Herzlich willkommen auf jurawelt.com

Zur neuen Webseite: jurawelt.com

Zum Forum: forum.jurawelt.com


Artikel 210
Ralf Hansen

Grundlagen des KfZ-Pflichtversicherungsrechts

Eine Rezension zu:

Alfred Müringer

Kommentar zur Pflichtversicherung in der KfZ-Haftpflichtversicherung
Karlsruhe, Verlag Versicherungswirtschaft, 1999, 139 S., DM 39,-
ISBN 3- 88487-773-9


http://www.vvw.de


Das Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter vom 07.11.1939 trägt dem Umstand Rechnung, daß aus der statistisch erfaßbaren Wahrscheinlichkeit von KfZ-Unfällen im Straßenverkehr durch deliktisch verursachte Schäden der Höhe nach kaum kalkulierbare Schäden entstehen können, die ein einzelner kaum wird tragen können. Ursprünglich wurde der Weg gewählt, den Abschluß einer speziellen Haftpflichtversicherung gesetzlich zwingend zu machen, bei allerdings ursprünglich staatlich festgesetzten Einheitstarifen. Der Schutz der Pflichtversicherung besteht darin, daß der Geschädigte nicht das Insolvenzrisiko des Schädigers tragen soll und der Schädiger wirtschaftlich gesichert wird. Die Haftung kann dabei auf Verschulden oder Gefährdungshaftung beruhen. In der Nachkriegszeit entstand ein deutlicher Trend zur Internationalisierung der Problematik, die im Abschluß des "Straßburger Übereinkommens" von 1959 zum Ausdruck kommt. Auch wenn dieser völkerrechtliche Vertrag nur in geringen Maße ratifiziert wurde, stieß er doch eine europäische Entwicklung an, in deren Zentrum die "action directe" stand. War der Geschädigte zuvor noch darauf angewiesen, den Schädiger zu verklagen und sich seinen Anspruch bei Obsiegen gegen seine Haftpflichtversicherung zur Pfändung überweisen zu lassen (falls keine freiwillige Abtretung erfolgte), konnte seit der Novellierung des Pflichtversicherungsgesetzes 1965 ein Direktanspruch gegen die KfZ - Haftpflichtversicherung geltend gemacht werden. Inzwischen ist die Regulation dieser Materie nahezu vollständig europäisiert, auch wenn der Gebrauch von Kraftfahrzeugen dem Geltungsbereich nationalstaatlicher Regulationen unterfällt, deren Ähnlichkeit der europäischen Herkunft geschuldet ist. Dieses eher unscheinbare Gesetz ist für die Rechtspraxis des Unfallhaftpflichtprozesses angesichts der Massenerscheinung der Schädigungen von erheblicher Bedeutung (s. nur Tempel, Materielles Recht im Zivilprozeß, München, 1999, § 9).

Der Kommentar, eher eine kommentierte, aber von ihrem inhaltlichen Gehalt nicht zu unterschätzende, Broschüre, wendet sich nicht an ein juristisches Fachpublikum, sondern primär an den interessierten Laien und den Versicherungspraktiker. Sie wird aber auch dem angehenden Juristen zu Einführungszwecken gute Dienste tun. Möglicherweise sogar aus eigenem Interesse. Es erfolgt keine intensive Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur (auf die sparsam verwiesen wird), jedoch bietet die Schrift eine überaus fundierte Einführung in die delikts- und versicherungsrechtlich komplizierte Materie. Nach einer gelungenen Einführung auch in die Geschichte der KfZ-Versicherung unter vollständiger Einbeziehung der wichtigen europarechtlichen Bezüge, erfolgen systematische Darlegungen zu jedem der 15 Paragraphen dieses Gesetzes. Auch eine Darlegung der Strukturen des Ausländerpflichtversicherungsgesetzes (S.12 - 16) fehlt nicht. Die Regelungen des Pflichtversicherungsgesetzes stehen in elementarem Zusammenhang mit §§ 29 a - 29 d StVZO, die die Pflichten aus § 1 PflichtversicherungG öffentlich-rechtlich konkretisieren. Regelt § 1 PflVG die privatrechtliche Notwendigkeit des Abschlusses einer KfZ-Haftpflichtversicherung, zeigt § 29 d StVZO deutlich die Folgen des Unterlassens oder des Wegfalls des Versicherungsschutzes: Liegt keine Versicherung (mehr) vor (Nachweis durch Vorlage der Doppelkarte) hat der Halter unverzüglich die Fahrzeugpapiere bei der zuständigen Zulassungsstelle abzuliefern und die Kennzeichen entstempeln zu lassen, andernfalls Verwaltungszwang durch Ersatzvornahme ausgeübt werden kann. Der Gebrauch ohne Vorliegen einer Versicherung ist strafbar, § 6 PflVG. Die problematischen Tatbestandsmerkmale werden eingehend diskutiert. Die Ausführungen machen deutlich, daß Halter und Versicherungsnehmer nicht um jeden Preis identisch sein müssen.

Von besonderem Interesse sind die Ausführungen zu § 3 PflVG, der insoweit an die Stelle der §§ 158 c - f VVG tritt und den Direktanspruch auslöst, der nur bei Vorsatz gemäß § 152 VVG entfällt (s. dann § 12 PflVG). Der Verfasser macht deutlich, daß es sich um den speziellen Fall eines gesetzlich angeordneten Schuldbeitritts des KfZ-Versicherers handelt. Angesichts der Liberalisierung des Versicherungsmarktes hat der potentielle Versicherungsnehmer die Auswahl unter zahlreichen Versicherungsanbietern, wobei allerdings beim Kontrahierungszwang des § 5 Abs.2 PflVG die Ausnahmen des § 5 Abs.4 PflVG zu beachten sind. § 5 PflVG wird umfassend dargestellt. Soweit das Versicherungsverhältnis intakt ist, werden sich im Schadensfall kaum größere, versicherungsrechtliche Probleme ergeben. Soweit erforderlich, wird der Schaden reguliert, die Prämie dann ggf. erhöht. Für den juristischen "Sozialpathologen" sind aber in erster Linie die Fälle des "kranken Versicherungsverhältnisses" relevant. Der Versicherer wird dann im Innenverhältnis von der Leistungsverpflichtung frei, § 3 Nr. 4 PflVG (etwa aufgrund § 61 VVG). Was das Außenverhältnis zum Geschädigten - und damit den Direktanspruch - nicht berührt. Jedoch den Regreß aus § 158 f VVG auslösen kann. Nichts anderes gilt, wenn das Versicherungsverhältnis nach § 38 Abs.1 VVG erlischt (Nachhaftungsfälle) oder eine Obliegenheitsverletzung nach § 5 Abs.3 PflVG vorliegt. Die Ausführungen zu diesem wichtigen Bereich sind sehr klar formuliert und auch für den Nichtspezialisten leicht nachvollziehbar. Insbesondere macht der Verfasser für "kranke Versicherungsverhältnisse" deutlich, daß in diesen Fällen die Haftung des Versicherers auf die vereinbarten Mindesdeckungssummen des § 4 Abs.2 i.V.m der entsprechenden VO beschränkt ist, § 158 c Abs.3 VVG. Allerdings beschränkt sich die Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer seit Erlaß der KfZPflichtversicherungsVO vom 29.07.1994 inzwischen nur mehr noch auf einen Betrag von DM 10.000,- wie aus § 5 Abs.3 dieser VO folgt. Diese Rechtslage wird eingehend und sehr praxisnah dargestellt, da sie für die Versicherungspraxis von erheblicher Bedeutung ist. Die Tabelle auf S. 59 macht diese Probleme übersichtlich und leicht nachvollziehbar. Damit ist die Leistungsfreiheit auch im Innenverhältnis erheblich beschränkt. Profund sind auch die Ausführungen zur Abgrenzung der Gefahrerhöhung nach §§ 23 ff VVG und den Fällen des § 61 VVG, insbesondere bei der Trunkenheitsfahrt. Ein Bereich, in dem mehr Dunkel als Licht vorhanden ist.

Von bahnbrechender Bedeutung für die Entwicklung des Haftpflichtrechtes war § 12 des PflVG, der für bestimmte Fälle die Bildung eines Entschädigungsfonds erstmals in der Versicherungsgeschichte Deutschland vorgeschrieben hat und Modell für zahlreiche vergleichbare Regelungen wurde. § 12 gilt für Schäden, bei denen das schädigende Fahrzeug nicht ermittelt werden konnte, Fälle des § 152 VVG, wenn keine Haftpflichtversicherung besteht oder das betreffende Versicherungsunternehmen insolvent ist. Allerdings beschränkt sich der Haftungsumfang des Fonds auf Mindestdeckungssummen. Auch hierzu finden sich deutliche, wenn auch kurze Ausführungen.

Die Schrift bietet eine kurze, profunde, eher einführende Übersicht in die Materie der KfZ-Haftpflichtversicherung, die ihre Zwecke vollständig erfüllt.



Impressum | Datenschutz