Abdullatif Kuyru hat den Examenstermin 2004-II in Baden-Württemberg absolviert und jeweils kurze Sachverhaltszusammenfassungen samt Nennung der formellen und materiellen
Probleme erstellt.
Naturgemäß erheben die nachfolgenden Hinweise keinerlei Anspruch auf Richtigkeit – vielmehr wurden sie im unmittelbaren Anschluss an den Termin erstellt, ohne die
Probleme im nachhinein zu bearbeiten oder zu verifizieren. Es ist also durchaus möglich, dass einzelne Problemkreise falsch, ungenau oder gar nicht beschrieben wurden.
Gleichwohl soll die Zusammenfassung dazu dienen, einen gewissen Überblick über mögliche Examensthemen, Schwierigkeitsgrad und prozessuale Einkleidung (Urteil, Schriftsatz,
Gutachten etc.) für zukünftige Absolventen zu gewinnen.
Zusammenfassung des Assessorexamens in Baden-Württemberg im Termin 2004-II
1. Klausur – Zivilrecht
Sachverhalt:
K klagt beim LG Konstanz gegen B1 und B2 auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 10.000 € und Feststellung, dass beide zum Ersatz aller künftigen Schäden
verpflichtet sind (entgangener Gewinn, da K die Kutsche gelegentlich vermietet hatte – bisheriger Ausfall: 1.000 €). B1 ist eine KG in Form einer GmbH & Co.
KG, wobei B2 die persönlich haftende Gesellschafterin der B1 ist (als GmbH polnischen Rechts). Im Jahre 1995 hat K von der Firma Maier eine Kutsche gekauft, die von der B2
in Polen hergestellt und von B1 nach Deutschland importiert und an die Firma Maier verkauft wurde. K macht im Jahre 2003 eine Unfall mit der Kutsche, da aufgrund einer
fehlerhaften Bohrung die Lenkungsverlängerung bricht. Bei dem Unfall werden zwei Pferde des K so stark verletzt, dass sie notgeschlachtet werden müssen. Die Kutsche wird
völlig zerstört. K passiert nichts. Nach Klageerhebung wird über das Vermögen der B1 das Insolvenzverfahren eröffnet, was dem Gericht durch Erklärung der Beklagten
mitgeteilt wird. Zuvor hatten diese u.a. die internationale Zuständigkeit des Gerichts bemängelt und die FK für unzulässig gehalten, da der K zumindest den gegenwärtigen
Schaden von 1.000 € beziffern müsse.
Danach erweitert K die Klage mit den gleichen Anträgen gegen den B3. Dieser ist Geschäftsführer der B2 und hatte nach den Angaben des K das Unternehmen der B1 von dem
Insolvenzverwalter übernommen und führt es unter der Firma "XY (Name des B3), Kutschko, Kutschensysteme" – die Firma der B1 lautete "Deutsche Kutschko GmbH & Co.
KG", die der B2 "Polnische Kutschko GbmH" (bzw. die polnische Kurzform für die GmbH). Zur ordnungsgemäß geladenen mündlichen Verhandlung erscheint nur K. Er stellt die
Anträge aus beiden Schriftsätzen und beantragt VU.
Aufgabenstellung:
Entscheidung(en) des Gerichts (im Falle des Urteils ohne Rubrum und TB) und gegebenenfalls Hilfsgutachten über alle aufgeworfenen Rechtsfragen.
2. Klausur – Zivilrecht
Sachverhalt:
K klagt im Oktober 2003 gegen B im Urkundenprozess auf Zahlung von 4.000 € beim AG Tübingen. B ist der Ehemann der Schwester des K. K hat einen Sohn P, der wegen seiner
schlechten Schulleistungen auf ein Internat geschickt werden soll. Da die Eltern des nicht die finanziellen Mittel aufbringen können, sagen B und seine Ehefrau bei einem
Besuch bei K diesem zu, die Internatskosten anteilig zu übernehmen. Später erhält K von B und seiner Ehefrau ein Schreiben (am 15.10.02), in dem diese die finanzielle
Unterstützung noch einmal verbindlich i.H.v. 1.000 € je Monat zusagen. K schreibt am 28.10.02 zurück und erklärt, dass er das Angebot gerne annehme. B zahlt die ersten
Monate bis September 2003. Danach trennt er sich von seiner Ehefrau, da diese eine ehebrecherische Beziehung unterhält. Er zieht noch am 30.09.2003 aus der Ehewohnung in
Tübingen aus und mietet sich eine neue Wohnung in Reutlingen an. B leistet ab diesem Zeitpunkt auch keinen weiteren Zahlungen mehr an K. Die Klage des K wird am 11.11.2003
an B zugestellt. Dieser rügt zunächst die örtliche Zuständigkeit des AG Tübingen und wendet zudem ein, dass der Anspruch auch sonst nicht bestünde: zum einen sei die
Vereinbarung formnichtig, zum anderen habe er bereits gegenüber dem Kläger angefochten, nachdem er sich von seiner Ehefrau getrennt habe. Denn aufgrund der Trennung habe
sich das vormals gute Verhältnis zum K drastisch verschlechtert. Jedenfalls sei aber aufgrund der geänderten Umstände ein Rücktrittsgrund gegeben. Das AG Tübingen erlässt am
22.1.2004 ein Vorbehaltsurteil, in dem B zur Zahlung der 4.000 € verurteilt und im Übrigen ihm die Geltendmachung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten wird. In
den Entscheidungsgründen führt das Gericht ein, dass die Rüge der Unzulässigkeit nicht greife, da der B zur Zeit der Zustellung der Klage immer noch polizeilich in Tübingen
gemeldet gewesen ist. Im Übrigen sei ein Formfehler nicht ersichtlich. Hinsichtlich der weiteren Einwende (Anfechtung / Rücktritt) wird der B auf das Nachverfahren
verweisen. Eine Berufung legt B gegen das Vorbehaltsurteil nicht ein. In der mündlichen Verhandlung im Nachverfahren erweitert K die Klage auf weitere 5.000 € für die
inzwischen verstrichenen Monate (November 2003 bis März 2004). B rügt weiterhin die örtliche Zuständigkeit und beantragt Klageabweisung unter Aufhebung des
Vorbehaltsurteils.
Aufgabenstellung:
Entscheidung des Gerichts (ohne Rubrum und TB) und gegebenenfalls Hilfsgutachten über alle aufgeworfenen Rechtsfragen.
3. Klausur – Zivilrecht
Sachverhalt:
Ein Mitglied des Vorstandes der Dimmler AG (D) kommt zum Rechtsanwalt R und teilt Folgendes mit:
K1 war lange Zeit bei D beschäftigt. Im Jahre 1999 erhielt er und seine Ehefrau von D ein unverzinsliches Darlehen in Höhe von 20.000 € zur Finanzierung einer
Eigentumswohnung. Das Darlehen sollte dadurch zurückgezahlt werden, dass vom Lohn des K1 monatlich 200 € abgezogen werden. Außerdem wurde zulastend der Eheleute auf dem
in ihrem Miteigentum stehenden Grundstück in Reutlingen eine Grundschuld i.H.v. 20.000 € eingetragen. 2003 hatD dem K1 gekündigt. Bis zu diesem Zeitpunkt war von der
Darlehensforderung insgesamt 7.400 € zurückgezahlt worden. Im Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Reutlingen kam es zu einem Prozessvergleich, in dem u.a.
die Auflösung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wurde. Weiterhin wurden Regelungen hinsichtlich der Freistellung des K1 von der Arbeitspflicht bis zum Wirksamwerden der
Kündigung, Entgeltfortzahlung, Urlaubsgewährung, Zahlung einer Abfindung sowie das Ausstellen eines Arbeitszeugnisses getroffen. Ziffer 5 des Vergleichs lautete schließlich
sinngemäß, dass sämtliche finanzielle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis sowie aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
durch den Vergleich erledigt seien. Nach Satz 2 der Nr. 5 war die Aufrechnung mit Ansprüchen des D gegen die Ansprüche des K1 aus dem Prozessvergleich ausgeschlossen. Ende
2003 hat D das Darlehen ordnungsgemäß nach den Bestimmungen des Darlehensvertrages mit einer Frist von 3 Monaten zum 30.04.2004 gekündigt und die Eheleute zur Zahlung der
restlichen 12.600 € aufgefordert. In dem Darlehensvertrag war als ausschließlicher Gerichtsstand für alle Streitigkeiten das Arbeitsgericht Reutlingen vereinbart
worden. K1 und seine Ehefrau K2 haben daraufhin Klage vor dem Arbeitsgericht Reutlingen erhoben und beantragt, zum einen festzustellen, dass sie der D aus dem
Darlehensvertrag nichts mehr schulden und zum anderen die D zu verurteilen, in die Löschung der Grundschuld zuzustimmen. Sie begründen dies damit, dass die
Darlehensforderung aufgrund des Prozessvergleichs erloschen sei. Es handele sich um ein Arbeitgeberdarlehen, das nur aufgrund des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien
gewährt worden sei. Auch die Rückzahlungsmodalitäten sprächen dafür, das Darlehen als eine Art Entgelt für geleistete Arbeit anzusehen, also als eine besondere Form der
Belohung von Treue und Arbeitsleistung.Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ergäbe sich aus dem rechtlichen oder unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang der geltend
gemachten Ansprüche und dem Arbeitsverhältnis.
Das Arbeitsgericht hat nach Zustimmung der Parteien durch den Vorsitzenden die Klage in Bezug auf die Klageanträge des K1 (Ehemann) teilweise, soweit Zustimmung zur Löschung
der Grundschuld begehrt wird und in Bezug auf die Klageanträge der K2 (Ehefrau) insgesamt abgetrennt und durch Beschluss den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig
erklärt. Das Verfahren wurde insoweit zum LG Tübingen verwiesen.
Die D will nun von R wissen, wie sie sich am besten gegen die Klage verhalten soll. Sie ist der Auffassung, dass der Prozessvergleich keinesfalls die Darlehensforderung
erfassen könne. D habe zu diesem Zeitpunkt nicht einmal gewusst, dass eine solche Forderung bestehe. Sie will aber keinesfalls die Wirksamkeit des Vergleichs in Frage
stellen, da sie froh darüber ist, dass das Arbeitsverhältnis zu dem K1 beendet wurde. Allerdings findet sie findet die Trennung und Verweisung eines Teils der Klage
"unglücklich" und fragt, ob man nicht dagegen vorgehen könne. Außerdem hält sie die Feststellungsklage für unzulässig, da die Kläger den Bestand der Darlehensforderung auch
im Rahmen einer Leistungsklage klären lassen könnten. Denn sie behaupten, die D habe für den Monat Dezember 2003 unberechtigt 200 € zurückbehalten und haben die
Rückforderung dieses vor Gericht angekündigt. Schließlich will D wissen, ob die Möglichkeit besteht, die restliche Darlehensforderung und auch die Ansprüche aus der
Grundschuld im Wege der Widerklage geltend zu machen.
Aufgabenstellung:
Gutachten über verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Fragen sowie Entwurf der sachdienlichen Anträge der Mandantin.
4. Klausur – Strafrecht
Sachverhalt:
A klingelt Abend an der Wohnung der Eheleute L. Herr L ist auf der Arbeit, Frau L mit dem gemeinsamen Sohn zu Hause. Sobald Frau L die öffnet, dringt der maskierte und mit
einer geladenen Schreckschusspistole bewaffnete gewaltsam in die Wohnung ein. Er verlangt von L unter Vorhaltung der Pistole die Herausgabe von 3000 € ;. Er meint, dass
der Ehemann der L ihm das Geld schulde und sie von Glück sagen könne, dass dieser nicht anwesend ist, sonst hätte er eine Kugel abbekommen. Nach dem L ihre Handtasche zeigt
und vorgibt, außer den dort befindlichen 60 € kein weiteres Bargeld zu Hause zu haben, durchsucht A unter fortwährender Bedrohung der L mit der Pistole einige Räume.
Als er nichts findet, nimmt er schließlich die 60 € aus der Handtasche der L und geht mit der Bemerkung, er werde am nächsten Tag wieder zurückkommen und wenn er dann
die 3000 € nicht bekommen, würde die Familie ausgelöscht werden.
Diese Feststellungen beruhen primär auf der Aussage der die unmittelbar danach die Polizei verständigt hat. Da der Sohn der L den A mit einem Pkw wegfahren sah und sich das
Kennzeichen gemerkt hatte, konnte A kurz darauf auf der Straße von einer Polizeistreife gesichtet werden. Als diese auf der zweiten Spur neben A fährt und ihn auffordert,
anzuhalten, beschleunigt A, um zu entkommen. Da sie aber in ein Stauende geraten, muss A aufgeben. Er hält an und lässt sich festnehmen, wobei die Polizei zunächst seine
Identität feststellt ihn durchsucht. In der Jackentasche wird die Maske und im Auto die geladene Pistole gefunden. Pkw, Maske und Pistole werden sichergestellt. A
widerspricht erst im Nachhinein dieser Sicherstellung. Nach ordnungsgemäßer Belehrung will A zunächst nicht aussagen. Nachdem ihm eröffnet wird, dass ein Geständnis sich in
vielerlei Hinsicht positiv auswirken würde (geringere Strafe, u.a. keine U-Haft und sogar Aussetzung zur Bewährung) ist A (unter der Bedingung, dass seine Aussage nur gegen
ihn verwertet wird) bereit, auszusagen und gesteht den von L vorgetragenen Sachverhalt im Wesentlichen ein. Er gibt zu dem an, dass sein Bruder W eigentlich dahinter stecken
würde, da dieser von Herrn L 2000 € haben wollte. Herr L und W hätte vor Jahren gemeinsam ein Geschäft versucht, seien aber gescheitert, so dass jeder seine Investition
von je 2000 € verloren hätte. Seinen Anteil wolle W nun von L zurück, da er diesem die Schuld für das Scheitern gebe. Dabei gehe W aber wohl davon aus, dass er gegen L
keinen zivilrechtlichen Anspruch auf die genannten 2000 € hätte. A habe sich aufgrund eines gemeinsamen Planes bereit erklärt, die Tat auszuführen, wobei er von L 3000
€ nehmen und davon 1000 € selbst einbehalten sollte. Den Pkw habe er von W bekommen. Von der Pistole habe dieser aber nichts gewusst. Man wäre sich nur darüber
einig gewesen, dass notfalls auf massive Handgreiflichkeiten angewendet werden sollen.
W sagt zur Sache nicht aus. Er ist einschlägig vorbestraft, übt lediglich Gelegenheitsjobs aus und lebt mit seiner Ehefrau in einer Mietwohnung.
A ist hingegen ledig und arbeitslos. Auch er lebt in einer eigenen Mietwohnung. Die Polizei hat nach der Ergreifung des A eine DNA-Analyse angeordnet zwecks Speicherung in
einer zentralen Täterkartei.
Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren hinsichtlich der §§ 240, 241, 123, 113, 138 StGB nach § 154 I StPO eingestellt bzw. nach § 154 a I StPO beschränkt.
Aufgabenstellung:
Gutachten über
- umfassende Verwertbarkeit der Aussage des A
- Strafbarkeit des A und B
- in Bertacht kommende vorläufige Maßnahmen der StA und wie sie sich entscheiden würde
- rechtliche Bewertung der sonstigen polizeilichen Maßnahmen, soweit nicht schon unter 1.-3. geprüft
5. Klausur – Strafrecht
Sachverhalt:
B und V sind vor dem AG-Schöffengericht angeklagt, B wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und V wegen Beihilfe zur Körperverletzung in zwei Fällen. Aufgrund
der Beweisaufnahme in der HV ergibt sich folgender Sachverhalt:
B war im Jahre 2001 zu einem Fußballspiel nach Frankreich gereist. Er gehörte zu diesem Zeitpunkt der Hooligan-Szene an und hatte sich im Rahmen des Spiels zusammen mit etwa
20 anderen Hooligans an einer tätlichen Auseinandersetzung mit den französischen Fans beteiligt, wobei die Angriffe von den deutschen Fans ausgingen. Als die Polizisten
einschritten stach B mit seinem zuvor bei V erworbenen Fahrtenmesser (mit einer Klinge von 7,5 cm) auf den Polizisten H ein. Er traf ihn im Bereich des rechten Oberarms und
Schulter. Es wurden einige Nerven und Sehnen durchtrennt, so dass H trotz mehrfachen Operationen die vollständige Bewegungsfreiheit seines Armes wiedererlangt hat und daher
in den Innendienst versetzt wurde. Als der R (ebenfalls Polizist) dem H zu Hilfe eilen wollte, versetzte B diesem an der Hand eine schnittwunde, die operiert wurde und
mittlerweile vollständig verheilt ist. Danach floh B noch vor dem Spielende mit seinem Pkw nach Deutschland.
Die StA wirft ihm in der Anklage gefährliche Körperverletzung nach § 224 I Nr.2 StGB in zwei Fällen vor. Der V wird der Beilhilfe zu diesen Taten beschuldigt, da er dem B
das Messer kurz zuvor in Kenntnis des Rufes des B als gewalttätiger Anhänger der Hooligan-Szene verkauft habe.
Die Angeklagten gestehen in der HV den Sachverhalt ein. V meint jedoch, sich nicht strafbar gemacht zu habe, da er zwar mit der Möglichkeit, damit dem Messer Schindluder
treiben können, gerechnet und er habe auch gewusst, dass B zu diesem Spiel fahren werde. Allerdings habe man nicht von der konkreten Verwendung gesprochen, auch sei das
Verkaufen von solchen Messern für V ein normales Geschäft, womit er als Gewerbetreibender sein Geld verdiene. Was die Kunden mit den Messern anstellten, gehe ihn nichts
an.
B trägt vor, dass er inzwischen aus der Hooligan-Szene ausgestiegen sei und eine Familie gegründet habe. Auch gehe er nun einer geregelten Tätigkeit nach. Er bietet den
Zeugen H und R 20.000 € bzw. 1.000 € als Entschädigung an und belegt (Vorlage eines Schriftsatzes der Versicherung von H und R), dass er auch um die Zahlung der
Regressansprüche der Versicherer bemüht ist. Die Opfer sind mit der angebotenen Summe einverstanden. Der Verteidiger beantragt daher, dass Verfahren gegen B einzustellen,
hilfsweise aber diesen Umstand strafmildernd zu berücksichtigen und gegebenenfalls die Strafe auf Bewährung auszusetzen. Der Vertreter der StA stimmt der
Verfahrenseinstellung nicht zu. Er beantragt vielmehr, einen rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO zu erteilen, da nunmehr auch eine Verurteilung nach § 125 StGB in Bertacht
komme. Der Verteidiger des B beantragt daraufhin, das Verfahren auszusetzen, falls das Gericht insoweit tatsächlich einen Hinweis erteilen sollte. Denn auf den neuen Vorwurf
sei er nicht vorbereitet. Die StA überlässt die Aussetzung der HV ins Ermessen des Gerichts.
Der Verteidiger des V beantragt, dass Verfahren gegen V abzutrennen, da die Sache insoweit freispruchreif sei.
Die StA beantragt schließlich Beweis zu erheben durch Vernehmung von zwei weiteren ausländischen Polizeibeamten, die der B in den Jahren 1990 und 1998 auf ähnliche Weise
(Tritt mit beschuhtem Fuß ins Gesicht und angriff mit Messer) verletzt haben soll. Die Anträge sind konkret gefasst, enthalten genaue Zeit- und Ortsangaben und die
ladungsfähige Adresse der Zeugen. Die Vernehmung dieser Zeugen sei notwendig, um sich ein Bild von der Täterpersönlichkeit zu machen, was für die Bemessung der konkreten
Strafe wichtig sei. Der Verteidiger des B beantragt, diese Anträge gem. § 244 V 2 StPO abzulehnen.
Schließlich beantragt der Verteidiger des B noch, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des B durch entsprechende Anordnung des Ermittlungsrichters bei demselben
Amtsgericht aufzuheben. B sei jedenfalls gegenwärtig aufgrund seines Lebenswandels (gehört nicht mehr zur Szene) nicht mehr ungeeignet i.S.d. § 69 StGB. Insoweit lege er
gegen die Einziehungsanordnung Beschwerde ein.
Da Gericht zieht sich zur Beratung zurück.
Aufgabenstellung:
In einem Gutachten sind zu erörtern
- wie sich B und V strafbar gemacht haben
- wie das Gericht auf die Anträge der StA und der Verteidiger reagieren wird.
Hinweis: Eine dem § 125a StGB entsprechende Vorschrift gibt es im französischen Recht nicht. Hinsichtlich der übrigen in Bertacht kommenden Straftatbestände ist davon
auszugehen, dass eine entsprechende Regelung auch nach französischem Recht existiert.
6. Klausur – Öffentliches Recht
Sachverhalt:
Die Immobilien GmbH (G) möchte sich von Rechtsanwalt R beraten lassen. Es geht um folgenden
Sachverhalt:
G hat mit E (Eigentümer eines Grundstücks im Gebiet (Berg II) der Gemeinde X) einen notariellen Kaufvertrag bzgl. eines Optionsrechts zum Erwerb des Grundstücks geschlossen.
Eine Auslassungsvormerkung wurde eingetragen. Das besagte Gebiet ist durchweg mit Einfamilienhäusern (Höhe max. 3,3 m und ausschließlich Flachdach) bebaut. G möchte aber ein
Satteldach errichten, so dass das Dachgeschoss zusätzlich als Wohnraum genutzt werdenkann. Gegenwärtig haben die Wohnung eine maximale Wohnfläche von 120 qm (für Familie mit
2 bis 3 Kindern geeignet). Auf diese Weise würden die Objekte "marktgängiger", d.h. der Verkehrswert würde erhöht. Die angrenzenden Gebiete wiesen ursprünglich ähnliche
Bebauungen auf. Es hat sich inzwischen aber ein Wechsel zu Satteldächern vollzogen. X will den gewachsenen Siedlungscharakter mit den typischen Flachdächern und vielen
Grünanlagen im besagten Gebiet aufrechterhalten. Sie beschließt daher am 14.7.2003 einen Planaufstellungsbeschluss für das Gebiet, in dem die vorhandene Bauweise festgesetzt
wird (d.h. eingeschossige Wohnungen mit Flachdächern). Sie begründet dies damit, dass bei Zulassung von mehrgeschossigen Wohnungen der Siedlungscharakter beeinträchtigt
werde, außerdem würden neue Stellplätze erforderlich werden. Während der Auslegung des Planentwurfs hatten G sowie 10 betroffene Eigentümer Einwendungen erhoben: die
Flachdächer seien stark sanierungsbedürftig, d.h. würden höhere Unterhaltungskosten verursachen; die eingeschossige Bauweise gebe kein Raum für das Zusammenleben von
mehreren Generationen oder für Großfamilien mit mehr als 3 Kindern (beides sei von Art. 6 GG geschützt); es entspreche dem Verfassungsauftrag, mit Grund und Boden sparsam
umzugehen. X ist der Auffassung, dass Flachdächer bei fachmännischer Aufstellung ebenso lange halten würden wie Satteldächer. Auch 8 weitere Eigentümer sind der Ansicht,
dass die gewachsene Siedlungsstruktur mit den Flachdächern aufrechterhalten werden sollte. Sie hätten einen Anspruch darauf, dass ihr Vertrauen auf den Fortbestand hierauf
nicht beeinträchtigt wird.
G möchte wissen, ob eine Baugenehmigung für das Vorhaben (Dachgeschossausbau und -aufbau) gegenwärtig erlangt werden könnte. Sie möchte ferner wissen, ob sie mit Erfolg
gegen die Veränderungssperre und den Bebauungsplan im Falle seines Inkrafttretens vorgehen könnte. Es soll ferner überprüft werden, ob welche Auswirkungen es auf einen
etwaigen Normenkontrollantrag des E hätte, wenn dieser noch vor Abschluss des Verfahrens das Eigentum an G überträgt. Schließlich sei zu erwägen, ob die Beiladung der
anderen betroffenen Eigentümer mit der gleichen Interessenlage wie die G in einem etwaigen Normenkontrollverfahren der G erreicht werden könnte.
Aufgabenstellung:
Gutachten über sämtliche angesprochenen verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Fragen.
7. Klausur – Öffentliches Recht
Sachverhalt:
Oberbürgermeister der Gemeinde G bittet Rechtsanwalt R um ein Gutachten in folgender Sache: Der Gemeinderat der G hat in einer ordnungsgemäßen Sitzung beschlossen, die
Verkehrsüberwachung künftig durch private Überwachungsunternehmen durchführen zu lassen. Dabei sollen die abgestellten der Privatfirmen nach bestimmten Vorgaben des
Ordnungsamtes ordnungswidrig geparkte Fahrzeuge aufschreiben und den Sachverhalt an die Bußgeldstelle melden. Diese entscheidet dann, ob sie ein Bußgeldverfahren einleitet.
Weitergehende Befugnisse sollen die privaten Unternehmen nicht haben. Das Regierungspräsidium wendet sich gegen diesen Beschluss. Es ist der Auffassung, dass der Beschluss
rechtswidrig ist und weist die Gemeinde daher unter Berufung auf §§ 62 II, 64 Nr3a, 65 PolG an, für die Verkehrsüberwachung weiterhin städtische Bedienstete einzusetzen. Im
selben Schreiben hebt sie ferner den genannten Beschluss der G auf. Dieser sei zudem formell rechtswidrig, da für die Organisation der Gemeindeverwaltung nicht der
Gemeinderat, sondern der Oberbürgermeister zuständig sei.
Der Oberbürgermeister fragt nach möglichem Rechtsschutz.
Ferner sei für den 29.5.2004 von der Gewerkschaft des Polizeidienstes, die bislang mit der Verkehrsüberwachung betraut war, eine Demonstration im Rathaus angemeldet worden.
Dabei haben die Versammlungsteilnehmer (Polizeibedienstete und sonstige Bürger) vor, jeweils mit Trillerpfeifen in den Fluren des Rathauses die Gemeinderatssitzung, die an
diesem Tag über einen Vertragsschluss mit einem privaten Überwachungsunternehmen beraten wolle, zu stören und damit ihren Unmut hierüber zum Ausdruck zu bringen.
Der Oberbürgermeister fragt, ob er die Versammlung gestützt auf sein Hausrecht nach § 36 I GemO oder einer anderen Ermächtigungsgrundlage untersagen könne.
Aufgabenstellung:
- Das erbetene Gutachten ist zu erstellen.
- Sachdienliche gerichtliche Anträge und behördliche Verfügungen sind zu entwerfen.