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Artikel 8281
Daniela Ellwanger
13.09.2003

Arbeiten mit den Originalen

Eine Rezension zu:

Dietmar Willoweit / Ulrike Seif

Europäische Verfassungsgeschichte


C.H. Beck, München 2003, 937 Seiten, 59,- €
ISBN 3-406-49825-6

http://www.beck.de


Die Dokumente zur Europäischen Verfassungsgeschichte reichen von mittelalterlichen Quellen bis zu Texten des 20. Jahrhunderts. Ausgehend von der Überzeugung, dass die Verfassungsentwicklungen der einzelnen europäischen Staaten auf gemeinsamen Grundlagen beruhen und sich unter gegenseitiger Beeinflussung vollzogen haben, will diese Studienausgabe einen Arbeitsbehelf an die Hand geben, der ein authentisches Arbeiten mit den Originalquellen ermöglicht. So sind auch die fremdsprachigen Texte abgedruckt, denen die deutsche Übersetzung synoptisch gegenübergestellt wurde. Auch finden sich mehrere Verfassungsurkunden, die bislang nicht ins Deutsche übersetzt wurden.

Übersichtlich sind die Texte aufgegliedert in vier große Teile:

Den Alteuropäischen Staatsgrundgesetzen gehören u.a. die Magna Charta Libertatum vom Juni 1215, Die Goldene Bulle vom Januar/Dezember 1356 und die Westphälischen Friedensverträge vom Oktober 1648 an.
Zu den Verfassungen des konstitutionellen Zeitalters sind u.a. Menschenrechtserklärungen, Verfassungen des Napoleonischen Zeitalters und Bundesverfassungen abgedruckt.
Die Republikanischen Verfassungen sind aufgegliedert in diejenigen des 19. und die des 20. Jahrhunderts.
Zu den Dokumenten der Diktaturen des 20. Jahrhunderts schließlich zählen neben anderen die Italienischen Verfassungsgesetze von 1925-1939, die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom Februar 1933 sowie die Verfassung (Grundgesetz) der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom Dezember 1936.

Dokument des Widerstandsrechts als ein konstitutives Rechtsprinzip mittelalterlicher Herrschaftsauffassungen seien Herrschaftsverträge und Freiheitsbriefe. Herrscher und Volk seien gleichermaßen an eine geheiligte Rechtsordnung gebunden, weshalb der Regent verpflichtet sei, den Rat der Magnaten einzuholen. Handelte der Herrscher wider den Rat, beging er Rechtsbruch, gegen den Widerstrand geboten war. Der Rat bzw. dessen Zustimmung gab den Staatsgrundgesetzen höhere Bestandskraft. Neben dem Widerstandsrecht stand das Gottesgnadentum, ein besonders ausgeprägtes Fürstenrecht. Die politischen Auseinandersetzungen um das päpstliche Approbationsrecht bei der deutschen Königswahl führten in der Goldenen Bulle von 1356 zur Durchsetzung des Licet Iuris, dem Reichsgesetz Ludwigs des Baiern, wonach allein die rechtmäßige Wahl durch die Kurfürsten den Gewählten schon zum Kaiser mache. Die Idee der kaiserlichen Universalmonarchie in Deutschland wurde tief getroffen, als sich bedeutende Reichsstände einer Exekution der Reichsacht gegen die Lutheraner versagten. Die religiösen Erschütterungen der Konfessionskriege führten zu den Friedensschlüssen des konfessionellen Zeitalters. Die alteuropäischen Staatsgrundsätze erfassen nicht nur den Dualismus zwischen Monarch und Ständen, sondern auch Bundesbriefe, Reichsorganisation und Staatsreformen.

Das Kapitel der Verfassungen des konstitutionellen Zeitalters beschäftigt sich u.a. mit den Menschenrechtserklärungen, die grundlegende Unterschiede zwischen den englischen und französischen Garantien zeigen, wie z.B. die Habeas Corpus-Akte des englischen Parlaments und die französische Menschen- und Bürgerrechtserklärung deutlich machen. Weiter finden sich in diesem Kapitel neben anderen die vorrevolutionären Verfassungsdokumente der Aufklärung, zu denen die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika von 1787 zählt sowie die Bundesverfassungen.

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft von 1848 und die Lois constitutionelles von 1875 dokumentieren die Republikanischen Verfassungen des 19. Jahrhunderts. Im 20. Jahrhundert sorgte das Ende des ersten Weltkrieges für eine Welle von weiteren Republikanischen Verfassungen.

Die Dokumente der Diktaturen des 20. Jahrhunderts bilden den Schluss dieses umfangreichen Werkes.

Gesamteindruck:
Das Buch besticht durch seine übersichtliche Gliederung. Die abgedruckten Originaltexte ermöglichen ein gutes, wissenschaftliches Arbeiten. Aber das Werk von Willoweit/Seif ist mehr als nur ein Nachschlagewerk an Verfassungsdokumenten. Eine leicht verständlich geschriebene Einleitung von Frau Seif gibt den nötigen Zusammenhang der Dokumente und bietet einen grundlegenden Überblick über den geschichtlichen Hintergrund.

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