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Artikel 7325
Ralf Hansen

Informationshaftung und Internet

Eine Rezension zu:

Thomas Stadler
Haftung für Informationen im Internet


Berlin, Erich Schmidt Verlag, 2002, 256 S., E 39,-

ISBN 3-503-06647-0

http://www.internet-law.de

Für die Haftungsbegründung hinsichtlich Verletzungen der Rechte anderer im Internet gelten die allgemeinen Vorschriften. TDG und MDStV schränken diese Haftung – nach zutreffender, wenn auch bestrittener Auffassung - allerdings, so dass insoweit gesetzliche Besonderheiten gelten, deren Verständnis zum einen durch die – gesetzlich unvollkommen erfassten – technischen Voraussetzungen, zum anderen durch die Fassung dieser Normen erschwert wird. Der Verfasser, Rechtsanwalt in Freising (http://www.afs-rechtsanwaelte.de) versucht Licht in dieses Dunkel zu bringen, soweit dies durch Auslegung überhaupt möglich ist. Dieser Versuch kann nur als sehr gelungen, jedenfalls aber als sehr lesenswert bezeichnet werden.

Nachdem die wichtigsten Strukturen der Medien des Internets und deren Akteure kurz beleuchtet werden, wendet sich der Verfasser in einem „Allgemeinen Teil„ den Grundfragen der internetrechtlichen Informationshaftung zu, die richtigerweise beim Störerbegriff ansetzt, da die §§ 8 ff TDG und MDStV keine haftungsbegründende Qualität aufweisen, so dass die Frage der Verantwortlichkeit nach allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Vorschriften zu beantworten ist, die von den genannten Normen im Rahmen ihres Anwendungsbereiches eingeschränkt werden. Die auf der EC-RL basierende Neuregelung der §§ 8 ff TDG gegenüber § 5 f TDG a.F. hält Stadler nicht gerade für sensationell, da man die damit erzielbaren Ergebnisse letztlich auch unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze erreichen könnte, zumal man durchaus den Eindruck gewinnen kann, das die Rechtsprechung diesen Normen gern ausweicht. Völlig konsequent fragt Stadler daher, welche Einschränkungen sich bereits aus allgemeinen zivilrechtlichen Prinzipien ergeben können. Damit ist primär die Frage der Störerhaftung angesprochen, da Unterlassungsansprüche im Vordergrund des internetrechtlichen Interesses stehen, da Schadensersatzprozesse bisher recht selten waren. Die Probleme entzünden sich schon am „Mitstörerbegriff„ – etwa im Zusammenhang mit der Haftung von Betreibern von Chat- und Diskussionsforen im WWW - und möglichen Einschränkungen. Die bisher ergangene Rechtsprechung hat konsistente Lösungsansätze kaum ausgearbeitet, bejaht aber weitgehende Überwachungspflichten. Stadler geht recht eingehend auf die einschränkenden Kriterien ein, die insbesondere der BGH (die Parallellage zur polizei- und ordnungsrechtlichen Diskussion etwa im Zusammenhang mit der „Altlastenproblematik„ ist nicht zu verkennen) entwickelt hat und die insbesondere bei Prüfpflichten des Betreibers ansetzt. Hier liegt in der Tat der Schlüssel zur Lösung etwa der Lösung der Probleme der Haftung von Forenbetreibern, da es darauf ankommt, ob ein Verstoß evident ist oder nicht. Liegen keine evidenten Verstöße vor, kommt es darauf an, ob Prüfpflichten nicht oder nur eingeschränkt zumutbar sind, was sich nur anhand von Einzelfällen beurteilen lässt.

Der dritte Teil enthält eine genaue Untersuchung der Verantwortlichkeitsregeln insbesondere des TDG, ergänzend aber auch des MDStV, die seit letzten Sommer wieder gleichlautend sind. Die Probleme beginnen bereits bei der Eröffnung des Anwendungsbereiches des TDG und des MDStV. Stadler schichtet zunächst die Anwendungsbereiche des TDG und des TKG voneinander ab, die sich wegen § 2 IV TDG nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließen, dessen Wille aber im Bereich des Telekommunikations- und Medienrechts nicht immer sonderlich klar gebildet worden zu sein scheint. Interessant sind in diesem Zusammenhang besonders die Darlegungen – die mit der „Düsseldorfer Sperrungsverfügung„ virulent gewordene – zur Anwendung entweder des TDG/MDStV oder des TKG auf Access- und Network - Provider. Die wohl herrschende Auffassung geht davon aus, dass diese Provider § 9 TDG unterfallen. Ohne die Diskussion hier völlig nachzeichnen zu wollen, wendet Stadler dem gegenüber mit einer sehr interessanten, technisch-funktional orientierten Argumentation ein, dass es sich insoweit um Telekommunikationsanlagen nach § 3 Nr. 17 TKG handelt und damit das TKG einschlägig ist, so dass insoweit eine gesetzgeberische Fehlleistung vorliegt. Diese Auffassung hat sich bisher nicht durchgesetzt, hat aber viel für sich. Nicht weniger problematisch ist die Abgrenzung von Tele- und Mediendiensten, die entgegen der gesetzgeberischen Konzeption letztlich in Grenzbereichen nicht durchführbar ist, da gerade bei den Medien des Internets die herkömmlichen Unterscheidungen zwischen Individual- und Massenkommunikation verschwimmen, die einer einerseits § 2 TDG, andererseits § 2 MDStV zugrunde liegen, weshalb mangels klarer gesetzlicher Abgrenzungskriterien weithin zu einer presserechtlich-funktionalen Abgrenzung gegriffen wird, die sich ehrlicherweise von den Eröffnungsnormen dieser beiden Regelungsmaterie weit entfernt hat. Sie stellt – dem Verfasser ist zuzustimmen – allerdings die einzige halbwegs zufriedenstellende Abgrenzungsmöglichkeit dar.

Der Schwerpunkt dieses Teiles liegt allerdings auf einer Klärung des Inhalts der §§ 8 – 11 TDG, die kommentarähnliche Züge trägt. Besonders wichtig ist schon der Hinweis, dass § 8 II 2 TDG Unterlassungsansprüche nunmehr aus dem Anwendungsbereich der §§ 8 ff TDG ausklammert, so dass insoweit auf die allgemeinen Regeln zurückzugreifen ist, wobei allerdings das Problem besteht, das § 8 II 1 TDG Prüfpflichten für Access- und Hostprovider verneint. Dies wird oft übersehen, rückt aber das Problem der Einschränkung der Mitstörerhaftung nach allgemeinen Regeln wieder in das Zentrum des Interesses. Die Neuregelung ist einerseits nicht ohne Kenntnisse zur alten Fassung in § 5 TDG verständlich, andererseits nicht ohne Befassung mit der EC-RL, die die Neuregelung bis in die letzten Einzelheiten prägt. Stadler weist insbesondere auf den Wertungswiderspruch zwischen § 8 II 1 TDG und § 11 TDG hinsichtlich der (sehr umstrittenen) Überwachungspflichten eines Hostproviders hin, die letztlich nur im Rückgriff auf Art. 14 EC-RL gelöst werden können. Diese Norm ist aber selbst in sich widersprüchlich, da einerseits eine proaktive Überwachungspflicht verneint wird, jedoch gleichzeitig die Statuierung wenigstens künftiger Überwachungspflichten ermöglicht. Die deutsche Rechtsprechung orientiert sich derzeit eindeutig in Richtung einer Anwendung der allgemeinen Regeln bei sehr weitreichenden Überwachungspflichten, etwa bei der Haftung von Forenbetreibern. Die damit zusammenhängenden Probleme sind praktisch wie dogmatisch derzeit ungelöst. Dies wird letztlich noch durch die Regelung des § 8 I TDG gesteigert, der für Content - Provider auf die allgemeinen Regelungen Informationen verweist, aber die Frage nach der Qualifikation von Inhalten als eigene aufwirft, die in Grenzbereichen schwer durchzuführen ist. Stadler orientiert sich insoweit angesichts der weitreichenden Haftungsprivilegierung für das Vorhalten fremder Inhalte eng an der Systematik des Gesetzes und lehnt eine vorschnelle Gleichsetzung über das fragwürdige Konstrukt des „Zueigenmachens„ pointiert ab. Die Konturen dieses Zurechnungselements will er anhand einer objektiven und einer subjektiven Komponente klären: es soll erforderlich sein, dass der Diensteanbieter Informationen so gezielt in das Netz stellt, das nach dem Verständnis eines verständigen Durchschnittsnutzers von einem eigenen Informationsangebot ausgegangen werden muss. Dies ist bei bewusster Verantwortungsübernahme stets der Fall.

Im Gegensatz zu § 5 TDG a.F. sind die §§ 9 – 11 TDG eher technisch orientiert. Als wenig glücklich sieht der Verfasser § 9 TDG an, da Access- und Network - Provider sowie Router nach seiner Auffassung dem TKG unterfallen und auch im übrigen der Gesetzgeber diese Provider von einer Haftung freistellt, die nach allgemeinen Regeln schon nicht begründbar ist, weil sie Informationen nur durchleiten, auf die sie selbst keinen Einfluss haben. Ungeachtet dessen geht er auf die in der Literatur vertretenen Ansätze ebenso intensiv ein wie zum in § 10 TDG geregelten Caching. Besonders prekär sind die Probleme beim in § 11 TDG geregelten Hosting, da insoweit schon eine gewisse Sprachverwirrung herrscht, da der Content-Provider im Verhältnis zu seinen Nutzern Diensteanbieter und im Verhältnis zu seinem Host Nutzer ist. Dies ändert nichts daran, dass es für einen Host erhebliche Probleme bereiten wird, feststellen zu müssen, ob gehostete Sites rechtwidrige Inhalte aufweisen. Stadler spricht die Auslegungsprobleme des § 11 S.1 Nr.1 TDG denn auch deutlich an, da sehr unklar ist wie die Haftungsbeschränkung auf Fälle grober Fahrlässigkeit zu verstehen ist. Klar ist jedoch, dass Host-Provider nicht aktiv nach rechtswidrigen Inhalten suchen muss. Die Frage ist die Frage nach der Grenze zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit bei Kenntniserlangung von derartigen Inhalten oder darauf hindeutender Tatsachen, so dass sich das Anwendungsproblem im Hinblick auf grob fahrlässiges Unterlassen gebotener Maßnahmen verschärfen wird.

Teil 4 enthält vier interessante Einzelstudien. Zunächst eine Abhandlung über Sperrungsanordnungen gegenüber Access-Providern. Die Problematik entzündete sich an der Sperrungsverfügung der Bezirksregierung Düsseldorf nach § 22 MDStV gegenüber Access-Providern, die die Durchleitung neonazistischer Inhalte vornahmen, deren Sperrung von ihnen verlangt wurde (näher: http://www.odem.org). Die betreffenden Ordnungsverfügungen wurden nach § 80 II Nr.4 VwGO wegen des Überwiegens des öffentlichen Interesses an einem Vollzug für sofort vollziehbar erklärt, so dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hatten. Inzwischen hat es im Verfahren nach § 80 V VwGO eine ganze Reihe von Entscheidungen erster Instanz gegeben (http://www.artikel5.de). Vor diesem Hintergrund hat diese Abhandlung nach wie vor einige Brisanz, die bereits daran scheitert das der Access-Provider – auf den nach Stadlers Auffassung ohnehin nur das TKG angewendet werden kann -, eine wirkliche Sperrung nicht vornehmen kann, sondern nur seine eigenen Kunden von der Anwendung ausschließt, die leicht überwunden werden kann, zumal damit der Datenfluss insgesamt beeinträchtigt werden kann, so dass die Maßnahme insgesamt unverhältnismäßig ist. Dem ist insbesondere mit der bisher ausführlichsten Begründung das VG Düsseldorf nicht gefolgt.

Nicht weniger interessant ist die Studie zur Linkhaftung, die der Verfasser inzwischen präzisiert hat: http://www.jurpc.de/aufsatz/20030002.htm. Eine weitere Fallstudie gilt der Haftung von Betreibern von Suchwerkzeugen als Mitstörer und der Haftung des Host-Providers für die Bereitstellung der Möglichkeiten eines Downloads rechtswidriger Musikdateien, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.

Das Buch zählt zu den interessantesten internetrechtlichen Veröffentlichungen des Jahres 2002 und stellt für den Interessierten eine überaus anregende Lektüre dar, die sich anhand der hoffentlich bald folgenden Neuauflage fortsetzen lässt.

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