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Artikel 1877
Ralf Hansen

Verteidigung im Straßenverkehrsrecht

Eine Rezension zu:

Jung/Albrecht

Verteidigung in Verkehrsstrafsachen und Verkehrsordnungswidrigkeiten


München: Verlag Vahlen, 2001, 248 S., DM 48,00,- ISBN 3-8006-2621-7

http://www.beck.de
http://www.vahlen.de


Die interessante Neuerscheinung ist das gelungene Produkt einer Zusammenarbeit eines Strafrichters am Amtsgericht Baden-Baden und eines Rechtsanwaltes aus dem betreffenden Gerichtsbezirk. Geschrieben ist es in erster Linie für den Neueinsteiger in verkehrsrechtlichen Straf- und Bußgeldverfahren, dürfte aber auch manchen Richter interessieren, von Referendaren ganz zu schweigen. Herausgekommen ist dabei ein überaus lesenswerter Ratgeber, der den Leser von der Mandatsannahme bis zur Gebührenrechnung kompetent begleitet und somit in der Tat eine Lücke in der bisherigen Einführungsliteratur für Rechtsanwälte zuverlässig schließt. Auch optisch ist der Text gut gestaltet, mit vielen gerahmten Praxistips, die sofort ins Auge springen.

Die Darstellung setzt ein mit der Vorstellung der Funktionen des Rechtsanwaltes im Strafverfahren. Gleich zu Anfang erfährt man, woran ein erfahrener Strafrichter einen auf dem Gebiet des Straßenverkehrsstrafrechtes ungeübten RA erkennt: an der „Abschrift für Gegner“. Die Verfasser raten dazu - ohne gleich den „Deal“ zu beschwören - mit Richter und Staatsanwalt das kollegiale Vorabtelefonat zu suchen, was in der Tat häufig vorkommt. Bereits zur Mandatsübernahme finden sich viele Praxistips, etwa der Rat, niemals einen Zeugen zu benennen, von dem der RA weiß, daß er zu einer Falschaussage bereit ist, da dies Beihilfe zur uneidlichen Falschaussage (im Text steht Meineid, aber dafür fehlt es regelmäßig an der Vereidigung) bedeuten kann. Richtigerweise wird die Rolle des Anwalts als Organ der Rechtspflege sehr betont, da eine gewisse Distanz zum Mandanten durchaus berechtigt sein kann, die mitunter in die Formulierung übergehen kann, „Mein Mandant läßt mich vortragen...“. Nützlich ist etwa der Praxistip bei einer schriftlichen Einlassung, die eine Erklärung des Beschuldigten sein soll, diese auch im Namen des Beschuldigten und nicht der Verteidigung zu sorgen, um die Verlesbarkeit in der mündlichen Hauptverhandlung zu gewährleisten. Angesprochen werden auch praktisch wichtige Fragen des Bundeszentralregisterrechts und des VZR. Bei der Erörterung der Haltereigenschaft könnte man in der nächsten Auflage auch die - inzwischen häufig auftauchenden - Probleme der „Scheinhalterschaft“ und deren Folgen kurz erörtern. Sehr überzeugend ist die Warnung Methoden der sog. „Konfliktverteidigung“ bei Verhandlungen vor dem Strafrichter am AG tunlichst zu unterlassen, zumal auch Befangenheitsanträge dort kaum Wirksamkeit zeitigen dürften, die auch in „Großverfahren“ eher zur Belastung des Verfahrens als zu dessen Entlastung führen. Sehr nützliche Hinweise finden sich für das Verhalten in der Beweisaufnahme. Das Kapitel wird mit einer sehr nützlichen Checkliste zur Mandatsübernahme abgeschlossen.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Grundstrukturen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens in Verkehrssachen und beschäftigt sich eingehend mit § 24 a StVG als der schwerwiegendsten Sanktion, enthält aber auch sehr lesenswerte Ausführungen zu den Möglichkeiten der Rechtsbeschwerde zum OLG, jeweils angereichert mit sehr nützlichen Praxistips. Ein weiteres Kapitel widmet sich ausgesuchten Ordnungswidrigkeitentatbeständen. Die Auswahl ist äußerst gut getroffen und setzt ein mit den häufig anzutreffenden Fällen der fehlenden Ladungssicherheit bei LKW und/oder deren Überladung. Der Leser erfährt, daß es sinnvoll sein kann gegen einen Bußgeldbescheid wegen „abgefahrener Reifen“ vorzugehen, wenn nicht nachgewiesen werden kann, daß gerade die Profil-Rillen abgefahren sind, da es auf die anderen Rillen nicht ankommt. Rotlichtverstöße werden ebenso angesprochen wie Massenkarambolagen. Bei den Geschwindigkeitsverstößen werden insbesondere die Meßverfahren näher erläutert. Gerade bei den Laser-Pistolen herrscht hier gegenwärtig viel Streit, so daß die Lektüre auch den erfahrenen Praktiker ansprechen dürfte.

Ein überaus lesenswertes Kapitel gilt dem Thema „Alkohol und Drogen im Straßenverkehr“. Es führt zunächst die Methoden der Berechnung der Blutalkoholkonzentration vor und geht insbesondere auf die Neufassung des § 24 a StVG ein. Im Gegensatz zum Verkehrsstrafrecht kann hier auch der AAK statt dem BAK eine Rolle spielen, dessen Feststellung hier nach dem Gesetz ein gleichwertiges Beweismittel ist. Indessen steht die Zuverlässigkeit der Testgeräte der Fa. Draeger und die Beweissicherheit der Meßergebnisse erheblich in Streit. Die Autoren vertreten überzeugend die Auffassung, daß eine reine AAK-Messung zur Rechtswidrigkeit des Bußgeldbescheides führt, wenn keine weiteren Anhaltspunkte für eine Alkoholisierung bestehen. Es wäre allerdings sinnvoll gewesen, sich hier etwas näher mit der neueren Rechtsprechung (etwa des OLG Hamm) auseinanderzusetzen und die Entwicklung der Rechtsprechung nachzuvollziehen, auch wenn sich diese Fundstellen selbstredend bei Jagusch/Hentschel finden. Letztlich wird diese Frage erst durch die neuere Gutachtenspraxis beantwortet werden und ist in der Tat offen, allerdings inzwischen mit einer zu beobachtenden Tendenz zur Bejahung der Zuverlässigkeit der Geräte und damit der Beweissicherheit.

Auch das Strafverfahren wird klar dargestellt, wobei ein Schwerpunkt im Strafbefehlsverfahren liegt. Die Auswahl einzelner Verkehrsstraftaten ist überaus gelungen, wobei selbstredend ein Schwerpunkt auf §§ 316, 315 c I Nr.1 StGB liegt. Sehr gut dargestellt werden auch die Probleme des § 142 StGB, sowie der §§ 222, 229 StGB. Bereits erfaßt ist die Problematik der sog. „reflektierenden Kennzeichen“, deren Verwendung jetzt nach BGH und gegen das OLG Dssd. keine Verletzung des § 267 StGB bedeuten, obwohl das OLG Dssd. gute Gründe für seine Auffassung vorgebracht hat. Sehr überzeugend ist die Darstellung der Praxis-Probleme bei § 315 c StGB, der mitunter schwer nachzuweisen ist, weshalb sich hier gute Möglichkeiten einer angemessenen Verteidigung bieten. Überaus lesenswerte Ausführungen finden sich bei den Sanktionen zur Abgrenzung von Fahrverbot und Entziehung der Fahrerlaubnis. Das Buch schließt mit einem überaus nützlichen Kapitel zur Gebührenberechnung nach BRAGO, das gerade auch dem Anfänger sehr weiterhelfen dürfte. Interessant ist aber auch der Anhang, der mehrere Muster enthält. Zum einen das ausgeklügelte Muster eines Mandatsvertrages, auch für einen rechtsschutzversicherten Mandanten, nebst Anschreiben an eine Rechtsschutzversicherung mit verschiedenen Alternativen. Von Interesse ist auch das Muster eines Kostenfestsetzungsantrages an das Gericht in Ordnungswidrigkeitensachen, der aber auch für Strafsachen bei entsprechender leichter Variierung verwendbar ist, so daß sich aus den Mustern interessante Textbausteine gewinnen lassen.

Die Neuveröffentlichung schließt eine Lücke in der Einführungsliteratur, ist sehr informativ und flüssig geschrieben und als Werk der ersten Wahl in Verteidigungsfragen in Straßenverkehrsrechtsangelegenheiten bestens zu empfehlen.

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