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Klausur Nr. 10 (Anwaltsschriftsatz / Rechtsmittelschrift mit Mandantenschreiben, materieller Schwerpunkt Bauplanungsrecht)
Gemeinde X beschließt Flächennutzungs- und Bebauungsplan, in welchem ein Factory-Outlet-Center (FOC) mit Bekleidungs- und Schuhgeschäften zugelassen wird als Sondergebiet. Betreiber B des FOC beantragt Baugenehmigung, die ihm das LRA nach Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens durch die X auch erteilt. Hiergegen erhebt Gemeinde Y, die 7 km von dem Standort des FOC gelegen ist, aber dazwischen noch eine andere Gemeinde liegt, Widerspruch, auf welchen hin ein Widerspruchsbescheid ergeht, durch den die Baugenehmigung mit einer Auflage modifiziert wird, daß das Center statt mit 21.000 qm Verkaufsfläche nur mit 15.000 qm gebaut werden darf.

Daraufhin erhebt Y Anfechtungsklage zum VG, B ist notwendig beigeladen. Unter anderem wird geltend gemacht, daß die Baugenehmigung bzw. der Bebauungsplan gegen Ziele der Raumordnung und Landesplanung iSd § 1 IV BauGB verstößt, weil Y in einem Landesentwicklungsplan als "Oberzentrum" ausgewiesen sei, in welchem solche Geschäfte wie in dem FOC vornehmlich sein sollen. Durch das FOC werde aber ein Umsatzrückgang um 8 % bei den vergleichbaren Geschäften in Y folgen, wie ein Gutachten ergebe, weshalb die Belange der Geschäfte erheblich beeinträchtigt seien; dies gelte auch bei der Reduzierung der Verkaufsfläche. Außerdem habe B nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans gem. § 33 I Nr. 3 BauGB zugestimmt. Schließlich sei auch keine Abstimmung iSd § 2 II BauGB erfolgt. Wegen all dem sei die Gemeinde in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt.

Hierauf erwidert B, daß die Gemeinde Y durch die Landesplanung nicht geschützt werde, daß unerheblich sei, ob sie die Zustimmung iSd § 33 I Nr. 3 BGB gegeben habe, daß sehr wohl eine Abstimmung iSd § 2 II BauGB erfolgt sei, die außerdem nur dann zu einem gegenteiligen Ergebnis geführt hätte, wenn gewichtige Belange entgegenstünden, was gerade nicht der Fall sei, und außerdem die Y nicht unmittelbarer Nachbar sei und deshalb schon deswegen nicht geschützt sei. Schließlich mache die Y in Wahrheit Rechte ihrer Bürger geltend.

Außerdem erhebt B gleichzeitig Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid, weil aus diesen Gründen auch die Beschränkung der Verkaufsfläche ungerechtfertigt sei, immerhin erlaube auch der Bebauungsplan ausdrücklich die ursprgl. Fläche, und die Widerspruchsbehörde habe ja auch nicht entsprechend die Baupläne und die Genehmigungsvermerke geändert.

Das VG legt die beiden Klagen zu einem Verfahren zusammen und weist in der mündlichen Verhandlung daraufhin, daß der Erfolg der Klage der B entscheidend vom Erfolg der Klage der Y abhänge, weshalb es die Aussetzung der zweiten Klage anrege. Prozeßvertreter der B lehnt das ab. Außerdem wird von B behauptet, daß durch eine Verkehrsänderung nunmehr die direkte Verbindung zwischen Y und dem FOC durch einen 9 km langen Umweg verlängert wurde, die Y bestreitet das.

Daraufhin erläßt das VG das Urteil, in dem der Klage der Y vollumfänglich stattgegeben wird, die Klage der B wegen Unzulässigkeit abgewiesen wird.

Begründet wird dies hinsichtlich der ersten Klage, daß die Baugenehmigung gegen die Landesplanung verstoße, und außerdem gegen § 35 III 1 Nr. 5 (natürliche Eigenheit der Umgebung), Nr. 7 (Gefahr der Splittersiedlung) und III S. 2 (Raumplanung) BauGB verstoße, und schließlich auch schon keine formelle Planungsreife iSd § 33 I BauGB vorliege, weshalb es auf die materielle Planungsreife nicht ankomme. Die Rechtsverletzung iSd § 42 II VwGO iVm Art. 28 II GG wird damit begründet, daß durch die Festlegung der Y als Oberzentrum gleichzeitig ihre "wirtschaftliche Identität" festgelegt werde, und die Gemeinde gem. Art. 57 I GO im eigenen Wirkungskreis für die wirtschaftlichen Interessen der Gemeindebürger verantwortlich sei, deren Belange durch das schnell erreichbare und in räumlicher Nähe befindliche FOC beeinträchtigt seien.

Die zweite Klage sei unzulässig, weil es sich in der Auflage in Wirklichkeit um eine Modifizierung der Baugenehmigung handele, die nicht mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden könne. Hierauf mußte das Gericht auch nicht hinweisen, weil die B durch einen rechtlich kundigen Vertreter als RA und Fachanwalt für Verwaltungsrecht vertreten war.

Daraufhin kommt B zu Anwalt und will rechtliche Schritte unternehmen. B weist bei der Gelegenheit daraufhin, daß drei Tage nach Zustellung des Urteils der Bebauungsplan in Kraft getreten sei und in formeller Hinsicht alles ok sei. Außerdem wird festgestellt, daß die Gemeinde X im Rahmen der Abwägung iSv § 1 VI BauGB die Belange der Y, die sie bei ihrer Beteiligung iSv § 3 BauGB geltend gemacht habe, deutlich berücksichtigt habe.

B will Entwurf einer "Rechtsmittelschrift" und Mandantenschreiben mit Risiken des Prozesses. Sonstige angesprochene rechtliche Probleme in Hilfsgutachten.

Formelle Probleme: Antrag auf Berufungszulassung gem §§ 124, 124 a VwGO, Gründe des § 124 II VwGO, Nichtberücksichtigung von entscheidungserheblichen Tatsachen, Überraschungsentscheidung als Verletzung des rechtlichen Gehörs 19 IV GG, Umdeutung Anfechtungsklage in Verpflichtungsklage § 88 VwGO bei unzulässiger isolierten Anfechtungsklage, Problem der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit.

Materielle Probleme: Raum- und Landesplanung und daraus sich ergebende Rechte der Gemeinde, Rechtsverletzung der Gemeinde iSd § 113 I 1 VwGO, interkommunales Abstimmungsgebot iSd § 2 II BauGB, formelle und materielle Planreife gem. § 33 BauGB, Verletzung drittschützender Normen bei §§ 33, 35 III 1 Nr. 5, 7, S. 2 BauGB, entscheidungserheblicher Zeitpunkt bei Anfechtungsklage bei nachträglicher Veränderung der Rechts- oder Sachlage im Falle des Bebauungsplanserlasses, isolierte Anfechtung von Nebenbestimmung, Abgrenzung Auflage / modifizierende Auflage.

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