Herzlich willkommen auf jurawelt.com

Zur neuen Webseite: jurawelt.com

Zum Forum: forum.jurawelt.com


Artikel 3991
Martin Bahr

Internet-Recht – leicht gemacht für Jedermann / Jederfrau

Eine Rezension zu:

Fritjof Börner / Michael Rath / Markus Sengpiel u.a.

Der Internet Rechtsberater

Rechtsfragen und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten

2. Auflage

Bundesanzeiger Verlag, Köln 2002, 216 S., 45,- €
ISBN 3-89817-009-8


Als ich das Buch in den Händen halte, bin ich skeptisch: Umschlag und Layout wirken auf den ersten Blick eher populärwissenschaftlich. Auch die Schriftgröße – Times New Roman, 15 Pt. – trägt bei mir zu diesem Eindruck bei. Ein kurzer Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt, daß sich die Autoren viel vorgenommen haben. Sämtliche rechtlichen Problemkreise sollen dabei angesprochen werden – und das auf nur 216 Seiten! Kopfschütteln, das kann doch nicht sein! Andere Bücher haben dafür schon vor Jahren weit über 500 Seiten benötigt – und seitdem haben die rechtlichen Streitigkeiten noch zu-, denn abgenommen.

Um es vorweg zu nehmen: Mein erster Eindruck hat mich gewaltig getäuscht! Seit Jahren hat mich kein Buch für den Bereich des Online-Rechts mehr so überrascht und beeindruckt – lassen wir einmal Hoerens Internet-Rechts-Skript (kostenloser Download unter http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren) und Strömers Online-Recht beiseite.

Was den Autoren durchgehend gelingt, ist die bewußt knappe und dennoch detaillierte Beschreibung der betreffenden Rechtsfragen. Sämtliche Entscheidungen und Literatur-Fundstellen sind hochaktuell und nach absoluter Praxisrelevanz ausgesucht.

Neben den o.g. Büchern von Hoeren und Strömer ist es das Einstiegswerk für alle Interessierten. In einem lockeren, leicht lesbaren Stil gelingt den Autoren, sowohl Juristen als auch Nichtjuristen die z.T. recht komplexe Materie zu vermitteln.

Für Fortgeschrittene oder Kenner des Internet-Rechts ist das Buch weniger zu empfehlen, da es – bedingt durch seine Kürze – keine Spezialfragen vertieft. Dies ist aber auch nicht die Absicht der Autoren, was sie ausdrücklich im Vorwort betonen: „Die 2. Auflage des Internet-Rechtsberaters soll (...) versuchen, die wichtigsten Fragen aktuell zu beantworten und dem Praktiker den Einstieg in diese spannende Materie zu vereinfachen.„

Dies gelingt den Autoren uneingeschränkt.

Im einzelnen umfaßt das Buch neben der Einleitung fünf große Teilbereiche:

    (1) Domain – Namen
    (2) Provider-Verträge
    (3) Geschäftsverkehr über das Internet
    (4) Spezielle Rechtsfragen
    (5) Steuerrechtliche Problembereiche (Umsatz-, Ertragsteuer)

(0) Einleitung:
Auf 8 (!) Seiten besprechen die Autoren die Grundlagen des Internets, d.h. seinen geschichtlichen Ursprung, seinen technischen Hintergrund und seine Organisation. Es werden wichtige Begriffe wie DNS, TCP/IP, Top-Level-Domain usw. erläutert. Im Rahmen der Internet-Organisation werden die DENIC, ICANN und die Netiquette angesprochen.

Es folgen die Ausführen zur Kommerzialisierung des Internets. Wie hat diese begonnen? Wie ist der momentane Stand? Welche Zukunftsperspektiven gibt es? Das ganze wird durch mehrere Abbildungen anschaulich vertieft.

Schon die Einleitung zeigt, welches Konzept dieses Buch verfolgt. Hier wird in der gebotenen Kürze alles Notwendige erläutert, ohne willkürliche Lücken zu produzieren. Auf langatmige wissenschaftliche Erörterungen und Diskurse wird bewußt verzichtet. Dennoch verlieren die Autoren nicht ihren hohen Anspruch aus dem Auge, umfassend über die momentane Internet-Rechtslage zu informieren.

(1) Domain-Namen
Auf nur 16 Seiten werden sämtliche Problembereiche im Domain-Recht angesprochen.

Das Kapitel beginnt mit den Prinzipien der Namensvergabe: Welche Stelle ist zuständig (DENIC)? Welche Arten von Domains gibt es (generische und nationale)? Wie ist die momentane Vergabepraxis?

Es schließt sich das Problem des Domain-Grabbings und der schiedsgerichtlichen Verfahren bei der ICANN an. Trotz aller Kürze fehlt z.B. nicht der rechtsvergleichende Hinweis, daß in den USA das „Anticybersquatting„-Gesetz im Jahre 1999 in Kraft getreten ist, das das Domain-Grabbing bekämpfen soll. Hinsichtlich der ICANN-Verfahren wird der direkte Link zu den Streitentscheidungen der jeweiligen ICANN-Gerichte genannt und auch weiterführende Literatur in den Fußnoten aufgelistet.

Es folgen Erörterungen zu dem Bereich „Schutz eines Kennzeichens, Namens oder einer Marke gegen die Nutzung als Domain„. Hier gelingt den Autoren wahrhaftig Grandioses: Kurz und dennoch detailliert beschreiben sie diese hochkomplexe Materie! Im Namensschutzrecht wird die Rechtsprechung zu Städtenamen und Namen von Gebietskörperschaften, zu Unternehmens-kennzeichen, zu den Voraussetzungen eines Markenschutzes und einer Verwechslungsgefahr schwerpunktmäßig anhand des Marken- und Wettbewerbsrechts herausgearbeitet. In den Fußnoten werden wiederum vorbildlich die wegweisenden Urteile und Aufsätze genannt. Seine Aktualität beweist das Buch, indem es im Rahmen der Zulässigkeit von Gattungsbegriffen das grundlegende Mitwohnzentrale-Urteil des BGH berücksichtigt. Es schließen sich die „Ansprüche des Domaininhabers gegen deren unberechtigte Nutzung„, die Erörterungen hinsichtlich der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in eine Domain und kennzeichenrechtliche Einzelfragen (z.B. Verwendung von META-Tags) an.

Spätestens am Ende dieses Kapitel steht für den Leser fest: Die Autoren verstehen ihr Handwerk und erreichen ihr gestecktes Ziel locker. So manch anderes Buch, das ich zu diesem Thema gelesen habe, hat nicht dieses umfassenden Inhalt. Und wenn doch und nach Lesen von mehreren hundert Seiten wird einem klar, daß sich in Einzelprobleme verloren wird – der rote Faden, wo war er gleich noch? Nicht so dieses Buch! Einzig Strömers Online-Recht kann hier mithalten, ist jedoch aufgrund des Erscheinungsdatums (1999) z.T. erheblich veraltet.

(2) Provider-Verträge:
Der kongeniale Schreibstil setzt sich auch im 2. Kapitel fort. Dieser Abschnitt teilt sich in drei große Bereiche: (a) Verträge des Anwenders mit Access-Providern, (b) Verträge zwischen Anwender und Content-Provider und (c) der Homepage-Erstellungsvertrag.

(3) Geschäftsverkehr im Internet:
Kapitel 3 – Geschäftsverkehr im Internet – widmet sich zunächst dem Vertragsschluß im Internet. Manko: Das Buch berücksichtigt noch nicht die aktuelle ricardo-Entscheidung des BGH, sondern geht von der entgegengesetzten Ansicht des OLG Hamm (JZ 2001, 764) aus. Dies ist aber nicht auf Schlampigkeit der Autoren zurückzuführen, sondern auf die Tatsache, daß Drucklegung des Buches November 2001 war und die BGH-Entscheidung erst am 07.11.2001 fiel.

Leichter Wermutstropfen ist auch, daß die Ausführungen zur E-Commerce-RiL und zur Schuldrechtsreform ebenfalls nur auf dem Stand 11/2001 und danach nur auf einem vorläufigen status quo sind. Die Autoren konnten nur die entsprechenden Regierungsentwürfe berücksichtigen, was der Qualität des Buches eine, wenn auch nur geringe, qualitative Einbuße bringt. Hier wäre es zu empfehlen gewesen, bis Januar 2002 zu warten und den abschließenden Gesetzestext zu berücksichtigen. Richtig tragisch ist dieser Umstand dennoch nicht, nehmen die Autoren doch Bezug auf die jeweiligen Entwürfe und erläutern anhand dieser mögliche Konsequenzen.

Welche Bandbreite auch dieses Kapitel hat, mag folgende Aufzählung darlegen. Es werden im einzelnen angesprochen: Vertragsschluß über das Internet, Auktionen im Internet, Zugang von Willenserklärungen, Geschäftsfähigkeit, Stellvertretung, Schriftform, Anfechtung, Einbeziehung von AGB und Verbraucherschutzgesetzen (FernAbsG, VerbrKG, HWiG, § 241a BGB, § 661a BGB), Gerichtsstand, anwendbares Recht, werberechtliche Problem und Spam-Mails.

(4) Spezielle Rechtsfragen:
In diesem Kapitel werden alle bisher unerörtert gebliebenen Rechtsfragen geklärt:

- Digitale Signatur
- Verantwortlichkeit nach TDG / MDStV
- Link-Haftung
- Urheberrecht und Internet

Auch hier beweist das Buch wieder Aktualität, indem es nicht unerwähnt läßt, daß eine Novellierung des UrhG beabsichtigt ist und welche Tendenz (Stärkung des Urhebers und Künstlers ggü. den Verwertern) dieses Vorhaben hat.

Weitere Punkte sind:

- Jugendschutz und freiwillige Selbstkontrolle
- Strafrecht
- Rundfunk Online
- Persönlichkeitsrecht

Im Bereich „Rundfunk Online„ wird z.B. die Frage nach der Erhebung von Rundfunk-Gebühren auch für Computer beantwortet.

(5) Steuerrechtliche Problembereiche (Umsatz-, Ertragssteuer):
Der letzte große Bereich ist dem Steuerrecht (Umsatz- und Ertragsteuer) gewidmet.

Hier gewinnt das Buch vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen außerordentliche Praxis: Was gilt es z.B. beim immer mehr an Bedeutung gewinnenden Geschäftsmodell Application Service Providing (ASP) zu berücksichtigen? Wie funktioniert der Vorsteuerabzug im E-Commerce? Wie geht die Steuererhebung vonstatten? Wie ermittelt und bestimmt sich die Betriebseigenschaft eines Servers?

Gerade dieses Kapitel zeigt, aus welchem Bereich die überwiegende Anzahl der Autoren kommt. Der Großteil ist bei dem Consulting-Dienstleister Andersen-Legal tätig und hat daher in der täglichen Praxis auch mit betriebswirtschaftlichen Problemen zu tun.

Das Buch schließt mit Glossar, Schlagwort-Index und Autoren-Verzeichnis. Besonders positiv ist, daß die Autoren ihre E-Mail angegeben haben, so daß ein unmittelbarer Kontakt möglich ist. Leichter Wermutstropfen: Es geht nicht sofort und klar hervor, welcher Autor welchen Bereich verfaßt hat. Dies erschließt sich erst, wenn man die jeweilige Tätigkeitsbeschreibung durchgelesen hat. Dies sollte man in der nächsten Auflage auf jeden Fall verbessern!

Gesamteindruck:
Ein absolutes Muß für alle, die ein gutes, aktuelles Einsteiger-Buch für das Online-Recht suchen. Fortgeschrittene oder Personen, die spezielle Detail-Probleme erörtert haben wollen, sollten aber lieber nach einem anderen Ausschau halten. Die bewußt knappe Beschreibung der betreffenden Rechtsfragen und die absolute Aktualität machen es zu einem qualitativ sehr hochwertigen Werk, so daß der doch relativ hohe Preis von 45,- € für nur ca. 200 Seiten mehr als berechtigt ist.

Impressum | Datenschutz