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Artikel 3313
Ralf Hansen

Sanktionen strafbaren Verhaltens

Eine Rezension zu:

Bernd-Dieter Meier

Strafrechtliche Sanktionen


Heidelberg: Springer Verlag, 2001, 378 S.
ISBN 3-540-41268-9

http://www.springer.de


Strafrechtliche Sanktionen spielen im Studium eine sehr untergeordnete Rolle, die in keinem Verhältnis zur Praxisrelevanz steht, da insbesondere der BGH in ständiger Rechtsprechung an die Strafzumessung mit Recht höchste Anforderungen stellt. Auch für die Staatsanwaltschaften (und natürlich die Strafverteidiger) spielen die strafrechtlichen Sanktionen einer hervorgehobene Rolle. Im Referendariat muß man diese Materie beherrschen lernen. Eigenständige Darstellungen dieses Rechtsgebietes sind eher selten (das Werk von Streng stellt eine Ausnahme dar, ist aber weitgehend nicht mehr auf dem aktuellen Stand). Insofern war der Zeitpunkt für Verfasser und Verlag günstig, ein solches Lehrwerk herauszubringen, das angesichts der Verwirklichung eines präventiven Rechtsgüterschutzes durch Strafrecht kriminologische Befunde wie kriminalpolitische Überlegungen in die Darstellung ständig einbezieht. Das Buch dürfte sich weit weniger an Studierende, denn an Referendare und Berufseinsteiger wenden, die eine fundierte erste Orientierung suchen und auch finden. Manche Darlegung dürfte auch den Praktiker interessieren, zumal wenn er lehrend tätig ist, etwa als AG-Leiter. Die Bemerkung des Verfassers, daß dieses Werk nicht als Beitrag zur “Jura-Light-Welle“ konzipiert ist, läßt sich anhand des Textes erhärten. Nichtsdestoweniger ist die Lektüre für den Interessierten überaus gewinnbringend, zumal der Text sehr flüssig geschrieben ist und die “leichte Welle“ nicht immer die richtige Welle sein muß.

Das Buch wendet sich zunächst den aus der Vorlesung Strafrecht AT beim Leser vielleicht noch vorhandenen Fragen der Aufgabe des Strafrechts in der Gesellschaft zu und erörtert in diesem Zusammenhang die gesellschaftliche Funktion jener Sozialkontrolle, die von strafrechtlichen Normen repräsentiert wird. Nach dieser Grundlegung wendet er sich Sinn und Zweck der Verhängung von Strafen zu und gibt in diesem Zusammenhang einen sehr guten Überblick über die verschiedenen Straftheorien, um schließlich mit überzeugenden Argumenten die sog. “Vereinigungstheorie“ zu favorisieren, die allein noch auf dem Boden des Grundgesetzes stehen dürfte, da nur sie ein wirklich schuldangemessenes Strafen verbürgt, bei allen Unsicherheiten in den Details. Im Anschluß daran wird das System der gesetzlichen Sanktionen entfaltet, indem die verschiedenen Strafarten vorgestellt und erläutert werden, die inzwischen wieder en detail in die rechtspolitische Diskussion geraten sind, die im letzten Kapitel des Buches in sehr interessanter Weise aufgegriffen wird. Die Ausführungen bieten eine sehr gute Grundlage dafür, gerade auch die Auseinandersetzung mit diesen rechtspolitischen Positionen auf rationaler Grundlage suchen zu können. In diesem Zusammenhang findet sich auch ein klar formulierter Exkurs zur Todesstrafe, deren Verbot in Europa nicht mehr in Frage zu stellen ist, zumal jetzt auch die Türkei ihre Anwendung noch weiter beschneiden will, was zu begrüßen ist. Die Darstellung tastet sich dabei von den schwächsten zu den stärksten gesetzlichen Sanktionsformen vor und setzt demgemäß mit dem Verzicht auf Strafe und der Verwarnung mit Strafvorbehalt ein, deren Voraussetzungen ausgezeichnet erklärt werden, sogar mit interessanten Vorschlägen zur Tenorierung. Die Vorschläge zur Tenorierung im dritten Teil des Buches erscheinen allerdings insgesamt aber noch ausbaufähig; sie sollten durchgängig erfolgen. Unbedingt lesenswert sind die Ausführungen zur Geldstrafe als der praktisch wichtigsten Strafsanktion, gemessen an der Anzahl der Verhängung in Relation zur Freiheitsstrafe, zur der sie eine Alternative darstellt, wenn Vergehen gegeben sind, die nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht sind. Gerade für Referendare interessant sind die sehr klar formulierten Ausführungen zur Bemessung der Geldstrafe nach dem Tagessatzssystem in drei Schritten der Festlegung der Anzahl der Tagessätze, der Bestimmung ihrer Höhe und der Bewilligung von eventuellen Erleichterungen. Nichts anderes gilt für die Darlegungen zur Freiheitsstrafe, die letztlich die maßgeblichen Strukturen der Sanktionsbestimmung so behandelt, daß dieser sensible Bereich handhabbarer wird. Hier wird insbesondere die verzweigte Judikatur eingehend aufgearbeitet. Überzeugende, praxisnahe Darlegungen finden sich hinsichtlich der Strafaussetzung zur Bewährung, die in einem gesonderten Bewährungsbeschluß neben dem Strafurteil geschieht und bei der vielfältige Besonderheiten zu berücksichtigen sind, die sich aus dem Gesetzestext nicht ohne weiteres erschließen. Nicht ohne Grund haben Strafrichter die bekannten Praktikerkommentare fast stets zur Hand. Der Verfasser legt sehr eingehend das normative Anforderungsprofil an die Prognose dar, das maßgebliches Element jede Bewährungsaussetzung ist. Bei der Verhängung der Nebenstrafe des § 44 StGB könnte die Abgrenzung zur Maßregel nach § 69 StGB stärker herausgestellt werden, da die Verwechselung dieser Institute eine häufige Fehlerquelle ist.

Ein gesondertes Kapitel findet sich zur Strafzumessung, die eine Wissenschaft für sich darstellt und den schwierigsten Teil der Rechtsfolgenentscheidung ausmacht. Diese Schwierigkeiten führt der Verfasser dem Leser sehr klar vor Augen. Er entwickelt einen sehr brauchbaren Stufenkatalog für die Strafzumessung in sieben Punkten. Die Probleme werden da erörtert, wo sie im Urteil ihre Funktion haben. Nicht zuletzt fehlerhafte Strafzumessungserwägungen führen oftmals zur Aufhebung erstinstanzlicher Strafurteile hinsichtlich des Schuldausspruches, auf dessen Rüge eine Revision auch beschränkt werden kann. Wie stets werden auch hier kriminologische Aspekte mit behandelt. Bei den Ausführungen zu den Maßregeln der Besserung und Sicherung bestechen etwa die Ausführungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis als der praktisch wichtigsten Maßregel. Inzwischen hat der Gesetzgeber endlich auch die Opferperspektive in die Strafsanktion eingebracht und die Wiedergutmachung als “dritte Spur“ etabliert. Das betreffende Kapitel widmet sich sehr eingehend dem Täter-Opfer-Ausgleich und der Wiedergutmachung, die freilich nur begrenzte Wirkungen haben, je nach verwirktem Delikt. Hier finden sich auch einige praxisnahe Beispielsfälle. Ein abschließendes Kapitel widmet sich den beabsichtigten Reformen des deutschen Strafanktionensystem. Hier wird neben den rechtspolitischen Grundfragen insbesondere der umstrittene Referentenentwurf vom 08. Dezember 2000 diskutiert, der etwa das System der Ersatzstrafen ausweiten will. Dies wird kritisch aufgearbeitet.

Mit diesem neuen Werk ist dem Verfasser eine deutliche Bereicherung der strafrechtlichen Ausbildungsliteratur gelungen, das auch dem Praktiker sicher noch einige Anregungen zu bieten hat und dem “Einsteiger“ das notwendige Wissen praxisnah vermittelt.

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