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Artikel 6017
Ralf Hansen

Ein Leitfaden für die Bearbeitung revisionsrechtlicher Fälle in Strafsachen

Eine Rezension zu:

Dietmar Krause

Die Revision in Strafsachen


5. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage

Carl Heymanns Verlag, Köln 2001, 271 S., € 26,50
ISBN 3-452-24666-3

http://www.heymanns.com


Die Revision in Strafsachen ist eine äußerst schwierige Materie, die zudem auch schwer zu erlernen ist. Das ausgezeichnete Buch von Krause wendet sich primär an Rechtsreferendare, hilft aber auch Strafverteidigern bei der Begründung einer strafprozessualen Revision, deren - gerade auch formale - Tücken der Verfasser dem Leser deutlich offenbart. Im ersten Teil gibt der Verfasser in einer Einleitung interessante Hinweise sowohl zum Erlernen dieses Rechtsgebiets als auch zur revisionsrechtlichen Praxis, die er bis in die letzten Verästelungen bewundernswert souverän beherrscht. Dies ist um so wichtiger als bereits bei der Durchführung der mündlichen Hauptverhandlung die Revision mitbedacht werden muß, etwa was das rechtzeitige Stellen von Beweisanträgen oder die anwaltlichen Rügelast bei Fehlern in der Verhandlungsführung betrifft, die sich angesichts der Komplexität der Materie leicht einschleichen.

Ein gewisses Praxisgefälle, auf das er hinweist, ist dabei unverkennbar: in Revisionssenaten sitzen Spezialisten, die täglich mit Revisionen befaßt sich, während auch der anwaltliche Revisionsspezialist oftmals nur wenige Revisionen pro Jahr bearbeitet. Die Ausführungen lassen hinsichtlich der Erfolgsquote von Revisionen wenig Raum für anwaltliche Illusionen. Der zweite Teil übt in das revisionsrechtliche Denken ein und gibt eine profunde Zusammenfassung der maßgeblichen revisionsrechtlichen Strukturpunkte unter eingehender Berücksichtigung der maßgeblichen Rechtsprechung. Dieser Teil hat alle Qualitäten eines guten, revisionsrechtlichen Repetitoriums, wobei auch Hinweise auf wichtige Darstellungen in der Literatur gegeben werden, die nicht zuletzt auch für Strafverteidiger von Interesse sind. Besonders interessant sind hier die Ausführungen zur Revisibilität von richterlichen Strafzumessungserwägungen, die nur einer beschränkten Rechtmäßigkeitskontrolle zugänglich sind, die ein Überschreiten der Grenze des "Vertretbaren" erfordert. Hier stechen die Ausführungen zum Doppelverwertungsverbot, zur besonderen Schwere der Schuld und nicht zuletzt zur sog. "vergleichenden Strafzumessung" hervor, die oftmals in Plädoyers betont wird, um zu einer gewissen Gleichmäßigkeit beim Schuldspruch anzuhalten, was aber regionale Schwankungen nicht ausschließt, zumal hier breite Ermessensspielräume bestehen.

Unbedingt lesenswert ist der Abschnitt über die Grenzen der Bindung der revisionsgerichtlichen Rechtsprechung an die tatsächlichen Feststellungen und an die tatrichterliche Beweiswürdigung. Hier wird in einer knappen Skizze die gesamte maßgebliche Rechtsprechung auf einem hohem Argumentationsniveau referiert. Von hohem Interesse etwa sind die Ausführungen zu § 352 StPO, da diese Vorschrift Rechtsfragen in sich birgt, die dem einfachen Wortsinn nicht ohne weiteres zu entnehmen sind. In diesem Zusammenhang setzt sich Krause sehr intensiv mit der sog. "Angriffsrichtung der Verfahrensrüge" auseinander, die nach § 344 II 2 StPO Voraussetzung der Zulässigkeit der Rüge ist. Vom Revisionsführer nicht behauptete Tatsachen werden vom Revisionsgericht nicht herangezogen, auch wenn sie erkennbar sind und keine Prozeßvoraussetzungen betreffen.

Der ganz ausgezeichnete zweite Teil behandelt das aufbaumäßige Vorgehen bei der Bearbeitung eines revisionsrechtlichen Falles und ist insbesondere auch für Strafverteidiger von hohem Interesse, um die in der Einleitung angesprochenen formalen Fehler möglichst zu vermeiden. Im Rahmen der Statthaftigkeit werden die Fragen der besonders examenswichtigen allgemeinen oder unbestimmten Anfechtung von Amtsgerichtsurteilen in Strafsachen sehr gut erläutert, da in der Tat kein Strafverteidiger die Entscheidung zwischen Revision und Berufung vor Absetzen der schriftlichen Begründung treffen kann. Bei der Erörterung der allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen finden sich viele nützliche Hinweise zur Vermeidung formaler Fehler, gerade auch hinsichtlich der Fristversäumung unter Einschluß möglicher Wiedereinsetzungsgründe. Hinsichtlich der möglichen Revisionsanträge findet sich eine gute Zusammenfassung der maßgeblichen Tenorierungen wieder, deren Variationsfähigkeit recht begrenzt ist. Hinsichtlich der Revisionsbegründung findet sich eine Darstellung, die an Intensität nichts zu wünschen übrig läßt und letztlich alle zentralen Aspekte anspricht. Auch hier werden wieder entscheidende Fehlerquellen angesprochen.

Sehr eindringlich geht der Verfasser in diesem Zusammenhang unter Bezug auf Sarstedt/Hamm auf das Problem der sog. "Protokollrügen" ein, da es nicht reicht, allein auf das Protokoll hinzuweisen, wenn es um Verfahrensfehler in der Hauptverhandlung geht, da es um die Fehler eben in dieser Hauptverhandlung geht. Er warnt sogar vor der Erwähnung des Protokolls bei der Begründung der Verfahrensrüge, da beim Revisionssenat leicht der Eindruck entstehen kann, es handele sich nicht um die Rüge eines beurkundeten Vorganges, sondern um einen Fehler des Protokolls. Indessen muß jede Begründung einer Verfahrensrüge das Hauptverhandlungsprotokoll angesichts seiner positiven wie negativen Beweiskraft eingehend analysieren. Derartige Hinweise helfen indessen, schwerwiegende Fehler bereits im Vorfeld zu vermeiden. Dies gilt auch für das sehr umfassende Bezugnahmeverbot, dessen Ausnahmen eingehend erörtert werden. Dies gilt auch für die Erörterung der Tücken, der sog. "Aufklärungsrüge" im Zusammenhang mit unterlassenen Beweiserhebungen und dem aus § 261 StPO gefolgerten Ausschöpfungsgebot. Verfahrensrügen lassen sich in diesem Bereich von den Sachrügen nur schwer abgrenzen. Diese Abgrenzung hat aber erhebliche praktische Auswirkungen, etwa wenn nur die Sachrüge erhoben wird, da diese sich nur auf das Urteil beziehen kann und dem Revisionsgericht den Rückgriff auf die Akten versperrt, die die Verfahrensrüge eröffnet. Der Verfasser warnt indessen vor der sog. "ausgeführten Sachrüge", da eine Sachrüge unzulässig wird, wenn sie sich allein auf unzulässige Angriffe auf die tatrichterlichen Feststellungen und die Beweiswürdigung bezieht. Um dieser Gefahr zu entgehen, rät er zu der Formulierung: "Nicht zur Erläuterung, sondern zur Ergänzung der Sachrüge wird ausgeführt..." (S.154). Eingehende Ausführungen sind den oftmals schwierigen Fragen des "Beruhens" bei § 337 StPO im Zusammenhang mit der Rechtskreislehre des BGH gewidmet. Krause vertritt mit Schlüchter die interessante (und mE zutreffende) These, daß es einen einheitlichen Beruhensbegriff nicht gibt, da dieser an den Intension der jeweils verletzten Gesetzesnorm ausgerichtet ist und damit kein ontologischer, sondern ein normativer Begriff ist. Auch Fragen des Vorliegens von Verfahrenshindernissen - etwa wegen überlanger Verfahrensdauer - werden intensiv erörtert.

Der dritte Teil enthält drei Examensklausuren mit Musterlösungen und Hinweisen für eine profunde Fallbearbeitung, die dem Referendar die Angst vor der revisionsrechtlichen Klausur nehmen wollen. Die drei Klausuren spielen dabei auch die vorherrschenden Klausurtypen vor. Revisionsrechtliche Fragestellungen sind - oftmals aus Anwaltssicht - inzwischen häufiger Gegenstand von Aktenvorträgen. Im vierten Teil finden sich daher zwei derartige Aktenvorträge, zu denen der Verfasser sehr lesenswerte Hinweise gibt. Auch die von ihm vorgeschlagenen Standardformulierungen sind eine intensive Lektüre wert, da gerade dieser Vortrag einer memotechnischen Vorbereitung bedarf, um Zeit zu sparen für die rechtlichen Probleme des Falles. Dies gelingt dem Verfasser vorzüglich.

Die Darstellung von Krause ist ungemein lehrreich und erlaubt es dem Leser ein breites, anwendungsbezogenes Wissen über die strafprozessuale Revision zu erlangen. Zudem enthält es ungemein interessante Anleitungen für eine praktisch erfolgreiche Revision, so daß es auch als Leitfaden unverzichtbar Dienste leisten kann. Wer sich vertieft für die Revision im Strafprozeß interessiert, sollte dieses Buch lesen.

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