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Artikel 5288
Ralf Hansen

Römisches Recht in kompakter Form

Eine Rezension zu:

Heinrich Honsell

Römisches Recht

5. Auflage

Heidelberg: Springer - Verlag, 2002, 233 S., € 24,95,-
ISBN 3-540-42455-5

http://www.springer.de


Das deutsche bürgerliche Recht hat mit der Schuldrechtsreform weitere Verbindungslinien zum römischen Recht gelöst und sich verstärkt der Rezeption anglo-amerikanischen Rechts verpflichtet, in Abkehr von kontinental-europäischen Traditionen. Weitgehend ignoriert wurden dabei die Ergebnisse der Lando - Kommission. Damit droht die Wissenschaft vom römischen Recht in einer langfristigen Perspektive weithin zu einer Art Traditionspflege zu werden, nachdem ihr nach Verabschiedung des BGB die Aufrechterhaltung der römisch-rechtlichen Spuren oblag, die das BGB enthielt und in erheblichem Umfang immer noch enthält. Um ein deutsches Examen zu bestehen, sind jedenfalls nähere Kenntnisse des römischen Rechts kaum mehr nötig. Nichtsdestoweniger ist das römische Recht weiter und immer noch für jene von Interesse, die sich für die Grundlagen der kontinentaleuropäischen Rechtskultur interessieren, nicht zuletzt in rechtsvergleichender Absicht. Wer etwa die spanische Zivilrechtsdogmatik näher verstehen will, tut gut, sich mit dem römischen Recht zuvor auseinandergesetzt zu haben. Der Verfasser bietet seit der Erstauflage von 1992 Studenten des deutschprachigen Raumes eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich diese Grundlagen in kompakter Form anzueignen, ein wenig parallel zum österreichischen Versuch von Mayer-Maly im gleichen Verlag. Das Buch ist überdies sehr flüssig geschrieben und setzt keine Vorkenntnisse voraus. Es beschränkt sich in der Tat auf das Wesentliche, so daß die Schwerpunkte ausgezeichnet gesetzt sind. Erfreulich ist auch - im Vergleich zu manchen anderen Lehrbüchern - das die neuere (und ältere) Literatur eingehend in den Fußnoten berücksichtigt ist, soweit sie für Studenten von Interesse sein kann.

Der Aufbau folgt - wie das BGB - im wesentlichen dem Aufbau des Pandektenlehrbuches von Heise, setzt allerdings mit einem interessanten Abriß der Geschichte des römischen Rechts ein, um die Herkunft verständlich zu machen, da sich die Kulturleistung der römischen Juristen nur in historischer Perspektive wirklich erschließt. Die kurze Einführung betont den Bildungswert des römischen Rechts gerade auch im Hinblick auf die klaren Begrifflichkeiten und der Herstellung sachgerechter Entscheidungen, die einer Heranziehung von Gesetzesrecht weitgehend entbehren mußte. Das Buch versteht sich daher auch völlig zu Recht als Warnung vor einem bildungsarmen Dogmatismus, der sich wesentlich im sinnentleerten Abklappern von Schemata zeigt. Herausgearbeitet werden hier nur Grundlinien, die vom altrömischen Zwölftafelrecht hin zur justianischen Kodifikation reichen. Wie entfernt dies alles von der Gegenwart ist, zeigt das schöne Tacitus - Zitat auf S.6: "corruptissima res publica, plurimae legis" aus Annales 3.27, das einen interessanten Maßstab für die Komplexitätsbewältigung durch Recht setzt. Wo alles zum Gesetz erstarrt, sind Gesetze letztlich nur mehr eine Form, die dem Steuerungsanspruch, die dem Recht von Haus aus zukommt, nicht mehr gerecht wird und im Ritual der Formgebung erstarrt. Etwas kurz sind die Hinweise zum römischen Fallrecht, da diese Methodik für das rechtvergleichende Studium auch des anglo-amerikanischen Rechts als Grundlage sehr nützlich ist, worauf auch treffend hingewiesen wird. Es wäre indessen ein grober Irrtum zu glauben, das kontinentale Recht - auch der Bundesrepublik Deutschland - würde derartigen Strukturen völlig entbehren. Ein Blick auf bestimmte Bereiche des Arbeits- und Gesellschaftsrechts etwa, widerlegt diese Annahme recht schnell, von bestimmten Bereichen des Internetrechts ganz zu schweigen, bei dem man sich letztlich nur von Fall zu Fall weiter vorantastet, so daß die ratio decidendi auch hier das tertium comparationes ist. Die Struktur derartiger Regelbildungen könnte noch etwas schärfer herausgestellt werden, zumal die mitgeteilten Digestenstellen auch als Warnung vor zu starrer Dogmatik dienen können. Auch die Entwicklung der römischen Rechtswissenschaft wird kurz vorgestellt.

Der zweite Teil nimmt Abstraktionen vor, die dem römischen Recht so fremd waren wie teilweise heute noch dem US-amerikanischen Privatrecht, indem die grundlegendsten Lehren dem Aufbau des BGB folgend in einem "Allgemeinen Teil" dargestellt werden. Eine solche Systematik fehlt etwa beim spanischen Còdigo Civil noch heute, der weitgehend der Struktur der Institutionen des Gaius folgt. Das Studium des römischen Rechts und der Rechtsvergleichung zeigen schnell, das es stets andere Möglichkeiten gibt als jene, die das heimische Recht bietet. Bereits dem römischen Recht war die Beziehung des Rechts auf das Grundprinzip der Gerechtigkeit eigen, mit dem es sich in einem fortwährenden Spannungsverhältnis befindet und auf außerjuristische Fragen moralischer Angemessenheit zielt, an deren Beantwortung sich das Recht als "gerechtes Recht" messen lassen muß. Dieser Teil zeigt sehr deutlich, daß die maßgebliche Leistung der römischen Jurisprudenz nicht in dogmatischer Abstraktionsleistung, sondern in der Herstellung von Fallgerechtigkeit lag, wie etwa die Ausführungen zur juristischen Person zeigen, von der die römischen Juristen nur ein sehr rudimentäres Verständnis entwickelten. Nichts anderes gilt für das Rechtsgeschäft und die Vertragslehre oder die direkte Stellvertretung, wie die Ausführungen klar zeigen. Andererseits hatte das römische Recht bereits spätestens seit der späteren Republik Formen entwickelt, die wirtschaftlich ähnliche Ergebnisse zuließen, die wir heute mit unseren ausgefeilten Rechtsinstituten herstellen. Gerade angesichts der Schuldrechtsreform ist das negotium nullum interessant, wie es etwa von Cel. D. 50.17.185 statuiert wurde und Eingang in § 306 BGB a.F. fand: impossibilium nulla obligatio. Demgegenüber sind solche Geschäfte heute grundsätzlich gültig, sofern auf der Ebene des Verschuldens keine Schuldbefreiung eintritt. Ob dies leichter zu handhaben ist, wird sich noch erweisen müssen. Zweifel sind jedenfalls angebracht.

Der nächste Abschnitt ist dem Sachenrecht gewidmet. Hier finden sich im Mobilarsachenrecht des BGB noch besonders viele Spuren des römischen Rechts. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die ganz ausgezeichnet dargelegten Besitzschutzinterdikte und die Fragen rund um die rei vindicatio - deren maßgebliche Prozeßformel durch Cicero Ver. II.2.31 überliefert wurde -, die im römischen Recht eine vollständig andere Funktion hatte als heute nach §§ 985 ff BGB, da letztlich nur eine Geldverurteilung erfolgen konnte (s. etwa auch Art. 348 II span. CC). Diese Zusammenhänge werden klar, durch die Erläuterungen des Erwerbs von Eigentum traditio ex iusta causa oder durch usucapio, die die Funktion eines Verkehrsschutzes beim Erwerb in gutem Glauben übernahm, den die Römer in dieser Form nicht kannten. Diese ungemein wichtigen Rechtsinstitute werden sehr plastisch erörtert, auch mit rechtsvergleichenden Hinweisen. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, daß maßgebliche Digestenstellen im Text des gesamten Buches (lateinisch und deutsch) eingefügt sind und auf diese Art einen deutlichen Eindruck der Leistungen der römischen Juristen geben, deren Entscheidungen allerdings oftmals nur mit Mühe hinsichtlich der Begründung rekonstruiert werden können. Eine Aufgabe der Digestenexegese, einer aussterbenden Übung. Im Anschluß an diesen Abschnitt gelingt dem Verfasser eine kurzgefaßte, aber ungemein prägnante Darstellung des römischen Obligationenrechts, die selbstredend auch die Grundbegriffe des römischen Leistungstörungsrechts rekonstruiert, das einen Erfüllungsanspruch nicht kannte, so daß Ansprüche stets auf Ersatz in Geld lauteten. Der Abschnitt gibt einen zielsicheren Überblick über auch heute noch vertraute Grundbegriffe des allgemeinen Schuldrechts und skizziert die besonderen Vertragsarten. Die Schwerpunktsetzung erfolgt hier nach der Bedeutung, so daß etwa das Kaufrecht ausführlicher dargestellt wird als andere Rechtsinstitute des besonderen Schuldrechts. So werden die actio empti und die actio venditi zwar sehr knapp dargestellt, aber die Strukturen werden ebenso klar wie die Bezüge und Unterschiede (insbesondere) zum alten Kaufrecht des BGB, das aber etwa die Eviktionsklage aus dem gemeinen Recht schon nicht übernommen hatte. Diese Klage hatte die Besonderheit, daß nur eine Haftung für uti frui habere licere eintreten konnte, nicht aber für eine ausgebliebene Übereignung. Konnte ein Dritter Rechte an der Kaufsache erfolgreich geltend machen, mußte der Verkäufer dafür einstehen. Es gelingt Honsell die verschiedenen Schichten der Entwicklung dieses komplizierten Rechtsinstituts in aller Kürze sehr klar nachzuzeichnen. Nichts anders gilt für die ädilizischen Rechtsbehelfe auf Minderung und Wandlung einer Kaufsache, die aufgrund der üblichen Gemengelage der römischen Rechtsinstitute - auf die immer wieder hingewiesen wird - nicht mehr völlig klar rekonstruiert werden können. Interessante Ansätze finden sich auch zur societas als der einzigen Gesellschaftsform, die das römische Recht - wenn auch rudimentär - hervorgebracht hat, deren Überlieferung indessen das Innenverhältnis der Regelung der GbR im BGB stark geprägt, mit vielen ungelösten Problemen in der Folge. Interessant, gerade auch mit Blick auf die Gegenwartsdogmatik sind die Ausführungen zu GoA, Bereicherungsrecht und Delikt, da sich die Kernprobleme bereits nach römischen Recht stellten. Dies gilt insbesondere für das Dreipersonenverhältnis. Allerdings entbehrte das römische Recht völlig des deutschen Abstraktionsprinzips, dessen Kreation aufgrund einer Julian-Stelle wir Savigny verdanken, der damit letztlich auch zum Urheber der betreffenden dogmatischen Probleme wurde. Sicher wider Willen, zumal seine Interpretation der betreffenden Stelle alles andere als zwingend war. Kurzum: die Darstellung des römischen Schuldrechts ist in dieser Kürze sicherlich eine der besten ihrer Art. Nur in elementaren Grundzügen werden indessen das Familienrecht und das wichtige römische Erbrecht vorgestellt. Insbesondere das Erbrecht hätte indessen aufgrund des nach wie vor bestehenden Vorbildcharakters eine intensivere Behandlung verdient. Der Band wird durch ein Glossar zu den wichtigsten Rechtssprüchen und Begriffen abgerundet.

Die glänzend geschriebene und sehr lesenswerte Einführung in das Römische Recht bietet eine der besten Einstiegsmöglichkeiten in dieses Rechtsgebiet, die gegenwärtig erhältlich sind. Sie sollte den "Appetit" wecken, auch einen Blick in die große Darstellung zum römischen Recht von Kunkel/Honsell/Mayer-Maly/Selb zu werfen, die im gleichen Verlag erschienen ist und einer gelegentlichen Neuauflage harrt.

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