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Artikel 3131
Ralf Hansen

Strafrechtliche Folgen der Insolvenz

Eine Rezension zu:

Raimund Weyand

Insolvenzdelikte, Unternehmenszusammenbruch und Strafrecht


Bielefeldt: Erich-Schmidt-Verlag, 2001, 220 S. ISBN 3-503-05789-7

www.erich-schmidt-verlag.de
www.insolvenzdelikte.de


Unternehmenskrisen mit anschließender Insolvenz haben oftmals ein strafrechtliches Nachspiel. Dies gilt für das neue Insolvenzrecht des Jahres 1999 (mit bereits etlichen Änderungen seither) nicht weniger als für das seinerzeitige Konkursrecht. Die Feststellung des Verfassers der Monographie, daß Strafrecht und Insolvenzrecht eng zusammengehören, gilt daher ohne Abstriche. Die Ermittlungsverfahren sind langwierig, schwierig und scheitern oftmals an der prekären Beweislage und am Dickicht der in derartigen Ermittlungsverfahren zu beachtenden Normen, die über das Strafrecht hinaus tief in das Handels- und Wirtschaftsrecht und selbstredend in das Insolvenzrecht reichen. Dieses Dickicht versucht das überaus lesenswerte Buch (inzwischen in fünfter Auflage) in strafrechtlicher Perspektive durchsichtiger zu machen, was vollständig gelingt. Insbesondere ist erfreulich, daß die Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung eine Dichte erreicht, die selbst einer Kommentierung der einschlägigen Delikte zur Ehre gereichen würde.

Der Text gibt zunächst einen interessanten Einblick in den Bereich "Firmenzusammenbruch und strafbare Handlungen" und in diesem Rahmen einen Überblick über die typischerweise mit Insolvenzen in Zusammenhang stehenden Straftaten der §§ 283 - 283 StGB und der §§ 263, 266a, 267, 246, 266 StGB, 64, 82 GmbHG, 370 AG als typische Begleitstraftaten, die nur am Rande behandelt werden. Die Darstellung konzentriert sich auf die "eigentlichen" Insolvenzdelikte, deren Schutzgut die Vermögensinteressen der benachteiligten Gläubiger ebenso sind wie das Interesse der Kreditwirtschaft an einem reibungslosen Kapitalverkehr, wobei indessen die volkswirtschaftlichen Belastungen in der Folgenabschätzung kaum ausgeblendet werden können. Angesichts des oftmals vorliegenden Forderungsausfalles ist auch eine gewisse Genugtuungsfunktion vorhanden. Der Verfasser spricht auch sehr offen den Umstand - nicht zuletzt aus Kostengründen - an, daß oftmals zivilistische Ermittlungsfunktionen qua Strafanzeige den Ermittlungsbehörden zugewiesen werden, um dann zivilrechtlich von ihren strafrechtlichen Ermittlungsergebnissen profitieren zu können. Die Neuauflage arbeitet insbesondere die Auswirkungen des neuen Insolvenzrechtes für die strafrechtlichen Insolvenzdelikte auf, die zwar nicht ebenfalls reformiert wurden, jedoch von den Veränderungen im Insolvenzrecht tief geprägt werden.

Bei der überzeugenden Analyse des Täterkreises bestechen etwa die Ausführungen zum "faktischen Geschäftsführer" und zur "Hintermannproblematik". Das Strafrecht sieht sich insoweit zu Recht nicht an die Kategorien des Gesellschaftsrechts gebunden, wobei hier Durchbrechungen der "formalen Gesellschafterstellung" zwecks Haftung von "Gründern, Initiatoren und Hintermännern" ebenfalls nicht unbekannt ist, so daß die Mindermeinung sich auch insoweit auf nicht völlig gesicherten Boden bewegt und der Verfasser sich mit Recht an der Rechtsprechung des BGH orientiert, die von einem materiellen Täterbegriff ausgeht.

Im Brennpunkt des Insolvenzrechts steht der Begriff der Unternehmenskrise. Dies gilt auch für das Strafrecht. Bereits die nähere Bestimmung der Unternehmenskrise in §§ 283 ff StGB führt hinsichtlich der Präzisierung der Begriffe "Überschuldung" oder "Zahlungsunfähigkeit" in den schwierigen Bereich des Bilanzrechts, da sich die Krise letztlich nur im Rahmen einer unternehmensbewertenden Überschuldungsbilanz rekonstruieren läßt. Hier ist schon streitig, ob nach Liquidationswerten oder anhand einer Fortführungsprognose zu bilanzieren ist. Diese Fragen werden so angesprochen, daß auch der bilanzrechtlich nicht versierte Strafjurist die klaren Ausführungen gut nachvollziehen kann. Es ist kaum verwunderlich, daß in diesem Bereich auch die ermittelnden Staatsanwaltschaften oftmals auf externe Gutachter angewiesen sind. In aller gebotenen Kürze geht der Verfasser auf die bilanzrechtliche Voraussetzungen ein, bezieht sie aber strikt auf die strafrechtliche Funktion für das Ermittlungsverfahren. Kapitel 5 des Buches untersucht dann die §§ 283 ff StGB Tatbestandsmerkmal für Tatbestandsmerkmal anhand einer überzeugenden Systematisierung des § 283 StGB anhand der Fallgruppen Vermögensverschiebungen, unwirtschaftliche Geschäfte, Scheingeschäfte und Buchführungsverstöße, zu denen noch der schwer zu handhabende Auffangtatbestand des § 283 I Nr.8 StGB tritt. Dabei geht der Verfasser stets auch auf Beweisfragen ein, da die Beweiswürdigung letztlich im Zentrum der staatsanwaltschaftlichen Arbeit steht. Etwa wird im Rahmen der Erörterungen zu § 283 I Nr.8 StGB der schwierige Tatnachweis bei diesem Auffangtatbestand sehr deutlich. Desweiteren erörtert wird die regelmäßig mit strafbaren Handlungen im Zusammenhang mit Unternehmenskrisen auftretende Verletzung der Buchführungspflicht des § 283 b StGB, gefolgt von knappen Übersichten zur strafbaren Gläubiger- und Schuldnerbegünstigung.

Für die Praxis von besonderem Interesse (für alle Beteiligten) ist das Kapitel 6, in dem der Verfasser auf die Praxis der Ermittlungsbehörden bei Insolvenzdelikten eingeht. Hier finden sich sehr konkrete Hinweise zur Verfahrensstrategie, etwa was die Auswertung von Zivilakten oder die Befragung des Insolvenzverwalters angeht. Eingegangen wird im Hinblick auf Durchsuchungen und Beschlagnahmen auch auf den schwierigen Bereich der Bankermittlungen. Eher kurz behandelt werden die Möglichkeiten der Verfahrensbeendigung durch Einstellung des Verfahrens, ggf. gegen Geldbuße. Ein eigenes Schlußkapitel ist der strafrechtlichen Relevanz fehlerhafter steuerlicher Beratung gewidmet. Sehr informativ ist auch das recht umfassende Literaturverzeichnis, das weitere Erkundungen auf schwierigem Terrain ermöglicht.

Das Buch ist extrem lesenswert, überaus informativ und sehr flüssig geschrieben. Es dürfte für alle in der Praxis mit dieser Materie konfrontierten Beteiligten eine enorme Hilfe bei der Bewältigung der oftmals schwierigen Probleme derartiger Ermittlungsverfahren sein.

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