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Artikel 5803
Dr. Martin Bahr

Gelungene Darstellung zum Internet-Arbeitsrecht

Eine Rezension zu:

Wolfgang Däubler

Internet und Arbeitsrecht


2. Auflage

Bund-Verlag, Frankfurt a.M. 2002, 293 S., 22,90 €
ISBN 3-7663-3367-4

http://www.bund-verlag.de


Däubler ist Professor für u.a. Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht an der Universität Bremen. Mit dem vorliegenden Band aktualisiert er sein Werk aus dem Jahre 2000 und bringt es - mit wenigen Abstrichen - auf den aktuellen Stand.

Erstaunlich ist, dass die arbeitsrechtliche Literatur das Thema "Internet und Arbeitsrecht" nach wie vor außerordentlich stiefmütterlich behandelt. Der Däubler ist, soweit ersichtlich, der einzige Band auf dem Markt mit einem derartigen Schwerpunkt.

Dabei ist gerade dieser Bereich des Internet-Rechts weitgehend gerichtlich ungeklärt - und zugleich von hoher Praxisbezogenheit. Anfänglich war der Rezensent skeptisch, ob diese Materie ein eigenes Buch rechtfertigt. Oder ob es nicht viel mehr ausgereicht hätte, in einer allgemeinen arbeitsrechtlichen Darstellung ein Extra-Kapitel einzufügen.

Aber schon ein kurzer Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt schnell, dass diese Befürchtungen unbegründet sind. Es gibt derartig viele ungeklärte, noch nicht einmal gedanklich erfasste Probleme in diesem Bereich, dass die vorliegende Abhandlung ihre volle Berechtigung hat.

Nach einer allgemein gehaltenen Einführung (Was kann das Internet? Welche Auswirkungen ergeben sich auf die Arbeit?) widmet sich Däubler zunächst der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen die Einführung von betrieblichen Internet-Anschlüssen arbeitsrechtlich erlaubt ist. Er beleuchtet diese Problem einmal aus Arbeitgebersicht (Direktionsrecht als Grundlage), das andere Mal aus Arbeitnehmersicht (Anspruch auf einen Internetanschluss i.S. einer Weiterqualifizierung?). Einher gehen die Beteiligungsrechte des Betriebs- und Personalrats. Der Abschnitt endet mit arbeitsschutzrechtlichen Erörterungen (BildschirmarbeitsVO) und Ausführungen zur Arbeitszeit, da gerade in der IT-Branche häufig hohe zeitliche Belastungen für Arbeitsnehmer (z.T. bis zu 100 Stunden/Woche) auszumachen sind.

Der nächste Abschnitt setzt sich mit der unerlaubten privaten Nutzung des Internetanschlusses und anderen Pflichtverstößen des Arbeitnehmers auseinander: Ist der Empfang von privaten E-Mails erlaubt? Wenn ja, darf der Arbeitgeber vollumfänglich mitlesen oder muss er sich auf Stichproben begrenzen? Rechtfertigt der unerlaubte Empfang von privaten Mails eine außerordentliche Kündigung? Kann der Arbeitgeber seine einmal erteilte Erlaubnis der privaten Nutzung widerrufen? Und, juristisch noch weitaus interessanter: Kann sich der Arbeitnehmer der angewiesenen Nutzung von Mails verweigern?

Es zeigt sich, dass hier fast alle Fragen noch gerichtlich ungeklärt sind und auch die Literatur dazu kaum oder nur sehr punktuell sich bislang geäußert hat. Daher ist Däubler großes Lob für seine klare und leicht nachvollziehbare Darstellung zu zollen. An dieser Stelle zeigt sich ein großer Vorteil dieses Bandes: Der Autor ist auf eine laiengerechte Aufbereitung des komplexen Stoffes bedacht. Däubler ist, auch durch andere Publikationen, bekannt dafür, dass seine Ausführungen auch dem Nichtjuristen verständlich sein sollen. Dies ist auch Internet und Arbeitsrecht anzumerken.

Der nächste Abschnitt setzt sich mit dem Kontrollpotential des Arbeitgebers und seiner Begrenzung durch den Arbeitnehmerdatenschutz auseinander. Däubler stellt die interessante Frage, ob telekommunikationsrechtliche Normen (TKG, TDG, TDDSG) auch im Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Die durch die neuen technischen Möglichkeiten potentierte Gefahr des Kontrollmissbrauchs durch den Arbeitgeber ist Thema der nachfolgenden Teile.

Die Beliebtheit von Intranets nimmt in der Praxis immer mehr zu. Auch hierzu äußert sich Däubler: Welche Arbeitnehmerdaten dürfen ins Netz gestellt werden (Foto, persönliche Daten)? Dürfen diese auch an ausländische Niederlassungen übertragen werden? Was ist z.B. mit konzernverbundenen Unternehmen?

Mit den neuen Medien geht auch eine langsame Veränderung der Arbeitsverhältnisse einher. So präsentiert der Verfasser das neue (?) Phänomen von ausgelagerten Arbeitsplätzen und welche Konsequenzen (Scheinselbständigkeit, Betriebszugehörigkeit, Arbeitsschutz) sich hieraus ergeben. Auch das praktische Beispiel des grenzüberschreitenden Internet-Arbeitsverhältnisses wird dargestellt.

Däubler ist für seine besondere Gewerkschaftsnähe bekannt. Ein Schwerpunkt der nachfolgenden Ausführungen liegt daher im kollektiven Arbeitsrecht. Auch hier zeigt sich schnell, das praktisch nahezu sämtliche Probleme gerichtlich ungeklärt sind: Hat der Betriebsrat oder die Gewerkschaft einen Anspruch auf einen PC? Auf eine Homepage? Auf einen Internetanschluss? Darf die Gewerkschaft das Internet und das Intranet für eigene Zwecke nutzen? Ist das Zusenden von gewerkschaftlichen Informationen an die dienstliche Mail-Adresse des Arbeitnehmers erlaubt?

An manchen Punkten sind die Lösungen von Däubler ein wenig zu apodiktisch. Gerade bei der Abwägung der verfassungsrechtlichen Schützgüter des Arbeitgebers mit denen der Gewerkschaften ist die Lösung sehr skizzenhaft. Der Leser bekommt hier den Eindruck, dass an eins, zwei Stellen die Wertungen ein wenig zu einseitig vorgenommen werden. Aber, das sei hier auch gesagt, die Thesen und Ansichten von Däubler sind trotz allem stets nachvollziehbar und in sich stimmig. Es handelt sich um streitbare Aussagen, die die Basis für eine produktive thematische Auseinandersetzung begründen.

Der letzte große Bereich des Bandes befasst sich mit den Ideen-Schutzrechten des Arbeitnehmers (Arbeitnehmer-Erfindungsrecht, Urheberrecht, Geschmacksmuster und sonstige Schutzrechte).

In einem Zusatz gibt Däubler umfangreiche Hilfestellungen zu Inhalten von Betriebsvereinbarungen. Im Anhang befinden sich zudem zahlreiche nützliche Adressen und Links.

Gesamteindruck:
Ein insgesamt überzeugendes Werk. Trotz seiner laiengerechten Sprache und Darstellung verzichtet der Autor nicht auf den wissenschaftlichen Tiefgang. Dies belegt nicht nur das zehnseitige, kleingedruckte Literaturverzeichnis, sondern auch die zahlreichenden weiterführenden Fundstellen in den Fußnoten. Ein kleiner Wermutstropfen ist lediglich die Tatsache, dass dieser Band noch nicht die Schuldrechtsreform berücksichtigt. Ein Fehler, den man aber verzeihen kann, da die Reform-Neuerungen auf die besonderen, in diesem Werk erörterten Probleme nur wenig Auswirkung haben.

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