wer aus Gründen der Einfachhheit eine bestimmte Wahlfachgruppe wählt wird es später sehr schwer haben,
hiervon noch einmal gänzlich abzukommen.
Dementsprechend sind vor allem zwei Punkte zu beachten, wohl die wichtigsten überhaupt: Die Note (unten III) und die zu sammelnde Erfahrung (unten IV bis VI), die sich im
Lebenslauf niederschlägt. Beides entscheidet maßgeblich über die späteren Einstiegschancen.
2. Wartezeit, Promotion und LL.M.
Abhängig von der Wahl des Referendariatsplatzes haben Absolventen des ersten Staatsexamens häufig eine Wartezeit bis zum Beginn des Referendariats in Kauf zu nehmen.
Um diese zu füllen kommen neben Praktika natürlich auch eine Promotion oder ein LL.M. in Betracht. Mindestens eine dieser Zusatzqualifikationen wird heutzutage vor allem
in größeren Sozietäten als wichtige Voraussetzung für eine Einstellung angesehen. Die Kombination stellt die volle Kriegsbemalung dar, die mit einem ordentlichen
Examen die Einstellung schon fast garantiert.
Sofern man also die Möglichkeiten hat, ein solche Qualifikation zu erwerben, kann hier nur zugeraten werden. Und auch wenn es noch einiger Anstrengungen bedarf,
beispielsweise um einen geeigneten Doktorvater zu finden, sollten diese unternommen werden. Eine zusätzliche Berufserfahrung durch weitere Praktika o.ä. ist in der Regel
nicht annähernd so vorteilhaft wie ein solcher Titel.
Ob der Vorzug der Promotion oder dem LL.M. gegeben werden soll, ist nicht eindeutig zu beurteilen: Manche Kanzleien schätzen die Dissertation, da sie die Fähigkeit zu
wissenschaftlichem Arbeiten, persönliches Organisationstalent und Durchhaltevermögen signalisiert. Im Gegenzug jedoch fehlt ihr häufig die praktische Verwertbarkeit als
fachliche Zusatzausbildung. Gerade aus diesem Grund bevorzugen manch andere Arbeitgeber den LL.M., der neben hervorragenden Sprachkenntnissen meist Garant für zusätzliche
Fachkenntnis ist. Somit sollte der Vorzug letztlich der Qualifikation gegeben werden, die in der kürzesten Zeit zu erreichen ist und die persönlich am besten gefällt.
Dies mag bei gutem Verhältnis zu einem Professor die Dissertation sein, bei bevorzugt internationaler Arbeitsweise und einem entsprechenden finanziellen Background der
LL.M.; in diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass es auch einige sehr kostengünstige, internationale LL.M.-Studiengänge gibt, beispielsweise das Erasmus-Program
"Master of Law and Economics". Weitere Informationen findet Ihr in der LL.M.-Rubrik auf der Referendarswelt von jurawelt.
Zuletzt möchten wir hier noch auf den zeitlichen Vorlauf von etwa einem halben Jahr für LL.M. und auch Promotion hinweisen. Insbesondere die LL.M.-Bewerbungen müssen
meist sehr früh an die jeweiligen Universitäten abgesandt werden, so dass hier nicht zu viel Zeit vorher verschwendet werden sollte.
III. Die Note:
Unbestritten beruht ein Drittel der Endnote auf Glück, unbestritten sind Punktabweichungen von ein bis zwei Punkten nach oben oder unten rational nur schwer
nachzuvollziehen. Dies beweist schon die hohe Anzahl von etwa 30 % der korrigierten Examensarbeiten, bei welchen Erst- und Zweitkorrektor eine um zwei Punkte differierende
Bewertung abgeben.
Ungeachtet dessen steht aber auch fest, dass die Note bei Juristen
das entscheidende Einstellungskriterium ist. Fast ausnahmslos wird - wenn andere Kriterien wie eine
gewisse soziale Mindestkompetenz auch erfüllt sind - ein Bewerber vor allem nach seiner Note ausgesucht. Und die Note entscheidet nicht nur über die Frage des "Ob",
sondern auch über die Frage des "Wie", nämlich über das Gehalt.
Abgesehen hiervon ist es natürlich für das eigene Selbstvertrauen ungemein förderlich, bei Bewerbungen nicht zwanzig Absagen zu erhalten, sondern selbst zwischen zwei
oder mehr Angeboten auswählen zu können.
1. Die Notenstufen und deren Auswirkungen
Absolventen im Bereich von neun oder mehr Punkten finden i.d.R. unproblematisch eine Anstellung. Sie besitzen mit neun Punkten die Staatsnote, die entweder zwingendes
Kriterium für eine Anstellung beim Staat ist (z.B. Bayern) oder aber stark ermessenslenkende Bedeutung hat (z.B. Hamburg). Wer sich für die Anwaltswelt entscheidet, dem
stehen die Türen zu praktisch allen Kanzleien wie auch den Großkanzleien offen, wobei auch eine schlechte Note im ersten Staatsexamen vollständig überwunden werden
kann. Großkanzleien bezahlen dem Berufseinsteiger zur Zeit bis zu EUR 75.000,-- pro Jahr, wobei ein entsprechendes Arbeitspensum anfällt. In "normal" großen
Kanzleien oder kleineren Kanzleien kann mit einem Einstiegsgehalt von etwa EUR 50.000,-- gerechnet werden, im Gegenzug gibt es aber auch eine "nur" 45 bis
50-Stunden-Woche.
Absolventen mit einem "befriedigend" finden meist noch eine gute Anstellung mit einem akzeptablen Gehalt. Die Note ist als durchaus passabel angesehen, öffnet aber keine
Türen. Hier hängt einiges auch von dem zusätzlichen Lebenslauf ab.
Absolventen mit lediglich einem "ausreichend" tun sich häufig schwer, eine Anstellung zu finden. Nach wie vor ist der Markt der Juristen überschwemmt, die
Einstiegsgehälter liegen selten über EUR 30.000,-- zzgl. kleinerer Umsatzbeteiligungen. Immer steht die unangenehme Frage im Raum, warum hier denn nicht eine vernünftige
Note vorliegt. Ausgleichen kann höchstens der interessante Lebenslauf und ein den zukünftigen Arbeitgeber begeisterndes, persönliches Auftreten. Vor allem schüchterne
und zurückhaltende oder sprachlich eher ungewandte Persönlichkeiten müssen mitunter sehr lange nach einer Anstellung suchen.
Anschließend sei bemerkt, dass der bekannte Bayern-Bonus (der eigentlich Sachsen- oder Sachsen-Anhalt-Bonus heißen müsste - dort ist das Staatsexamen nochmals
deutlich schwerer) oder ähnliches nur von wenigen Arbeitgebern anerkannt wird. Dass die Prüfung und Benotung zwar in manchen Bundesländern deutlich strenger ist als in
anderen zeigt schon die Statistik: In Niedersachsen, Hamburg oder Schleswig-Holstein erzielen in der Regel über 20 % der Assessoren, also der erfolgreichen Absolventen des
zweiten Examens, eine Endnote von über neun Punkten, in Bayern fast nie mehr als 10 %, in Sachsen oder Sachsen-Anhalt nicht mehr als 5 %. Dafür haben die Bremer im
schriftlichen Teil einen Tag zwischen den einzelnen Rechtsgebieten Zeit, um sich mental umzustellen, in Bayern schließen sich 11 Klausuren nur durch die Wochenenden
getrennt unmittelbar aneinander an. In Schleswig-Holstein ist bekannt, welche Klausuren im Zivilrecht "ZPO"-Klausuren, welche "materielle" Klausuren sind, in Bayern ist
dafür als einzigem Bundesland Steuerrecht Pflichtfach, was eine zusätzliche Vorbereitung von drei bis vier Wochen bedeutet.
Maßgeblich ist aber für den Arbeitgeber nicht die Frage, ob ein Kandidat aus Sachsen im Vergleich zu einem Hamburger mehr "gelernt" hat, maßgeblich ist, wie gut
ein Arbeitnehmer die Aufgabe bewältigt, die er zugewiesen bekommt. Und das bemisst sich nun mal nicht nach einem länderübergreifenden, sondern nach dem länderinternen
Vergleich am konkreten Stoff. Diese Regel gilt für Wirtschaft, Staat und Kanzleien: Es kommt nicht darauf an, "absolut" viel zu tun, sondern seine "konkrete" Aufgabe
möglichst gut zu erledigen. Denn auch in der Praxis nutzt es nichts, an einem Fall zwar mehr zu arbeiten als ein Kollege aus einer anderen Kanzlei, diesen aber trotzdem zu
verlieren, während der andere Kollege wegen eines "netteren" Richters gewinnt und es "halt" leichter hatte.
2. Was heißt das?
Die obigen Aussagen sind natürlich pauschaliert, sie sollten aber zu denken geben.
Im Referendariat ist wieder alles offen! Gute Vorkenntnisse helfen natürlich, aber das materielle Recht zählt nur noch die "Hälfte", der Rest wird prozessualer Natur
sein, und dieser Stoff wird erst jetzt gelernt. Es stehen also wirklich jedem wieder alle Chancen offen.
Vom geistigen Potential ist auch jeder in der Lage ins "befriedigend" zu kommen, der das erste Staatsexamen geschafft hat. Die einzige Frage ist, ob man das notwendige
Durchhaltevermögen auch an lauen Sommersonntagen entwickeln kann.
Daher muss schon am Anfang (also spätestens nach dem Lesen dieses Führers!) überlegt werden, was eine realistische Wunschnote als Vornote ist.
Diese sollte jedenfalls ein ordentliches Stück über der Note des ersten Examens liegen. Das schafft Ansporn und ist auch mit etwas Anstrengung meist gut zu schaffen, Hier
hilft auch, dass zahlreiche Bundesländer im zweiten Examen grundsätzlich bessere Noten als im ersten vergeben. Wer also mit 7,0 aus dem ersten geht kann sich gut 8,5 als
Ziel setzen!
Hat man dieses Ziel definiert, das man sich am besten gut sichtbar am Schreibtisch notiert, um es nicht aus den Augen zu verlieren (wirklich! Das hilft!), gilt es täglich
darauf hinzuarbeiten. Das konkrete Ziel, eine konkrete Punktzahl ist für den eigenen Antrieb unverzichtbar. Zum Selbstantrieb hilft auch die aus Arbeitstechnik-Lehrbüchern
bekannte Kontrollfrage, die man sich unter die Note notieren und jeden Tag stellen sollte: Was habe ich heute für dieses Ziel getan?
Eine andere Frage in diesem Zusammenhang ist die Wahl des Ausbildungsortes. Die Erfahrung zeigt, dass sich der Schwierigkeitsgrad des ersten Staatsexamens auf das
Referendariat deutlich auswirken kann: Wer ein nur mittelprächtiges Examen in Sachsen erzielt hat besitzt meist schon so umfangreiche ZPO-Kenntnisse, dass er sich in den
ersten Monaten in Hessen recht leicht tut und diesen Wissensvorsprung natürlich auch bis ins zweite Examen halten kann. Umgekehrt rutschen auch gute Kandidaten aus manchen
Bundesländern, die ihr Referendariat beispielsweise in Sachsen antreten, meist kräftig nach unten ab.
Somit ist es durchaus zu überlegen, sein Referendariat bewusst in einem "leichteren" Bundesland abzuleisten, auch unter Inkaufnahme einer Wartezeit, die dann durch
Promotion oder freie Mitarbeit gefüllt werden müsste. Neun Punkte aus Rheinland-Pfalz sind bei einer Bewerbung immer noch deutlich besser als sechs Punkte aus
Sachsen-Anhalt!
IV. Die einzelnen Stationen
Die einzelnen Stationen werden von der ersten Ausbildungsstelle in einer Einführungsveranstaltung umfangreich vorgestellt und behandelt, so dass sich die Erläuterungen
hier beschränken sollen:
Es gibt insgesamt fünf Stationen: Zivil-, Straf-, Verwaltungs-, Anwalts-, Wahlstation, wobei zwischen Anwalts- und Wahlstation der schriftliche Teil des Examens
stattfindet, nach der Wahlstation der mündliche Teil. Für nachstehende Erläuterungen gilt wie generell im Referendariat, dass in begründeten Ausnahmefällen von den
allgemeinen Regelungen in Absprache mit der Referendariatsgeschäftsstelle abgewichen werden kann.
1. Zivilrechtsstation
Zu Beginn des Referendariats wird man zum Zivilgericht geschickt, wobei man mitunter als Wunsch Amtsgericht oder Landgericht angeben kann. Das AG ist praxisnäher, man
bekommt recht viel vom Gerichtsleben mit, andererseits aber auch arbeitsintensiver, da neben der Anwesenheitspflicht (meist einmal wöchentlich am Sitzungstag) auch zu Hause
Urteile oder ähnliches gefertigt werden müssen. Im Gegensatz dazu ist das LG theoretischer, die Fälle sind umfangreicher, verlangen größere Einarbeitung und
müssen länger zu Hause bearbeitet werden; Verhandlungen finden vergleichsweise wenig statt.
Grundsätzlich gilt in der Zivilrechtsstation wie auch in den anderen Stationen: Der tatsächliche Arbeitsumfang wird entscheidend vom Ausbilder und vom Referendar selbst
bestimmt - manche Ausbilder lassen lediglich zwei Arbeiten anfertigen, andere Richter fordern ständige Präsenz und eine deutlich höhere Zahl an Arbeiten.
Angesichts der fehlenden praktischen Erfahrung und des sonst fehlenden Wissens wird man inhaltlich meist Kammern (bzw. am AG einem Richter) für allgemeine Zivilsachen
zugewiesen, gelegentlich landet man aber auch in Handelskammern oder Kammern für Miet- oder Verkehrssachen. Der Referendar wird hierbei einem "Ausbildungsrichter"
zugeordnet, der die Ausbildung überwacht und begleitet. Je nach bundeslandspezifischer Ausbildungsordnung oder Anweisung des Justizprüfungsamts ist eine Mindestanzahl von
schriftlichen Arbeiten (Beweisbeschlüsse oder Urteile) anzufertigen. Zudem ist es Pflicht, auch einigen Verhandlungen oder Kammersitzungen beizuwohnen und mindestens eine
Beweisaufnahme unter Aufsicht des Ausbildungsrichters selbst durchzuführen. Gerade von letzterem wird aber aus Zeitmangel häufig leider abgesehen.
2. Strafstation
Auch hier gibt es eine Wunsch-/ Wahlmöglichkeit: Zur Verfügung stehen die Zuweisung zum Richter oder zum Staatsanwalt. Die Anwesenheit bei Verhandlungen ist zumeist bei
beiden gefordert, naturgemäß sind die anzufertigenden Arbeiten entweder Urteile oder Abschlußverfügungen. Für manche ein Schmankerl ist die Möglichkeit, als
Staatsanwalt die Anklage zu vertreten. Das heißt, dass der Referendar nach einigen besuchten Sitzungen zuerst noch in Anwesenheit des Ausbildungsstaatsanwalts, danach
unter Umständen auch ganz alleine als Staatsanwalt auftreten darf und die volle Verhandlung bestreiten kann. Das natürlich nur bei Verhandlungen vor dem AG oder dem JG und
bei einfach gelagerten Sachverhalten.
Was sich anfangs recht kompliziert anhört, ist für einigermaßen redegewandte Personen der Knüller des ganzen Referendariats, der am meisten Spaß macht und
nicht verpasst werden sollte.
3. Verwaltungsstation
Ausbildungsstellen sind hier nicht mehr die Gerichte, sondern die Regierungsbezirke. Den einzelnen Ausbildern wird man automatisch zugewiesen, wenn man sich nicht - was
ratsam ist - auf eine bestimmte Stelle bewirbt.
Häufig besteht die Möglichkeit, sich während der Dauer zwei verschiedenen Ausbildern zuweisen zu lassen, also beispielsweise zu einem Landratsamt / Bezirksamt und zum
Verwaltungsgericht oder zu einem Rechtsanwalt.
Die anzufertigenden Arbeiten bestehen meist aus Gutachten und Stellungnahmen zu spezifischen, in der Regel kommunalrechtlichen Problemen. Der Arbeitsaufwand bei
unterschiedlichen Ausbildungsstellen variiert ungemein, weshalb man sich je nach persönlicher Präferenz bei den vorgehenden Referendaren unbedingt über adäquate
Stationen informieren sollte. Auch ist bei der Auswahl die Nähe der Station zum eigenen Wohnort zu beachten und zu klären, inwieweit Fahrtkosten erstattet werden. Wichtig
ist die rechtzeitige Stationswahl: Da die "beliebten" Stationen oft überbelegt sind, wird nach Eingangsdatum über die Bewerber entschieden. Daher schon am Anfang des
Referendariats eine Ausbildungsstation wählen, dort persönlich anrufen und nach dem Telefonat sofort die schriftliche Bewerbung senden. Diese besteht nicht aus einem
klassischen Bewerbungsschreiben, sondern lediglich aus einer formlosen Bitte, die Ausbildung zu übernehmen.
4. Anwaltsstation
Diese liegt zumeist unmittelbar vor der schriftlichen Prüfung, so dass die für die Station zur Verfügung stehende Zeit entsprechend begrenzt ist. Man darf den letztlich
zu lernenden Stoff nicht unterschätzen, und das gibt auch die Marschroute für diese Station vor: Einerseits kann man sie nutzen, um einen späteren Einstieg in der
Wahlkanzlei zu planen. Andererseits muss genügend Zeit für die Vorbereitung auf die schriftliche Prüfung verbleiben. So sollte man das Arbeitspensum mit dem
Ausbildungsanwalt sehr genau vorher abklären und gegebenenfalls, da die Vorstellungen in der Anwaltswelt hier sehr unterschiedlich sind, eine andere Kanzlei vorziehen. Mehr
als ein paar Stunden die Woche sollten keinesfalls verplant werden, andererseits ist die Anfertigung mindestens dreier schriftlicher Arbeiten von den Justizprüfungsämtern
geforderte Pflicht; die Arbeiten müssen vom Anwalt dorthin eingesendet werden.
5. Wahlstationen nach der schriftlichen Prüfung
Jedes Bundesland bietet Referendaren die Möglichkeit, bis zum Beginn der mündlichen Prüfung seine Wahlstation bei einer Ausbildungsstelle seiner Wahl wahrzunehmen,
solange nur ein juristischer Bezug gegeben ist.
Diese Möglichkeit kann auf zwei verschiedene Arten gewinnbringend genutzt werden:
Einerseits ist es gerade in dieser Station hervorragend möglich, einen späteren Arbeitgeber zu finden. Da man wegen der Vorbereitung auf die schriftliche Prüfung auf
einem Wissenshöhepunkt ist, kann man sich sehr gut und deutlich mehr als in früheren Stationen einbringen. Es fehlt nicht mehr viel zum Volljuristen, und so kann ein
potentieller Arbeitgeber unmittelbar die zukünftige Arbeitsweise des Referendars kennenlernen. Auf Prognosen, wie bei Praktika im Studium ("der wird wohl mal gut"), braucht
sich der Arbeitgeber nicht zu verlassen, und nicht selten wird ein konkreter Arbeitsvertrag noch vor den Ergebnissen des schriftlichen Teils unterschrieben. Das kann vor
allem, wenn diese dann - wider Erwarten - fürchterlich aussehen, recht vorteilhaft sein (pacta sunt servanda...).
Andererseits gibt es, da der Lernaufwand bis zur Bekanntgabe der schriftlichen Noten zumeist sowieso gering ist, die Möglichkeit einer Ausbildung im Ausland. Kontakte zu
knüpfen ist problematischer, aber die Erfahrungen bilden und stärken die Persönlichkeit eines jeden Einzelnen, öffnen den Blick für fremde Kulturen (und wenn es nur
Österreich ist) und stärken (außer wenn es Österreich ist) die Sprachkenntnisse. Sämtliches wird von Arbeitgebern sehr gerne gesehen, ein mehrmonatiger
Auslandsaufenthalt sollte sich daher in jedem Lebenslauf finden. Falls ein solcher schon während des Studiums oder in der Wartezeit genommen wurde, ist es Geschmacksache,
nochmals ins Ausland zu gehen oder eher Kontakte im Inland zu knüpfen. Entsprechende Auslandsstationen findet man über Listen der Ausbildungsstellen, die zumeist schon am
Anfang des Referendariats ausgegeben werden. Wichtig ist eine rechtzeitige Bewerbung, da für die Zuweisung zur Wunschstelle Fristen einzuhalten sind und eine Bestätigung
der Ausbildungsübernahme von der Wunschstelle vorgelegt werden muss. Mit mindestens drei Monaten Vorlaufzeit von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Vorliegen der
Bestätigung muss gerechnet werden - ein "Scheitern" und notwendiges Angehen einer zweiten Ausbildungsstelle nicht mit eingerechnet. Grund für diese Dauer sind nicht nur
die internen Entscheidungsabläufe der Ausbildungsstellen (Vakanz zur passenden Zeit, welche Stelle, welche Einzelausbilder, Zustimmung der Personalabteilung, Verträge),
sondern auch die vielen zusätzlichen Fragen, die hier geklärt werden müssen (Vergütung, Wohnung, dem Referendar angemessener Arbeitsablauf, -inhalt und
Zeitaufwand).
6. Anwaltsstation am Beginn des Referendariats
In manchen Bundesländern besteht die Möglichkeit, in Vertauschung des herkömmlichen Ablaufs die Anwaltsstation gleich zu Beginn des Referendariats abzuleisten, im
Gegenzug dazu die Gerichts- oder Verwaltungsstation unmittelbar vor dem Staatsexamen durchzuführen. Hiervon ist eher abzuraten: Bei sorgfältiger Anwaltswahl läßt
sich die Arbeit in der Anwaltsstation auf ein sinnvolles Maß reduzieren, was der Vorbereitung auf das Examen sehr förderlich ist. Die Wochen und Monate unmittelbar
vor dem Antritt sollten möglichst frei bleiben oder mit wirklich examensrelevanten Praxistätigkeiten verbracht werden. Dieses Anliegen ist gegenüber Richtern oder der
Verwaltung - weil man sich die Einzelperson der Ausbilders nicht aussuchen kann - aber mitunter schwer durchzusetzen. Und nichts ist unangenehmer, als sich trotz des
Examensdrucks stundenlang mit völlig belanglosen, nicht examensrelevanten Materien herumzuschlagen.
V. Eigeninitiative - zusätzliche Programme und Praktika
Die Tätigkeit während des Referendariats ist entscheidend für den späteren Job. Deshalb lautet die Empfehlung, möglichst viele zusätzliche Angebote wahrzunehmen. Da
gegen Ende die Zeit immer knapp ist, sollte man sich vor allem im ersten Halbjahr um zusätzliche Erfahrungen bemühen:
1. Kleinere Zusatzprogramme
Die Gerichte und andere Organisationen bieten regelmäßig ein umfassendes Zusatzprogramm an: Verhandlungstraining, Strategien im Prozeß, Mitarbeiterführung und
vieles mehr, wenigstens ein oder zwei Angebote sollte man wahrnehmen.
2. Nebentätigkeiten
Jedenfalls in der Anfangsphase läßt das Referendariat genügend Raum für eine wöchentliche Nebentätigkeit in der Rechtsabteilung eines Unternehmens oder in einer
Kanzlei. Diese Nebentätigkeit muss von Seiten der Ausbildungsstelle genehmigt werden und ist in manchen Bundesländern erst ab einer gewissen Mindestnote des ersten
Staatsexamens möglich. Wer Initiativbewerbungen scheut, findet an den schwarzen Brettern der Gerichte und der Referendargeschäftsstelle genügend Aushänge von Kanzleien,
die nach Referendaren suchen.
Ein solcher Nebenjob ist grundsätzlich zu empfehlen, er sorgt nicht nur für zusätzliche Mittel, sondern hilft, das eben erlernte Wissen unmittelbar umzusetzen. Zudem ist
anders als im ersten Staatsexamen für das jetzt anstehende ein Praxisbezug der Arbeiten ungemein wichtig. Die beste Abschlußverfügung, der beste Anwaltsschriftsatz
wird keine hohen Punktzahlen erreichen, wenn er nicht praxisgerecht ist. Diesen Praxisbezug, die tatsächlichen Fragen (Hinweis an den Mandanten auf seine
Rechtsschutzversicherung? Beweiskraft eines Zeugen?) lernt man aber nur durch selbst erlebte Praxis, je mehr desto besser.
Bei Bewerbungen sollte man vor allem darauf achten, die zeitliche Belastung nicht zu sehr auszudehnen. Möglich sind sowohl wöchentliche Stundenarbeitszeiten (mehr als
fünf Stunden/Woche sollten nicht vereinbart werden) wie auch die Vereinbarung von Arbeit nach Anfall: Der Anwalt gibt nur, wenn Arbeit vorhanden ist eine solche heraus, der
Referendar arbeitet nur, wenn er selbst Zeit hat. Meist ist diese Vereinbarung aber nur in kleineren Kanzleien oder bei Einzelanwälte möglich. Verwiesen sei auch darauf,
dass gerade im Rahmen einer Nebentätigkeit kleiner Anwaltskanzleien, die relativ unspezialisiert ein weites Spektrum abdecken, durchaus zu empfehlen sind, denn gerade hier
kann man dann alle oder viele Felder der Praxistätigkeit abdecken.
In finanzieller Hinsicht sind angesichts des abgeschlossenen Hochschulstudiums Stundenvergütungen von mindestens EUR 12,50 üblich.
3. Fachanwaltskurse
Eine weitere Möglichkeit, nicht nur die späteren Einstiegschancen zu verbessern, sondern auch die Vorbereitung auf die mündliche Prüfung unter Umständen sehr zu
erleichtern, sind Fachanwaltskurse. Diese werden von den Rechtsanwaltskammern für Referendare zu deutlich vergünstigten Preisen (Größenordnung EUR 1.500,-- bis
2.500,-- pro Kurs, für Rechtsanwälte meist nicht unter EUR 4.000,--) angeboten und dauern je nach Kurs sechs bis zehn Wochenenden. Die Kurse sind zeitaufwendig und
anstrengend, auch wenn es nur eine sehr geringe Durchfallquote gibt. Wer sich allerdings zutraut, einen solchen Kurs zu absolvieren (wie schon gesagt - das Bestehen ist
nicht das Problem, aber auch hier will ein zukünftiger Arbeitgeber eine vernünftige Note sehen), dem ist er wärmstens zu empfehlen. Eine hochwertigere Zusatzqualifikation
ist als Referendar kaum denkbar, und dass sich ein Fachanwalt für Familienrecht weder vor einer solchen Klausur noch vor einer Wahlfachprüfung zu fürchten braucht,
versteht sich von selbst. Informationen gibt es bei den Rechtsanwaltkammern, und deren Adressen im Linkportal von jurawelt.
4. Wahlstationen vor der schriftlichen Prüfung
In vielen Bundesländern ist es mittlerweile möglich, ein oder zweimal für je zwei Monate die reguläre Stationslaufbahn zu verkürzen und diese Zeit bei einer Wahlstation
abzuleisten.
Eine solche Station hilft nicht nur, Erfahrungen zu sammeln und damit den Lebenslauf aufzupäppeln, vielmehr ermöglicht sie wie die eigentliche Wahlstation, Kontakte für
einen späteren Berufseinstieg zu knüpfen. Mitunter ist auch hier ein Arbeitsvertrag schon vor der Notenbekanntgabe des schriftlichen Teils zu erreichen.
Zumeist sind diese zwei Monate jeweils am Ende der Zivil- und am Ende der Verwaltungsstation vorgesehen. In Betracht kommen alle Stationen, die auch als spätere, "echte"
Wahlstationen in Betracht kommen, also auch eine Sozietät im Ausland. In einem solchen Fall wird regelmäßig eine Befreiung vom Besuch der Arbeitsgemeinschaften
erteilt. Bei einer Inlandsstation kann in Ausnahmefällen - Ermessen der Behörde - eine Befreiung erteilt werden, beispielsweise wegen zu großer Entfernung von
Ausbildungsstelle und Stationsort. Falls diese Befreiung nicht erteilt wird, kann ein Besuch der Arbeitsgemeinschaften am Stationsort weiterhelfen. Dort werden zwar meist
gänzlich andere Themen behandelt, aber die Behörden sind dennoch beruhigt, ihrem Ausbildungsauftrag nachzukommen. Dem Grunde nach gibt es ein Abkommen sämtlicher
Ausbildungsgerichte in Deutschland, solche Gastreferendare unproblematisch für eine kurze Zeit in die eigenen Arbeitsgemeinschaften zu integrieren. Leider jedoch kommen
dieser Selbstverpflichtung nur wenige Bundesländer wie Bayern und Sachsen nach, andere Länder wie Berlin lehnen eine Übernahem kategorisch ab. Die einzelnen
Regelungen und Möglichkeiten sollten vor einer Bewerbung mit den Referendargeschäftsstellen abgeklärt werden.
In zeitlicher Hinsicht ist es in der Regel problemlos möglich, sich mit den Arbeitgeber auf eine Dreitagewoche oder einen vergleichbaren Modus zu einigen. Das sichert vor
allem die parallele Vorbereitung auf das Examen sowie das Nacharbeiten des neuen Stoffs aus den heimischen AG´s. Nebenbei ergibt sich so ein vernünftiges Maß an
Freizeit, um die Stadt des Praktikums eingehend kennenzulernen.
Man sollte sich nicht scheuen, gegenüber nicht-staatlichen Stellen eine akzeptable, zusätzliche Vergütung zu fordern. Während Großkanzleien bis zu EUR 700,--
monatlich für eine Dreitagewoche vergüten, sind minimal EUR 250,-- auch in kleineren Kanzleien machbar. Für einen warmen Händedruck zu arbeiten empfiehlt sich mit einem
abgeschlossenen Hochschulstudium (!) nicht, gleich welche Note vom ersten Examen vorliegt. Auf diverse Angebote, man würde so außergewöhnlich viel erleben (Gericht,
Mandantengespräche, etc.), im Gegenzug könne aber keine Vergütung gezahlt werden, sollte man sich nicht einlassen: Kein Anwalt hat die Zeit zu einer Rundumbetreuung und
Arbeit gibt es für den Referendar immer genug, so dass sich diese Versprechungen meist als leer entpuppen.
Zur Wahlstation nach der schriftlichen Prüfung siehe oben unter IV.5.
VI. Gericht und Verwaltung als Ausbilder
Von Seiten der verschiedenen Ausbildungsstellen wird es zahlreiche, in der Regel nützliche Unterlagen geben, auf die hier nicht eingegangen werden muss.
Hingewiesen sei aber auf folgende Punkte:
1. Stationszeugnisse
Es ist falsch, wenn behauptet wird, die Stationszeugnisse seien nur interne Angelegenheiten, die schaue später sowieso keiner mehr an, man müsse sich also nicht so genau
um deren Inhalt kümmern. Vielmehr werden die Stationszeugnisse praktisch von allen Prüfern in der mündlichen Prüfung gelesen und können hier den Ausschlag nach oben
oder unten geben - wer dauerhaft über 10 Punkte in den Stationen hatte, dem kauft man ab, er sei ein "Prüfungsphobiker" und dem hilft man gerne von einer
sechs-Punkte-Vornote nach oben. Anders, wenn schon die Stationszeugnisse nie mehr als sieben Punkte ausweisen. Weiterhin werden von etlichen Kanzleien und natürlich immer
bei Anstellungsgesuchen in den Staatsdienst die Stationszeugnisse angefordert, da sie eine schöne erste Einschätzung über die praktische Verwendbarkeit des Referendars
bieten. Daher ist dringend zu raten, die Stationen anständig zu absolvieren, auf die Zeugnisse zu achten und im Zweifel auch nachdrücklich um eine Abänderung bitten.
Falls der Stationsausbilder das verweigert, gilt es den Weg über die hauptamtlichen AG-Leiter zu gehen.
2. Besuch der Arbeitsgemeinschaften
Die Arbeitsgemeinschaften muten häufig sehr schlecht an - und manchmal sind sie es auch. Bei der Abwägung, eine AG zu besuchen, ist folgendes gegeneinander abzuwägen: Zum
einen stützt - auch bei schlechtem Vortrag - alleine das Zuhören das Gedächtnis. Weiterhin verfassen die hauptamtlichen AG-Leiter auch Zeugnisse mit persönlichem
Eindruck und den Klausurnoten der Übungsklausuren, die ebenfalls der Prüfungskommission der mündlichen Prüfung vorliegen. Andererseits aber kosten wirklich
nutzlose AG´s unnötig Zeit, und die ist knapp. Im Ergebnis also sollte man nicht zu leicht den AG´s fernbleiben, aber auch nicht zu lange Zögern. Es gilt wie in der Uni:
Bloßes Herumsitzen und Unterhalten bringt wenig, dann lieber gleich ins Café oder zu Hause lernen.
3. Übungsklausuren
Regelmäßig angeboten und meist Dienstpflicht sind die zahlreichen Übungsklausuren. Mitschreiben ist, da Klausurenschreiben der Hebel zu einer guten Note ist,
absolut unabdingbar.
Häufig aber sind Referendare der Auffassung, sich aus verschiedenen Gründen hierauf lieber nicht vorzubereiten, z.B., weil man ein realistischeres Bild über die eigene
Leistung erhalten würde. Hierüber lässt sich trefflich streiten, aber aus mehreren anderen Gründen ist eine Vorbereitung auf die Klausuren dringend anzuraten: Zum einen
wird durch die Klausur ein gewisser Druck erzeugt, tatsächlich den neuen Stoff zu
lernen, und ihn nicht nur zweimal durchzulesen. Zum anderen kann man das Gelernte
unmittelbar anwenden und sieht am Ergebnis, ob man noch etwas mehr lernen sollte. Zuletzt gehen auch diese Noten in das Zeugnis des AG-Leiters ein und wandern zur
Prüfungskommission für die mündliche Prüfung. Es fällt schwer, sich über das Examensergebnis von fünf Punkten "völlig entsetzt" zu zeigen und um mitleidsvolle Noten
in der Mündlichen zu bitten, wenn der Übungsklausurenschnitt auch nur bei fünf Punkten lag.
VII. Repetitorien und Klausurenkurse
Häufig wird, vor allem von Ausbildern im fortgeschrittenen Alter, die Notwendigkeit von Repetitorien zum zweiten Staatsexamen verneint. Das liegt aber vor allem daran, dass
es vor 10 Jahren schlicht noch kein Repetitorium zum zweiten Staatsexamen gab.
Sicherlich steckt dennoch in diesen Aussagen ein wahrer Kern, und es ist einfacher, das zweite Staatsexamen ohne Rep zu schreiben als das erste. Aber im Prinzip gilt auch
jetzt nichts anderes als zum ersten Staatsexamen: Wer sich fit genug fühlt, über die Unterlagen von den Ausbildungsstellen hinaus eine entsprechende Menge an Stoff selbst
zu sammeln und zu verwerten, benötigt i.d.R. kein Repetitorium. Wer mundgerecht präparierten Stoff bevorzugt, der wird sich in einem Repetitorium, sei es auch ein
online-Repetitor oder ein Versandkurs, wieder wohlfühlen. Wesentlich hieran ist vor allem die vermehrte Klausurpraxis und die ohne Zweifel geschickte Auswahl der Klausuren
durch die Repetitorien, die doch immer wieder einmal wieder ins Schwarze trifft.
Anzuraten ist in jedem Fall aber ein zusätzlicher Klausurenkurs und das Anfertigen mindestens einer zusätzlichen (zu den Pflichtklausuren der AG´s) Klausur wöchentlich.
Hiermit sollte möglichst früh begonnen werden, etwa ein Jahr vor dem schriftlichen Teil, nicht aber erst acht Monate vorher. Man tut sich schwer, das vorher zu glauben
oder zu verstehen, aber tatsächlich ist die Klausurenpraxis ein deutlicher wichtigerer Part zum Bestehen des Examens, als dies zum ersten Examen der Fall war. Auch das
Schreiben von Klausuren, von deren Thematik man keine Vorstellung hat und die bei 3 Punkten enden, hilft anders als im ersten Examen merklich zu einer guten
Examensnote.
Unabhängig vom Besuch eines regelmäßigen Kurses sind aber zudem die Sonderkurse zu bestimmten Rechtsgebieten zwingend anzuraten: Die staatlichen AG´s bieten hier zu
wenig Stoff in zu oberflächlicher Darstellung, als dass dies für die Examensklausuren ausreicht. Ein Wochenende Familienrecht, Arbeitsrecht und Erbrecht sollte unbedingt
eingeplant werden.
Die Preise liegen für Klausurenversandkurse bei etwa EUR 40,--, für Vortragskurse bei etwa EUR 70,-- pro Monat, die Wochenendkurse bewegen sich bei gut EUR 100,--.
VIII. Vorbereitung auf den schriftlichen Teil des zweiten Staatsexamens
Maßgeblich für den Erfolg im Examen ist eine gute Vorbereitung. Neben einigen Anmerkungen hat jurawelt einen umfassenden Lernplan zusammengestellt, an dem man die
Dimension des Stoffes und der Vorbereitung einschätzen kann. Zuerst jedoch sollen einige allgemeine Punkte klargestellt werden:
1. Allgemeines
a) Das Lernen anhand von Fällen
Die seitens der Ausbildungsstellen oder auch der Repetitorien herausgegebenen Fälle sind - vor allem was den Sachverhalt abgeht - ungewöhnlich umfangreich. Sehr lange wird
deshalb die Ansicht vorherrschen, man könne diese Fälle nicht wie zum ersten Examen quasi "auswendig lernen" und verinnerlichen. Das ist falsch. Vielmehr ist es auch zum
zweiten Examen erforderlich, die Struktur der Fälle in Abhängigkeit vom Sachverhalt zu erfassen und viele Teile dessen schlicht zu "lernen". Der Aufwand ist nur scheinbar
größer als zum ersten Examen, denn die Fallbeispiele sind zwar Seitenzahlenmäßig umfangreicher, im Gegenzug aber ist auch vieles niedergeschrieben, das nicht
fallspezifisch gelernt werden braucht (Rubrum, Tenor, etc.).
b) Kommentierungen
Eigene Kommentierungen in Gesetz und Kommentaren geben im Examen häufig die entscheidenden Impulse oder die im Kommentar nur unvollständig niedergelegte Definition. Sie
sollten daher, soweit sie zugelassen sind, möglichst frühzeitig und nicht zu knapp vorgenommen werden. Spätestens ab dem Zeitpunkt, in welchem der auch für das Examen zu
verwendende Kommentar zu erwerben ist, muss die Kommentierung kräftig vorangetrieben werden. Oft wird zu lange mit umfangreichen Bearbeitungen gewartet und die letzten
Wochen vor dem Examen arten zu Lasten des Lernens in reine "Kommentierungswochen" aus.
Hinsichtlich der erlaubten Menge an Kommentierungen besteht das Problem äußerst schwammiger und in jeder Hinsicht offener Vorgaben durch die
Landesjustizprüfungsämter. Oft sind "kurze handschriftliche Anmerkungen" erlaubt, also auch textliche Bemerkungen, eine nähere Eingrenzung erfolgt jedoch nicht und
niemand kennt die exakte Grenze des Zulässigen.
Bei der Kommentierung, muss für die Frage, was noch zulässig ist, berücksichtigt werden, dass die Aufseher im Examen aber auch keine näheren Informationen haben: Zu
einer "Meldung unzulässiger Kommentierung" bei dem Prüfungsleiter wird es daher nur kommen, wenn auch mit viel good will die Kommentierungen nicht mehr tragbar sind. Da
falsche Bescheidenheit hier fehl am Platz ist und von keinem gedankt wird, ist insbesondere folgendes zu empfehlen (ohne Gewähr auf "Sicherheit" und je nach landestypischen
Gegebenheiten):
Grundsätzlich sind die Anmerkungen angemessen zwischen Kommentar und Gesetz aufzuteilen; das Gesamtbild muss ausgewogen sein und geringe Kommentierungen vermuten lassen. Es
sollten wenig Farben und nur helle Bleistifte bei kleiner Schrift verwendet werden. Da die Aufseher meist selbst juristisch geschult sind, ist die Menge an Kommentierungen
zudem anhand der Gesetzesmaterie zu bemessen: Im für den Referendar eher knapp und etwas unpräzise formulierten, arbeitsrechtlichen Teil des Palandt sind mehr Anmerkungen
als im Schuldrecht AT möglich. Die Kommentierungen müssen in unmittelbarem Bezug zur kommentierten Stelle stehen, also allenfalls wenige Zeilen entfernt und dann mit
Strich verbunden, keinesfalls (!) auf leeren Seiten oder unter / über dem Gesetzestext, z.B. bei den Fußnoten im Schönfelder. Aufbauschema sind selbstredend
untersagt, Definitionen, sofern sie kein verstecktes Schema enthalten, werden meist als zulässig erachtet (Faustregel: nicht mehr als zwei Tatbestandsmerkmale, wohl aber
mehrere "Tatbestands"-Merkmale
der Definition, wie die vollständige Formel des Gebots der Rücksichtnahme / Individualisierungsformel im Baurecht). Leitsätze sind
vollständig und in voller Länge zulässig; wobei der Unterschied zwischen Leitsatz und Tenor zu beachten ist.
Hat man Zweifel, ob man sich noch im zulässigen Bereich befindet, empfiehlt sich einige Monate vor dem Examen ein Gang zu einem AG-Leiter. Diese geben natürlich auch keine
Gewähr und machen Durchsichten gerade deswegen auch sehr ungern, lassen sich aber meist überreden, einen kurzen Blick auf einen Kommentar und ein Gesetz zu werfen und ihre
Meinung kundzutun. Wer hier gesagt bekommt, die Kommentierungen seinen wohl gerade noch zulässig, ist auf dem richtigen Weg. Sollten die Anmerkungen als unzulässig
beanstandet werden, empfiehlt sich der Gang zu einem anderen AG-Leiter, bevor das Radieren beginnt, denn wie oben genannt gilt: im Hinblick auf die Unsicherheit aller ist im
tatsächlichen Examen mit einer Beanstandung eben nur bei evident unzulässigen Anmerkungen zu rechnen. Trotz allem gilt aber auch: Völlig sicher ist man nie.
c) Das Verhältnis von materiellem zu prozessualem Recht
Bei der Vorbereitung darf das materielle Recht nicht vergessen werden. Nach wie vor wird hier die Schlacht geschlagen, etwa 60 % der Klausureninhalte dreht sich um
materielles Recht, und wer hier versagt, kann auch mit besten prozessualen Kenntnissen nicht mehr punkten.
Allerdings sind die materiellen Fragen deutlich einfacher als zum ersten Staatsexamen; vor allem große Theorienstreitgkeiten entfallen, mit (lediglich) ein oder zwei
Argumenten läßt sich überall eine Streitentscheidung treffen. In welche Richtung diese ausfällt ist durch die einzig maßgebliche Rechtsprechung der
Obergerichte ebenfalls schon vorgegeben.
Auf die Kommentare sollte man sich hier kaum verlassen, da in den Klausuren schlicht die Zeit zum Nachschauen fehlt. Kommentare sind eine hervorragende Hilfe, um sich
nochmals zu vergewissern, abzusichern oder unbekannte Rechtsfragen einer raschen Lösung zuzuführen. Gute Grundkenntnisse können sie aber (auch nicht im prozessualen Teil)
nie ersetzen. Wer das glaubt, möge schlicht versuchen, den Unterschied zwischen Verschulden und Vertreten-müssen im Palandt zu finden...
d) Nachteilsausgleich (dieser Absatz sollte unbedingt vollständig von allen gelesen werden!)
Schwerbehinderten oder Gleichgestellten kann ein Nachteilsausgleich gewährt werden, meist in Form von Schreibzeitverlängerungen. Es ist jedem, der mit der Schreibdauer
oder der zur Verfügung stehenden Zeit im Examen Probleme hat, zu empfehlen, rechtzeitig einen solchen Ausgleich zu beantragen. Man erhält ihn unter deutlich leichteren
Bedingungen, als gemeinhin angenommen - es ist nicht notwendig, quasi nicht mehr schreiben zu können! Falsche Bescheidenheit oder falsches Ehrbewußtsein ist völlig
fehl am Platz: Wer tatsächlich eine Behinderung hat, sollte angesichts der äußerst knappen Zeit im Examen unbedingt einen Ausgleich beantragen. Dieser ist weder den
Prüfern der mündlichen Prüfung bekannt, noch steht er später im Zeugnis, und auch bei Einstellungsgesprächen fragt niemand, ob eine Schreibzeitverlängerung gewährt
wurde. Je nach beteiligten Gesundheitsämtern und Prüfungsort wird etwa 5 bis 15 % der Prüflingen ein solcher Ausgleich gewährt, auch wenn das im Referendarskreis
natürlich niemand vorher zugibt. Ein Nachfragen bei einem Arzt schadet nichts, und jeder, der dies unterlässt, obwohl er eventuell die Voraussetzungen für einen Ausgleich
erfüllt, handelt sehr unglücklich.
Ausgestellt wird das für den Ausgleich notwendige Attest von den Amtsärzten, wobei diejenigen an Gesundheitsämtern, die nicht im unmittelbaren Bereich von Prüfungsorten
liegen (noch gemeldet am Wohnsitz der Eltern?) meist kulanter sind. Vorher sollte man mit einem Haus- oder persönlichem Arzt Rücksprache halten. Verspätete Anträge
(meist Antragsfrist bis vier Monate vor dem Examen) werden nur bei akuten Erkrankungen berücksichtigt, ansonsten verfällt der Anspruch auf Nachteilsausgleich.
Dass dieses System unter Gleichbehandlungsgrundsätzen in seiner praktischen Umsetzung sehr bedenklich ist, bedarf hier keiner Erörterung.
2. Stoff- und Lernplan
Der Stoff- und Lernplan lässt sich des Umfangs wegen hier nicht darstellen. Er steht deshalb
hier als pdf-Datei
(61 kB) zum Download zur Verfügung.
IX. Vorbereitung auf den mündlichen Teil des zweiten Staatsexamens
Nach der Wahlstation steht als Abschluss des Referendariats der mündlich Teil des Staatsexamens an. Die mündliche Prüfung gliedert sich in die Aussprache mit dem
Prüfungsvorsitzenden und die anschließende Prüfung, die im wesentlichen der des ersten Staatsexamens vergleichbar ist. In vielen Bundesländern wird neben der
Prüfung als solcher auch noch der sog. Aktenvortrag verlangt, bei welchem der Referendar meist wie ein berichterstattender Richter der Prüfungskommission eine Akte
vorträgt (Inhalt, Rechtslage, Empfehlung), die ihm kurz vorher zur Auf- und Vorbereitung ausgehändigt wurde.
Die mündliche Prüfung ist eine je nach Bundesland mehr oder weniger große Chance, die Note des schriftlichen Teils nochmals deutlich zu verbessern. Die Prüfer
wollen dem Kandidaten, der ja praktisch alles geschafft hat, nun auch nichts Böses mehr und versuchen meist selbst, die Noten nach oben zu drücken.
Im Wesentlichen gilt es folgendes zu beachten:
1. Aussprache mit dem Vorsitzenden
Diese dient vor allem dem kurzen persönlichen Kennenlernen. Den Prüfern gibt sie die Chance, die Nervosität bei den Prüflingen etwas abzubauen.
In der Regel stellt der Vorsitzende ein paar Fragen zu dem Lebenslauf des Kandidaten, den dieser am Anfang des Referendariats abgeben musste und der deshalb sehr
ausführlich abgefasst werden sollte, sowie zu dessen Examensergebnis. Insbesondere hat der Kandidat die Möglichkeit, zur gewünschten Note in der mündlichen Prüfung und
seinen beruflichen Zielen Stellung zu nehmen, sowie "Erklärungen" zum Examensergebnis abzugeben. Da die Prüfer regelmäßig sowohl die Vornoten aus dem ersten
Staatsexamen als auch die Ergebnisse der Übungsklausuren kennen, muss man hier unbedingt realistisch bleiben - ein offensichtlich lügender Prüfling macht schon per
se keinen guten Eindruck. Das heißt aber nicht, dass man von seinen Zielen Abstand nehmen muss: Wer in den Übungsklausuren im Schnitt bei knapp fünf Punkten
lag und als schriftliche Vornote knapp sechs vorweist, dessen Examen ist sicherlich nicht "grottenschlecht" und "fürchterlich" gelaufen. Aber der Wunsch, aufgrund des
Ergebnisses mit einer guten mündlichen Prüfung, auf die man sich ausgiebig vorbereitet hat, auf über sieben Punkte zu kommen, ist durchaus legitim und auch kein
utopischer Mondwunsch. Das gilt vor allem, wenn vielleicht die Stationszeugnisse durchweg über acht Punkten lagen und der Kandidat folglich lediglich ein schlechter
"Klausurenschreiber", aber dennoch ein guter Jurist ist, der sich aber wegen des arbeitsreichen Auslandsaufenthalts (war er das? Bei Mitarbeit in einer kleinen
Ein-Mann-Kanzlei in Südafrika eher unglaubwürdig!) nur wenig vorbereiten konnte.
Wichtig ist zu wissen, dass diese Gespräche vor allem eine Bringschuld beinhalten: Es ist Sache des Referendars, dem Vorsitzenden klarzumachen, was seine Ziele sind. Und
dann ist es unwahrscheinlich, dass die Prüfungskommission einen "anständigen Kerl" der Eifer zeigt, redegewandt ist und sich umfassend vorbereitet hat, entgegen seinem
Wunsch bei 6,45 Punkten hängen lässt und nicht ins "befriedigend" schiebt.
2. Die mündliche Prüfung
Wesentlich ist hier das eigene Engagement. Ein guter Prüfling antwortet auf Fragen umfassend, nicht nur mit "Ja" oder "Nein". Er erläutert seine Antworten und denkt stets
mit. Wann immer es möglich ist und insbesondere ohne falsch verstandene Rücksicht auf schwächere Kandidaten zeigt der Kandidat durch Blickkontakt an, dass er die Frage
jederzeit beantworten könnte (man sollte sie dann natürlich auch tatsächlich beantworten können) und dass er willens ist, aus eigenem Antrieb seine Note deutlich zu
verbessern.
Hinsichtlich der Vorbereitung wird häufig vertreten, die Mündliche sei mehr ein freundlichen Gespräch unter Kollegen, man müsse sich also nicht mehr so hart darauf
vorbereiten, wie auf den schriftlichen Teil. Das Gegenteil ist der Fall: Nirgendwo sonst offenbaren sich Wissenslücken schneller als in der mündlichen Prüfung! Jedes
Stutzen kann Anlass zu Nachfragen sein, wohlwollende Formulierung um ein Problem elegant zu umgehen wie in der schriftlichen Prüfung sind ausgeschlossen, sogar die Zeit zum
Nachdenken fehlt meist, da nach wenigen Sekunden ohne Antwort die Frage an einen anderen Prüfling gegeben wird - und Punkte gibt es nur bei möglichst vielen richtigen
Antworten, ein "ach ja, genau" auf die Antwort eines anderen langt nicht. Daher die Empfehlung, sich auch und gerade auf die mündliche Prüfung sehr umfassend
vorzubereiten. Zwar können vor allem die Sonderbereiche wie beispielsweise Arbeitsrecht oft weggelassen werden, aber gerade in den klassischen Gebieten wie Schuldrecht AT
müssen alle Antworten sofort und richtig parat sein; erforderlich ist hier deutlich mehr und schnelleres Wissen als im schriftlichen Teil. Wer die Elemente einer
Willenserklärung (gehört Geschäftswille nun dazu?) oder die Voraussetzungen (Kennen oder nur Kennenmüssen des Auftretens als Vertreter?) und die Rechtsfolge (positives
oder negatives Interesse?) einer Anscheinsvollmacht nicht parat hat, wird mit höheren Punktzahlen Probleme haben Es verschieben sich also die Schwerpunkte, die
Lernintensität bleibt vergleichbar.
Inhaltlich ist die Vorbereitung auf die Lieblingsthemen der Prüfer mittels der von den Repetitorien angebotenen Prüfungsprotokolle ein Muss. Für die Vorbereitung sind
aber aus diesen Protokollen nur die Themen als solche zu entnehmen und dann selbständig aufzubereiten. Denn inhaltlich sind die von den Protokollerstellern genannten
Antworten oft genug schlicht falsch oder zu weit an der Oberfläche - man sollte sich hier auf nichts verlassen. Daher am Anfang der Vorbereitung die Fragen aus den
Protokollen notieren und eigenständig, zur besseren Wiederholung schriftlich, beantworten. Wenn all diese Fragen beantwortet sind, gilt es mit der allgemeinen Wiederholung
zu beginnen. Keinesfalls dürfen die Gebiete, die von den Prüfern nie geprüft wurden, völlig außer Acht gelassen werden, da ein Prüferwechsel mitunter noch am
Morgen der Prüfung stattfindet und man zumindest ein Vier-Punkte-Mindestwissen in allen Bereich sicherstellen sollte.
Hinsichtlich der Wahlfächer, die meist nur in der mündlichen Prüfung abgefragt werden, ist noch anzumerken, dass ein Beginn mit dem Lernen des Stoffs nach der
schriftlichen Prüfung im Hinblick auf den Stoffumfang in den Wahlfächern immer ausreicht. Ob ein Beginn auch nach der Wahlstation ausreicht, hängt vom zu erwartenden
Prüfungstermin für die mündliche Prüfung ab, der sich entweder nach dem Alphabet bestimmt oder ausgelost wird.
3. Was sonst noch zu tun ist
Nicht vergessen werden sollte, dass es eine Zeit nach der mündlichen Prüfung gibt. Diese kommt schneller als man denkt, und es gilt zu vermeiden, dann plötzlich vor einem
?Loch? zu stehen und nicht zu wissen, wohin mit seiner Zeit.
Sicherlich, in diesem Zusammenhang fällt einem als erstes ein, den passenden Urlaub zu planen. Hier bedarf es aber keiner weiteren Hinweise von jurawelt.
Wichtig ist allerdings, auch etwas für die Zeit nach ebendiesem Urlaub in Angriff zu nehmen: Unangenehme Lücken im Lebenslauf vermeidet man nur, wenn man sich schon
deutlich vor der mündlichen Prüfung zumindest in einigen Kanzleien bewirbt (sofern man nicht sowieso schon einen guten Kontakt hergestellt hat), um bei diesen einen ersten
Einstieg zu machen. Es schadet nicht, sich dann während man erste Berufserfahrung sammelt unmittelbar nach weiteren, besseren Alternativen umzutun. So ist es auch für gute
Kandidaten leicht denkbar, die ersten Schritte in einer kleinen, örtlichen Sozietät zu machen und dann nach einem halben Jahr in eine Großkanzlei zu wechseln. In
jedem Fall wird so aber ein lückenhafter Lebenslauf vermieden, der sonst als Anzeichen mangelnder Lebensplanung gewertet werden kann.
Ist man sich aufgrund einer nicht so optimalen Note aus dem ersten Examen nicht sicher, in die Wunschkanzlei zu kommen, ist es sogar die vorzugswürdige Lösung, sich mit
dieser eher unglücklichen Note zuerst bei kleineren Kanzleien zu bewerben und erst nach dem Vorliegen der endgültigen, dann hoffentlich ausgefeilteren Note aus dem zweiten
Examen die Wunscharbeitgeber anzugehen.
Somit sei hier die dringende Empfehlung ausgesprochen, rechtzeitig ein paar Bewerbungsunterlagen nebst dem bisherigen Lebenslauf zusammenzustellen und für eine Anstellung
unmittelbar nach der mündlichen Prüfung und dem anhängenden Urlaub Sorge zu tragen.
Für diejenigen, die sich gerne sofort selbständig machen möchten, zählen diese Gedanken natürlich nicht. Nützliche Informationen zum Aufbau einer eigenen Kanzlei
findet Ihr jedoch in der Referendarswelt auf den Seiten von jurawelt.
Zur Anmeldung der Arbeitslosigkeit gibt es Hinweise im nächsten Absatz.
X. Nach den Prüfungen
Man ist ab jetzt berechtigt, den Titel Assessor zu tragen.
Schon wenige Tage nach der mündlichen Prüfung wird das Zeugnis zugesandt, einige Monate später erfolgt die Zusendung der Platzziffer, die den erreichten Rang im
jeweiligen Termin des Bundeslandes darstellt.
Viele Assessoren melden sich erst einmal arbeitslos, um etwas freie Zeit zu genießen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld entsteht frühestens mit dem Tag der Anmeldung
bei dem Arbeitsamt. Nach neuester Rechtslage ist es allerdings notwendig, sich schon eine geraume Zeit vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses, also vor der mündlichen
Prüfung arbeitslos zu melden. In der Regel beträgt dieser Zeitraum zwei Monate. Meldet man sich erst später an, kann ein Teil des Arbeitslosenanspruchs verwirkt sein. Wir
empfehlen daher dringend, sich rechtzeitig vorher bei dem Arbeitsamt über die jeweils geltende Regelung zu informieren.
Fährt man in den Urlaub ist dies ebenfalls dem Arbeitsamt anzuzeigen. Während des Urlaubs hat man keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, es sei denn, dieser war schon
gebucht bevor man erfahren hat, dass die Arbeitslosigkeit droht. Über Einzelheiten informiert auch hier das jeweils zuständige Arbeitsamt.
Bis dahin aber wünscht jurawelt jedem Kandidaten viel Erfolg und eine glückliche Hand!
Dieser Referendarführer wurde erstellt von Sebastian Walter, die Einleitung stammt von Giorgio Decker. Beide
Autoren sind Assessoren und haben ihr Referendariat in Bayern abgelegt.