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Mündliche Prüfung im Zweiten Staatsexamen am 13. Mai 2002
Prüfer: Rechtsanwalt Dr. Klocke, Duisburg (IPR)
Prüfungsfach: Zivilrecht
Prüfungsdatum: 13. Mai 2002

I. Zur Person:

Dr. Klocke ist als Prüfer durchaus angenehm, es sei denn man hat eher wenig Ahnung oder – schlimmer noch – versucht mit der Frage nur vage verbundenes Wissen als Antwort anzubieten. Gerade wenn man, statt auf die Frage direkt zu antworten, versucht, die Frage in einen etwas weiteren Zusammenhang einzuordnen, so tendiert er durchaus dazu, etwas unwirsch zu wirken. Aber das scheint keinen Einfluss auf das weitere Prüfungsgespräch zu haben, man sollte sich davon also keineswegs beeindrucken lassen. Aber vielleicht versuchen, den Fragen nicht auszuweichen.

II. Zur Prüfung

Der erste Teil der Prüfung spielte schwerpunktmäßig im IPR und lief letztlich auf die EuGH-Entscheidung Überseering hinaus.

Eine niederländische Firma, die ihren Sitz nach Deutschland verlegen will, bzw. verlegt hat. Von den eher allgemeinen Fragen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um einen Vertrag wirksam schließen zu können, ging es dann ganz konkret um die Frage, ob die Firma, wirksam gegründet als B.V. nach niederländischem Recht, einen Kaufvertrag für das Bürogebäude, in welchem die Firma ihre Büros einrichten will (bzw eingerichtet hat), eingehen zu können, abschließen kann. Hier musste also der Anknüpfungspunkt genannt werden und darauf eingegangen werden, wonach sich das Personalstatut bestimmt. Dies erforderte die Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer Vergleichbarkeit von B.V. und GmbH sowie schließlich natürlich eine Erläuterung der Grundsätze von Sitz- und Gründungstheorie.

Auf die Frage, ob denn im konkreten Fall über das IPR hinaus besondere Rechtssätze Anwendung finden könnten, kam das Gespräch auf das Europarecht und damit die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43, 48 EG-Vertrag. Dr. Klocke bot dann selbst den Wortlaut der EuGH-Entscheidung „Überseering“ an und wollte deren Konsequenzen diskutiert wissen. Dabei wurde nochmaliger Wert auf die Argumente für und wider Sitz- bzw. Gründungstheorie gelegt, letztlich festgemacht an der Formulierung des EuGH, die Mitgliedstaaten hätten die wirksame Gründung nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats „zu achten“. Interessanterweise keine Rolle spielte die BGH-Entscheidung vom März 2003, wonach eine Gesellschaft, die unter dem Schuetz der im EG-Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit stehe, berechtigt sei, „ihre vertraglichen Reche in jedem Mitgliedsstaat geltend zu machen, wenn sie nach der Rechtsordnung des Staates, in dem sie gegründet worden ist und in dem sie nach einer eventuellen Verlegung ihres Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedsstaat weiterhin ihren satzungsmäßigen sitz hat, hinsichtlich des geltend gemachten Rechts rechtsfähig ist“ (BGH, Urteil vom 13. März 2003 – VII ZR 370/98). Da diese Entscheidung entweder niemand kannte oder niemand sich traute, sie ins Spiel zu bringen, gestaltete sich das weitere Gespräch im Rückblick etwas frustrierend, da es in der Folge hauptsächlich darum ging, dass mit der „Überseering“-Entscheidung jedenfalls nicht gemeint sein könne, dass eine nach dem Recht eines EU-Staates gegründete Gesellschaft in Deutschland als Gesellschaft anerkannt werden müsste, sondern ihren (Rechts-) Position als Gesellschaft lediglich zu achten sei.

Danach ging es anlässlich eines aktuellen Falles aus der Praxis von Dr. Klocke nur noch um deutsches Gesellschaftsrecht (im weitesten Sinne). Ein nicht allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH unterschreibt für seine GmbH einen Vertrag, deren Erfüllung der andere (ausschließlich:) allein vertretungsberechtigte Geschäftsführer verweigert nachdem bereits eine Anzahlung auf den Vertragspreis geleistet worden ist. Es waren daraufhin die Voraussetzungen der wirksamen Vertretung einer GmbH herauszuarbeiten und vor allem die sich durch das Handelsregister ergebenden Besonderheiten. Folglich stellte sich die Frage, ob hier noch Raum für eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht gewesen sein könnte. Es bestätigte sich die Vermutung, dass es nicht schadet, die Definition von Duldungs- und Anscheinsvollmacht parat zu haben – gerade auch weil beide hier im Ergebnis abgelehnt wurden. Der Grund soll darin zu sehen sein, dass eine GmbH jenseits der Publizität des Handelsregisters keinen Rechtsschein setzen könne (so die sehr komprimiert zusammengefasste Argumentation, auf die man sich einigte).



Prüfer: Präsident des LG Dortmund Brahm, Vorsitz
Prüfungsfach: Strafrecht
Prüfungsdatum: 13. Mai 2002

I. Zur Person:

Herr Brahm ist ein angenehmer Prüfer. Schon im Vorgespräch gibt er zu verstehen, dass es in der Prüfung nur darum gehen kann, auf dem Erreichten aufzubauen und man nicht zu nervös sein sollte. Dann werde sich schon zeigen, wie weit (hinauf) es gehe. Insbesondere in der Strafrechtsprüfung, die in diesem Termin zum Schluss stattfand, zeigte sich auch seine Bereitschaft, einen Kandidaten „raufzuprüfen“, d.h. so viele Fragen zu stellen, dass bei entsprechenden Antworten auch das „befriedigend“ noch vergeben werden kann. Was auch gelang, allerdings wohl auf Kosten eines anderen Kandidaten, der weniger Gelegenheiten bekam, zu antworten – und vielleicht deshalb als einziger beim „ausreichend“ blieb.

II. Zur Prüfung:

Geprüft wurde auf der Grundlage eines unlängst vom BGH entschiedenen Falles (NJW 2002, S. 1057; Besprechung etwa in JA 2002, S. 745), in dem das potentielle Mordopfer bereits verstarb, bevor der Täter seinen ganzen Plan in die Tat umsetzen konnte. Brahm schilderte den Fall etwa so: A ist mit seinem Halbbruder B verfeindet, eine Feindschaft, die in letzter Zeit noch dadurch verschärft wurde, dass B dem A die Freundin ausspannte. A entschließt sich mithin, B umzubringen. Da er jedoch auch die Freundin zurückgewinnen will, soll B vor seinem Ableben noch einen Brief an diese schreiben, der die Chancen des A bei der (Ex-) Freundin steigern soll.

A lauert also dem B eines Nachts auf und schlägt ihn mit einer Taschenlampe von hinten nieder. B wird ob des Schlages bewusstlos und geht zu Boden. A fesselt und knebelt ihn und packt ihn in den Kofferraum seines Autos. Er fährt dann mit B im Kofferraum zu einem mehrere Dutzend Kilometer entfernten Wochenendhaus, wo B den Brief an die Freundin schreiben soll, bevor A ihn umbringen will. Einmal angekommen muss A jedoch feststellen, dass B bereits auf der Fahrt im Kofferraum gestorben ist.

Strafbarkeit des A?

Der erste Kandidat legte gleich mit einer Prüfung des § 211 StGB los, den er offensichtlich für ohne weiteres vollendet hielt. Das gab Gelegenheit, die Mordmerkmale zu diskutieren, insbesondere die Frage, in wiefern Eifersucht als „niedriger Beweggrund“ anzusehen ist, aber auch die Definition von Heimtücke zu liefern. Die eigentliche Frage, nämlich ob hier wirklich ein vollendeter Mord vorlag, wurde erst später geprüft, ohne dass dies im Ergebnis dem Kandidaten, der mit der Prüfung der Mordmerkmale ein wenig vorgeprescht war, zum Nachteil gereicht hätte. Die Frage war nämlich, ob der Tod des B, so wie er eingetreten war, auch vom Vorsatz des A umfasst war, ob er den Zusammenhang zwischen Tathandlung und Erfolg erfasste. Hieran mussten sich Zweifel schon deswegen aufdrängen, weil es ja für das Gelingen des Planes des A entscheidend darauf ankam, dass B am Zielort noch leben würde, um den Brief zu schreiben und erst dann sterben sollte. Der BGH löst dies über die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine unwesentliche Abweichung des Kausalverlaufes angenommen werden kann. Dies soll dann der Fall sein, wenn der Täter die Versuchsschwelle bereits überschritten hat. Hier wird man davon ausgehen müssen, dass A die Schwelle zum Versuch des Mordes noch nicht überschritten hat, da B ja vor seinem Tod noch den Brief schreiben sollte.

Es wurden dann noch weitere Normen im Hinblick auf den Taterfolg (Tod des B) geprüft. Eine Körperverletzung mit Todesfolge schied aus, da die der erforderliche Zusammenhang zwischen Körperverletzung (Schlag mit Taschenlampe) und Todesursache (Ersticken) nicht gegeben war. Den Versuch die Körperverletzung im „Schaffen eines pathologischen Zustandes“ (Fesseln, Knebeln) zu sehen, lehnte man mangels Vorsatz, auf diese Weise B eine Körperverletzung zufügen zu wollen, ab. Auch eine fahrlässige Tötung wurde im Ergebnis abgelehnt, wohl mangels Voraussehbarkeit des Erfolges. Es blieb die Freiheitsberaubung mit Todesfolge (§ 239 IV StGB).

Außerdem wurden noch § 224 Nr. 2 und Nr. 3 geprüft und bejaht.

Kurz vor Schluss legte Richter Brahm dann noch einen Schlenker in die StPO ein. So war zu klären, vor welchem Gericht im obigen Falle Anklage zu erheben wäre und ob dagegen vorgegangen werden könne, wenn aus dem Rubrum eines Urteils hervor gehe, dass ein (eigentlich) unzuständiges Gericht entschieden habe (die Antwort ergibt sich aus § 6a StPO).



Prüfer: Vorsitzender Richter am VG Arnsberg Herlt
Prüfungsfach: Öffentliches Recht
Prüfungsdatum: 13. Mai 2002

I. Zur Person:

Auch Richter Herlt ist ein Prüfer mit dem sich (gut) leben lässt. Die aus den anderen Protokollen bekannte Neigung im weitesten Sinne aktuelle Themen zum Gegenstand der Prüfung zu machen, zeigte sich in unserer Prüfung allerdings nur in geringem Maße. So wählte er als Einstieg die Frage, was den aus öffentlich-rechtlicher Sicht im Zusammenhang mit der Selbstdarstellung einer Gemeinde im Internet zu beachten sein könnte, wobei er bereits einleitend klarstellte, dass es hierbei um einen Bereich gehe, in dem noch nichts entschieden sei, folglich kein Spezialwissen abgefragt werde, sondern es eher um kollektives Brainstorming gehe (was er allerdings –natürlich- nicht wörtlich so sagte).

II. Zur Prüfung:

Für die Frage, was aus öffentlich-rechtlicher Sicht im Zusammenhang mit dem Internetauftritt einer Gemeinde zu beachten ist, ging es zunächst darum, einige relevante Vorschriften zusammen zu tragen (insbes. Art. 78 Verf. NRW, Art. 28 II GG). Sodann wurde diskutiert, was aus öffentlich-rechtlicher Sicht allgemein beachtlich sein könnte. Nachdem ein bisschen über Fragen der inhaltlichen Ausgestaltung des Internetauftrittes nachgedacht wurde (Verbindlichkeit der enthaltenen Aussagen? Anspruch auf Erwähnung bestimmter/aller Betriebe im Gemeindegebiete?), ging es um die grundsätzlichere Frage, ob die Gemeinde, wenn sie den Internetauftritt selbst gestalte bzw. anbiete, wirtschaftlich im Sinne von § 107 GO NRW tätig sei. Dazu war zunächst zu klären, was eine wirtschaftliche Betätigung in diesem Sinne darstellt (vgl. § 107 I S. 3 GO NW) und dann vor allem, was mit dem Begriff des „Betriebs von Unternehmen“ gemeint ist. Hierbei wurde kein Spezialwissen erwartet, viel mehr ging es darum, eine brauchbare Definition zu entwickeln. Das eigentliche Problem, das Richter Herlt wohl beschäftigt(e), wurde dabei auch klar: Der Betrieb eines Internet-Angebotes durch die Gemeine wird wohl als „Unternehmen“ (und damit wirtschaftliche Betätigung) zu werten sein, wenn die Gemeinde damit eine selbstständige Organisationseinheit beauftragt, nicht aber, wenn die Webseiten unter Rückgriff auf bereits vorhandenes Personal und bestehende Ämter oder Abteilungen (etwa innerhalb des Rathauses) erstellt werden. Dem Sinn und Zweck der Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden, so wie er mit den §§ 107 ff. GO NW verfolgt wird, ist damit nicht zu entsprechen. Man wird sehen, wie sich diese Fragen weiter entwickeln.

Für den zweiten Fall ging es dann ins Baurecht. Hier waren Standard-Kenntnisse und Definitionen gefragt.

Ein Landwirt L, der als Hobby auch Pferde hält, hat auf seinem Hof im Außenbereich ein Holzgebäude errichtet, in dem die Pferde untergebracht sind. Dieses brennt im Jahre 2002 ab. Er errichtet daraufhin ein neues, größeres Gebäude in geringem Abstand zum Nachbargrundstück des N. N informiert daraufhin den zuständigen Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf. Dieser entscheidet, dass das neue Gebäude abgerissen werden muss. Die entsprechende Ordnungsverfügung wird dem L am 10. Februar zugestellt. L ist jedoch bis zum 12. März im Krankenhaus und erhält erst an diesem Tage Kenntnis von der Ordnungsverfügung. Er legt daraufhin Widerspruch ein. Der Oberbürgermeister gewährt Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, weist den Widerspruch jedoch zurück. Der Widerspruchsbescheid wird L am 12. Mai zugestellt. Am 13. Mai kommt er und möchte wissen: Was tun?

Hier wurden nun schulmäßig Zulässigkeit und Begründetheit einer Anfechtungsklage geprüft, wobei es darauf ankam, jeden Schritt kurz zu erwähnen und gegebenenfalls auch hier nicht ohne weiteres problematische Punkte anzusprechen. So fragte Richter Herlt auch danach, ob denn die Widerspruchsbehörde hier überhaupt berechtigt war, über den verfristet eingelegten Widerspruch zu entscheiden (Stichwort: Herrin des Verfahrens, allerdings stellte sich diese Frage in der konkreten Fallgestaltung nicht, da die Widerspruchsbehörde zuvor – zulässigerweise – Wiedereinsetzung gewährt hatte. Trotzdem war auch kurz die Rechtsprechung des BVerwG zu erwähnen, wonach die Widerspruchsbehörde dann nicht mehr über den verfristeten Widerspruch entscheiden dürfen soll, wenn Rechtspositionen Dritter betroffen sind).

Die Prüfung der Begründetheit einer möglichen Anfechtungsklage wurde dann schrittweise an den entsprechenden Vorschriften von BauO NW (insbes. §§ 61, 65, 75), OBG NRW (insbes. § 15 – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) und BauGB (insbes. § 35) durchgeführt. Dabei ging es regelmäßig (nur) um die sorgfältige Anwendung von Standardwissen.

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