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Klausur Nr. 3 (Urteil nur mit Kostenentscheidung, materieller Schwerpunkt Erbrecht)
Klägerin ist Enkelin des Erblassers, der mit seiner Frau = "Stiefoma" zwei gemeinschaftliche Testamente gemacht hat. Jeweils gegenseitige Erbeinsetzung, und als zweite Verfügung in den beiden Testamenten "für den Fall des gleichzeitigen Todes" ursprgl. die Klägerin, dann im späteren zweiten Testament die beiden Nichten der Ehefrau des Erblassers als Alleinerben eingesetzt.

Das Ehepaar begeht Selbstmord, wobei der Erblasser 25 min länger lebt als Frau, aber das Bewußtsein nie erlangt hat.

Klägerin meint, der Tod sei nicht gleichzeitig, und sie sei deshalb gesetzliche Alleinerbin, und erhebt Feststellungsklage zum Landgericht. Die beiden Beklagten, denen bereits ein Erbschein ausgestellt wurde, meinen, Gleichzeitigkeit läge vor, und außerdem stünde der Erbschein der Klage schon entgegen, und außerdem sei das LG örtlich unzuständig, und außerdem sei die Klägerin enterbt, wie sich aus Äußerungen des Erblassers entnehmen ließe.

Hilfsweise macht die Klägerin den Pflichtteilsanspruch geltend, wobei sie auch das Vermögen der Ehefrau als Grundlage hernimmt. Die Beklagten meinen, der Pflichtteil könne sich nicht auch auf das Vermögen der Frau beziehen, deren Abkömmling die Klägerin nicht sei, außerdem müsse sich die Klägerin eine Schenkung des Erblassers gem. § 2327 anrechnen lassen, und außerdem sei Anspruch verjährt, weil mehr als drei Jahre seit Kenntniserlangung der Klägerin von Testamenten und deren Inhalt. Klägerin wehrt sich mit Argument, es sei eine Anstandsschenkung gewesen, und Verjährung minus, weil sie ja nur hilfsweise Anspruch erhoben hat und davon ausgeht, daß sie Erbin geworden ist, und der Rat des RA nicht ihr zu Last fallen kann.

Gefragt war Urteil des LG mit allem außer Kosten erlassen.

Probleme:

- Prozessual: Gerichtsstand § 27 ZPO, Feststellungsinteresse, Verhältnis Erbscheinsverfahren / Zivilklage, Gebührenstreitwert und Kostenentscheidung bei Feststellungsklage und hilfsweise Pflichtteilsanspruch (§ 19 I 2, 3 GKG)
- materiell: Auslegung "Gleichzeitigkeit", Höhe und Vermögensgrundlage Pflichtteil (getrennte Vermögensmassen), (Nicht)Anwendbarkeit von § 2327 bzw. § 2330, Verjährung und ab wann "Kenntnis".

Alles in allem wiederum machbar, wobei die Klausur aufbaute auf drei teils aktuelle Urteile:

- BayObLG FamRZ 1999, 334 = life&law Bayern-Spezial 1/2000, S. 10 ff: Bindung des Nachlaßgerichts an ZPO-Feststellungsurteile (ist aber auch schon in Palandt kommentiert, vor § 2353 Rn. 6 f.)
- BGH NJW 2000, 288 = life&law Bayern-Spezial 3/2000, S. 9 ff.: "Ein Kenntnis iSd § 2332 I BGB ausschließender Irrtum liegt vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte nach seiner Auslegung der letztwilligen Verfügung sein Erbrecht nicht beeinträchtigt sieht, jedenfalls, wenn diese Auslegung nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist."
- BayObLG FamRZ 1997, 249 = life&law 3/2000. S. 9 ff. (also genauso wie oben, Hemmer hat diese beiden Entscheidungen zusammen besprochen - ich hör schon das "absoluter Volltreffer"-Geschrei, wobei sie ja recht haben ...): Sachverhalt ist fast identisch mit Klausursachverhalt, in Wirklichkeit haben sich die beiden eine Kugel in den Kopf gejagt, im Examen sind sie vom Turm gesprungen ... Ergebnis auf jeden Fall Auslegung als "gleichzeitiger Tod" (+) (im Palandt bei § 2269 BGB kommentiert, mußte man aber erst finden, ich hab's nicht ...)

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