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Artikel 567
Ralf Hansen

Ein Wegweiser durch das Labyrinth der ARB

Eine Rezension zu:

Wolfgang Böhm

Allgemeine Bedingungen für die Rechtschutzversicherung

11. Aufl., Karlsruhe: Verlag Versicherungswirtschaft, 2000, 633 S.
ISBN 3-88487-825-5

http://www.vvw.de


Rechtsschutzversicherungen spielen bei der Absicherung von Prozeßrisiken eine immer größere Rolle. Jeder forensisch tätige Anwalt wird von dieser Materie beruflich "berührt". Die Darstellung richtet sich in erster Linie an Juristen in den Rechtsabteilungen der Versicherungsgesellschaften und Rechtsanwälte sowie mit dieser Materie befaßte Richter. Wie bei jeder Versicherungsart spielen Klauselwerke eine erhebliche Rolle, die als AGB regelmäßig in den Vertrag einbezogen werden (dazu findet sich eine sehr lesenswerte Vorbemerkung in diesem Band) und die von erheblicher Bedeutung für die Rechtspraxis sind. Es fällt schwer, diese ARB nicht als eigentliche Rechtsgrundlage zu bezeichnen, zumal das VVG weitgehend dispositve Normen enthält und in seiner Bedeutung hier fast ganz zurücktritt. Gegenwärtig existieren drei Fassungen der ARB: die (noch staatlich von der Versicherungsaufsicht genehmigten) ARB 75, die (nach Wegfall der Genehmigungspflicht zustandegekommenen) ARB 94 und die neuen ARB 2000, mit denen noch keine hinreichenden praktischen erfahren bestehen, deren Überarbeitung aber im Kern eher "technischer Natur" sind. Die ausgezeichnete Kommentierung geht von den ARB 75 aus, erläutert aber auch die Abweichungen der ARB 94 und 2000, wenn auch nur sehr knapp.

Die Rechtsschutzversicherung ist eine Schadensversicherung. Sie richtet sich auf die Übernahme von Prozeßkosten (Gerichts- und Anwaltskosten) nach Eintritt eines Versicherungsfalles im Rahmen der Bewältigung des versicherten Risikos, wie aus § 1 ARB hervorgeht. Die Parallelnormen der ARB 94 werden im Text fortlaufend angegeben, soweit Identität mit den Fassungen der ARB 75 besteht, so daß diese Normen leicht auffindbar sind. Die Regelungsstruktur der ARB 2000 ist gegenüber den ARB 75 nicht unerheblich verändert worden, betrifft aber prinzipiell nur Einzelfragen, die sich aus dem Kommentar leicht erschließen. Die Texte der betreffenden drei ARB-Fassungen sind selbstredend im Wortlaut abgedruckt. Im Gegensatz zur Haftpflichtversicherung geht es nicht um die Abwehr einer Inanspruchnahme im Wege des Schadensersatzes oder dessen Übernahme durch die Versicherung, wenn der Schaden feststeht, sondern um die Durchsetzung der eigenen Rechte des Versicherungsnehmers (oder dessen Verteidigung in einem Strafverfahren). Der Schadensfall ist daher die Notwendigkeit der Wahrnehmung rechtlicher Interessen, sofern kein Haftungsausschluß eingreift und positive Erfolgsaussichten bestehen, deren Prüfung dem Versicherer zusteht. Im Zentrum steht die Übernahme der Anwaltskosten. Interessant ist hier das Verhältnis zwischen dem frei gewählten (oder von der Versicherung benannten) Prozeßvertreter des VN und dem Versicherer. Auch wenn manche Werbungen in Funk und Fernsehen es unwahrscheinlich machen, aber zwischen dem Versicherer und dem Rechtsanwalt besteht nach ARB 75/94/2000 keinerlei Vertragsverhältnis, so daß der RA keinen Anspruch auf Zahlung der Vergütung gegen den Versicherer hat und sich diesen Schuldbefreiungsanspruch nicht einmal nach § 829 ZPO zur Pfändung überweisen lassen kann. Der Rechtsanwalt wird sich deshalb bei Mandatsübernahme hinsichtlich der Deckungszusage eingehend überzeugen. Derartiges wird im Kommentar stets unter Nachweis der einschlägigen Rechtsprechung dargetan. Dies gilt nicht zuletzt für § 2 ARB, der den Umfang der Haftung des Versicherers regelt. Gerade diese Norm ist im Innenverhältnis zwischen VN und Versicherer von besonderer Praxisrelevanz. Die dazu ergangene reichhaltige Judikatur wird in der Kommentierung eingehend und scheinbar fast lückenlos verarbeitet. Es gibt kaum ein Problem, zu dem man nichts findet. Gerade dies zeichnet einen Kommentar aus. Jedenfalls findet hier jeder Praktiker die entscheidenden Hinweise auf die einschlägige Rechtsprechung, auf die es im Streitverfahren und bei der Anspruchsprüfung ankommt.

Von besonderem Interesse ist § 4 ARB, der die allgemeinen Eintrittsausschlüsse regelt. Bestimmte Versicherungsfälle werden von der Rechtsschutzversicherung nicht gedeckt, weil die Risiken versicherungsmathematisch als zu hoch bewertet werden. Ausschlüsse finden sich etwa insbesondere für das gesamte Unternehmens- und Wirtschaftsrecht, insbesondere beim gewerblichen Rechtsschutz und dem Wettbewerbsrecht, seit den ARB 1994 aber auch für den Bereich der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, so daß der Rechtsschutz durchaus beschränkt ist. Die Möglichkeit der Deckung ist daher im Zweifelsfall genau zu prüfen. Nicht selten führt die Versagung selbst zu einem eigenen Prozeß. Der Versicherungsnehmer sollte sich hier genau über den Leistungsumfang informieren. Die Rechtsprechung zu den Ausschlußtatbeständen wird so eingehend dokumentiert, daß kaum Fragen offen bleiben. Wichtige Aussagen sind mit Fettdruck hervorgehoben.

Die Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalles regelt § 14, dessen Abs.1 die Abgrenzung zur Haftpflichtversicherung vornimmt. Auch hier gelingt es dem Verfasser in überzeugender Weise, die kaum mehr überschaubare Judikatur umfassend zu dokumentieren. § 16 II ARB stellt klar, daß zwischen dem Versicherer und dem Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers kein Vertragsverhältnis besteht, was durch § 16 IV 2 ARB nochmals unterstrichen wird. Oftmals außer Acht gelassen wird die Obliegenheit des § 16 III ARB, wonach der Versicherer unverzüglich von einer Beauftragung zu unterrichten ist. Wie lange den Rechtsschutzversicherern eine eigene anwaltliche Tätigkeit noch verwehrt wird, ist eine rechtspolitisch interessante Frage, die im Kommentar nur angeschnitten werden konnte. Eingehend diskutiert werden auch die Risiken der Einholung einer Deckungszusage durch den beauftragten RA selbst. Wie § 17 ARB zeigt, müssen konkrete Erfolgsaussichten bestehen, sofern nicht Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren in Rede stehen. Gerade bei Klagen in Nachbarschaftssachen etwa kommen "mutwillige" Klagen vor, die den Versicherer berechtigen, den Rechtsschutz zu versagen. Die Versicherungspraxis wird sich in diesem Zusammenhang auch mit den neuen Landesgesetzen über die obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung auseinander zu setzen haben, deren Kosten hinsichtlich einer anwaltlichen Vertretung schon im Güteverfahren grundsätzlich vom Versicherungsschutz nicht umfaßt sein dürften. In § 18 ARB findet sich der selbständige Klageversagungsgrund des § 12 III VVG wieder.

Die §§ 21 ff ARB bilden den "besonderen Teil" dieser Materie. Enthalten sind Spezialvorschriften etwa über den Verkehrsrechtsschutz, den Gewerberechtsschutz, den Familienrechtsschutz und weitere besondere Formen des Rechtsschutzes. Erläutert werden aber auch Sonderbedingungen. In der Kommentierung zu den abweichenden Regelungen der ARB 94 sind die Nachweise indessen keineswegs so dicht wie in der Darstellung zur ARB 75. Dies dürfte damit zusammenhängen, daß die Judikatur zu diesem Bereich noch nicht in allen Bereichen als gefestigt gelten kann. Hinsichtlich der Haftungsausschlüsse enthält § 3 ARB 94 einige Erweiterungen, die nur kurz kommentiert werden. Noch skizzenhafter ist die Kommentierung zu den ARB 2000, mit denen bisher kaum praktische Erfahrungen bestehen. Es wird wohl erst den nächsten Auflagen vorbehalten sein, die Erfahrungen mit den ARB 94 und 2000 des näheren zu dokumentieren, als dies bisher geschehen konnte.

Dieser äußerst zuverlässige Kommentar läßt kaum Wünsche offen und dürfte in der Rechtspraxis der AR-Anwendung führend sein.

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