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Artikel 8867
Stefanie Samland
22.02.2004

Grundrechte auf 600 Seiten

Eine Rezension zu:

Michael Sachs

Verfassungsrecht II

Grundrechte

2. Auflage

Springer, Berlin/Heidelberg 2003, 601 Seiten, 24,95 €
ISBN 3-540-00003-8

http://www.springer.de


Die Grundrechte stellen eine Materie dar, die in den ersten zwei Semestern angesiedelt ist und danach erst mal eine Weile in Vergessenheit gerät, bis man sie zur Examensvorbereitung wieder braucht. An dieser Stelle ist ein Lehrbuch vonnöten, mit dem man das schon einmal Gelernte auffrischen und Detailfragen nachlesen kann. Die Reihe Springer-Lehrbuch bietet genau solche Bücher. Das examensrelevante Wissen und die "Knackpunkte" werden ohne viel Ballast wissenschaftlicher Streitstände anschaulich aufbereitet, ohne dass man einen "Grundriss" für Anfänger in der Hand hat. Zu den Grundrechten gibt es inzwischen sogar schon zwei Bücher in dieser Reihe, eines von Epping, welches sich u.a. auch mit der Anwendung des Wissens in Klausuren beschäftigt, und eben das vorliegende Werk von Sachs.

Das erste Viertel des Buches behandelt die allgemeinen Grundrechtslehren. Von der geschichtlichen Entwicklung der Grundrechte, ausgehend von philosophischen Wurzeln, über die Grundrechtsfunktionen und die üblichen Prüfungspunkte zu den Grundrechten bis hin zu Grundrechtskonkurrenzen erfährt der Leser quasi den "Allgemeinen Teil" dieses Rechtsgebiets vorne weg. Dieser Teil schließt mit einem Prüfungsschema für Freiheitsgrundrechte, welches mit Verweisen auf die zuvor behandelten Kapitel versehen wurde.

Den Hauptanteil macht der zweite Teil aus, der sich über den Rest des Buches erstreckt. Hier werden die einzelnen Grundrechte der Art. 1-17 GG sowie die Rechte aus Art. 19 IV, 20 IV, 33, 38, 101 I 2 und 103 GG in der Reihenfolge des Grundgesetzes analysiert. Dabei werden alle Rechte relativ umfassend beschrieben, z.B. erhält der Art. 33 GG ähnliche Beachtung, was die Seitenzahl angeht, wie die Meinungsfreiheit, nämlich ungefähr sechs Seiten – wobei bei letzterer die Ebene der Rechtfertigung von Eingriffen erst später behandelt wird. Auch weniger klausurrelevante Grundrechte wie Art. 10 GG werden nicht ausgeblendet, was auch gerechtfertigt ist, wenn man anhand der Nachweise sieht, dass es doch auch aktuellere Entscheidungen dazu gibt.

Jedes Kapitel wird mit einer Kurzgliederung eingeleitet, eher ungewöhnlich für ein Lehrbuch. So ist z.B. am Beginn des Kapitels zur Berufsfreiheit ersichtlich, wie viele Randnummern die Thematik umfasst und wie die Darstellung strukturiert ist. Die Randnummernzählung beginnt jeweils von neuem, was das Zitieren in Hausarbeiten umständlicher macht, so muss man etwa Rn 3 zur Berufsfreiheit mit "B 12 Rn 3" zitieren. Dies ist bei Büchern mit durchlaufender Zählung bequemer. Zwischen Gliederung und Lehrbuchtext stehen noch Leitentscheidungen und Literaturhinweise zum jeweiligen Kapitel. Durch diese Aufstellung der – restriktiv ausgewählten – Rechtsprechung und Literatur erspart sich Sachs den kompletten Fußnotenapparat. Dies ist auch gewollt, um – wie eingangs erwähnt – Meinungsstreit und umfangreiche Verweise zu vermeiden, diese sollen den GG-Kommentaren vorbehalten bleiben, von denen Sachs bekanntlich auch einen betreut. Die Literaturaufstellungen könnten insgesamt etwas aktueller sein, häufig werden Aufsätze auch noch aus den 80er Jahren angegeben, auch wenn diese gewiss nicht veraltet sind. Jedoch fehlen z.B. zu Artikel 4 Verweise auf neueres Schrifttum zur Schächten-Problematik – lediglich ein Aufsatz aus 2002 findet sich in den "Weiteren Hinweisen zu Rechtsprechung und Literatur" am Ende des Kapitels zu Art. 4 GG. Auch die Neuerung, die sich bzgl. des Schächtens auf der Rechtfertigungsebene durch die Aufnahme des Tierschutzes in Art. 20a GG ergeben hat, wird nur mit einem offenen Satz erwähnt, aber nicht ausdiskutiert. Gerade hier liegen aber beliebte Klausurthemen zur Thematik "vorbehaltslos gewährte Grundrechte". Die Kapitel enden schließlich mit einem Merkkasten "Zusammenfassung" und den soeben schon genannten weiteren Lesehinweisen. Die zusammenfassenden Merkkästen sind inhaltlich sehr gelungen.

Anders als weitere Werke der Springer-Lehrbuch-Reihe zitiert Sachs keine längeren Passagen aus der Rechtsprechung. Dafür wird die Darstellung auf fast jeder Seite durch Beispiele unterbrochen, die eingerückt werden. Hierdurch kann der eilige Leser auch einfach über die Beispiele hinweglesen. In diesen Bespielen bezieht sich der Autor fast ausschließlich auf Judikatur des Bundesverfassungsgerichts, so dass die "Klassiker" dennoch zur Geltung kommen. Trotz des großen Umfangs des Buches sind die einzelnen Ausführungen recht knapp. Der Leser erfährt die grundlegenden Informationen zu den einzelnen Grundrechten, um das Gelernte über die Schutzbereiche und die Rechtfertigung von Eingriffen auf Klausurfälle übertragen zu können. Darüber hinaus werden aber noch Querverweise auf andere Vorschriften und Konkurrenzfragen behandelt.

Gesamteindruck:
Umfangreiches Wissen zu den Grundrechten lässt sich mit dem Lehrbuch von Sachs aneignen. Zur Vorbereitung auf Klausuren und Examen ist der nötige Stoff anschaulich aufbereitet und mit Lesehinweisen versehen. Leider ist das Druckbild auf dem dunkleren Papier nicht gerade lesefreundlich, so dass ein längeres Lesen eher nicht erstrebenswert ist. Hilfreich sind die am Ende abgedruckten zwei Entscheidungsregister.

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