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Artikel 3211
Thomas Franosch

Ist die Karteikartenbox überholt?

Eine Rezension zu:

JurCards
Die Lernsoftware für Jurastudenten und Referendare

Dipl.-Ing. Peter Gendner


ilan software

Version 1.1

www.ilan-software.com

125,- DM


Die Produktinformationen über JurCards machen neugierig und wecken einige Erwartungen. So spricht ilan software von einer intelligenten Karteikarten-Software, die die Zettelwirtschaft beendet. Eine vergleichbare Software, die sich speziell an Jurastudenten und Rechtsreferendare wendet, ist auf dem Markt derzeit nicht erhältlich. JurCards muss sich daher wohl oder übel an den Papierkarteikarten messen lassen. Was auf den ersten Blick eine leicht erreichbare Hürde zu sein scheint, ist zumindest im Bedienungskomfort schwer zu erreichen. Die Software sollte sich im Idealfall daher so einfach wie Papier und Kugelschreiber bedienen lassen und gleichzeitig durch die datenbankgestützte Anwendung eine Menge an Funktionalität aufweisen.

Die Installation des Programms geschieht ohne Probleme und weist keine Besonderheiten auf. Die Hardwareempfehlung kann als etwas zu niedrig angesehen werden. Nach den Erfahrungen auf den Testsystemen ist mindestens ein Pentium 200 mit 32 MB zum flüssigem Arbeiten notwendig. Diese Hardwarevoraussetzungen dürften inzwischen jedoch niemanden mehr vom Kauf abschrecken. Bei der Installation werden die Hilfedateien nicht mit auf die Festplatte kopiert. Dies ist für die Video-Hilfe auch sicherlich sinnvoll, bei der textorientierten Hilfe jedoch schade.

Nach der Installation startet die Karteikartensoftware mit einer Ordnerübersicht. Anhand dieser lassen sich Themengebiete für die Abfragefunktion aussuchen oder neue Karteikarten hinzufügen.

Die einzelne Kartei ist in fünf Punkte (Frage, Antwort, Notiz, Struktur, Statistik) aufgegliedert. Die Frageseite der Karteikarte wird mit einem Schlagwort, ggf. mit entsprechenden Paragraphen und der eigentlichen Frage versehen. Das Schlagwort und das Paragraphenfeld bleiben bei der Antwortansicht stehen, und die entsprechende Antwort lässt sich ergänzen. Die Notizfunktion erlaubt das Hinterlegen von Notizen, welche auch im Abfragemodus Eingaben erlaubt. Des weiteren kann eine Struktur für die entsprechende Karte angelegt werden. Der letzte Punk ist die Lernstatistik zu jeder Karte. Anhand dieser kann der Benutzer seinen Erfolg ablesen. Im Gegensatz zu einer handgeschriebenen Karteikarte ist die Aufgliederung verwirrend, umfangreich und erklärungsbedürftig. Doch so verwirrend wie die geschriebene Erklärung ist das Menü keinesfalls. Die Eingewöhnung erfolgt schnell anhand der 1000 mitgelieferten elektronischen Karteikarten. Diese funktionieren das System jedoch eher zu einem umfangreichen Hypertextsystem um als zu einfachen Fragen und Antworten, die mittels der Karteikarten auswendig gelernt werden sollen. Das Abfragen funktioniert in den bereits bekannten Masken, lediglich die Bearbeitungssymbole werden zum Teil ausgeblendet. Der Autor hat die Möglichkeit, seine Antworten auf einer Skala zwischen eins und zehn zu “benoten“. Auf den ersten Blick ist eine solch differenzierte Bewertung überflüssig, wendet jedoch beim zweiten Blick die Möglichkeiten einer Datenbank ideal an. Eine mit zehn Punkten bewertete Frage wird dem Benutzer nicht mehr gestellt, eine mit “eins“ bewertete Frage wird jedes Mal wiederholt. So bekommt der Benutzer die Karteikarten jeweils in der für seinen Wissensstand passenden Zusammensetzung angezeigt. Selbstverständlich ist auch ein einzelnes Wiederholen von Rechtsgebieten oder das Zurücksetzen einer Statistik ohne weiteres möglich.

Das Karteikartenpaket wird durch viele kleinere Funktionen abgerundet. Definitionen können getrennt eingegeben und mit den Karteikarten verlinkt werden. Eine Druckfunktion ermöglicht den Ausdruck der Fragen und Antworten in verschiedener Art und Weise. Die Hilfefunktion erklärt die Benutzung ausführlich in Texten und wird durch einzelne Videos angereichert. Eine schöne Idee ist die Import- und Exportfunktion, die auch den Karteikartentausch innerhalb von Lerngruppen ermöglicht. Schade ist jedoch, dass Im- und Export eines Standardformates nicht angeboten werden.

Gerade wegen dieser Unzahl an Funktionen trüben einige kleine Mäkel das Bild. Der Import von Daten muss mit dem Ende bestätigt werden. Hier wäre es schöner, das Menü erneut aufzurufen oder mehrere Dateien markieren zu können. Die Tastaturbelegung ist nur eingeschränkt logisch und ein Weiterspringen via Tab-Taste funktioniert an einigen Stellen nicht. Die Farbauswahl, die ein Einfärben der Texte ermöglicht, ist auf Englisch. In der Hilfe werden Begriffe wie z.B. Kommentarbox und Struktogramm vermischt.

Nicht unerwähnt sollte das umfangreiche Suchsystem der Software bleiben. So können Wortteile, Begriffe sowie Paragraphen oder Paragraphenketten schnell und unkompliziert gefunden werden. Für die Zukunft ist von Ilan-Software eine Weiterentwicklung der verschiedenen Softwareangebote zum Dokumentenmangement System geplant. So sollen die kompletten Bedürfnisse für das juristische Lernen und Verwalten abdeckt werden.

Das Programm hinterlässt einen gemischten Eindruck. Viele Teile des Programms sind ideal und mit viel Einfallsreichtum gelöst. Doch insgesamt wäre eine etwas einfacher gehaltene Karteikartensoftware wünschenswert gewesen. Dabei ist nicht der Funktionsumfang, sondern eher das Layout des Programms gemeint. Eine Karteikarte soll helfen, Definitionen bzw. Schemata auswendig zu lernen und nicht ein Skript ersetzen. So könnten die Strukturen gut innerhalb des Antwortfeldes untergebracht werden, das Notizfeld etwas versteckt und die eigentlich Frage-/ Antwortfunktion in den Vordergrund gestellt werden.

125,- DM sind für ein Softwareprogramm sicherlich viel Geld, aufgrund des Funktionsumfangs aber gerechtfertigt. Kaufinteressierten sei empfohlen, die Demo-Version von der Homepage des Software-Herstellers herunterzuladen. Diese ist auf 500 Karteikarten beschränkt, steht der Vollversion ansonsten jedoch – bis auf die nicht vorhandene Hilfefunktion -in nichts nach. Der 12 MB große Download wird sicherlich den Ausschlag für die endgültige Kaufentscheidung geben können. JurCards hat eine breite Funktionsvielfalt und wird sicher viele Anwender zufrieden stellen.

Ob der Benutzer lieber eigene Kartekarten anlegt oder auf die des Softwarehauses vertraut, bleibt jedem selbst überlassen. Der Lerneffekt dürfte bei selbst erstellten Karteikarten höher sein (was jedoch das Programm jurcard genauso bietet wie eigenhändig geschriebene Karteikarten). Die hohe Anzahl an erhältlichen Karten dürfte gerade untere Semester eher überfordern und Examenskandidaten zur Verzweiflung treiben. Hier erscheint es sinnvoll, lieber mit der Zeit einen eigenen Bestandteil aufzubauen und zwischendurch zu ergänzen oder abzuändern. An einigen Stellen scheinen die mitgelieferten Karteikarten außerdem nicht auf dem neuesten Stand.

Ob die traditionelle Karteikartenbox überholt ist, bleibt wohl dem persönlichem Geschmack überlassen. Der eine lernt gerne mit Karteikarten, der andere lieber anhand eines selbst erstellten Skriptes. Der Lerneffekt ist aber sicherlich der gleiche.

Oktober 2001

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