Herzlich willkommen auf jurawelt.com

Zur neuen Webseite: jurawelt.com

Zum Forum: forum.jurawelt.com


Artikel 8433
Susann Seifert

Rechtsgeschichte in Grundzügen

Eine Rezension zu:

Rudolf Gmür / Andreas Roth

Grundriss der Deutschen Rechtsgeschichte


10. Auflage

Luchterhand, Neuwied 2003, 160 Seiten, 19,90 €
ISBN 3-472-05564-2

http://www.luchterhand-fachverlag.de


Zum allgemeinen Wissensstand eines angehenden Juristen gehört mit Abschluss seiner universitären Ausbildung die Kenntnis der Geschichte des deutschen Rechts zumindest in den Grundzügen. Das Verständnis des heutigen Rechtssystems beruht größtenteils auf dem Verständnis und Wissen über dessen Entstehung und Weiterentwicklung in der Vergangenheit. Nur so lassen sich aus einem historischen Blickwinkel heraus das "Warum?" "Weshalb" und "Wieso?" der Eigenheiten des deutschen Rechts begreifen.

Eine angenehme Zeitreise durch über 2000 Jahre deutsche Geschichte bietet das Buch "Grundriss der Deutschen Rechtsgeschichte" von Rudolf Gmür und Andreas Roth. Mittlerweile schon in der 10. Auflage im Luchterhand Verlag erschienen, wird das einst von Rudolf Gmür begründete Buch nun von Andreas Roth weitergeführt. Konzept und Inhalt entsprechen denen der Vorauflagen. Die Änderungen beschränken sich auf aktuelle Ergänzungen zu den Literaturhinweisen, zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz oder zum Lebenspartnerschaftsgesetz.

Auf 160 Seiten werden die wichtigsten Entwicklungen des Privat-, Strafrechts- und des Öffentlichen Rechts von der germanischen Zeit bis zur Gegenwart skizziert. Bevor auf die einzelnen Zeitabschnitte näher eingegangen wird, erfolgt zunächst eine Klärung der wichtigsten Grundbegriffe und die Bedeutung der Rechtsgeschichte für den Juristen von heute wird ausführlich erörtert. Hiernach findet der Student eine umfangreiche Auswahl an Literatur, um bei Bedarf und Interesse ein Stoffgebiet zu vertiefen. Neben Büchern und Lexika, welche die gesamte deutsche Rechtsgeschichte zum Inhalt haben, werden gleichfalls Bücher, die sich nur mit einem bestimmten Teilbereich derselben beschäftigen bzw. solche, welche die gesamte europäische Rechtsgeschichte im Blick haben, aufgeführt.

Ausgangspunkt der Zeitreise ist die Ära der Germanen. Die Autoren wähnen sie zwischen 100 v. Chr. bis ca. 500 n. Chr. Der Begriff der "Germanen" wird von Poseidonios erstmals um 100 v. Chr. als Name kleinerer Stämme im heutigen Belgien überliefert. Allerdings werden die Germanen schon um 350 v. Chr. vom Griechen Pytheas unter der Bezeichnung "Skythen" erwähnt, so dass die Annahme, die germanische Zeit begänne erst um 100 v. Chr., doch sehr gewagt erscheint. Auf nur fünf Seiten werden neben dem Verfassungs- und Gerichtswesen ebenso das Privat- und Strafrecht behandelt. Lediglich das Problem der Zuverlässigkeit von Tacitus' "Germania" wird tiefgründig diskutiert.

Gegenstand des zweiten Kapitels ist die Fränkische Zeit. Die damals eine überragende Rolle spielende Grundherrschaft wird in Abgrenzung zur Lehensherrschaft unter Angabe von Gemeinsamkeiten und Unterschieden eingehend beschrieben. Im Weiteren folgen Ausführungen zu den wichtigsten damaligen Hofämtern, zur wachsenden Bedeutung der Kirche aber auch zum Gerichtswesen, dessen Kennzeichen das "zweizüngige Urteil" oder Ordale wie Kesselfang, Wasserprobe oder Zweikampf waren. Im Strafrecht haftete der Täter noch für den von ihm verursachten Erfolg unabhängig von dessen Zurechnungsfähigkeit.

Kapitel drei widmet sich dem Hochmittelalter. Zu dessen Beginn zerfiel das fränkische Reich. Kennzeichnend für diese Epoche ist insbesondere das nun voll entwickelte Lehenwesen. Dass dieses weiterhin eine große Rolle spielte, spiegelt sich vor allem im von den Verfassern aufgewendeten Seitenumfang von immerhin über vier Seiten wider. In gleicher Weise setzen sich die Autoren mit dem Aufbau der Kirche, dem wechselhaften Verhältnis zwischen Papst und Kaiser (besonders der Investiturstreit) sowie den Rechten von Bischöfen, Pfarreien und Abteien auseinander. Abgerundet wird dieses Kapitel mit einem Ausblick auf die Anfänge der Rezeption des römischen und kanonischen Rechts.

Kapitel vier und fünf behandeln das Spätmittelalter und die Frühe Neuzeit. Prägend für diese Zeitabschnitte sind zum einen die zunehmende Bedeutung der Städte, aber auch die immer präziser werdenden Regelungen im Privatrecht. Im Bereich des Strafrechts erfolgte ein Wechsel weg von der Erfolgshaftung hin zur Verschuldenshaftung des Täters. Fast im gleichen Atemzug wurde das bis dahin geltende Sühnegeldleistungssystem vom viel härteren Blutstrafrecht abgelöst. Die Frühe Neuzeit hebt sich in erster Linie durch die Reichsverfassung, die zahlreichen Territorialverfassungen und die Entstehung von Kodifikationen hervor. Im Anschluss hieran folgen die Kapitel sechs und sieben, die sich einerseits mit dem liberalen und andererseits mit dem sozialen Rechtsstaat beschäftigen. Dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik ist hingegen in dieser Auflage leider kein eigenes Kapitel gewidmet worden. Zwar werden einige Regelungen im Zusammenhang mit vergleichbaren bundesdeutschen Normen behandelt, jedoch reicht dieses für ein Verständnis des Rechts der Deutschen Demokratischen Republik in Grundzügen bei weitem nicht aus.

Gesamteindruck:
Insgesamt zeichnet sich das Buch durch eine klare Konzeption aus. Sowohl die Gliederung in sieben Kapitel (ein Kapitel = ein Epoche) als auch die anschauliche und lebendige Darstellung lassen ein einprägsames Bild des Menschen und seiner Rechtsentwicklung entstehen. Die Autoren gehen dabei auf die gesellschaftlichen und rechtlichen Besonderheiten des jeweiligen Zeitabschnitts ein. Die geschichtliche Entwicklung einzelner Rechtsgebiete und -institute sowie deren Einordnung in einen gesellschaftlichen und politischen Kontext wird epochenübergreifend erklärt und trägt somit zu einem guten Gesamtverständnis bei. Vervollständigt wird das Werk mit einer Zusammenstellung der wichtigsten Rechtssprichwörter. Obwohl der germanischen Zeit eine eher stiefmütterliche Behandlung widerfährt, vermittelt dieses Buch solide Grundkenntnisse in allen Rechtsgebieten der Deutschen Rechtsgeschichte und stellt insofern den idealen Einstieg für jeden an dieser Materie Interessierten dar. Der flüssige und lebendige Schreibstil erweckt die Wissbegierde des Lesers und lässt den Stoff niemals trocken oder gar langweilig erscheinen.

Impressum | Datenschutz