Herzlich willkommen auf jurawelt.com

Zur neuen Webseite: jurawelt.com

Zum Forum: forum.jurawelt.com


Artikel 564
Ralf Hansen

Grundlagenwissen zum Privatversicherungsrecht

Erwin Deutsch

Versicherungsvertragsrecht


4. Aufl., Karlsruhe: Verlag Versicherungswirtschaft, 2000, 263 S.
ISBN 3-88487-818-2

http://www.vvw.de


Seit der Vorauflage von 1993 hat sich die privatversicherungsrechtliche "Landschaft" nicht unerheblich verändert, nicht zuletzt aus europarechtlicher Veranlassung. Der Grundriß wendet sich an Versicherungskaufleute (in Ausbildung), Studenten der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und Rechtsreferendare oder Praktiker einschlägiger Sparten, die sich in dieses komplexe, aber interessante Gebiet schnell einarbeiten müssen. Dem Charakter eines Grundrisses entsprechend, wird der Text nicht mit Einzelheiten "überfrachtet", sondern versucht die Grundstrukturen des Versicherungsvertragsrechts transparent zu machen. Jedem Kapitel sind Vertiefungshinweise vorangestellt, die sich in einem überschaubaren Rahmen halten. Versichert werden Risiken, deren Überwälzung auf den einzelnen in der hochkomplexen Wirtschaftsgesellschaft der Moderne nicht mehr tragbar ist. Versicherungen sind kollektive Sicherungssysteme auf privater oder öffentlichrechtlicher Grundlage. Der zugrundeliegende Vertrag ist der Struktur nach eine Form der Garantie. Deutsch faßt dies prägnant zusammen: "Eine Versicherung ist gegeben, wenn durch privaten Vertrag die dem VN drohenden Risiken in eine rechtliche Gefahrengemeinschaft so einbezogen werden, daß dem VN bei Realisierung des Risikos ein zivilrechtlicher Anspruch gegen den Versicherer auf Deckung seines Schadens, Bedarfs oder Plandefizits zusteht" (Rdnr. 2). Die wirtschaftliche Grundlage dieser Versicherungen beruht auf versicherungsmathematischen Kalkülen, die auf der statistischen Erwartbarkeit typischer Risiken beruhen, deren prognostische Häufigkeit "preisbildend" ist. Deutsch skizziert diese Grundlagen mit knappen Strichen, weckt aber auf knappsten Raum ein intensives Verständnis für diese Materie, auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Maßgebliche Rechtsgrundlage ist das VVG. Es ist allerdings weitgehend dispositiv und wird von AVB-Regelungswerken überlagert, die ein rechtliches "Eigenleben" entwickelt haben und bei der Bearbeitung versicherungsrechtlicher Fälle stets heranzuziehen sind. Anhand der Grundkategorien der Sach- und Personenversicherung werden die einzelnen Versicherungstypen entwickelt, die auf der Differenzierung von Schadens- und Summenversicherung beruhen. Das Versicherungsrecht als eigenständige privatrechtliche Materie (mit zahlreichen Überlagerungen und Berührungen durch und zum öffentlichen Recht) ist erst etwa 100 Jahre alt, gleichwohl Versicherungsformen seit Antike und Mittelalter bekannt sind. Nicht gesetzlich geregelt (außer in § 779 HGB für die Seeversicherung) ist die Rückversicherung (eingehend: Liebwein, Klassische und moderne Formen der Rückversicherung, Karlsruhe: VVW, 2000; Rezension in Kürze).
Abwicklungsprobleme spielen sich hier aber heute meist unter Ausschluß justizieller Beteiligung ab. Nichtsdestoweniger findet sich ein ausgezeichnetes Kapitel zur Rückversicherung, das auch die reichsgerichtliche Rechtsprechung eingehend berücksichtigt. Die Funktion der AVB für den versicherungsrechtlichen Vertrag wird ausgezeichnet erklärt. Sie haben - bei meist problemloser Einbeziehung als AGB in den Versicherungsvertrag - Vorrang vor den Regelungen des VVG, sofern dieses kein zwingendes Recht enthält. Nur sehr kurz behandelt wird der interessante Bereich des internationalen Versicherungsrechtes (s. dazu ausführlich, Gruber, Internationales Versicherungsvertragsrecht, Karlsruhe, VVW, 1999; Rezension in Kürze). Bestimmte Privatversicherungen sind kraft gesetzlicher Anordnung als Pflichtversicherung ausgestaltet, wie etwa die KfZ-Haftpflichtversicherung (s. dazu Mühringer, Der Kraftfahrtversicherungsvertrag, Karlsruhe: VVW, 2000). Die Darlegungen der allgemeinen Grundprinzipien des Versicherungsvertragsrechts lehnen sich eng an die Systematik des BGB an, dessen Institutionen insoweit durch Spezialnormen überlagert werden, so daß sich bei Fehlen spezieller Regelungen eine enge dogmatische Verzahnung mit dem BGB ergibt und die privatversicherungsrechtliche Materie eng an die privatrechtliche Dogmatik rückzukoppeln ist. Die enge Verbindung von Delikts - und Versicherungsrecht liegt ohnehin auf der Hand, insbesondere bei der Schadensversicherung.

Der Versicherungsschutz kann durchaus mehrdimensional ansetzen, indem das gleiche Objekt gegen mehrere Risiken versichert wird. Auch Bündelungen von Versicherungen sind nicht selten, wie die AKB zeigen. Dort sind Kfz-Haftpflichtversicherung, Kaskoversicherung und Insassenversicherung regelmäßig, aber nicht etwa gesetzlich zwingend, gekoppelt. Etwas ausführlicher könnten die Regelungen im VVG über Rücktritt und Kündigung besprochen werden, zumal hier gegenüber dem BGB erhebliche Besonderheiten bestehen, die sich auf den ersten Blick nicht leicht erschließen. Rücktritt und Kündigung sind hier schwer abzugrenzen, zumal der Rücktritt für den Versicherer nur in zwei Fällen zur Verfügung steht (Verzug mit der Prämienzahlung; Nichtanzeige einer Gefahrerhöhung, insbesondere letzterer Rücktrittsgrund wirft zahlreiche Abgrenzungsprobleme auf). Mehr oder weniger kehren im Versicherungsvertragsrecht in modifizierter Form bekannte Strukturen aus dem BGB-Schuldrecht zurück, wie etwa der Vertrag zugunsten Dritter bei der Versicherung auf fremde Rechnung und bei der Lebensversicherung. Der Versicherungsnehmer muß nicht der Begünstigte sein, trägt aber die Prämienlast. Erwähnt werden aber auch praktisch wichtige Fragen, wie die Erstreckung des hypothekarischen Haftungsverbandes auf Versicherungsforderungen.

Ausgeglichen wird immer nur das versicherte Risiko, nachdem es sich realisiert hat. Hier bestehen - praktisch wichtige - Ausschlüsse, die allerdings noch etwas eingehender behandelt werden könnten. Ersichtlich sind sie ohnehin nur aus den jeweiligen AVB, die bei der Lektüre des Bandes praktischerweise hinzugezogen werden sollten. Dort finden sich gegenüber dem VVG oftmals erheblich abweichende Regelungen, etwa über die Pflichten des Versicherungsnehmers bei der Gefahrerhöhung und Konkretisierungen der jeweiligen gesetzlichen Obliegenheiten (unter Statuierung zusätzlicher vertraglicher Obliegenheiten), deren Grundlagen ausgezeichnet vermittelt werden. Auf typische Fehler wird ebenfalls hingewiesen. So stellt § 12 III VVG entgegen oftmals anzutreffender Vorstellung bei Versicherungsnehmern keine Verjährungsfrist dar, sondern ist ein selbständigen Anspruchsbeendigungsgrund. Nach Ablauf der Frist kann die Klage nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden, völlig unabhängig von der Verjährung des Anspruches. Über diese Rechtsfolge muß der Versicherer den Versicherungsnehmer schriftlich belehren, da diese Frist sonst nicht zu laufen beginnt. Eine eingehende Darstellung finden die Obliegenheiten, also Gebote, die nicht den Charakter einer Rechtspflicht haben und auch nicht die Sanktion des Schadensersatzes bei Verschulden auslösen können. Verschulden führt hier aber regelmäßig zur Verwirkung der Rechtsposition, wie sich vor allem bei der Gefahrerhöhung zeigt, wenn diese nicht vertragsgemäß angezeigt wird. Allerdings werden die Rechtsfolgen, die sich in ihrer Struktur nicht leicht erschließen, nur recht knapp dargestellt. In den Text eingestreut, der ohne Fußnoten auskommt, sind jeweils Hinweise auf die Rechtsprechung. Auch Beispiele aus der Rechtspraxis werden diskutiert.

Knapp skizziert werden die wichtigsten Typen der Privatversicherung, etwa die Lebensversicherung als Hauptanwendungsfall einer Summenversicherung. In den Grundzügen dargestellt wird auch die erst seit 1994 gesetzlich in den Basisstrukturen geregelte private Krankenversicherung (§§ 178 a - o VVG), zu der sich immer mehr beachtungsbedürftige Regelungen im SGB V finden, also im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch hier sind Ausschlüsse durch AVB von enormer praktischer Wichtigkeit. Als Hauptarten der Schadensversicherung werden insbesondere die Haftpflichtversicherung und die Rechtsschutzversicherung recht eingehend behandelt. Nur überblickshaft finden sich Ausführungen zu den praktisch wichtigsten Formen der Sachversicherung. Sehr knapp ist die Darstellung der beweisrechtlichen Situation, die sich insbesondere bei der Frage eines Freiwerdens der Versicherung von der Leistung nach § 61 VVG stellt, insbesondere im Zusammenhang mit der Behauptung des Vorliegens grober Fahrlässigkeit beim VN, deren Begriffsbestimmung im Versicherungsrecht etwas von der bürgerlichrechtlichen Qualifikation abweicht, da hier die subjektive Komponente wesentlich stärker hervortritt. Angesichts der Bedeutung für das Zivilrecht scheint die Darstellung des praktisch wichtigen § 67 VVG etwas zu knapp, der im Kern die allgemeine Rechtsfigur des Bereicherungsverbotes dergestalt enthält, als ein Verletzter seinen Schaden nicht einmal beim Versicherer liquidieren und dann noch einmal in voller Höhe beim Verletzer. Schadensersatzansprüche gegen den Täter gehen insoweit auf die Versicherung über, als dies nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geschieht.

Die Neuauflage des Grundrisses von Deutsch ermöglicht es, sich in nahezu idealer Weise in die Grundfragen des Privatversicherungsrechtes umfassend einzuarbeiten. Ist dieser Grundstock erst einmal zuverlässig gelegt, ist das weitere Einarbeiten in komplexe Spezialfragen wesentlich leichter. Die Aufmerksamkeit eines breiten Leserkreises ist dem Buch sicher!

Impressum | Datenschutz