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Artikel 6373
Ralf Hansen

BtMG kompakt

Eine Rezension zu:

Ulrich Franke/Karl Wienroeder

Betäubungsmittelgesetz (BtMG)

Kommentar

Reihe: C.F.Müller Kommentar

2. Aufl., Heidelberg: C.F. Müller, 2001, 859 S., 74,- Euro

ISBN 3-8114-6699-2

http://www.cfmueller-verlag.de

Der Band bietet mehr als er verspricht. Er ist zwar „Kommentar" untertitelt, hat aber alle Qualitäten eines guten Handbuches für die Praxis. Der Text konzentriert sich keineswegs allein auf die Kommentierung der Vorschriften des BtMG (Teil II der Darstellung; Teil I enthält den Gesetzestext), sondern bietet in Teil III eine sehr ausgefeilte Strafzumessungslehre speziell für den Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts und in Teil IV eine Darstellung maßgeblicher Fragen des Strafprozeßrechts, soweit sie im Bereich des BtMG von besonderer Relevanz sind. Der Anhang enthält die üblich gewordenen Anlagen zu ergänzenden Vorordnungen und internationalen Übereinkommen. Damit bietet sich der Band geradezu als ideales Kompendium zur Einarbeitung in ein neues richterliches Dezernat (etwa an einer Spezialkammer für Betäubungsmittelstrafrecht eines Landgerichts) an oder auch als Ratgeber für Strafrichter beim Amtsgericht und selbstredend auch zur Vorbereitung einer qualifizierten Verteidigung oder Anklage. Das Werk informiert schnell und kompetent über die maßgeblichen praxisrelevanten Fragen. Berücksichtigt wurden in der zweiten Auflage insbesondere die Regelungen des Dritten Gesetzes zur Änderung des BtmG vom 28.03.2000, die für die Einrichtung von Fixerstuben die gesetzliche Grundlage schufen.

Strafrechtliche Fragen stehen im Zentrum der Kommentierung, so daß das besondere Augenmerk den Erläuterungen zu §§ 29 ff BtMG gelten kann. Bereits die Übersicht über die Darstellung des § 29 BtMG überzeugt, gibt sie doch einen überzeugenden Überblick über alle Grundfragen dieses eher schwierigen Bereichs des Nebenstrafrechts, das allerdings mit Fragen des Kernstrafrechts nicht nur im allgemeinen Teil eng verzahnt ist, da neben eigentlichen „Drogendelikten" auch oftmals Tatbestände des StGB angeklagt sind. Schwierigkeiten bereiten schon vor der eigentlichen Anwendung der deutschen Strafnormen Fragen der Geltung des deutschen Strafrechts im Einzelfall. Nicht wenige Drogenstraftaten werden als Distanzdelikte begangen und reichen vom Einkauf etwa in den Niederlanden über den Transport nach Deutschland zum weiteren Vertrieb in Spanien oder anderswo, gerade etwa bei Extasy. Mangels spezieller Vorschriften gelten die §§ 6 ff StGB, die hier mit Bezug auf das spezifische Geschehen bei Drogenstraftaten erläutert werden, etwa hinsichtlich des weiten Verständnisses des Begriffs „Vertrieb" bei § 6 StGB. Schwer fällt oftmals auch die Abgrenzung von Versuch und Vollendung, da es sich bei zahlreichen Tathandlungsvarianten des BtMG um Unternehmensdelikte handelt, so beim „Handeltreiben" im Gegensatz zur „Einfuhr". Dies wird begrifflich scharf abgegrenzt, die unterschiedlichen dogmatischen Konturen herausgearbeitet. Dies ist umso wichtiger als die Tathandlungsalternativen nicht leicht zu differenzieren und oftmals auch nicht leicht gegeneinander abzugrenzen sind. Unbedingt lesenswert sind die sehr differenzierten Ausführungen zu den oftmals schwierigen Konkurrenzfragen. Interessante Ausführungen finden sich hier etwa zur Bewertungseinheit. Die Kommentierung geht die einzelnen Tathandlungsalternativen durch und unternimmt hier präzise begriffliche Analysen, die sich an der weitverzweigten Judikatur des BGH orientieren. Um einen Aspekt herauszugreifen, sei auf die Erläuterung zur „Einfuhr" hingewiesen. Diese Erläuterung greift auch notwendige zollrechtliche Erwägungen auf, da dieses Tatbestandsmerkmal stets mit dem „Verbringen" auf das Gebiet des Bundesrepublik Deutschland verbunden ist. Hinsichtlich der Problematik der Distanzdelikte werden Probleme der Auslandsberührung bei Täterschaft und Teilnahme sehr eingehend erläutert, nicht zuletzt hinsichtlich der zahlreichen „Kurierfälle", die besonders bei Festnahmen an Flughäfen von sich reden machen.

In kaum einem anderen Bereich des Strafrechts wird die Schwelle zum „Verbrechen" so schnell überschritten wie beim BtMG, da die „nicht geringe Menge" des § 29 a I Nr.2 BtMG recht schnell überschritten wird. Sie begrifflich zu fixieren ist nicht ohne Rückgriff auf biochemisch-medizinische Erkenntnisse möglich. Die nicht leicht zu handhabende Begriffsbestimmung - für die BGH strenge Vorgaben macht - wird hier sehr genau dargelegt. Die genannten Anforderungen prägen insbesondere die Anforderungen in den Feststellungen der erstinstanzlichen Urteile, da entsprechende Begründungsmängel zur Revision geradezu „einladen". Da es erforderlich ist, eine Differenzierung zwischen den einzelnen Rauschgiftarten vorzunehmen, werden diese Tatsachenfragen - deren Klärung i.d.R. die Einschaltung eines Fachgutachters verlangt - sehr präzise abgehandelt. Wer sich mit dem BtMG beschäftigt, kommt um die Beschäftigung mit biochemisch-medizinischen Fragen nicht umhin.

Nicht leicht zu handhaben die demgegenüber noch schwerwiegenderen Verbrechensstufen des § 30 StGB. Soweit oftmals zu hören ist, daß die verhängten Straßmaße der Spezialkammern der Landgerichte zu hoch sind, ist zu berücksichtigen, daß bereits das jeweilige Mindeststrafmaß - etwa bei § 30 I BtMG - bei zwei Jahren liegt und auch der minder schwere Fall im Mindestmaß bei drei Monaten Freiheitsstrafe festgelegt wird. Bei § 30 a BtMG führt dies dazu, daß das Mindestmaß des ersten Absatzes von Jahren dem Höchstmaß des minder schweren Falles entspricht. Da minder schwere Fälle in diesem Bereich von erheblicher Bedeutung sind, werden sie ihrer praktischen Bedeutung nach entsprechend ausführlich gewürdigt. Besonders interessant ist die Kommentierung des § 31 BtMG, einer Art „Kronzeugenregelung", mit der in der Praxis gute Erfahrungen gemacht wurden, die aber im Kernstrafrecht (noch) nicht zur Verfügung steht. Hier kann sich der Angeklagte bei entsprechenden Bemühungen um die Aufklärung von Drogenstraftaten erhebliche Milderungen „verdienen". Gerade Verteidiger müssen sich mit dieser Norm und ihren Möglichketten intensiv auseinandersetzen, auch und gerade, wenn die Beweislage erdrückend ist und eigentlich nur eine „Straßmaßverteidigung" offen steht. Die Kommentierung ist so angelegt, daß sie in der Praxis sofort umgesetzt werden kann.

Für Praktiker von besonderem Interesse ist der Teil III zur Strafzumessung. Hier finden sich Darlegungen zur Strafrahmenwahl, die diesen Kommentar als Handbuch erster Güte ausweisen. So wird etwa der „minder schwere Fall", dessen Annahme eine Frage der Strafzumessung ist, sehr plastisch erläutert und zwar so wie es im Urteil darzustellen ist. Nicht weniger klare Ausführungen finden sich zu § 46 StGB, stets mit Bezug zu den speziellen Anforderungen des Betäubungsmittelstrafrechts. Im vierten Teil finden sich nicht zuletzt sehr klare Darstellungen der Anforderungen an die Urteilsbegründung, die auch unter revisionsrechtlichen Aspekten sehr lesenwert sind.

Kurzum: Es liegt hier ein Kommentar mit handbuchartigen Ergänzungen vor, der höchsten Anforderungen genügt und schnell Klarheit in Einzelfragen schafft.

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