Thorsten Kleine
Zweites Juristisches Staatsexamen NRW Examensprüfung Mai 2002
Klausur Z I: Urteil
Thema: Die Klägerin wurde von dem Beklagten beauftragt, Parkettarbeiten in der Wohnung der A durchzuführen. Nach
Durchführung der Arbeiten erfolgte keine Abnahme durch den Beklagten. Ausserdem zahlte A nicht. Ein Vorprozess der Klägerin
gegen A auf Zahlung des Werklohnes wurde abgewiesen, weil nicht bewiesen werden konnte, das der Beklagte als Stellvertreter
der A gehandelt hat. Eine Streitverkündung gegenüber dem jetzigen Beklagten erfolgte im Vorprozess. Dieser trat dem Streit
jedoch nicht bei. Später stellte sich heraus, dass die Streitverkündungsschrift an die falsche Adresse gesendet und dem
Beklagten nie zugestellt worden ist. Die Klägerin will den Werklohn und die Kosten des Vorprozesses vom Beklagten ersetzt
haben. Die diesbezüglichen Gerichtskosten hat die Klägerin bereits gezahlt. Die eigenen Anwaltskosten sowie die der A hat
die Klägerin noch nicht gezahlt. Alle Kosten sind aber rechtskräftig festgesetzt worden Kostenfestsetzungsbeschluss etc.).
Der Beklagte erklärte hilfsweise die Aufrechnung mit einer Forderung gegen die Klägerin, die ihm zuvor von B abgetreten worden ist. Nach
Rechtshängigkeit (aber vor Erklärung der Hilfsaufrechnung durch den Beklagten) trat die Klägerin einen Teil der
Werklohnforderung, die sie in diesem Prozess geltend macht, an C ab. Die Klägerin meinte, sie könne trotzdem noch die
Gesamtsumme geltend machen. Hilfsweise beantragte sie die Zahlung des abgetretenen Teils der Werklohnforderung an C.
Ausserdem war sie der Ansicht, nach ihrer teilweisen Abtretung könne der Beklagte nicht mehr aufrechnen. Eine Beweisaufnahme
hat nicht stattgefunden. Zu prüfen waren u.a. § 179 Abs.1 BGB und § 265 ZPO.
Klausur Z II:
Relationsmässige Begutachtung aus Anwaltssicht mit Zweckmässigkeitsstation, bei der es auch um
Beweisprognose ging; am Ende Formulierung des Klageantrags an das Gericht; Sachverhaltsdarstellung war entbehrlich
Thema: Es lagen zwei Sicherungsübereignungen hinsichtlich eines Backofens vor (an den Mandanten und an B). Welche erfolgte
zuerst? B holte sich den Ofen vom Sicherungsgeber und verkaufte ihn an D, der gutgläubig war. Zu prüfen waren Ansprüche des
Mandanten gegen B auf Herausgabe des Veräusserungserlöses (z.B. §§ 816 Abs.1 S.1; 989, 990; 677 ff BGB). In diesem
Zusammenhang musste das Eigentum des Mandanten zum Zeitpunkt des Verkaufs geprüft werden (hierbei spielte auch § 933 BGB
hinsichtlich des Zeitpunktes der Gutgläubigkeit eine Rolle). Außerdem ging es um den Entstehungszeitpunkt und den Umfang
eines Vermieterpfandrechts (§§ 562 BGB, 811 Abs.1 Nr.5 ZPO), da B Vermieter des Sicherungsgebers war.
Klausur C I:
Urteil (ohne Entscheidung über Kosten und vorl. Vollstreckbarkeit)
Thema: Die Kläger (Eheleute) wendeten sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde. Sie beantragten,
die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde für unzulässig zu erklären und hilfsweise die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde
zurzeit für unzulässig zu erklären. Es musste die Zulässigkeit und Begründetheit einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO)
geprüft werden. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Fraglich war, hinsichtlich welchen Betrages sich die Kläger in
der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatten. Die diesbezügliche Erklärung musste ausgelegt werden.
Ausserdem sprachen die Kläger weitere Punkte an, die ihrer Meinung nach bereits zur Unwirksamkeit des zugrundeliegenden
Unternehmens- und Grundstückskaufvertrages führen.
Klausur C II:
Gutachten aus Anwaltssicht mit Zweckmässigkeitsstation; am Ende Formulierung der Anträge an das Gericht;
Sachverhaltsdarstellung war entbehrlich
Thema: Vollstreckungsgegenklage und Vollstreckungserinnerung (gegen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss). In einem
Vorprozess wurde der Mandant (der damalige Beklagte) zur Zahlung von Werklohn Zug-um-Zug gegen Beseitigung von bestimmten
Mängeln verurteilt. Der damalige Kläger (Werkunternehmer) betreibt jetzt die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil, obwohl
er einige Mängel überhaupt nicht beseitigen wollte und andere nicht ordnungsgemäss beseitigt hat. Der Mandant will
Zwangsvollstreckungsmassnahmen verhindern. Hilfsweise rechnete der Mandant mit seinem Gegenanspruch aus § 633 Abs.3 BGB auf.
Auf jeden Fall will er die Kosten für die Beseitigung der Mängel vom Werkunternehmer ersetzt haben. Im Rahmen der
Vollstreckungserinnerung war § 765 ZPO relevant (Beweis durch öffentliche Urkunde erforderlich).
Klausur S I: Anklageschrift
Thema: A und B vereinbarten einen Kneipenbummel, wobei B keinen Alkohol trinken sollte, um A mit dessen PKW nach Hause
fahren zu können. Es kam während des Kneipenbesuchs zu einem Streit zwischen den beiden. Daraufhin verliess B die Kneipe und
liess A, der zu diesem Zeitpunkt bereits betrunken war, alleine in der Kneipe zurück. B fuhr mit öffentlichen
Verkehrsmitteln nach Hause, während A sich betrunken an das Steuer seines PKW setzte. B verursachte einen Unfall. Er übersah
eine rote Ampel und fuhr frontal in einen PKW. Die Fahrerin des PKW wurde dabei schwer verletzt. Ihre Tochter wurde getötet.
A entfernte sich danach sofort vom Unfallort und fuhr einige Kilometer entfernt in einen Strassengraben. Beim Eintreffen der
Polizei sass A mit einer Platzwunde an der Stirn auf dem Beifahrersitz. Er behauptete, nicht er, sondern B (dessen Vorname
er nennt) sei gefahren. Diese Aussage wiederholte A einen Tag später im Krankenhaus. Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte A eine
BAK von 3,25 Promille und B von 2,2 Promille. Die Strafbarkeit von A und B war zu prüfen, wobei auch dargestellt werden musste, warum
davon ausgegangen werden kann, dass A Fahrer des Unfallwagens war. Darüber hinaus enthielt die Klausur auch zahlreiche
prozessuale Probleme. Zum Beispiel war der Vater des toten Kindes nicht mit der Obduktion seiner Tochter einverstanden.
Daraufhin wurde der Leichnam von einer Staatsanwältin beschlagnahmt und von dieser auch die Obduktion angeordnet. Ausserdem
widersetzte sich B, der in der Nacht des Unfalls von Polizisten in seiner Wohnung aufgesucht wurde, der Mitnahme zur Wache,
um eine Blutprobe durchzuführen und wurde deswegen vorläufig festgenommen. Zwei Polizisten durchsuchten zuvor im Krankenhaus
die Kleidungsstücke des A und beschlagnahmten dessen Haustürschlüssel. Danach durchsuchten sie ohne Hinzuziehung weiterer
Personendessen Haus mitsamt Büroräumen, wo sie Hinweise auf die Identität des B fanden, der ein Angestellter des A ist. A
war mit dem Vorgehen der Polizisten nicht einverstanden. Die Klausur war sehr umfangreich.
Klausur S II: Urteil (ohne Kostenentscheidung)
Thema: Es lag eine Anklageschrift mit drei Angeklagten vor. Der Angeklagte A wurde u.a. wegen der Begehung eines
Wohnungseinbruchsdiebstahls angeklagt. Dieser war aber schon verjährt. Es hat eine umfangreiche Beweisaufnahme
stattgefunden, bei der es um die Frage ging, ob A diesen Diebstahl überhaupt begangen hat. Hierauf kam es dewegen an, weil B
wegen Hehlerei angeklagt war und insofern eine rechtswidrige Vortat vorliegen musste. Ausserdem waren die Straftatbestände
Begünstigung und einfache bzw. gefährliche Körperverletzung zu prüfen. Die Klausur war sehr umfangreich.
Klausur V I: Urteil
Thema: Es musste die Rechtmässigkeit eines Kostenbescheides für eine Ersatzvornahme (auch der Höhe nach) überprüft werden,
wobei die Ersatzvornahme im Wege des Sofortvollzuges gemäss § 55 Abs.2 VwVG NRW durchgeführt worden ist. Bei der
Ersatzvornahme handelte es sich um die Durchführung von Massnahmen zur Absicherung einer Baustelle. Es ging um die in diesem
Zusammenhang typischerweise auftretenden Probleme wie zum Beispiel die Störerauswahl. Eine umfangreiche Beweisaufnahme hat
stattgefunden zu der Frage, ob die Ersatzvornahme in der durchgeführten Form notwendig war und ob überhaupt eine Gefahr für
die öffentliche Sicherheit vorlag. Die Klausur enthielt weitere prozessuale Probleme (zum Beispiel wurde zunächst eine
Untätigkeitsklage gemäss § 75 VwGO erhoben).
Klausur V II: Gutachten aus der Sicht eines Verwaltungsjuristen; am Ende Entscheidungsvorschlag; Sachverhaltsdarstellung
war entbehrlich
Thema: Der Rat der Stadt Dortmund beschloss die Namensänderung für eine kleine Seitenstrasse, die als Zufahrtsstrasse für
ein neues Baugebiet dienen soll. Eheleute (Anwohner dieser Strasse) erhielten jeweils einen Bescheid, mit denen ihnen eine
neue Hausnummer zugeteilt wurde und sie unter Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung aufgefordert
worden sind bis zu einem bestimmten Zeitpunkt diese neue Nummer an ihrem Haus anzubringen. Die Eheleute legten Widerspruch
gegen diesen Bescheid ein. Fraglich war die Einhaltung der Widerspruchsfrist (§§ 41 Abs.2 VwVfG NRW, 187 ff BGB). Die
Widerspruchsführer wendeten sich sowohl gegen die Zuteilung einer neuen Hausnummer als auch gegen den Beschluss des Rates
hinsichtlich der Strassenumbenennung. Sie waren u.a. der Meinung, der Rat hätte das Ergebnis des gegen den Bebebauungsplan
für das neue Baugebiet eingeleiteten Normenkontrollverfahrens abwarten und vor der Beschlussfassung die Anwohner anhören
müssen. Ausserdem passe der neue Strassenname allenfalls zu einer Kleinstadt und nicht zu einer Grosstadt wie Dortmund, weswegen ihre
Interessen verletzt würden. Des weiteren sei ihnen eine Hausnummeränderung nicht zuzumuten, da die alte Hausnummer in die
Gebäudewand eingemauert und eine Entfernung mit hohen Kosten verbunden sei. Die sofortige Androhung eines Zwangsgeldes sei
im übrigen unverhältnismässig. Der Oberbürgermeister der Stadt Dortmund wollte wissen, ob er selbst die Sache erledigen kann
und wie inhaltlich entschieden werden muss. |