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Artikel 6395
Anne-Cathrin Wiesner

Der Staatsrechtsklassiker

Eine Rezension zu:

Jörn Ipsen

Staatsrecht I

Staatsorganisationsrecht

14., völlig neu bearbeitete Auflage

Luchterhand Verlag GmbH, Neuwied und Kriftel 2002, 340 S., 19,00 €
ISBN 3–472–05245–7,

www.luchterhand.de


Staatsorganisationsrecht ist eines der Fächer, mit denen der Jurastudent bereits zu Beginn seines Studiums in Berührung kommt. Umso wichtiger ist es, ein auch für Anfänger verständliches Werk zu schaffen, um diesen den Einstieg in die oft unzugängliche und wenig beliebte Materie zu vereinfachen. Hierbei leistet das Werk des Osnabrücker Staatsrechtsprofessors Jörn Ipsen seit geraumer Zeit einen enormen Beitrag und ist in den 16 Jahren seit der Erstauflage so etwas wie eine Institution auf diesem Gebiet geworden. Mit der vorliegenden 14. Auflage wurde die weiterhin wachsende Bedeutung Deutschlands als Teil des supranationalen Staatenverbundes Europäische Union berücksichtigt und die daraus resultierenden Folgen für den Staat.

Das Buch will dem Studenten vorrangig ein Lernbuch sein, weshalb auf eine fallbezogene Darstellung großer Wert gelegt wurde. Der Leser kann somit aktiv mitarbeiten und wird doch bei der Erschließung der neuen Materie "an die Hand genommen", womit eine Überprüfung der eigenen Ideen und Gedankengänge gefördert wird und diese in die richtige Richtung geleitet werden. Auch betont der Verfasser die besondere Aktualität des Buches, die auch daher rührt, dass wichtige Begebenheiten angesprochen werden, zu denen bisher eine höchstrichterliche Entscheidung fehlt. Hiermit wird der Leser sensibilisiert, sich dem Tagesgeschehen zu widmen und fernab von Lehrbüchern die neueste Rechtsprechung zu verfolgen, um selbstständig Antworten zu finden und damit immer "auf dem Laufenden" zu sein. Der Leser soll Recht als Ganzes, und im Speziellen Staatsrecht nicht als starres Gebilde, sondern als ein sich stets wandelndes Gebiet begreifen.
Um die Rolle des Bundesverfassungsgericht als grundsätzliche richterliche Instanz des Staatsrechts hervorzuheben, wird auf wichtige Entscheidungen jeweils im Anschluss an ein Kapitel verwiesen. Der Leser wird ermutigt, einige Entscheidungen zu lesen und das Gelernte damit aufzuarbeiten, nicht ohne dabei auch einen kritischen Blick zu entwickeln. Die sehr ausführlichen Literaturangaben an Ende der Abschnitte sind besonders ausgerichtet auf didaktisch wertvolle Beiträge, was den Charakter eines Lernbuchs noch unterstreicht. Das Werk erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit bezüglich staatstheoretischer Ausführungen, vielmehr wird hier auf Lehrbücher verwiesen. Somit soll garantiert werden, dass der Leser das Buch als Arbeitsgrundlage nutzt und selbiges nicht "nur" liest. Dieser Effekt wird letztlich auch von den Kontrollfragen unterstützt. Hingewiesen sei noch auf die Homepage des Verfassers www.joernipsen-staatsrecht.de.

Das Buch beginnt mit einer ausführlichen Einführung in das Staatsrecht. Dargestellt wird das Verhältnis vom Staatsorganisationsrecht zum Staatsrecht, die Drei-Elemente-Lehre zum Staatsaufbau (mit Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt) und das Grundgesetz als Verfassung der Bundesrepublik. Dem geneigten Leser wird zusätzlich die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften nahe gebracht, um die Auswirkungen auf das heutige Recht nachvollziehbar zu machen. Der folgende Aufbau des Buches erinnert stark an Artikel 20 des Grundgesetzes – der Verfasser befasst sich im ersten großen Abschnitt des Buches mit dem Prinzip der parlamentarischen Demokratie (gesetzlich normiert in Art. 20 I und II 1 GG), anschließend wird das Bundesstaatsprinzip beleuchtet (Art. 20 I GG), dem sich die Erläuterung des Rechtstaatsprinzips anschließt (Art. 20 III, 28 I 1 GG), und als letztes Prinzip das des Sozialstaats (Art 20 I GG). Als Abschluss des Buches wird auch auf den Schutz der Verfassung durch die Gerichte eingegangen sowie nochmals auf die Zusammenhänge von Europäischer Union und Deutschland.

Mit der Systematik der einzelnen Prinzipien ist Ipsen eine wirklich hilfreiche Darstellung gelungen, da er neben einer Erläuterung des Prinzips als Unterpunkte alle zu dem einzelnen Prinzip wichtigen Themen ausführlich erläutert, womit dem Student auch die Möglichkeit gegeben wird zu erkennen, aus welchem der Prinzipien eben diese Bereiche abzuleiten sind.

Im Rahmen des Demokratieprinzips geht der Autor zuerst auf das Wahlsystem Deutschlands ein. Er erläutert recht straff die verschiedenen Wahlsysteme Verhältniswahlrecht und Mehrheitswahlrecht und demonstriert die daraus resultierenden unterschiedlichen Ergebnisse anhand einer britischen Wahl. Anschließend wendet er sich den Wahlgrundsätzen zu, erklärt besonders die prüfungsrelevanten Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl in gebotener Ausführlichkeit. Wünschenswert wäre hier eine ebenso ausführliche Darstellung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Wahl gewesen, was oft Schwierigkeiten birgt. Zum Verständnis des deutschen Wahlsystems wird in Einzelschritten der Ablauf der Mandatsvergabe nachvollzogen und hierbei auch auf die Problematik der Überhangmandate eingegangen sowie an Tabellen zu den Wahlen 1994 und 1998 in Zahlen verdeutlicht. Zur Abrundung des Kapitels "Wahlen" wird auf Abstimmungen und ihre Zulässigkeit eingegangen und im Anhang im Vergleich der einzelnen Bundesländer dargestellt. Im nächsten Kapitel erfolgt eine Beschäftigung mit den Parteien, wobei der Behandlung der Chancengleichheit für Parteien in Unterscheidung zu Art. 3 GG als beliebtes Prüfungsthema Rchnung getragen wird.

Der Autor erläutert alle für Anfängerübungen wichtigen Probleme gut strukturiert und verständlich, gibt viele Hinweise und Verweise und zieht häufig Parallelen zur Handhabe in den Europäischen Gemeinschaften, was zugegebenermaßen auf den ersten Blick nicht recht zum deutschen Staatsrecht passen will, aber so die Zusammenhänge erläutert und das Staatsrecht damit in enge Verbindung auch mit dem europäischen Recht setzt, um so den Horizont zu erweitern. Ein sehr ausführliches Sachregister bietet schnellen Zugriff auf alle entscheidenden Begriffe, was auch an einer sehr starken Untergliederung und fast schon exzessiven Randnummersetzung liegt. Dies lässt das Lesen teilweise etwas schwerer werden, unterstützt aber den Charakter eines Lernbuches.

Ipsen ist mit seinem Staatsrecht ein Werk gelungen, welches man bedenkenlos empfehlen kann. Viele Hervorhebungen im Text lassen Wichtiges sofort erkennbar werden und häufig verwendete Schaubilder und Tabellen bieten eine gute und leichte Erfassung von Zusammenhängen. Man darf auf die Folgeauflagen gespannt sein und auf andere Veröffentlichungen des Autors im Staatsrecht.

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