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Artikel 185
Ralf Hansen

Kraftfahrtversicherung und grobe Fahrlässigkeit - eine Rechtsprechungsübersicht

Eine Rezension zu:

Hack, Dieter

Rechtsprechung zur groben Fahrlässigkeit (§ 61 VVG) in der Kraftfahrtversicherung

Eine breite Sammlung von Fällen für den Praktiker Übersichten. Fundstellen (Stand: März 1999)

Karlsruhe: Verlag Versicherungswirtschaft, 1999, 93 S., DM 36,-
ISBN 3-88487-790-9


http://www.vvw.de


§ 61 VVG stellt den Versicherer bei der grobfahrlässigen Verursachung eines Schadensereignisses durch den Versicherungsnehmer von der Leistungsverpflichtung aus dem Versicherungsvertrag im Innenverhältnis frei. Es handelt sich damit um einen subjektiven Risikoausschluß, da sich der Versicherte hinsichtlich des versicherten Risikos sorglos verhalten hat. Dieser Ausschluß betrifft ausschließlich das Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherung, nicht etwa die Frage des fahrlässigen Handelns im Verhältnis zum geschädigten Dritten. § 61 VVG ist einmal abzugrenzen gegen die Leistungsfreiheit nach Obliegenheitsverletzung im Vorfeld eines schädigenden Ereignisses (Gefahrstandspflicht, § 6 Abs.1 VVG). Andererseits abzugrenzen gegenüber der Gefahrerhöhung des § 23 VVG. Die Frage der Leistungsfreiheit des Versicherers spielt insbesondere bei Straßenverkehrsunfällen eine entscheidende Rolle, stellt sich aber auch etwa im Rahmen von Diebstahlsfällen.

Zwar trifft die Versicherung im Außenverhältnis zum geschädigten Dritten auch bei einem sog "kranken Versicherungsverhältnis" aufgrund des Direktanspruches aus dem Pflichtversicherungsgesetz eine Leistungspflicht, da das Pflichtversicherungsgesetz (§ 3 Nr.4 Pflichtversicherungsgesetz) den Gedanken des Opferschutzes voll verwirklicht (Müringer, Pflichtversicherung in der KfZ-Haftpflichtversicherung, Karlsruhe, VVW, 1999, S. 35 f - Rezension folgt in Kürze). Doch besteht im Innenverhältnis zum Versicherungsnehmer bei Vorliegen des § 61 VVG eine Möglichkeit des Rückgriffs, § 3 Nr. 9 Pflichtversicherungsgesetz. Liegen die Voraussetzungen des § 61 VVG vor, wird das Versicherungsverhältnis "krank", so daß im Verhältnis zum Versicherer der Versicherungsnehmer allein verpflichtet wird (Müringer, a.a.O., S.48 f). Diese Konstellation ist aufgrund der hohen persönlichen Haftungsrisiken insbesondere etwa bei Straßenverkehrsunfällen enorm "prozeßträchtig". Es kommt immer ausschließlich auf die Umstände des Einzelfalles an, da die Voraussetzungen des § 61 VVG konkretisiert werden müssen. Problematisch und mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten belastet sind dabei in erster Linie die Fälle der groben Fahrlässigkeit (der Vorsatz ist eher unproblematisch). Es kommt daher - unter Beachtung der Beweislastprobleme - immer darauf an, ob ein Verhalten im Straßenverkehr schon grob fahrlässig oder noch leicht fahrlässig war. Wer damit praktisch befaßt ist, muß sich mit der Rechtsprechung intensiv auseinandersetzen. Dieser Bereich ist durch eine ausgeprägte Case-Law-Struktur ausgezeichnet.

Unter diesen Umständen können Rechtsprechungsübersichten die Arbeit erheblich erleichtern, ersparen sie doch die intensive Suche in den Fundstellenverzeichnissen ganzer Zeitschriftenjahrgänge. Es besteht allerdings bei derartigen Zusammenfassungen in Printform die deutliche Gefahr der Konkurrenz durch eine stichwortgeleitete Recherche in neuen Medien, insbesondere CD-Datenbanken. Die Ausdehnung auf eine CD-ROM-Ausgabe, die die betreffenden Entscheidungen aus der Zeitschrift "Versicherungsrecht" unmittelbar enthält, sollte Verlag und Autor möglicherweise eine Überlegung wert sein.

Die Rechtsprechungsübersicht von Hack enthält 519 Gerichtsentscheidungen in Leitsätzen. Sie sind tabellarisch in 19 Fallgruppen differenziert. Die Rechtsprechungsübersicht ist damit nur ein Hilfsmittel: Ihre Benutzung entbindet nicht davon bei Bedarf die betreffenden Entscheidungen insbesondere in der Zeitschrift "Versicherungsrecht" nachzulesen, die maßgeblich in Bezug genommen wird und inzwischen auch online recherchierbar ist (http://www.genios.de). Erfaßt ist auch die wesentliche Rechtsprechung zum "Augenblicksversagen", als einem eng zu fassenden subjektiven Entschuldigungsgrund bei objektivem Vorliegen grober Fahrlässigkeit (S.3). Noch nicht erfaßt ist aber die Einbeziehung der "Repräsentantenhaftung" (dazu, Römer/Langheid, VVG, 1997, § 61, Rdnrn. 9 - 26). Die Tabelle ist differenziert in Gericht und Ort, Entscheidungsdatum, Fundstelle und Tenor. Der Tenor wird in einem "binären Code" wiedergegeben, als "Ja/Nein-Stellungnahme" zum Vorliegen der groben Fahrlässigkeit im Einzelfall. Die Leitsätze sind kurz und prägnant, aber hoch informativ formuliert.

Erörtert werden etwa Probleme des "Abkommens von der Fahrbahn" und sehr ausführlich: alkoholisiertes Führen eines KfZ. Leider ein nicht auszurottendes Fehlverhalten, wobei ab 1,1 Promille grundsätzlich grobe Fahrlässigkeit anzunehmen ist. Ebenfalls eingehend nachgewiesen wird die Rspr. zum "Rotlichtverstoß". Bei der Fallgruppe 04 ("Ablenkung beim Fahren") sind unter Teilfallgruppe 03 die ersten sog. "Handy-Fälle" bereits teilweise erfaßt. Sie beschäftigen die Rechtspraxis gegenwärtig in hohem Maße. Sehr umstritten ist die Frage - für die Leistungsfreiheit bei der Diebstahlsversicherung -, ob die Aufbewahrung des KfZ-Scheins im Fahrzeug grob fahrlässig ist, da sie Anlaß für einen Diebstahl geben könnte. Eine Frage, die für den KfZ-Brief weitgehend bejaht wird. Entgegen einigen Landgerichten verneinen der BGH und zahlreiche Oberlandesgerichte diese Frage. Noch unübersichtlicher sind die Entscheidungen im Bereich der überhöhten Geschwindigkeit. Hier empfiehlt sich eine Orientierung an der jeweiligen "Senatslinie" des zuständigen Oberlandesgerichts als Berufungsgericht, da keine einheitliche Linie der Rechtsprechung auszumachen ist. Überhaupt erlaubt es diese Übersicht, Gesamtlinien und Differenzen in der Rspr. deutlich zu erkennen. Auch bei der Fallgruppe "Ermüdung am Steuer" dokumentieren die Nachweise die Differenzen in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Insbesondere in Diebstahlsfällen ist die Problematik der groben Fahrlässigkeit oftmals von der Gefahrerhöhung abzugrenzen. Aus diesem Grunde sind auch zahlreiche Entscheidungen zur Gefahrerhöhung erfaßt, da die Abgrenzung keineswegs leicht fällt.

Es handelt sich bei dieser Neuveröffentlichung in Erstauflage um ein nützliches Hilfsmittel für den Versicherungspraktiker, insbesondere den mit KfZ-Versicherungsrecht befaßten Rechtsanwalt, dessen Zeit knapp bemessen ist.



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